Mohammed Schemsed-din Hafis

(Übersetzung: Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau)


Aus: Buchstabe Elif

7.

Mit der Jugend Reizen pranget
Abermals der Gartenhain,

Und von Rosen frohe Kunde
Trifft bei'm süssen Sprosser ein.

Trägt dich zu der Wiese Kindern1,
Morgenwind, dein leichter Fuss,

Bring' dem Königskraut, der Rose
Und Zipresse meinen Gruss!

Schmeichelt sich des Weinwirth's Knabe
Gar so freundlich bei mir ein,

Fege ich mit meinen Wimpern
Ihm das Thor der Schenke rein.

Du, der einen Ambra-Schlägel
Trägt auf seinem Mondgesicht,2

Mache zum geschlag'nen Manne
Mich, dem so schon schwindelt, nicht!

 Ich befürchte, jenes Völklein,
Das der Hefentrinker lacht,

Ist es, das zu wüsten Zwecken
Gar den Glauben dienen macht.

Sei ein Freund der Männer Gottes,
Denn die Arche Noë's hegt

Einen Staub, der auf die Sündfluth
Nicht den Werth des Tropfens legt.3

Du, dess letzte Schlummerstätte
Aus zwei Handvoll Staub besteht!

Wesshalb bauest du Paläste,
Bis zum Himmelsrand erhöht?

Fliehe aus des Himmels4 Hause
Und begehr' von ihm kein Brod:

Dieser Unhold schlägt am Ende
Alle seine Gäste todt.

O mein Mond aus Kanaan's Fluren!
Dir gebührt Egyptens Thron;

 Deinen Kerker zu verlassen
Nahte wohl die Stunde schon.5

Welchen schwarzen Vorsatz nähre
Deine Locke, weiss ich nicht,

Da dein Moschushaar sich wieder
So verwirret und verflicht.6

Trinke Wein, Hafis, und schwelge
Und geniess' der Lust! - allein

Lass nicht And'ren gleich den Koran
Des Betruges Fallstrick sein!
 

1 D.i. Zu den Blumen.

2 Der Ambraschlägel sind die duftenden Locken und das Mondgesicht ist gleichsam der Ball dieses Schlägels. - Der Schlägel zum Ballspiele hat an seiner Spitze ein gekrümmtes Häkchen, daher der Vergleich mit der Locke.

3 Unter dem Staube wird der aus Staub geformte Mensch, hier Noah, der Mann Gottes, verstanden. - Der Sinn dieser Stelle ist: Sei fromm, denn in der Arche befindet sich ein Staub (ein Mensch, Noah nämlich), dem die ganze Sündfluth nicht einen Tropfen Wassers werth ist, d.i. der sie nicht achtet, nicht fürchtet, weil er ein frommer Mann ist.

4 Himmel und Schicksal sind dem Orientalen gleichbedeutende Begriffe. Der Sinn dieses Satzes ist demnach: Misstraue dem Geschicke!

5 D.h. Du, so reizend wie der ägyptische Joseph! Schon ist es Zeit, dass du aus deiner Verborgenheit hervortrittst und die Herrschaft im Ägypten meines Herzens übernimmst.

6 D.h. Da sich dein Moschushaar wieder verwirrt, so befürchte ich, dass du die Absicht hegst, auch mich dadurch zu verwirren.

 

zurück