Eine andere Weise, wie die
Seele erkennt, daß der allmächtige Gott in ihr wohnet, ist eine Umarmung
der Seele von Seiten Gottes; denn weder Vater noch Mutter kann je ihren
Sohn, noch jemand anders eine andere Person mit so großer Liebe umarmen,
wie der allmächtige Gott die vernünftige Seele umarmt. Denn unser Herr
Jesus Christus umschlingt und zieht die vernünftige Seele an sich mit so
großer, unaussprechlicher Liebe, mit solcher Süßigkeit und Wonne, daß ich
glaube, kein Mensch auf der ganzen Welt könne es sagen, ausdrücken oder
nur glauben, wenn er es auch erfahren, und sollte auch jemand etwas davon
glauben können, so vermag er es doch nicht vollkommen. Denn Jesus Christus
bringt der Seele die süßeste Liebe, von welcher sie in Christo ganz
erglüht; und er bringt ihr eine so große Erleuchtung, daß sie eine solche
Fülle der Güte des allmächtigen Gottes, die er an ihr bewährt, erkennt,
daß sie weit mehr davon erkennt, als sie in sich erfährt; und dann hat sie
die Versicherung und Gewißheit, daß Jesus Christus in ihr wohne. Was ich
aber von allem diesem sage, ist im Vergleich zu dem, was es wirklich ist,
gar nichts. Dann aber hat die Seele keine Thränen mehr, weder der Freude
noch des Schmerzes, noch irgend einer andern Art oder eines andern
Zustandes; denn es ist ein weit niedrigerer Stand, in welchem die Seele
Freudenthränen hat. Desgleichen bringt Gott bei seiner Einkehr in die
Seele ein solches Übermaß der Wonne mir, daß sie nichts mehr zu wünschen
vermag, ja sie würde, wofern es andauernd wäre, den Himmel auf Erden
haben. Und diese Wonne ergießt sich und überströmt alle Glieder des
Leibes, und alle angethanene Unbilde und Schmach wird für nichts geachtet
und in Süßigkeit verwandelt. Und um dieser körperlichen Veränderung willen
konnte ich es bisweilen meiner Gefährtin und andern nicht verbergen; denn
ich wurde bisweilen, wie meine Gefährtin mir sagte, glänzend und ganz roth,
und meine Augen leuchteten, wie Lichter, oder ich ward bleich, als wäre
ich gestorben, je nach der Verschiedenheit der Gesichte und Offenbarungen.
Diese Wonne aber ließ nicht ab viele Tage lang, und einen Theil derselben
habe ich noch und glaube, daß ich sie ewig nicht verliere, sondern daß sie
(im ewigen Leben) immer mehr erfüllt und vervollkommt wird. Kommt daher
irgend eine Traurigkeit über mich, so erinnere ich mich alsbald jener
Wonne und werde in keiner Weise verwirrt. Es giebt aber noch so viele
andere Weisen, zu erkennen, daß Gott Einkehr in die Seele genommen, daß
ich sie nicht sagen und beschreiben kann.