1. Jede Schönheit hold der
Prunk der Rede krönt,
Lieb' allein wortlos und stumm noch schöner tönt.
2. Wenn der Griffel schön zu malen unternahm,
Schnell zerborst er, wenn zur Liebe Bild er kam.
3. Was die Lieb' sey, was Geliebtseyn, forsche nicht,
Nimmer lernst du's, wenn's die Lieb' nicht selber spricht.
6. Geist'ger Wandel macht den Leib zur Wüstenei,
Doch hernach sprießt aus der Wüst' ein Eden neu.
Umgraben ob des Schatzes wird das Haus
Durch den Schatz dann baust du es zum Pallast aus.
10. Flöten sind wir, doch der Hauch, Herr! deine ist,
Berge sind wir, doch das Echo deine ist.
Wie im Schach sind bald wir matt, bald siegesfroh,
Siegesfroh und matt - du lenkest beides so.
12. Ruht im Malerpinsel nicht das stille Bild
Lautlos wie das Kind im Mutterschoß verhüllt?
13. Blitzt die Sonn' in dieses Erdenrund's Nacht herein,
Sprich, was soll uns ferner noch der Lampenschein?
Steht der Freund vor Augen dir, den du geliebt,
Brauchst du dann den Boten noch, der Nachricht gibt?
14. Ist die Rosenzeit vorbei, die Ros' verblüht,
Dann wohl gern das Aug' nach Rosenwasser sieht.
22. Nur von außen ist der Tropfen Tropfen nur
In der Muschel sind die Tröpflein Perlenschnur.
24. Jener spricht: O Fürst, du hoher Geistesheld,
Sag', der Geist wie sank er doch in diese Welt?
Wie geschah's, daß jener Aar, der kerkerfrei,
Stürzt' vom Thron in dieses Kerkers Wüstenei? -
Omar spricht: Wiss', Zauber ist's, der solches that,
Zauberwort, Gott zum Geist gesprochen hat.
Da zum Nichts er Zauber sprach, das sinnenlos,
Eine Welt stieg aus des Nichts verborgnem Schoß.
Zauberwort ist's, das das Nichts zum Wesen macht,
Zauberwort ist's, das das Seyn zum Schatten macht.
In das Ohr der Ros' sprach er die Zauberred',
Flugs Rubinen glänzen auf am dunkeln Ort.
Zu dem Körper spricht er Zauber, er wird Geist,
Spricht zur Nachtwolk Zauber, jetzt sie Sonne heißt.
Kennst den Zauber du, den er zur Wolke sprach,
Daß so heiß sie Thränen weinet Nacht und Tag?
Kennst den Zauber du, den er zum Erdball sprach,
Daß er seit der Schöpfung nicht sein Schweigen brach?
Jeder, der von Zweifelqual, verwirrt und bang',
Trägt in sich als Räthsel Gottes Zaubersang.
25. Gott umfaßt die Gegensätz' im Augenblick,
Nimmer hält Ein Thun von andern ihn zurück.
30. Plötzlich er im Schlaf ein Rufen Gottes hört;
Solches Rufen jeder Sprache Wurzel ist,
Jede andre Sprach' von dieser Echo ist.
Türk' und Perser, Araber und Kurd' und Mohr,
All' versteh'n sie solche Sprach' ohn' Lipp' und Ohr.
Ja, wie sollt' nicht Menschen sie verständlich seyn?
Solche Sprach' versteht das Holz selbst und der Stein.
31. Weißt du, was des Weltalls Veranlaß ist?
Daß aus Lieb' Gott in dem Nichts erschienen ist.
33. In dem Wald des Geist's ein kühner Falke sei!
Wie die Sonn' Licht-, so du Leben-spendend sei!
Jedem Nu hinstreut die Sonn' ihr Lebenslicht,
Wieder voll sie wird, und leert sich nimmer nicht.
Geistessonn'! auch uns du Lebensspender sei,
Mach' mit jedem Nu die alte Erde neu!
Denn wie rinnend stets lebendig Wasser fließt,
So aus deinem Schoß sich stets das Leben gießt.
35. Wie der Schöne sich den klaren Spiegel sucht,
So die Lieb' zu spiegeln sich im Armen sucht.
Drum verwirf', o Freund, des Armen Bitte nicht,
Lösch nicht aus durch deinen Hauch des Spiegels Licht!
40. So lang' die Blüthe noch golden prangend steht,
Thor der Mensch ist, der nach Früchten suchen geht.
Wenn die Blüthe fällt, erhebt die Frucht ihr Haupt,
Wenn der Körper bricht erhebt der Geist sein Haupt.
42. Du hast doch wohl, o Freund, bei Hof' die Sitt' gehört,
Daß der König so mit seinem Hof' verfährt:
Linker Hand beim Schach des Reiches Helden steh'n,
Weil dem Herz der linken Seit' sie ähnlich seh'n.
Rechts beim Schach siehst du der Staatsminister Stand,
Weil dem Sultan diese sind die rechte Hand.
Vor des Sultans Angesicht die Suffi sind,
Weil sie seiner Königsseele Spiegel sind.
45. Nimmer wird dir kund die Macht der Arzenei,
Ohne, daß ein Kranker voll Gebrechen sey.
So der Mangel stets der Fülle Glanzort ist.
Gegensatz macht Gegensatz stets offenbar,
Nur durch Essig wird des Honigs Süße klar.
49. Herzensmänner, hochbeglückt die Weisen sind,
Denen aufgethan, was Welle spricht und Wind.
51. Tausendfach' Geheimnisse der Geist erfährt,
Die das Aug' nicht siehet und das Ohr nicht hört.
53. Unser Tod wie Leben glanzhell ist und leicht,
Da die Auferstehung dem Tod die Hände reicht.
55. (...) Ein Geschäft nur treiben Suffi auf der Erd',
Daß ihr Herz ein reiner Spiegel Gottes werd'.
Ist das Herz ein Spiegelglas mondhell und rein,
Bildern hunderttausend kann es Spiegel seyn.
59. Leben perlhell quillt mir aus dem Untergang,
O wie lang' bin heimathlos ich, o wie lang!
Wie der Fremdling aus der Fremd' zur Heimath zieht,
Aus der Vielheit so der Geist zur Einheit flieht.
61. Vielfach meiner Seele Bild gesucht ich hab',
Keiner mir ein Bild von meiner Seele gab,
Bis ich lernte, daß des Freundes (Gottes) Angesicht,
Meiner Seele sey das schönste Spiegellicht.
Da rief ich: Seel! Such' des Weltalls Spiegel auf!
Sicher nimmt der Spiegel auch dein Bildniß auf.
63. Gott sieht nicht das Äußere an, der Worte Tand,
Nur das Innre schaut er an, den Herzensstand.
64. Religion der Lieb' mit gar nichts zu vergleichen ist,
Gott allein die Religion der Liebe ist.
65. Liebe trinkt in Kummers Fluth der Wonne Wein.
67. Auferstehung deines Todes Räthsel lös't,
Blüth' und Frucht Geheimniß deiner Blätter lös't.
70. Nimm in Gottes Seel', o Seel', die Wohnung ein;
Willst so lang', o Seel', du ohne Heimath seyn?
72. Nie das erste Handwerk je sich ganz verlernt,
Erste Liebe nie sich wieder ganz entfernt.
79. Einen Zweig des Gartens bringt man wohl zur Stadt,
Doch den Garten nie zur Stadt gebracht man hat.
Wen'ger noch den Garten, von dem die ganze Welt
Wahrlich nur ein Blatt ist, das zu Boden fällt.
81. Dann auch nur fürwahr ist Gott Gebeten feind,
Wenn im graden Beten krummes Herz erscheint.
82. Sagst du: Herr komm! selber heißt das: hier mein Kind!
Deine Gluth und Seufzer Gottes Boten sind.
Deine Lieb' ein Gürtel seiner Liebe ist,
In dem Herr komm! stets ein: Hier Sohn schlummernd ist.
86. Ja das wisse! Liebesschmerz und Thränenguß
Gibt Gott Freunden nur als seinen Liebeskuß.
88. Wer zum Freunde schon den Weg gefunden hat,
Nichts der mit Wegweisern mehr zu schaffen hat.
Wer schon an des Himmels höchster Kuppel steht,
Nimmer der nach einer Leiter suchen geht.
Nach Gesandt' und Briefschaft fraget Jener nicht,
Der geborgen an des Sultans Busen liegt.
89. Weißt du, Freund, wie viel das Wahre Stufen hat?
Erste ist das Wissen, das zwo Schwingen hat,
Zweite ist das Meinen, dem ein Fittich fehlt,
Dritte ist der Wahn, der nie 'ne Schwing' erhält.
Vogel, der nur eine Schwing' hat, fliegt nicht weit,
Taumelnd keucht er, stürzt herab in kurzer Zeit.
Der gar keine Schwing' hat, an der Erde liegt,
Oder langsam nur er an dem Boden kriecht.
Wissen geht auf Vieren nicht, in gradem Lauf
Schreitet's stattlich hin und blickt gen Himmel auf.
Wenn zum Himmel dann es sich erheben will,
Breitet's kühn die Schwingen aus wie Gabriel.
Wenn die ganze Welt ihm sagt: Du Salomon!
Ausgebreitet sitzest du auf Gottes Thron -
Wird's gewisser nicht, noch muthiger darob,
Wissen nie gewisser wird durch Menschenlob.
Spricht die ganze Welt: Laß ab von dieser Spur!
Hältst dich für 'nen Berg und bist ein Strohhalm nur -
Kühnlich zu der ganzen Welt das Wissen spricht:
Eher lügt die ganze Welt eh' Wissen lügt.
90. Wie Gesellschaft Lust uns gibt und Herzensfreud',
Also Andern Wonne bringt die Einsamkeit.
98. Zu Daküki hin kehrt der Sang auf's neu,
Daß von ihm du lernst, was die Liebe sey.
Unaufhörlich wandelt er gleichwie der Mond,
Der in jeder Nacht in Andrer Herberg' wohnt.
Vor sich her trug er der Liebe goldnen Ball,
Den er einst beim Liebesspiel den Engeln stahl.