Die Zeichen der Liebe aber
sind folgende:
Das erste Zeichen wahrer Liebe ist, daß der Liebende seinen Willen dem
Willen des Geliebten unterwirft. Das zweite ist, daß er alle Freundschaft
aufgiebt, welche dieser Liebe entgegen sein könnte, daß er Vater und
Mutter verläßt und Schwester und Bruder, und alle andere Anhänglichkeit,
welche dem Willen des Geliebten zuwider ist. Das dritte ist, daß man kein
Geheimniß haben kann vor dem Geliebten, und diese Wirkung der Liebe ist
meiner Meinung nach die höchste und die Vollendung aller andern Zeichen
und Wirkungen der Liebe. Das vierte ist, daß der Liebende dem Geliebten
sich zu verähnlichen strebt, so daß, wo er arm ist, auch der Liebende arm
zu werden sucht, wo er voll Schmerz ist, er an dem Schmerze Theil zu
nehmen sucht, auf daß beide gleichen Standes seien. Denn eine vollkommene
Liebe kann nicht bestehen zwischen einem Reichen und Armen, zwischen einem
Hohen und Niedrigen, zwischen einem Leidenden und Freudevollen; denn die
Verschiedenheit des Standes zwischen solchen macht eine Theilnahme des
einen am Stande des andern unmöglich und hindert die vollkommene Liebe.
Die Liebe aber ist nicht nur eine verähnlichende, sondern auch eine
einigende Tugend, die immer zum Gleichen, nicht zum Ungleichen hinstrebt.