Als ich zu einer andern Zeit
im Gebete war, vernahm ich plötzlich sehr huldreiche Worte und er sprach:
Meine Tochter, weit theurer mir, als ich dir, mein geliebter Tempel, das
Herz des allmächtigen Gottes ruhet auf deinem Herzen. Und zugleich mit
diesen Worten kam mir eine gar süße Empfindung, wie ich sie niemals
empfunden habe; denn sie durchdrang alle meine Glieder; und während dessen
lag ich da. Und er sprach wiederum: die Liebe des allmächtigen Gottes
ruhet auf dir, mehr als auf ein Weib dieser Stadt; er findet sein
Wohlgefallen an dir und deiner Genossin. Bemühet euch, daß euer Leben ein
Licht sei für alle, die darauf achten wollen; für die aber, die nicht
darauf achten werden, wird es ein strenges und hartes Gericht sein. Und
meine Seele begriff, daß dieses strenge Gericht mehr über die Gelehrten,
als über die Ungelehrten ergehen werde; denn sie verachten diese Wirkungen
der göttlichen Gnade in einfältigen Seelen, obgleich sie selbe aus der hl.
Schrift könnten kennen lernen.
Und er fügte hinzu: So groß ist die Liebe des allmächtigen Gottes gegen
euch, daß er beständig bei euch verweilt; und wenn ihr auch nicht solche
Empfindung davon habt, so ruhen doch seine Augen auf euch. Und es schien
mir, als sähe ich mit den Augen meines Geistes die Augen Gottes, und ich
empfand dadurch eine größere Wonne, als ich auszusprechen vermag, und es
thut mir leid, daß ich es jetzt gewissermaßen zum Spotte sage. War nun
auch diese Wonne groß, so kehrten doch meine Sünden mir ins Gedächtniß
zurück, und es schien mir, als sei nichts Gutes an mir und als habe ich
nie etwas gethan, was Gott wohlgefällig sein könnte. Es fliegen aber
Zweifel in mir auf, weil mir so große Dinge gesagt wurden, und ich sprach:
Wenn du, der du zu mir redest, der Sohn des allmächtigen Gottes wärest,
müßte dann meine Seele nicht eine größere Wonne haben, als sie hat? denn
ich vermöchte ja die Wonne deiner Gegenwart in mir nicht zu ertragen; und
dazu bin ich dessen ja so gar unwürdig. Und ich erhielt die Antwort: Weil
ich nicht will, darum hast du jetzt keine größere Wonne; aber eine größere
ist dir bereitet; wisse die ganze Welt ist voll von mir. Und ich sah, daß
eine jegliche Creatur von ihm erfüllt war. Und er sprach zu mir: Ich
vermag alles, auch daß du mich siehst, wie ich mit den Aposteln gewandelt
bin, ohne aber meine Gegenwart zu empfinden. Das sprach er aber nicht mit
Worten, wie wir sie sprechen. Aber meine Seele verstand, daß er also
redete und noch weit Erhabeneres, und erkannte die vollkommene Wahrheit
desselben.
Auf daß er aber erkläre, ob es wahr sei, was er sprach, rief meine Seele
aus: Wenn es denn wahr ist, daß du der allmächtige Gott bist, und das wahr
ist, was du sagst, so gieb mir, da es so erhabene Dinge sind, ein Zeichen,
auf daß ich sicher sein kann, und befreie mich von allem Zweifel. Und ich
bat, er möge mir ein körperliches Zeichen geben oder sagen; z. B. er möge
mir ein Licht, oder einen Edelstein, oder sonst etwas anderes in die Hand
geben. Oder er möge mir jedes andere beliebige Zeichen geben, und ich
versprach, es niemanden zu zeigen, als wem er wolle, daß ich's zeigen
soll. Und er antwortete: das Zeichen, welches du begehrst, würde dich bloß
erfreuen, wenn du es sähest oder berührtest; aber den Zweifel könnte es
dir nicht benehmen, und durch ein solches Zeichen könntest du betrogen
werden. Ich will dir aber ein besseres Zeichen geben, als das, welches du
begehrst; und dieses Zeichen wird immerdar bei dir sein, innerlich in
deiner Seele, und du wirst es fortwährend empfinden. Und das soll das
Zeichen sein: Du wirst immer glühen in der Liebe Gottes und für die Liebe
Gottes und in deinem Innern erleuchtet sein von der Erkenntniß Gottes. Das
sei dir ein ganz untrügliches Zeichen, daß ich es bin; denn dieses kann
kein anderer geben, denn ich allein: und dieses Zeichen senke ich ein in
das Innere deiner Seele, und es ist besser, als das andere, welches du
begehrtest. Eine Liebe zu mir flöß' ich dir ein, von welcher deine Seele
berauscht, erglühen wird in Liebe zu mir, so daß du alle Trübsale um
meinetwillen ertragen wirst. Und so jemand dir Böses sagt oder thut, wirst
du es für eine Gnade ansehen und ausrufen: einer solchen Gnade bin ich
unwürdig. Eine solche Liebe trug ich zu euch, und sie war so groß, daß ich
alles in Geduld und Demuth für euch erduldet habe. Dann also wirst du
erkennen, daß ich in dir bin, wenn du, so dir jemand etwas Böses sagt oder
thut, es nicht nur geduldig erträgst, sondern ein großes Verlangen darnach
trägst und es für eine Gnade achtest; das aber ist ein sicheres Zeichen
der Gnade Gottes. Und siehe, ich salbe dich jetzt mit einer Salbe, mit
welcher auch der hl. Syrikus gesalbt war und viele andere Heilige. (...)