Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Waw

11.

»Aus dem Hause tratst du - sprach Er -
Um den Neumond zu erspähen;

Sollst vor meiner Brauen Monde
Schämen dich und weiter gehen.

Schon durch Lebensfrist gefangen.
Weilt dein Herz in meinen Haaren:

Lass es nicht an Sorge fehlen
Deine Freunde gut zu wahren

Gib für's Inder-Haar des Freundes
Nicht des Geistes duft'ge Gaben:

Dort sind hundert Moschusnabel
Um ein halbes Korn zu haben!

Auf dem alten Feld der Erde
Wird der treuen Liebe Samen

Wohl erst dann zum Vorschein kommen,
Wenn der Ernte Tage kamen.

 Schenke, bringe Saft der Reben,
Denn ich will dir etwas sagen

Von des alten Stern's1 Geheimniss,
Und des Neumond's Reisetagen.

»Am Beginne jeden Monats
Lässt der neue Mond uns sehen

Was mit Siamek's Tiare
Und der Krone Schew's geschehen.«2

Eine sich're Burg der Treue
Ist, Hafis, des Wirthes Schwelle:

Geh' und lies der Liebe Kunden,
Er erklärt dir jede Stelle.
 

1 D.i. Des Mondes.

2 D.h. Wie vergänglich und wechselnd Alles hienieden sei. - Siamek, Sohn des altpersischen Königs Kejumers aus der Dynastie der Pischdadier, der vor seinem Vater starb und daher seine Hoffnung auf die Krone nicht erfüllt sah. - Schew, ein ritterlicher Fürst aus vorbesagter Dynastie, nach Einigen ein Bruder des Helden Rustem. - Der Dichter bringt den Neumond mit der persischen Tiare in Verbindung, weil diese eine ihm ähnliche Form hatte.

 

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