"Das Herz, so klein in seinem Raum,

Das Herz, so groß in seinem Traum . . ."

Das Herz in Liebesgedichten
deutscher Dichter und Dichterinnen
17. - 20. Jahrhundert

 

 

Verzeichnis der Dichter und Dichterinnen:

 

 


 

  • Adam Krieger (1634-1666)

    Der Liebsten Herz, macht Scherz und Schmerz

    Soll denn mein junges Leben,
    nur stets in Ängsten schweben?
    Ach! Ach! liebstes Herz.
    Sein deine schöne Sitten,
    denn gar nicht zu erbitten?
    Ach! Ach! hartes Herz.

    Willst du mich denn nicht laben
    Mit deinen hohen Gaben?
    Ach! ach! köstlichs Herz!
    Willst du mich nicht erfreuen?
    So wird es dich gereuen
    Ach! ach! neidisch Herz.

    Soll ich mich denn nur plagen
    Mit lauter Angst und Klagen?
    Ach! ach! niedlichs Herz!
    Soll ich denn nichts als Schmerzen
    Erweisen meinen Herzen?
    Ach! ach! quälend Herz.

    Soll ich denn nun nichts erlangen
    Von deinen zarten Wangen?
    Ach! ach! schönes Herz!
    Willst du in meinen Nöten,
    Mich endlich dennoch töten?
    Ach! ach! grausam's Herz!

    Willst du mich nicht ergötzen
    Und in die Freiheit setzen?
    Ach! ach! scharfes Herz!
    So muß ich dennoch sterben
    Und jämmerlich verderben?
    Ach! ach! zornig's Herz!

    Wann ich dich ehr' und liebe,
    So stellst du dich ganz trübe,
    Ach! ach! grimmigs Herz!
    Wenn ich mein Angst andeute,
    So schielst du auf die Seite.
    Ach! ach! falsches Herz!

    Erbarm' dich doch o Schöne,
    Weil ich mich also sehne,
    Ach! ach! süßes Herz!
    Erfreu mich doch mein Leben,
    Weil ich mich dir ergeben,
    Ach! ach! stärkend Herz!

    Wirst du mich nun erquicken,
    Und freundlicher anblicken,
    Ach! ach! lieblich's Herz!
    So kann ich's noch ertragen,
    Und recht mit Wahrheit sagen,
    Ach! ach! treues Herz!

    Aus: Denkmäler deutscher Tonkunst Erste Folge
    Herausgegeben von der Musikgeschichtlichen Kommission
    unter Leitung des wirkl. Geh. Rates
    Dr. theol. und phil. Freiherrn von Liliencron
    Band XIX: Adam Krieger Arien
    Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig 1905 (S. 75-76)
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  • Daniel Casper von Lohenstein (1635-1683)

    Das Herz
    Sonett

    Nicht zürne, daß mein Herz so heißen Brand ausübet,
    Weil deine Schönheit selbst der Flammen Zunder hegt,
    Schuld und Entschuldigung in ihren Augen trägt;
    Das Meer kann nicht dafür, daß sich der Himmel trübet,

    Sich mit der Wolk' umarmt, der Erde Dünste liebet.
    Die Sonn' ist's, die das Salz in allen Dingen regt,
    Der Klüfte Gluth beseelt, den Geist der Welt bewegt,
    So Schnee als Eise Brand, den Steinen Leben giebet.

    Soll meine Seele nun entseelter, als ein Stein,
    Mein Herze frostiger, als Eiseszapfen sein?
    Es brennt und ist von Lieb', als schmelzend Erz zerronnen.

    Denn Lieb' ist ja die Gluth der Seelen; sie erfüllt
    Mit Feuer unser Herz, das aus den Augen quillt.
    Die sind der Liebe Brunn, der Seele lichte Sonnen.

    Aus: Bibliothek deutscher Dichter des siebzehnten Jahrhunderts.
    Begonnen von Wilhelm Müller Fortgesetzt von Karl Förster
    Band XIV. Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann
    von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein,
    Christian Wernike, Friedrich Rudolf Ludwig Freiherr von Canitz,
    Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpfort,
    Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und
    Nicolaus Peucker. Leipzig F. A. Brockhaus 1838 (S. 130-131)
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  • Heinrich Mühlpfort (1639-1681)

    Bey Ubergebung seines Herzens

    Nimm Clytie zu dem Geschencke
    Mein Herze / weil mir Geld gebricht /
    Du siehst / daß ich auff Liebe dencke /
    Die aller Schätze Schatz und Licht;
    Und weil ich leben
    Muß unter dir /
    So will ich geben
    Zur Pflicht-Gebühr
    Mein Herze hier.
    Erschrick nicht / das es so erzittert /
    Und sich in deinen Händen rührt /
    Die Brunst / von der ein Herze wütert
    Das Liebesflammen in sich führt /
    Wird heller brennen /
    Bey dir mein Kind /
    Daß man kan kennen /
    Wie wir entzündt
    In Liebe sind.

    Verwundre nicht die grosse Hitze
    Die sich in meinem Herzen regt.
    Empfind ich doch der Schönheit Blitze
    Wormit mich stets dein Auge schlägt.
    Wilst du verdammen /
    Die linde Glut /
    Da ich doch Flammen
    Nehr in dem Blut
    Ganz wohlgemuth.

    Du sprichst / der Schnee an meinen Händen
    Zerschmelzt von diesem Herzens-Brand.
    Er hat mir Adern / Marck und Lenden /
    Ja selbst das Leben umbgewandt.
    Wie eine Kerze
    Sich selbst verzehrt /
    So ist mein Herze
    In Staub und Erd
    Durch diß gekehrt.

    Nur Clytie du must nicht meynen /
    Daß du solst iedem zeigen an /
    Wie ich mein Herze zu dem deinen
    Hab aus verliebtem Sinn gethan.
    Daß diß Geschencke
    Man an das Ohr
    Gleich Perlen hencke /
    Kommt / wie ein Mor
    Mir seltsam vor.

    Laß andre Diamanten haben /
    Du trägst ein Kleinod das mehr wehrt.
    Gold / Silber sind des Glückes Gaben.
    Die Liebe wird nur mit beschwehrt.
    Die Zeit zerreibet
    Der Perlen Zier /
    Mein Herze bleibet
    In Liebs-Begier
    Verpflichtet dir.

    Gilt doch dein Mund mehr als Corallen /
    Die Lippen mehr als ein Rubin.
    Kein Demant kan mir so gefallen /
    Als deine Augen wenn sie blühn.
    Du bist mein Leben /
    Mein höchstes Gut
    Der ich gegeben
    In treuer Hut /
    Geist / Herz und Blut.

    Aus: Heinrich Mühlpfort: Teutsche Gedichte Poetischer Gedichte Ander Theil.
    Neudruck der Ausgabe Breslau und Frankfurt am Main 1686/87.
    Herausgegeben und eingeleitet von Heinz Entner. Keip
    Verlag Frankfurt am Main 1991
    (Texte der Frühen Neuzeit. Neudrucke nach Beständen
    und in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek Wroclaw / Breslau)

    (Aus: Teutsche Gedichte Vermischte Gedichte S. 15-17)
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  • David Schirmer (1623-1687)

    An Sein Hertze/ über selben Gruß

    Sey Felsen-Art/ O Hertze! stehe fest!
    weich keiner Furcht/ hoff mehr als je zu hoffen.
    und hat dein Gruß das Kind nicht angetroffen/
    das liebe Kind/ das mich nicht sterben läst/

    so dencke du noch immerdar das best.
    ist er nur nicht in Ungunst gar ersoffen/
    so wird er ihr durch alle Felder ruffen/
    selbst Bot und Brief/ selbst Schifman/ See und West.

    Er kommet ein/ und saget der so netten
    Von Brunst und Glut/ von Banden und von Ketten/
    er kömmet ein und klaget deine Noth.

    Ists ja/ daß er die Schöne nicht kan finden/
    und etwa bleibt bey ihrer Thür dahinden;
    sey Felsen-Art! nicht dein/ sein ist der Spott.


    Aus: David Schirmers Poetische Rosen-Gepüsche
    Von Ihm selbsten aufs fleißigste übersehen/
    mit einem gantz neuen Buche vermehret
    und in allem verbesserter heraus gegeben Dresden
    In Verlegung Andreas Löflers Buchführers
    Gedruckt bey Melchior Bergen 1657 (S. 178)
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  • David Schirmer (1623-1687)

    An sein Hertze

    Brenn/ Hertze/ wie du brennst/ du Zunder ihrer Gluth/
    gib Hitze/ wie bißher/ mit aufgeschoßnen Flammen/
    ruf alles Feuerwerck auf deiner Post zusammen/
    daß sie auch brennen kann sich und ihr keusches Blut.

    Brenn immer Tag und Nacht/ obschon der freche Muth
    nicht also bald erkent den Quell der Liebes-Ammen/
    sie macht es so mit dir/ wie der/ der auf den Dammen
    mir endlich noch ein Spiel stat hoher Freundschafft thut.

    Durch Hitze wird zuletzt das klare Silber rein.
    Ein Feuer-Ofen zwingt den harten Eisenstein/
    der König des Metalls läst sich auch feige finden.

    Brenn Hertze wie du brennst. Ihr auserlesnes Gold
    wird noch von deiner Gluth bergunter hingerollt.
    Brenn Hertze/ wie du brennst. Sie wird sich wol entzünden.

    Aus: David Schirmers Poetische Rosen-Gepüsche
    Von Ihm selbsten aufs fleißigste übersehen/
    mit einem gantz neuen Buche vermehret
    und in allem verbesserter heraus gegeben Dresden
    In Verlegung Andreas Löflers Buchführers
    Gedruckt bey Melchior Bergen 1657 (S. 198-199)
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  • Wilhelm Müller (1794-1827)

    Ein brennendes Herz

    Liebst du mich der Schönheit wegen,
    Stell' es ein!
    Lieb' den goldnen Sonneschein!

    Liebst du mich der Schätze wegen,
    Stell' es ein!
    Türkenkaiser müßt' ich sein.

    Liebst du mich der Liebe wegen,
    Liebe mich!
    Denn zum Sterben lieb' ich dich.

    Aus: Gedichte von Wilhelm Müller.
    Vollständige kritische Ausgabe bearbeitet
    von James Taft Hatfield. Berlin W. 35 B.
    Behr's Verlag 1906. (Deutsche Literaturdenkmale
    des 18. und 19. Jahrhunderts No. 137)  (S. 178)
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  • Aloys Schreiber (1761-1841)

    Das Herz

    Es sehnt sich das Herz
    Nach Lust und Schmerz,
    Und nimmer kann es ruhig bleiben,
    Muß auf des Lebens Wogen treiben.

    Es trotzet und wagt,
    Es zittert und zagt,
    Will bald herab den Himmel ziehen,
    Bald schüchtern in die Erde fliehen.

    Um schnöden Gewinn
    Gibt es oft sich hin,
    Will oft ein Höheres erringen,
    Und sich dafür zum Opfer bringen.

    Es zürnt und vergibt,
    Es glaubt und liebt,
    Und seinem Sehnen, seinem Hoffen
    Sind stets die Himmelspforten offen.

    Heut' glühend und roth,
    Und morgen todt!
    In Asche ist es still versunken,
    Doch glimmt noch deinem ein Götterfunken.


    Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
    Erster Theil Neueste Auflage
    Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 187-188)
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  • Gottfried August Bürger (1747-1794)

    An das Herz
    Sonett

    Lange schon in manchem Sturm und Drange
    Wandeln meine Füße durch die Welt.
    Bald den Lebensmüden beigesellt,
    Ruh' ich aus von meinem Pilgergange.

    Leise sinkend faltet sich die Wange;
    Jede meiner Blüten welkt und fällt.
    Herz, ich muß dich fragen: Was erhält
    Dich in Kraft und Fülle noch so lange?

    Trotz der Zeit Despotin Allgewalt
    Fährst du fort, wie in des Lenzes Tagen,
    Liebend wie die Nachtigall zu schlagen.

    Aber ach! Amanda hört es kalt,
    Was verblühte Lippen Holdes sagen. -
    Herz, ich wollte, du auch würdest alt!

    Aus: Bürgers Gedichte
    Herausgegeben von Arnold G. Berger
    Kritisch durchgesehene und erläuterte Ausgabe
    Leipzig und Wien 1891. Bibliographisches Institut (S. 328)
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  • Johann Gottfried Herder (1744-1803)

    Das menschliche Herz

    In Ein Gewebe wanden
    Die Götter Freud' und Schmerz.
    Sie webten und erfanden
    Daraus ein Menschenherz;
    Du armes Herz, gewebet
    Aus Lust und Traurigkeit,
    Weißt du, was dich belebet?
    Ist's Freude? ist es Leid?

    Die Göttin selbst der Liebe
    Sah es bedauernd an;
    O zweifelhafte Triebe,
    Die dieses Herz gewann!
    Im Wünschen nur und Sehnen
    Wohnt seine Seligkeit,
    Und selbst der Freude Thränen
    Verkündigen ihm Leid.

    Schnell trat ihr holder Knabe
    Hinzu mit seinem Pfeil;
    Auf, meine beste Gabe
    Sie werde ihm zu Theil!
    Dein unbezwingbar Streben
    Sey Liebe dir, o Herz,
     Und Liebe sey dein Leben,
    Und Freude sey dein Schmerz.

    Aus: Johann Gottfried von Herder's Gedichte
    Herausgegeben durch Johann Georg Müller
    Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1836 (S. 252)
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  • Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

    An mein Herz

    Kleines Ding mit Müh und Leiden
    Hier in dieser Brust gepflegt,
    Herz! wenn sich dein Sturm nicht legt,
    Herz! wo sind denn deine Freuden?

    Deine Schläge! wie so selten
    Mischt sich Lust in sie hinein!
    Und wie schnell sind sie, mit Pein
    Jede Lust mir zu vergelten!

    Phillis! ach nur Augenblicke
    Lacht, was jeden Unmut stillt,
    Lächelt dein geliebtes Bild
    Es von ew'gem Gram zurücke.

    Ganz gewandelt, neu geboren
    Fühl ich dann mich, Göttern gleich:
    Und die Welt ein Himmelreich,
    Das du dir zum Sitz erkoren.

    Ja ein Blick von dir zerteilet
    Der Verzweiflung Nacht in mir,
    Daß mit Riesenschritt zu dir
    Meine Hoffnung siegreich eilet.

    Alles sind mir deine Augen,
    Was der Erde Sonnenschein,
    Wo die Trauben ihren Wein,
    Die Geschöpfe Leben saugen.

    Könnt ich dir zu fühlen geben,
    All' die Wohltat deines Blicks!
    Schöpfer meines ganzes Glücks,
    Spricht er über Tod und Leben.

    Aber Angst und Furcht und Schröcken
    Ueberfällt im höchsten Wohl
    Mich auf einmal: Phillis! soll
    Diesen Blick einst Nacht bedecken?

    Sollen diese Zaubermienen,
    Wo der Liebe ganze Macht
    Mir das Herz hinweg gelacht,
    Einst dem trüben Unmut dienen?

    Dieser Busen, der mir Triebe
    Banger Lust entgegen schwoll,
    Soll er schwinden? Himmel! soll
    Ihn kein Wunsch empören, Liebe?

    Phillis, soll sogar dein Feuer
    Und dein schöner Witz dich fliehn?
    Ungetreue - sieh mich knien,
    Dennoch bleibst du, bleibst mir teuer.

    Fährt dein Herz nur fort zu schlagen
    Für das Herz, das dich verehrt,
    Dem du diese Glut gelehrt,
    Sie bis in sein Grab zu tragen.

    Ach ich will dich mit Entzücken,
    Wenn dein Herz nur fühlbar ist,
    Selbst wenn du es nicht mehr bist,
    An des Greisen Schneebrust drücken.

    Auf verwelkten Lippen schweben
    Unsre Seelen noch vereint,
    Wenn das Auge nicht mehr weint,
    Soll es doch zu weinen streben.

    Zitternd falten wir die Hände
    Ineinander, halb vertaubt,
    Stützen wir noch Haupt an Haupt,
    Und erwarten so das Ende.

    Aus: Gesammelte Schriften von Jacob Mich. Reinhold Lenz
    Zweiter Band: Gedichte Verlegt bei Paul Cassirer Berlin W 1909 (S. 33-35)
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  • Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792)

    An das Herz

    Kleines Ding, um uns zu quälen,
    Hier in diese Brust gelegt!
    Ach wers vorsäh, was er trägt,
    Würde wünschen, tätst ihm fehlen!

    Deine Schläge, wie so selten
    Mischt sich Lust in sie hinein!
    Und wie Augenblicks vergelten
    Sie ihm jede Lust und Pein!

    Ach! und weder Lust noch Qualen
    Sind ihm schrecklicher als das:
    Kalt und fühllos! O ihr Strahlen,
    Schmelzt es lieber mir zu Glas!

    Lieben, hassen, fürchten, zittern,
    Hoffen, zagen bis ins Mark,
    Kann das Leben zwar verbittern;
    Aber ohne sie wärs Quark!


    Aus: Gesammelte Schriften von Jacob Mich. Reinhold Lenz
    Zweiter Band: Gedichte Verlegt bei Paul Cassirer Berlin W 1909 (S. 39)
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  • Ludwig I. von Bayern (1786-1868)

    An mein Herz
    Im Jahre 1805

    Gefühlvoll Herz, sehnst dich nach Liebe,
    Die stets dein Inneres durchwühlt.
    Der edlen, besten, schönsten Triebe
    Erwied'rung wirst du immer fodern,
    Bis deine Glut die Erde kühlt,
    Empfindend Herz, bis du wirst modern.

    Nie wird Erfahrung dich belehren,
    Daß Liebe sey bethörend Spiel,
    Nach Liebe gehet dein Begehren,
    Und sollt' Erfüllung es nicht krönen,
    Vergeht doch niemals das Gefühl,
    Mag auch die Welt dasselbe höhnen.

    Betrogen kannst du nicht betrügen,
    Nur Wahrheit geb' das Aug' zurück,
    Die Wahrheit nur soll in mir siegen,
    Aufrichtig wird mein Herz es halten,
    Blos was es fühlet sag' der Blick,
    Die Offenheit soll in mir walten.

    Der Jugend Frohsinn mag verwehen,
    Vernichtet seyn, was mich erfreut,
    Nur in der Liebesglut Bestehen
    Kann sich das Leben mir bewahren,
    Zu lieben niemals mich gereut,
    Ich lieb' in jung und alten Jahren.

    Aus: Gedichte Ludwigs des Ersten Königs von Bayern
    Erster bis Vierter Theil Dritte Auflage
    München im Verlage der Liter. Artist. Anstalt
    der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1839 (Band 1 S. 88-89)
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  • Ludwig I. von Bayern (1786-1868)

    Auf mein Herz

    Ist mein Herz denn abgestorben?
    Nicht belebt's der Liebe Licht;
    Herzen habe ich erworben,
    Doch das meine liebet nicht.

    Von der Liebe ist's umschlungen,
    Zärtlich Alles zu ihm spricht;
    Alles ist von ihr durchdrungen;
    Doch das meine liebet nicht.

    Kalt in mir wie in dem Norden,
    Fühle schwer der Zeit Gewicht;
    Alles ist dem Herz' geworden,
    Doch das meine liebet nicht.

    Oftmals hatte es geglühet,
    War auf Gegenlieb' erpicht,
    Sich vergebens nur bemühet,
    Jetzt geliebt, kann's lieben nicht.

    Aus: Gedichte Ludwigs des Ersten Königs von Bayern
    Erster bis Vierter Theil Dritte Auflage
    München im Verlage der Liter. Artist. Anstalt
    der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1839 (Band 4 S. 20)
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  • Karoline von Fidler (1801-1874)

    Herz

    In Lieb' und Dank sich selig auszudehnen
    Ist meines Herzens heiligster Beruf!
    Ob Himmelslust, ob ungestilltes Sehnen
    Den feuchten Strahl im Seelenspiegel schuf,
    Er thauet kühlend auf die heiße Brust,
    Die der Bedeutung Tiefe sich bewußt.

    Wenn stolz der Geist im kühnen Flügelschlagen
    Zum Aether dringt und sich mit Göttern mißt,
    Wenn die Gedanken ihn zur Sonne tragen,
    Geschieht es leicht, daß er das Herz vergißt;
    Dann klopft's verlassen, arm, sich müd' und matt,
    Und bleibt doch einsam, macht's nicht Liebe satt.

    Aus allen Pulsen sehnt sich's hinzufließen
    Ein Liebesmeer, des Lebens warme Fluth,
    Und für die Theuren freudig auszugießen
    Den letzten dieser reinen Gluth;
    Der Liebe Dauer zeigt sein Schlag mir an,
    D'rum lieb' ich auch, so lang' es klopfen kann!

    Und wie der Geist die Götterschwingen breitet,
    So breite du die Menschen-Arme Herz!
    Wie er sich füllend ewig neu sich weitet,
    So habe Raum für Liebes-Lust und -Schmerz!
    Und wenn er dir in solchem Kampf entschwebt,
    Dann schlafe nur, du hast genug gelebt!

    Aus: Gedichte von Karoline Fidler
    Als Handschrift [Berlin] 1844 (S. 48-49)

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  • Maria Clementine François (1823-1844)

    Mein Herz
    Sonett

    Nicht immer war mein Herz so kalt und still;
    Einst schlug es freudig dieser Welt entgegen.
    Viel Blumen pflückte ich auf meinen Wegen;
    Die schönsten aber ließ die Liebe blühn.

    Und einen Göttertraum hab' ich durchträumet.
    Da plötzlich ward der heit're Himmel trübe:
    Verrath vergalt vertrauensvolle Liebe,
    Und alle Freudengenien sah ich fliehn.

    Und blutend starb die Liebe, Seufzer haben
    In meinem Herzen still sie eingegraben;
    Der Todtengruft nun gleicht seitdem mein Herz.

    Und ausgetobt nun hat der wilde Schmerz.
    Mit Wehmuth nur kann ich den Leichnam sehn -
    Der lebend so entzückend war, so schön!


    Aus: Marie Clementine François
    Gedichte einer früh Verklärten in chronologischer Folge
    Eine Erinnerungsgabe. Trier 1844 (S. 28)

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  • Nina Güthner (1835-1905)

    Mein Herz

    Mein Herz ist wie ein Friedhof,
    So voll und doch so leer,
    So viele, viele Lieben,
    Und keine Liebe mehr!

    Aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
    Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
    Von Karl Schrattenthal Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
    Stuttgart 1888 (S. 154)
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  • Ida von Hahn-Hahn (1805-1880)

    Einsamkeit des Herzens

    Was die Hand auch mag ergreifen,
    Wohin meine Blicke streifen,
    Einsam steh' ich und allein.
    Gleich dem Alcyon fortgezogen
    Von des Meers bewegten Wogen,
    Find' ich nie die Heimat mein.

    In der Menschen Lustgewühle,
    Bei dem Tanz, beim frohen Spiele,
    Muß ich ewig einsam steh'n;
    Denn im lauten Glanz der Tage
    Können sie nicht meine Sprache
    Und mein Wollen nicht versteh'n.

    Die Natur in ihrer Stille
    Faßt nicht eines Herzens Fülle,
    Das voll Sehnsucht zu ihr spricht.
    Blumen blühen, Sterne scheinen; -
    Wie die Menschen lächeln, weinen, -
    Wissen Blum' und Sterne nicht.

    Daß der Leier Saiten klingen,
    Daß sich Lieder ihr entschwingen,
    Nimmer mir den Sinn verklärt.
    Denn sie sind im Schmerz gesungen,
    Wie der Pelikan die Jungen
    Mit dem eignen Herzblut nährt.

    Großer Geister Hochgedanken
    Heben über Raumes Schranken,
    Sind uns ewig lieb und nah'.
    Aber in den hehren Kreisen
    Stehe zitternd zwischen Weisen
    Ich mit meiner Thorheit da.

    Wohin flüchten? – Was beginnen? -
    Ach, umsonst wär' all' mein Sinnen,
    Tönte nicht dein süßes Wort.
    Deiner Liebe reiche Fluten
    Löschen meiner Sehnsucht Gluten,
    Tragen friedlich mich zum Port.

    Aus: Gedichte von Ida Gräfin Hahn-Hahn
    Leipzig F. A. Brockhaus 1835 (S. 210-211)
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  • Lydia Hecker geb. Paalzow (1802-?)

    Mein Herz

    Mein Herz ist nur klein,
    Schließt Wenige ein,
    Die ruhen geborgen
    Am Abend, am Morgen.

    Mein Herz ist nicht groß,
    Kein mächtiges Schloß,
    Wo Hunderte wallen
    Und Hundert gefallen.

    Mein Herz ist ein Feld,
    Für dich nur bestellt,
    Da blüht es im Stillen,
    Blüht nur deinetwillen.

    Mein Herz ist ein Steg,
    Nicht Jedermanns Weg,
    Seit du es betreten,
    Ist Niemand von Nöthen.

    Mein Herz ist ein Kind,
    Gar freundlich gesinnt,
    Nicht rasch im Betrüben,
    Nicht langsam im Lieben.

    Mein Herz ist allein
    Ganz einzig nur dein.
    Du kannst es bezeugen -
    Nun halt' es auch eigen!

    Aus: Deutschlands Dichterinnen von H. [Hermann] Kletke
    Zweite vermehrte Auflage Berlin 1882 (S. 192-193)
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  • Minna Kleeberg (1841-1878)

    Das Menschenherz

    Wie bist du schwach! - Schon zweier Augen Strahl
    Versenkt dich tief in's Meer von Lust und Qual;
    Du bist so schwach, daß jählings dich durchbebt
    Ein leiser Hauch, der von der Lippe schwebt.
    Ein Wort schon schafft dir endlos Glück und Schmerz -
    Wie bist du schwach, du armes Menschenherz!

    Und doch so stark! - Wenn deine Kraft erwacht,
    Verstummt, verweht die süße Zaubermacht.
    Das Herz, das nur sich selber nicht verlor,
    Es tritt verjüngt aus schwerem Kampf hervor.
    Die Schuld wird Tugend, Wonne wird der Schmerz;
    Stark ist und groß das reine Menschenherz!

    Aus: Gedichte von Minna Kleeberg
    Louisville: Henry Knöfel
    New York Willmer u. Rogers News Co. 1877 (S. 34)
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  • Auguste Kurs (1815-1892)

    Nur das Herz

    Sinkt ein Mensch zum letzten Schlummer nieder,
    Wenn des Lebens Gluten ausgeflammt,
    Scheidend giebt er dann der Erde wieder
    Das gedankenvolle Haupt, die Glieder,
    Alles, was der Erde nur entstammt.

    Aus des Himmels Thor, dem morgenroten,
    Schweben lichte Engel dann herab,
    Weilen auf der Erde, Gottes Boten,
    Bis die Saat vertraut dem Feld der Toten,
    Den Geschied'nen deckt das stille Grab.

    Nur das Herz, das voll und reich geschlagen,
    Das erglüht in Wonne, Lust und Leid,
    Darf nicht vor der dunklen Erde zagen,
    Von den Engeln wird es heimgetragen
    Auf zu Gott und seiner Herrlichkeit.

    Aus: Ausgewählte Gedichte von Auguste Kurs
    Berlin Vossische Buchhandlung (Strikker) 1894 (S. 230)
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  • Angelika von Marquardt (1849-1893)

    Des Menschen Herz

    Wie ist des Menschen Herz unendlich weit;
    Wie birgt es Freuden ohne Maß und Zahlen,
    Wie viel nicht auch des Leids, der Bitterkeit!
    Es faßt ein Meer der Wonne und der Qualen!

    Doch bricht es nicht; es kennt den wilden Kampf,
    Es kennt das langsam schleichende Vergehen;
    Todmatt beginnt es oft aufs neu' den Kampf
    Und lernt in Lieb' und Leid sich kaum verstehen!


    Aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
    in Wort und Bild Herausgegeben von Heinrich Groß
    III. Band Berlin 1885 (S. 306)
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  • Kathinka Zitz-Halein (1801-1877)

    Das Frauenherz

    Nicht reinres giebt es als der Frauen Herz,
    Mit Engelsmilde dienen sie dem Mann,
    Und tragen gern allein den Theil der Schmerzen,
    Den dieser nicht wie sie ertragen kann.
    Sie saugen Freude nur aus seinen Freuden,
    Ist er beglückt, so ist ihr Schmerz verweht,
    Und willig leeren sie den Kelch der Leiden,
    Der an des Mannes Mund vorüber geht.
    Wo sie ein ruhig glücklich Loos erharrten,
    Wird oft ihr Leben ohne eigne Schuld,
    Zur Todesangst in dem Olivengarten,
    Doch tragen sie's mit Lieb' und mit Geduld.
    Und jede Schattenseit' in ihrem Leben,
    Gab nicht der Wille, gab ihr nicht Natur,
    Des Mannes Falschheit hat sie ihr gegeben.
    Er führte sie auf der Verderbniß Spur.
    Drum wird euch einst ein Engel Kränze winden,
    Ihr armen Frauen, giebt's ein Paradies.
    So werdet ihr den besten Platz dort finden,
    So ist euch eures Gottes Huld gewiß.
    Und sind die Todten aus dem Grab gestiegen,
    Und wenn der Engel dann die Waag' erfaßt,
    So werden Männerfehler schwerer wiegen
    Als eure ganze Sündenlast.

    aus: Herbstrosen in Poesie und Prosa
    von Kathinka Zitz Mainz 1846 (S. 203)
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  • Kathinka Zitz-Halein (1801-1877)

    Das todte Herz

    Was ist für den, der sich um Lieb' bewarb,
    Das Leben noch, wenn ihm die Liebe starb?
    Was ist das Herz, in stummer Brust erstarrt,
    Das hinterlistig hingemordet ward,
    In dessen Wunden eine Frevlerhand,
    Den Dolch mit Wollust noch herumgewandt,
    An dessen Windungen im Todeskampf,
    An dessen Zuckungen im Schmerzenskrampf,
    Ein Auge sich in wilder Lust ergötzt,
    Ein and'res Herz gelabt sich und geletzt? -
    Es ist ein Leichnam in dem Grab der Brust,
    In dem es still verweset und vermodert,
    Doch bleibt es seines Schmerzes sich bewußt,
    Der selbst im Tod noch in ihm glüht und lodert.
    Es gleicht auch einem unerlösten Geist,
    Der nächtlich seufzend um die Stätten kreist,
    Wo's ihm erlaubt war, glücklich einst zu sein,
    Und die es jetzt gespensterhaft durchschreitet,
    Bis es dann wieder der Verdammung Pein
    In grauser Höllenfeuerglut erleidet,
    Durch alle Ewigkeiten fort und fort. -

    Doch könnt' es wiederkehren von dem Ort,
    Wo es erträgt so namenlose Plagen,
    Könnt' aus dem Grab es wieder aufersteh'n,
    So würd' es doch kein Friedenshauch umweh'n,
    Denn alle Wundenmale würd' es tragen,
    Die ihm die Hand geschlagen,
    Aus welcher einst sein sehnendes Verlangen
    Gehofft, des Lebens Segen zu empfangen.
    Und wär' es auch erlöst aus Höllenpein,
    So würd' es ja doch nie mehr fähig sein,
    Noch einmal Glück im Leben zu empfinden -
    Denn solche Wunden sind nicht zu verbinden,
    Kein Wundenbalsam heilet je sie aus,
    Drum laß das Herz in seinem stillen Haus
    Gestorben sein, gestorben und begraben.
    Es sollte ja hienieden,
    Statt Glück und Frieden,
    Nur Schmerz und Leiden haben.
    Nun ruht es unter'm Leichenstein,
    Der ist ein ruhig lächelndes Gesicht,
    Und wer es sieht, der ahnet nicht,
    Was es bedeckt an Schmerz und Pein.
    (1850)

    Aus: Dur- und Molltöne
    Neuere Gedichte von Kathinka Zitz
    Mainz 1859 (S. 51-52)
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  • Kathinka Zitz-Halein (1801-1877)

    An eine junge Dame mit einer goldnen Uhr

    In der Freude, in dem Schmerz,
    Gleichet einer Uhr das Herz;
    So in Nächten wie an Tagen,
    Hört man beide Tik-Tak schlagen,
    Wenn das Werk geregelt ist,
    Und man's Aufzieh'n nicht vergißt.
    Ruhig schlägt das Menschenherz,
    Wenn die Stunde friedlich scheidet,
    Und auf Lust und heitern Scherz
    Der Minutenzeiger deutet.
    Aber wenn die Leidenschaft
    Ungestüm in's Herz sich dränget,
    Dann wird durch die wilde Kraft,
    Kett' und Feder leicht zersprenget.
    Läßt man aber beide geh'n
    Wie sie mögen, ohne Pflege,
    Wird die Uhr bald stille steh'n,
    Wird das Herz schwerfällig-träge.
    Drum, mein Kind, vergiß ja nicht,
    Dich alltäglich zu bemühen,
    Mit dem Schlüssel treuer Pflicht,
    Herz und Uhrwerk aufzuziehen.
    Mög' in allen Lebenstagen
    So gleichmäßig richtig nur,
    Dir das Herz im Busen schlagen,
    Wie die Unruh in der Uhr. -
    Wenn Verdruß dein Herz umziehet,
    Soll der Zeiger vorwärts geh'n,
    Doch wenn dir ein Glück erblühet,
    Soll es darauf stille steh'n.
    (1853)

    Aus: Dur- und Molltöne
    Neuere Gedichte von Kathinka Zitz
    Mainz 1859 (S. 141-142)
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  • Karl Siebel (1836-1868)

    Mein Herz

    Es ist mein Herz ein kleines Haus,
    Mitten, mitten im Walde;
    Viel Vöglein fliegen wohl ein und aus,
    Wohl über Flur und Halde.

    Sie fliegen hin, sie fliegen her,
    Singen trauliche Lieder;
    Ziehn über Berge, fliehn über's Meer
    Und kommen singend wieder.

    Sie pflücken sich im Morgenschein
    Gold'ne, glänzende Rosen;
    Sie lernen von dem Zephyr im Hain
    Mit Veilchenblüthen kosen. -

    Wohl ist mein Herz ein glücklich Herz;
    D'rin thront eine Königinne,
    Die macht zur Wonne jeglichen Schmerz
    Mit ihrer süßen Minne.

    Ihr fliegen all' die Vöglein zu,
    Kosen mit ihr und küssen,
    Und sie, - sie wird in lächelnder Ruh'
    Wohl Alles leiden müssen.

    Ach, seit im Haus die Königin,
    Ist's d'rin so licht und helle; -
    Mich dünkt, es ist so traulich darin,
    's ist ein Waldkapelle.

    Aus: Gedichte von Carl Siebel
    Zweite vermehrte Auflage Iserlohn
    Julius Bädeker 1859
    (S. 199-200)
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  • Franz Stelzhamer (1802-1874)

    Heimkunft

    I.
    An mein Herz
    Sieh doch, mein Herz, wie sonderbar
    Du bist, als ich noch ferne war,
    Da triebst du ohne Rast und Ruh',
    Kaum bin ich da, so schweigest du.

    Ich wandle Säle ein und aus,
    Besuche Hof und Gartenhaus,
    Die Laube, sonst so lieb und traut -
    So brause doch, Herz, schlage laut!

    Jüngst hieß es, daß Sie frägt nach mir,
    Da sprangst du aus dem Busen schier;
    Nun bin ich da und du vergißt
    Zu fragen, wo Herzliebchen ist!

    Der Rappe stand in Schaum und Schweiß,
    So jagt' ich ihn auf dein Geheiß;
    Und nun du bist am Gnadenort,
    Ist all dein heißes Sehnen fort.
    ***

    Sieh, Quell und Bächlein drängt und eilt
    Und Fluß und Strom geht unverweilt;
    Selbst noch im weiten, weiten Meer
    Kämpft rastlos fort das Wellenheer
    !


    II.
    Des Herzens Antwort
    Mir ist es ja schon Hochgenuß,
    Wenn ich nur bin, wo Liebchens Fuß
    Die Gräser sanft und Blümlein bog,
    Wo Es geblickt und Odem sog.

    Ach, Berge, Bäume, Busch und Strauch,
    Ach, Blumen, Gräser, Kohl und Lauch,
    Seid mir willkommen, seid gegrüßt
    An mich gedrückt und heißgeküßt!

    Mein Liebchen hing die lange Zeit
    An euch mit Lieb' und Zärtlichkeit,
    Seid gut, und gebt ein kleinstes Stück
    Mir eures großen Glück's zurück!

    "Zurück, zurück!" scholl's fern und nah,
    Und Berg' und Bäume nickten: Ja!
    Es nickte Blümlein, Lauch und Kohl,
    Das that dem Herze herzlich wohl! -
    ***

    Ei, Quell und Bächlein drängt und eilt
    Und Fluß und Strom geht unverweilt -
    Dem Meere zu, dem Meere zu,
    Darein versenkt - ist Ruh', ist Ruh'!

    Der ems'ge Schlängelgang ist aus,
    Man sieht sich um im großen Haus,
    Das kleine Würmlein wird zum Wurm
    Und kennt hinfort nur mehr den Sturm:
    Da freilich ist es fürchterlich,
    Bäumt zischend auf gen Himmel sich,
    Sonst wiegt und wogt es nur in Lust
    Und drückt den Himmel an die Brust.


    Aus: Gedichte von Franz Stelzhamer
    Stuttgart und Augsburg
    J. G. Cotta'scher Verlag 1855 (S. 166-168)
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  • Richard von Volkmann (1830-1889)

    Willst du denn, mein altes Herz, ewig jung verbleiben?

    In des Winters langer Zeit
    Wähnt' ich es gelungen,
    Daß mein Herz nach hartem Streit
    Nieder ich gerungen.

    Ach, zum Unglück oder Glück,
    - Ich entscheid' es nimmer, -
    Kehrte noch einmal zurück
    Mir des Lenzes Schimmer!

    Und in all der Blütenpracht
    Schwellendem Getriebe
    Fühl' ich wieder deine Macht
    Alte Jugendliebe!

    Willenlos durch Lust und Schmerz
    Laß ich hin mich treiben -
    Willst du denn, mein altes Herz,
    Ewig jung verbleiben?


    Aus: Richard Leanders [Richard von Volkmann]
    Sämtliche Werke Leipzig 1899
    Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel (S. 274)
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  • Vincenz Zusner (1803-1874)

    Wünsche

    Wenn mein Herz ein Täubchen wär',
    Möcht' es Dir an's Fenster fliegen,
    Sich in Deine Arme schmiegen,
    Und sich schaukeln hin und her,
    Wenn mein Herz ein Täubchen wär'.

    Wär' mein Herz ein Frühlingshauch,
    Möcht' es Dir die Wangen kühlen,
    Mit den weichen Locken spielen,
    Und Dich manchmal küssen auch,
    Wär' mein Herz ein Frühlingshauch.

    Wär' mein Herz ein Wiesenquell,
    Möcht' es Dir zum Spiegel dienen,
    Und Dein Bild, das strahlte d'rinnen,
    Wie im Leben, rein und hell,
    Wär' mein Herz ein Wiesenquell.

    Wär' mein Herz ein Flötenlaut,
    Möcht' es Dir im Schlummer tönen,
    Deine Träume zu verschönen,
    Alle Nächte süß und traut,
    Wär' mein Herz ein Flötenlaut.

    Wär' mein Herz ein Sternenlicht,
    Möcht' es Trost Dir niederleuchten,
    Wenn Dein Aug' die Thränen feuchten,
    Und der Gram die Hoffnung bricht,
    Wär' mein Herz ein Sternenlicht.

    Wär' mein Herz ein Leichenstein,
    Möcht' es still zum Himmel ragen,
    Und die Grabschrift würde sagen:
    "Auch dort oben bleib' ich Dein!"
    Wär' mein Herz ein Leichenstein.


    Aus: Gedichte von Vincenz Zusner
    Zweite Auflage Schaffhausen
    Verlag der Fr. Hurter'schen Buchhandlung 1858 (S. 24-25)
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  • Eduard Paulus (1837-1907)

    An das Herz

    Was willst du zagen, wunderbares Herz,
    Noch keine Kraft hat deine Kraft bezwungen,
    Und immer wieder hat dein Lied geklungen,
    Wie sturmbewegt der Glocke stolzes Erz.

    Wohl ist der Grundton deines Lieds der Schmerz,
    Doch durch der Erde tiefste Dämmerungen
    Hast du zum Frieden dich hindurchgerungen
    Und blickst nun freudig hoffend himmelwärts.

    Halt aus, daß dir das Leben nicht die Glut,
    Die reine Glut von deiner Liebe töte,
    Von deiner Liebe, welche nimmer ruht

    Im Kampf und Schmachten nach der Morgenröte
    Des ewigen Geist's, von dem ein blasser Funken
    Auch auf mein irdisch Angesicht gesunken.

    Aus: Gesammelte Dichtungen von Eduard Paulus
    Stuttgart 1892 Friedrich Frommann's Verlag (E. Hauff) (S. 212)
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  • Ferdinand Sauter (1804-1854)

    Gestilltes Herz

    Ob Morgenglanz die Welt umfängt,
    Ob Sternenmantel drüber hängt,
    Ob sie erglüh' im Mittagsschimmer,
    Des Herzens Glut erlöschet nimmer.

    Ob Sturm die dunklen Wolken jagt,
    Und Bergen gleich die Woge ragt,
    Des Herzens Wellen höher steigen,
    Sich tiefer seine Wolken neigen.

    Der Erde Rund sich rastlos schwingt,
    Und schnell die Jahreszeiten bringt,
    Doch eil'ger Herzensschwingen ziehen,
    Und schneller seine Blumen blühen.

    Hat Liebverrath dich schier erstarrt,
    Und Freundestreue nicht beharrt;
    Will Schicksalstücke dich erdrücken,
    Sie können nicht die Glut ersticken.

    Und brach die Zeit des Körpers Kraft,
    So blieb das Herz doch unerschlafft,
    Es zehrt noch von vergangner Fülle
    Und fragt nicht nach der morschen Hülle.

    So ruht das rege Herze nicht,
    Bis es die dunkle Schranke bricht,
    Bis deine ewig trunk'nen Augen
    Aus Gottes Anblick Ruhe saugen.

    Aus: Gedichte von Ferdinand Sauter
    Mit des Dichters Lebensskizze aus dem Nachlasse herausgegeben
    von Julius von der Traun
    Wien Verlag von Tendler und Comp. 1855 (S. 117-118)
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  • Georg Scheurlin (1802-1872)

    Mein Herz und du

    Mein Herz und du: - so ruhet überwacht
    Vom lichten Mond die traumbeglückte Nacht.

    Wie dir mein Herz - so folgt der Abendstern
    Dem Gang der Sonne einsam, sehnend, fern.

    Mein Herz und du - so küssen unbewußt
    Sich Aug' und Thräne bald in Leid, in Lust.

    Wie dich mein Herz - so wiegt den süßen Klang
    Die Aeolsharfe bei der Lüfte Gang.

    Mein Herz und du: - die Sehnsucht und ihr Bild;
    Es blüht ihr Schmerz, doch ewig ungestillt!

    Aus: Heideblumen Gedichte von Georg Scheurlin
    Heidelberg Universitätsbuchhandlung von Karl Winter 1858 (S. 143)
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  • Ludwig Seeger (1810-1864)

    O mein Herz, du schweigst so lange

    Wenn sich zweie lieben sollen,
    Braucht man sie nur zu scheiden.
    Göthe

    O mein Herz, du schweigst so lange,
    Ewigkeiten harr' ich schon.
    Ach, wie sind in trägem Gange
    Tag' und Wochen mir entflohn!

    Rauschend zog durch alle Sinne
    Mir der kurzen Tage Lust,
    Wo wir in verstohlner Minne
    Selig lagen Brust an Brust.

    Wo ich, nach zersprengten Gittern,
    Deine Seele fühlbar nah,
    Wo ich dir im Aug' sie zittern,
    Taumeln, ach, vor Liebe sah!

    Und des letzten Kusses Flammen
    Morgens früh, noch eh's getagt!
    Wie ich dann mein Herz zusammen
    Pressend bin davon gejagt!

    All die heißen Liebesfunken
    Brannten mir im Blute nach.
    All die Lust, die ich getrunken,
    Sie verdämmert allgemach!

    Keine Zeile, die mir klagte!
    Was dein Herz nun einsam fühlt,
    Keine, die ein Wort mir sagte,
    Das den Schmerz der Trennung kühlt!

    Spräch's von Kummer, von Entzücken,
    Hätt' ich nur ein Blatt von dir
    An den heißen Mund zu drücken,
    Besser würd' es schon mit mir.

    Tiefer täglich schlägt in's Leben
    Mir der Gram den giftgen Zahn.
    All der Qual zu widerstreben
    Ohne dich, wie fang' ich's an?

    Todt bin ich, von dir verlassen,
    Todt und taub für alle Welt;
    Nichts im Haus und auf den Gassen,
    Was mein Herz mit Trost erhellt.

    Morgens nach der Nacht verlangen,
    Müd' von der, die ich durchwacht;
    Stumpf', wenn nun der Tag gegangen,
    Bang vor dem, der sich entfacht -

    O mein Leben, so in Qualen
    Und in Angst um dich versenkt,
    Frag' ich mich zu tausend Malen,
    Ob ich dich wohl gar gekränkt?

    Dir, die tausend Sorgen, Schmerzen
    Heiter lächelnd niederschlägt,
    Wehthun könnt' ich diesem Herzen,
    Das so schwer, so männlich trägt?

    Sprich ein Wort, gib nur ein Zeichen,
    Heile meinen kranken Muth!
    Aus der schlimmste Geist muß weichen,
    Sprichst du: "Alles wird noch gut!"


    Aus: Ludwig Seeger's gesammelte Dichtungen I. Liederbuch
    Stuttgart Druck und Verlag von Emil Ebner 1863 (S. 171-173)
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  • Ludwig Seeger (1810-1864)

    Dein Herz

    Dein Herz wie eine Glocke hängt
    Dir stumm seit Jahren in der Brust;
    Nun klopft's daran - zu läuten fängt
    Sie an - o schaurig süße Lust!

    Aus: Ludwig Seeger's gesammelte Dichtungen I. Liederbuch
    Stuttgart Druck und Verlag von Emil Ebner 1863 (S. 225)
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  • Wilhelm Ritter von Hertz (1835-1902)

    Mein Herz

    Mein Herz ist ein stiller Tempel,
    Eine Domhall' düster und hehr,
    Da knieen wie bleiche Beter
    Die trüben Gedanken umher.

    Es hauchen unsichtbare Orgeln
    Gar wundertiefen Klang,
    Es wallet von Geisterlippen
    Ein dumpfer Schlummergesang.

    Und unten in Grabeshallen,
    Da schlafen im Sterbekleid
    Die alten Tage der Liebe
    Aus ferner, schöner Zeit.

    Aus: Gedichte von Wilhelm Hertz
    Hamburg Hoffmann und Campe 1859 (S. 38)
    _______

  • Albert Knoll (1809-1843)

    An mein Herz

    Herz,
    So tief verletzt,
    So matt gehetzt,
    Was hörst du nicht auf zu schlagen?
    Den Tod in dir
    Und willst doch zu leben wagen?
    Herz,
    Und willst doch zu leben wagen?

    Herz,
    Mit dem Todespfeil,
    Und hoffst noch Heil?
    Und hörst nicht auf zu schlagen?
    Blickst so voll Schmerz
    Noch himmelwärts,
    Und meinst das Leben zu tragen?
    Herz,
    Und meinst dies Leben zu tragen?

    Herz,
    Der Raum ist karg
    In einem Sarg,
    Gönnt nicht das weitende Schlagen.
    Poch zu, poch zu;
    Er oder du
    Bricht in dem weitenden Schlagen.
    Herz,
    Brich oder lerne entsagen.

    Aus: Gedichte eines Österreichers
    Leipzig F. A. Brockhaus 1845 (S. 149-150)
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  • Heinrich von Levitschnigg (1810-1862)

    Liebesghasel

    Wie Lerchen haßte Fesselzwang mein Herz,
    Bis deiner Locken Netz umschlang mein Herz.
    Als Kahn auf hoher See der Liebe zog,
    Vor Sturmgefahr nicht scheu noch bang, mein Herz;
    Doch deines Flammenblickes Brander flog,
    Geentert ward als Kaperfang mein Herz.
    Verschlungen hat der Wonne Meeresschlund
    Als Taucher, der zur Tiefe drang, mein Herz;
    Korallenklippe ward dein Nelkenmund -
    Wie hing an dieser Klippe lang mein Herz!
    Als Falter zog hinaus zur Blumenwahl,
    Den kleinen Fittig rastlos schwang mein Herz,
    Da schaute deines Busens Liljenthal,
    Da hemmte seinen Reisegang mein Herz.
    Ein Heimatloser zog durch alles Land
    Gleich einem, der der Haft entsprang, mein Herz.
    Zu deinen Füßen seine Heimat fand,
    Landstreicherlieder nie mehr sang mein Herz.

    Aus: Gedichte von Heinrich Ritter von Levitschnigg
    Wien Verlag von Pfautsch & Compagnie 1842 (S. 139-140)
    _______

  • Heinrich von Levitschnigg (1810-1862)

    Liebesghasel

    Du hast vertraut zu unbedacht mein allzurasches Herz;
    Der Treue Haus steht abgedacht mein heimatloses Herz.
    Die Liebe kam, so kehrt der Lenz ins Blumenthal zurück;
    Ihr Sonnenblick hat dir gelacht mein leichtgeblendet Herz,
    Der Lenz ist kurz, doch kürzer noch der Liebe Lust und Glück,
    Da ward in Dir es freilich Nacht mein schmerzzerrißnes Herz,
    Was klagst du bang dein Leid der Welt? die Welt hat kaltes Blut,
    Ihr hat noch immer Spaß gemacht, ein gramgebrochnes Herz.
    Was staunst du doch und wunderst dich, daß sie nicht theilt die Glut,
    Die Liebesküsse angefacht mein allzuwarmes Herz?
    Sei ruhig, poche nicht so laut; die Rosen sind verblüht,
    Nicht hoffe, daß Bülbül erwacht, mein wahnbefangnes Herz!
    Was lärmst du so? S'ist lächerlich, wenn man umsonst sich müht,
    Ich hätte stiller mir gedacht, ein todtgeschlagnes Herz.


    Aus: Gedichte von Heinrich Ritter von Levitschnigg
    Wien Verlag von Pfautsch & Compagnie 1842 (S. 144-145)
    _______

  • Hieronymus Lorm (1821-1902)

    Das Herz

    Das Herz, so klein in seinem Raum,
    Das Herz, so groß in seinem Traum,
    Es schlägt in enger Menschenbrust
    Und faßt des Erdballs Schmerz und Lust.
    Beständig spricht's mit seinem Pochen,
    Was Menschenweisheit nie gesprochen;
    Hätt's für sein stummes Wort den Mund,
    Es gäb das Weltgeheimniß kund.

    Aus: Gedichte von Hieronymus Lorm
    Siebente, vermehrte Auflage
    Dresden und Leipzig Verlag von Heinrich Minden 1894 (S. 389)
    _______

  • Otto Ludwig (1813-1865)

    Reines Herz

    Selig dem
    Die Götter geben
    Ein reines, edles Herz.
    Er trägt den Zauber in der reichen Hand,
    Was er berührt, mit Wonne zu durchschwellen.
    Die enge Hütte dehnt sich zum Olymp,
    Wohin er seine Brust voll Götter bringt.
    Nur dem ist arm das Leben,
    Der es mit armen Augen sieht.
    Ihm schmilzt der Dinge Frühling
    Unter der gierigen Hand.
    Drum, gütige Götter, erhaltet
    Ihm, dem Glücklichen, dem ihr sie gabt,
    Die selige Gabe, erhaltet ihm
    Im Busen das reine, edle Herz.


    Aus: Otto Ludwigs gesammelten Schriften.
    Erster Band: Biographie, Zwischen Himmel und Erde, Gedichte
    Leipzig Fr. Wilh. Grunow 1891
    (Hrsg. von Adolf Stern und Erich Schmidt) (S. 14-15)
    _______

  • Albert Möser (1835-1900)

    An mein Herz

    Mein armes Herz, ich höre bang dich klagen,
    Daß Lieb' und Glück dem Zeitenflug erliegen;
    Doch glaub: der Schönheit Born kann nicht versiegen,
    Und Holdes blüht auch in der Zukunft Tagen.

    Glanzvoll wird manch ein Frauenbild noch ragen,
    Noch manch ein Leib in Ebenmaß sich wiegen,
    Der Anmuth Reiz wird dich noch oft besiegen
    Und lichtumstrahlt dich ganz in Fesseln schlagen.

    Und mag auch nie ein Weib sich traut dir gatten,
    Magst nie du ruhn in brünstigem Vereine,
    Mein Herz, laß nimmer Gram dich drob verzehren!

    Enttäuschung folgt der Liebe stets als Schatten,
    Und Weisheit ist's: beglückt vom schönen Scheine
    Das Holde schaun und niemals es begehren.


    Aus: Nacht und Sterne
    Neue Gedichte von Albert Möser
    Halle Verlag von G. Emil Barthel 1872 (S. 189)
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  • Albert Möser (1835-1900)

    Das Herz

    O Menschenherz, du bist der Schöpfung Krone!
    Was ist wie du so tief und unergründlich?
    Dich faßt kein Sinn - Lust, Leid, sie wechseln stündlich,
    Gleich Wettern in des Aethers luft'ger Zone.

    Bald bebst du bang, bald - einer Welt zum Hohne -
    Der Schönheit Sklav, erglühst du leicht entzündlich,
    Jetzt grollst du tief, doch rasch dünkt Groll dich stündlich,
    Schon liebst du neu, ob sich's auch nie dir lohne.

    Und Wonnen, drin entzückt die Seele badet,
    Und Leiden, die des Busens Mark verzehren,
    Nur du, o Herz, nur du kannst sie bescheeren;

    Wen du durchglühst, er dünkt mich gottbegnadet;
    Wer dein enträth, ob Wissensqualm ihn fülle,
    Er bleibt ein Nichts in eines Menschen Hülle.

    Aus: Gedichte von Albert Moeser
    Erste Sammlung Dritte sehr veränderte und vermehrte Auflage
    Hamburg Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellschaft 1890 (S. 4)
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  • Ludwig Gottfried Neumann (1813-1865)

    Das Herz

    Unser Herz, mit seinem Hoffen
    An geheimen Wünschen reich,
    Mit den tausend zarten Keimen,
    Ist es nicht der Rose gleich?

    Und ein froher Knab zerpflücket
    Diese Ros in wilder Lust
    Und die Welt, sie ist der Knabe,
    Der so grausam unbewußt.

    Aus: Gedichte von Ludwig Gottfried Neumann
    Wien 1846 Verlag der C. Haas'schen Buchhandlung (S. 58)
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  • Ernst von Feuchtersleben (1806-1849)

    Herz

    Das seltsame, thörichte, fragende Herz,
    Im Glücke so bang, so glückselig im Schmerz -
    Was mag es nur ewig so klopfen?
    Es klopft, ach! nicht ewig; es bebet, es harrt,
    Bis das Blut in den Gängen des Lebens erstarrt,
    Allmählich, von Tropfen zu Tropfen.

    Dann schweigt es; dann ruht es; Dämonen der Welt
    Sie tragen's ins Haus, das nicht Helios hellt,
    Das die Schatten Persephone's schwärzen;
    Doch die darin pochte, die selige Kraft,
    (Die Hülse zerstiebte) - sie hat sich entrafft,
    Und fliegt an das Herz aller Herzen.

    Aus: Gedichte von Ernst Freiherrn von Feuchtersleben
    Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1836 (S. 21)
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  • Emanuel Geibel (1815-1884)


    Wenn ich an dich gedenke
    Bei stiller Nacht allein,
    Das geht mir durch die Seele
    Wie lichter Mondenschein;
    Das geht mit durch die Seele
    Wie lieblich Harfenspiel,
    Mir ist, ich hatte nimmer
    Der Freuden also viel.

    Mein Herz ist wie ein Ringlein
    Von eitel güldnen Glast,
    Du bist die klare Perle,
    Und bist darein gefaßt.
    So wie die Perl' im Golde,
    So funkelst du darin,
    Und trägst auch mich beschlossen
    So fest in deinem Sinn.

    O dank' dir's Gott, Herzliebste,
    Viel tausend, tausendmal,
    So viel als Veilchen blühen
    Zu Ostern tief im Thal!
    So viel als Veilchen blühen,
    So oft gedenk' ich dein;
    Das geht mir durch die Seele
    Wie lichter Mondenschein.

    Aus: Emanuel Geibel Gesammelte Werke
    in acht Bänden. Stuttgart
    Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1883 (Band 2 S. 21-22)
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  • Julius Grosse (1828-1902)

    Ein treues Herz

    Weißt du ein Herz dir schlagen,
    Das treugesinnt dir ist,
    In deinen trübsten Tagen
    Fühlst du, wie reich du bist.

    Es kommt wie Sonnenlächeln
    Dir in der tiefsten Nacht,
    Wie milden Westwinds Fächeln
    In eisiger Winterpracht.

    Wem solch ein Schatz beschieden,
    Kann nicht verloren sein.
    Du wandelst still in Frieden
    In Sturm und Wetterschein.

    Fern über rollenden Meeren
    Winkt dir ein sichres Land,
    In drohenden Feindesheeren
    Beschirmt dich Geisterhand.

    Sie zieht mit leisen Sorgen
    Doch endlich dich zurück,
    Wo deine Jugend geborgen,
    Gegründet ist dein Glück.

    Bis zu den spätsten Tagen
    Fühlst du, wie jung du bist,
    Weißt du ein Herz dir schlagen,
    Das treugesinnt dir ist.

    Aus: Gedichte von Julius Grosse
    In neuer, durchgesehener und vermehrter Auswahl
    mit einer Zuschrift von Paul Heyse
    Berlin G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung 1882 (S. 65)
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  • Karl Egon Ebert (1801-1882)

    Herz und Blume

    Hörte oft das Herz vergleichen
    Einer Perle zart und hell,
    Dem Demant, dem feuerreichen,
    Himmelsklarem Silberquell.

    Oft hört' ich den Zorn auch sagen:
    "Herz, du mußt ein Eisball sein!"
    Und die Wehmuth wieder klagen:
    "Herz, du bist ein harter Stein!"

    Schmetterling und goldne Falle
    Nannten Manche es im Scherz,
    Doch mir däucht, sie irrten Alle -
    Eine Blume ist das Herz.

    Blumen keimen auf in Lenzen,
    Herzen in der Jugend Glanz,
    Blumen einen sich zu Kränzen,
    Herzen sich zum Liebeskranz.

    Blumen stolz im Warmen blühen,
    Warmer Blick gibt Herzen Kraft,
    Blumen sengt des Mittags Glühen,
    Herzen glüh'nde Leidenschaft.

    Blumen ist der Thau ein Segen,
    Milde Thrän' erfrischt das Herz,
    Blumen knickt der wilde Regen,
    Herzen bricht der wilde Schmerz.

    Blumen froh am Tage sprießen,
    Herzen da, wo Liebe lacht,
    Blumen Nachts die Kelche schließen
    Herzen schließt des Hasses Nacht.

    Schnee muß Tod der Blume geben,
    Herz verwelkt, wenn Alter droht,
    Und so lebt's ein Blumenleben,
    Und so stirbt's den Blumentod.

    Aus: Gedichte von Karl Egon Ebert
    Vollständige Ausgabe in drei Büchern
    in dritter stark vermehrter Auflage
    Stuttgart und Tübingen J. G. Cotta'scher Verlag 1845 (S. 12-13)
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  • Eduard Ferrand (1813-1842)

    Die Knospe

    Mein Herz ist eine Knospe,
    Die still verborgen keimt,
    Und in dem Sturm des Winters
    Von schönren Lenzen träumt.

    Mein Herz ist eine Knospe,
    Durchwallt von süßem Duft:
    Sie kann ja nicht erblühen
    In eisig kalter Luft.

    Mein Herz ist eine Knospe,
    Und wenn es liebend bricht,
    Entfaltet sich die Blüthe
    Dem ewgen Sonnenlicht.


    Aus: Der neuhochdeutscher Parnaß 1740 bis 1860
    Eine Grundlage zum besseren Verständnisse unserer Litteraturgeschichte
    in Biographien, Charakteristiken und Beispielen unserer
    vorzüglichsten Dichter von Johannes Minckwitz
    Leipzig Arnoldische Buchhandlung 1861 (S. 124)
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  • Guido Eckardt (1843-1906)

    Träumende Herzen -

    Träumende Herzen -
    Wer nimmt sie in Acht,
    Früh wann der klingende
    Morgen erwacht?

    Flammende Herzen -
    Wer hält sie in Hut,
    Rings in der zitternden
    Mittagsglut?

    Bebende Herzen -
    Wer lindert die Pein,
    Läuten die Glocken
    Den Abend ein?

    Schlafende Herzen -
    Freundlich bewacht,
    Ruhen in stiller
    Grabesnacht. -

    Aus: Dichterstimmen aus Baltischen Landen
    Herausgegeben von Eugen Richter
    Leipzig August Neumanns Verlag 1885 (S. 52)
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  • Johanna Ambrosius (1854-1939)

    Vor Gericht

    Ein kleines Herz ward vor Gericht gebracht,
    Weil es nicht länger wollt' der Pflicht mehr dienen,
    Und sah mit seiner dunkeln Augen Macht
    Bang in des Schicksals schwarzumflorte Mienen.
    Zur Seite stand die Pflicht, ein Riesenweib,
    Mit Augen farblos, daraus Thränen bluten,
    Die Unermüdliche, zum Zeitvertreib
    Schnitt sie ein Bündel scharfer Eisenruten. -
    "Was," hub des Schicksals Donnerstimme an,
    "Fehlt dir zu deines Hauses vollem Segen?
    Hebt nicht die Pflicht dich bis zum Himmel an,
    Schützt vor Versuchung dich auf allen Wegen?
    So wie der Stab der Blume Haltung giebt,
    Daß sie nicht werde jedem Wind zum Raube,
    So blüht ein Herz, das treu die Pflicht nur liebt,
    Zur vollsten Schönheit auf in Hoffnung, Glaube."
    Ein Schauder flog bei diesem Wort durchs Herz,
    Die Lippen zuckten im verhalt'nen Weinen:
    "Gieb mir das Glück," so fleht's in heißem Schmerz,
    "Auf einen Augenblick, nur einen, einen!
    Mich friert doch ewig in dem dünnen Kleid,
    Das mir die Pflicht gemacht, ich kann's nicht tragen,
    Es ist zu eng, und bringt mir großes Leid,
    Und doch darf ich's niemals zu ändern wagen.
    Schau her, wie schön sie es mir hat gefärbt,
    Mit meinem Blute ist es jüngst geschehen,
    Ein jedes Wort ist mir ins Fleisch gekerbt,
    Da kannst du ewig ihre Sprüche sehen.
    Wie eine Wüste ist ihr Angesicht,
    Und unaufhörlich peitscht sie mir die Hände,
    Siehst du den Dornenkranz auf meiner Stirne nicht?
    Er schmerzt, wo ich auch nur das Haupt hinwende,
    Und Ketten hängt sie an des Kleides Saum.
    Die müden Füße tragen sie kaum weiter,
    Frei werd' ich nur des Nachts im tiefsten Traum,
    Dann hebt das Glück mich auf die Rosenleiter.
    Dann grüßt der Palmenhain herüber lind
    Und Harfenklänge ziehn mich in den Reigen
    Der Glücklichen, dann bin ich auch ihr Kind
    Und geb' der Freude voll mich dann zu eigen.
    Nur einmal laß mich off'nen Auges sehn,
    Was mir der Traum enthüllt in mattem Glanze,
    Laß trinken mich den Göttertrank der Feen,
    Den sie kredenzen jeder Braut im Kranze.
    Nur einmal laß mich meine heiße Brust
    Ins Meer der süßen Liebesgluten tauchen,
    Nur einmal laß des Glückes volle Lust
    Mir seinen Kuß auf meine Lippen hauchen.
    Nimm meine Seligkeit, ich geb' sie dir,
    Will ehrlos sein für alle Ewigkeiten,
    Nur öffne einmal mir des Glückes Thür,
    Dann kannst erbarmungslos du über mich hinschreiten."
    Und bitter weinend warf das Herz sich hin,
    Umschlang den Thron mit seinen schwachen Armen;
    "O änd're, Schicksal, deinen harten Sinn,
    Und habe mit dem kleinen Herz Erbarmen!"
    Das Schicksal winkt: Es sei. – Ein Windesstrom
    Voll Weihrauchduft zieht um des Hauses Stufen,
    Und mahnend her vom nahen Kirchendom
    Die Abendglocken leis' zur Andacht rufen.
    Still geht die Pflicht dem frommen Klange nach,
    Im heil'gen Feuer sich die Wangen röten,
    Da tönt ein Schrei laut gellend durchs Gemach;
    "Halt!" ruft das Herz, "ich gehe mit zu beten."
    Wirft in die Arme sich der strengen Frau
    Und drückt den Dornenkranz sich wieder fester,
    "Fahr' wohl, mein Glück, mit deiner Märchenau' -
    Ich bleibe bei der grausam schönen Schwester!"

    Aus: Gedichte von Johanna Ambrosius
    Herausgegeben von Karl Schrattenthal 34 Auflage
    Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1897 (S. 62-63)
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  • Johanna Ambrosius (1854-1939)

    Mein Herz

    Mein Herz ist stark wie ein Eichenbaum
    Mit knorrigen Ästen und Zweigen,
    Es strebt hinaus zum sonnigen Raum
    Und kann sich nicht bücken noch neigen.

    Ein stolzes Schiff mit Flaggen und Mast,
    Zieht's kühn durchs Wellengebrause,
    Das findet auch nirgends Ruhe und Rast
    Als im Hafen drüben zu Hause.

    Oft gleicht mein Herz einem Feuerstein,
    Liegt kalt und starr wie versunken,
    Doch schlägst du mit edlem Metall darein,
    Umsprühen dich Flammen und Funken.

    Doch wird der Liebe allmächtiger Strahl
    Es fassen mit allen Gewalten,
    Wird's weicher noch als der Schnee im Thal,
    Als die Eiche, vom Blitz zerspalten.


    Aus: Gedichte von Johanna Ambrosius
    Herausgegeben von Karl Schrattenthal 34 Auflage
    Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1897 (S. 100)
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  • Eleonore Kalkowska (1883-1937)

    Mein Herz ist wund ...

    Mein Herz ist wund ...
    O, leg drauf deine Hände,
    Die weißen, niemals staubberührten Hände.
    Bei deiner zarten Finger Strahlenspende,
    Vielleicht wird es gesund. ...

    Mein Herz ist wund ...
    O, leg drauf deine Hände,
    O, laß mit sachtem Drucke sie verweilen, ...
    Die Wunde wird sich schließen, sie wird heilen,
    Gewiß — es wird gesund!

    Aus: Die Oktave Gedichte von Eleonore Kalkowska
    Egon Fleischel & Co. Berlin 1912 (S. 95)
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  • Anna Karbe (1852-1875)

    Bitte um ein fröhliches Herz

    Herr, gieb mir auch im tiefsten Schmerz,
    Ein frohes Kindergottesherz,
    Ein fröhlich Herz, das nicht verzagt
    Und nimmer über Schmerzen klagt;

    Ein fröhlich Herz, das singen kann,
    Wenn Deine Hand ihm weh gethan,
    Dem jeden Tag ein frohes Lied
    Auch selbst im tiefen Leid erglüht,

    Ein fröhlich Herz, das immer grün
    In allen Leiden möge blühn;
    Ja, laß in Deinem Sonnenschein
    Mein Herz ein fröhlich Blümlein sein.

    Aus: [Anna Karbe] Immergrün
    Lieder einer früh Heimgegangenen
    Mit einem Vorworte von Emil Frommel
    Berlin Verlag von Wiegandt & Grieben [1876] (S. 67)
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  • Anna Karbe (1852-1875)

    Um ein stilles Herz

    Herr, ich weiß nicht, was ich will,
    Müde bin ich und gedrückt;
    Nimm mein Herz und mach' es still,
    Daß es frei nach oben blickt!

    Lege Deine Segenshand
    Auf mein Herz, so matt und krank,
    Leite Du mich unverwandt,
    Jetzt, und all' mein Lebelang!
    ---

    Wenn ich geduldig warten lerne
    Auf das, was mir Dein Wort verspricht,
    Wenn ich mein Herz von dem entferne
    Was Deine Hand für mich zerbricht;
    Wenn die Gedanken sich verbinden,
    Hinauf, wohin mein Herz gehört,
    So werde ich die Ruhe finden
    Die meine Seele so begehrt.
    ---

    Herr, nimm mein Herz in Deine Hände,
    Und mach' es still in Deiner Huld;
    Gieb mir die Heimath einst am Ende,
    Und für die Reise gieb Geduld!

    Aus: [Anna Karbe] Immergrün
    Lieder einer früh Heimgegangenen
    Mit einem Vorworte von Emil Frommel
    Berlin Verlag von Wiegandt & Grieben [1876] (S. 71)
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  • Hans Schiebelhuth (1895-1944)


    Hätt ich ein Herz, blank von geschmolzenem Stolz und gehärteter Demut;
    Hätt ich ein Herz, frei, nicht ufergebunden, erdgeengt;
    Hätt ich ein Herz, fest, nicht wie meins verworren, verworfen,
    um die Gunst von Stunden verbuhlt;
    Hätt ich ein Herz und nicht tausend zerschmetterte Herzen -
    Von denen täglich eins stirbt und ein anderes ahnungslos aufwacht
    Und deren ich keins je kenn . . .

    Aus: Hans Schiebelhuth Gedichte 1916-1936 / Übertragungen
    Agora Darmstadt Zürich
    Diese Ausgabe wurde aufgrund der Originalhandschriften
    herausgegeben von Manfred Schlösser
    Mit Unterstützung des Magistrats der Stadt Darmstadt gedruckt
    1966 (S. 281)
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  • Hans Schiebelhuth (1895-1944)

    Verschenkt Herz

    Du bist nicht Gast. Du wohnst in mir.
    Hast nicht nur Rast. Hast Bleibe hier.
    Hier steht deine Wiege. Hier zäunt dein Geheg.
    Hier steilt dir Stiege. Hier mündet dein Weg.

    Hier hält dich Helle. Hier hüllt dich Nacht.
    Im Brunn quickt Quelle. Speicher füllt Fracht.
    Geh aus. Geh ein. Sei unverhofft.
    Dein Haus dir offen. Komm gern. Komm oft.

    Aus: Hans Schiebelhuth Gedichte 1916-1936 / Übertragungen
    Agora Darmstadt Zürich
    Diese Ausgabe wurde aufgrund der Originalhandschriften
    herausgegeben von Manfred Schlösser
    Mit Unterstützung des Magistrats der Stadt Darmstadt gedruckt 1966 (S. 26)
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  • Georg Trakl (1887-1914)

    Das Herz

    Das wilde Herz ward weiß am Wald;
    O dunkle Angst
    Des Todes, so das Gold
    In grauer Wolke starb.
    Novemberabend.
    Am kahlen Tor am Schlachthaus stand
    Der armen Frauen Schar;
    In jeden Korb
    Fiel faules Fleisch und Eingeweid;
    Verfluchte Kost!

    Des Abends blaue Taube
    Brachte nicht Versöhnung.
    Dunkler Trompetenruf
    Durchfuhr der Ulmen
    Nasses Goldlaub,
    Eine zerfetzte Fahne
    Vom Blute rauchend,
    Daß in wilder Schwermut
    Hinlauscht ein Mann.
    O! ihr ehernen Zeiten
    Begraben dort im Abendrot.

    Aus dunklem Hausflur trat
     Die goldne Gestalt
    Der Jünglingin
    Umgeben von bleichen Monden,
    Herbstlicher Hofstaat,
    Zerknickten schwarze Tannen
    Im Nachtsturm,
    Die steile Festung.
    O Herz
    Hinüberschimmernd in schneeige Kühle.

    Aus: Georg Trakl Dichtungen und Briefe
    Herausgegeben von Walther Killy und Hans Szklenar
    2. Auflage 1971 Otto Müller Verlag Salzburg
    (Diese Ausgabe bringt vollständig den Text
    des erstes Bandes der historisch-kritischen Ausgabe
    1969 und 1970) (S. 87-88)
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  • Herwarth Walden (1878-1941)


    Herzen zittern im Geschweig deiner Augen
    Eine Lerche hebt die beiden Flügel weit zum Himmel
    Alle Bäume neigen die Köpfe zusammen
    Grünrieselnde Luft
    Moos glüht
    Herzen springen zu Stein von Stein
    Herzen fallen ins Moosglühen
    Aber mein Herz zaudert im Geschweig deiner Augen
    Aber mein Herz glüht die neigenden Bäume auf
    Aber mein Herz breitet die Flügel auf zum Himmel
    Sucht mein Herz den Ton deines Schweigens
    Sage
    Mein Herz zwitschert im Vormorgen
    Mein Herz saugt den Schrei alles Hallenden
    Alles Verhallenen
    Alles Verhaltenen
    Mein Herz hält den Schrei daß er tonhell zwitschert
    Mein Herz schwingt Verhalten
    Blut rauscht auf daß der Himmel glüht
    Mein Herz ist eine Träne im Geschweig deiner Augen
    Fällt sie zu Boden tief ins Moosglühen
    Nun ist sie ein Stein im Spiel der Herzen
    Zu Stein von Stein
    Verloren
    Sucht nun dein Auge im Geschweig meines Herzens
    Alle Himmel glühen
    Deine Augen leuchten durch alles Glühen
    Suchst Du mein Herz im Glühen des Schweigens
    Alle Herzen zittern
    Aber mein Herz ruht tief im Geschweig deiner Augen


    Aus: Im Geschweig der Liebe. Gedichte
    Herwarth Walden Verlag Der Sturm Berlin W 9 / 1925 (S. 47)
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  • Paul Wertheimer (1874-1937)

    Das begrabene Herz

    Ich hab' mein Herz verscharrt in den Sand.
    Scharf pfaucht der Wind; es fröstelt der Strand. -
    Da spieltest du einst mit Blumen und Band.

    Da riefst du mich lieb und da ruht' ich mit dir.
    Nun trieb dich des Blutes Welle von mir.
    Trieb dich in fremdes, kaltes Revier.

    War uns die ganze Welt nicht ein Tag
    Voller Jubel und Lerchenschlag? -
    Noch summt dein Lachen über dem Hag.

    Was webt uns zusammen und scheidet uns so?
    Aus meinem Leben liefst du mir froh,
    Neuem Glück nach von irgendwo ...

    Ich hab' mein Herz verscharrt in den Sand.
    Weht es der Wind wohl über das Land,
    Weht es dir in die lässige Hand.

    Und es durchfröstelt dich sonderbar.
    Fliegt ein Erinnern, wie einst es war,
    Wie dort im Schnee der Dohlen Schar,
    Schwarz dir vorüber, zerrüttet das Haar? ...

    Aus: Im Lande der Torheit. Neue Verse
    von Paul Wertheimer Wien und Leipzig 1910 (S. 58)
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  • Oskar Wiener (1873-1944)

    Mein Herz

    Mein rothes Herz,
    Mein totes Herz
    Soll endlich Ruhe haben;
    Ich hab es sacht
    In dunkler Nacht
    Im tiefen Schnee begraben. -

    Im weichen Schnee,
    Im bleichen Schnee
    Erblühten rothe Sünden;
    Mein altes Herz,
    Mein kaltes Herz
    Kann keinen Frieden finden.

    Aus: Gedichte von Oskar Wiener
    mit Titellitographie von H. Steiner
    Berlin Schuster & Loeffler 1899 (S. 15)
    _______

  • Jakob Haringer (1898-1948)

    Der liebe Augustin

    Mein Herz es klopft, mein Herz es klopft,
    Als ob ein Hausknecht Teppich klopft.
    Das Herz, der alte Esel bockt,
    Das Herz, das alte Pumpwerk stockt,
    Mein Herz, es prasselt, rasselt als
    Ein altes Fallbeil übern Hals,
    Wie Pestgaleerenruderschlag,
    Galgenaufzimmern früh vor Tag.
    Wer hackt da Holz in tiefer Nacht?
    Es ist mein Herz bloß, das so kracht!
    Verstorben alle Melodie -
    Der Metzger kommt zu jedem Vieh.
    Mein Herz, voll Schimmel ganz vergraut,
    Hart wie ein alter Klöppel haut,
    Wie einer einen Sarg zuklopft -
    Unnütz die Not bei Gott anklopft;
    So wie ein leckes Schiff hinkeucht,
    Wie Rinder würgen, die verseucht.
    Das Herz wie eine Hündin weint
    Und ist in Wehmut ganz versteint.
    Kein Efeu um sein steinern Bild -
    Der Trauer Pest zerfraß es wild.
    Mein Herz, es schreit, mein Herz, es schreit,
    Wie Kinder arm im Sterbekleid.
    Mein Herz, es schnarrt wie tausend Narrn,
    So wie ein alter Schinderkarrn;
    Mein Herz, der arme Totenwurm,
    Ächzt wie ein alter Glockenturm . . .
    So wie ein Hausknecht Teppich klopft -
    Kein Engel, der ihm Balsam tropft!
    Das Unglück rauscht, das Unglück rauscht -
    Keine Mutter auf deine Schritte lauscht . . .
    Wenn's Herz - ach, einmal Ruhe hätt
    In deinem alten Puppenbett -
    O wär's ein roter Abendtand
    In deiner kleinen Kinderhand . . .


    Aus: Haringer Das Fenster
    Pegasus Verlag Zürich 1946 (S. 22-23)
    _______

  • Anton Noder (Ps. A. de Nora) (1864-1936)

    Das Lied der Liebe

    Oft trägt ein Herz mit Schweigen
    In sich schon lang
    Sein Lieben, wie die Geigen
    In sich den Klang.

    Bis endlich drüber gleiten
    Wird eine Hand,
    Die plötzlich alle Saiten
    Zum Spiele spannt -

    Und weckt das stumme Sehnen,
    Das drinnen schlief,
    Und läßt sie bebend tönen,
    So voll, so tief,

    So wild und doch so leise,
    So stark und müd -
    Es ist die alte Weise,
    Das alte Lied!

    Mein Herz hat es gesungen
    Wie Sturmgebraus!
     - Die Saiten sind gesprungen -
    - Das Lied ist - aus ...

    Aus: Stürmisches Blut. Hundert Gedichte von A. De Nora
    Leipzig Verlag von L. Staackmann 1905 (S. 30-31)
    _______

  • Emil Alphons Rheinhardt (1889-1945)

    Das Herz

    Wie pochst du, mein vergangenes Herz,
    Durch diese armen Tage!
    In meinen Schläfen schlägst du mit,
    Im Halse mir, im gräßlichen
    Heutigen Herzensschlagen.
    Da pochst du mit, vergangnes Herz,
    Die Nöte mit, die ich durchlitt
    In Warten ohne Rettung,
    In dir schlägt noch der Nachmittag,
    In dem ich wartefiebernd lag,
    Bis ein Schritt auf der Treppe ging
    Und ich vor Glück zu Tod erschrak,
    Der schlägt noch mit, da ich schon litt . . .
    O Schritt, o Nimmerwieder!
    Im Pochen ist der Abend noch,
    Da ich gebannt im Bahnhof stand,
    (Verkrampft die Hand - o, wie ich stand!)
    Wie rastest du in die wallende Wand,
    Wenn ein Licht aufsprang, ein Pfiff mich durchdrang!
    O, wie ich mich vorbog, o, wie ich Gewalt,
    Uralte Sehnsuchtsgewalt in mir fand -
    O Abend, wie ich die Ferne verstand
    Und das Warten, du Herz, das Warten!

    Noch rüttelst du Rhythmen der seligen Fahrt
    Aus Gnade-Jahr in die Gegenwart,
    Wie wunderbar, daß ich der junge Mensch war,
    Der taumelnd in alle Gesichter gestarrt,
    Der von einer Stimme, einem Kleide, von Haar
    Im Suchen unter den Menschen genarrt,
    Laut vor sich hinsagte: Das ist nicht wahr -
    Ich muß sie finden! Daß ich es war,
    Der sie in der Allee draußen fand . . .
    Aus Glück schlägst du her groß und atemschwer,
    O rettungslos Heute und Nimmermehr!
    O dein Zögern aus Abschied, dein wehvolles Gehn
    Aus dem vielen Abschied muß weitergeschehn.
    O Wiedersehn und o Wiedergehn -
    O was bliebst du nicht stehn! Die Blutbrandung stößt
    Das Kommen und Gehen unerlöst
    An das finstere pontische Heute.
    O Briefe, aufflackerndes Herz, wieviel!
    Und Gesang - o wie bang ist dein alter Gang,
    Wenn fremd ein geliebter Gesang mir aufklang . . .
    O Blumen, Torheiten, o Namen, wieviel!
    O Gedicht und zärtlich geschenktes Ding -
    O "Rat was ich bring!" . . . Weh, daß ich für lange ging -
    Und wiederkam - und dann war es ein Ring!
    Du schlägst es mit, wie ich Heimweh litt
    Kanonenumschrien im Kolonnenschritt.
    Wie ich todumstellt in der stürzenden Welt
    Von Schreien durchgellt um sie Heimweh litt.
    O erlösender Schlag, da ich todbereit lag,
    Aus Fieber aufwimmernd, wenn mir der Tag
    Keinen Brief gebracht - und unendliche Nacht,
    So schaudernde, schaudernde Sterbenacht,
    Da ich Leib an Leib mit dem Seuchentod lag.
    Weh Wiederkommen! Was lieg ich nicht
    Bei dem Bergkloster unter Platanenwald!
    Weh immer noch trag ich dieselbe Gestalt
    Durch die Welt ohne sie. Warum ist mein Gesicht
    Nicht schwarze Erde geworden im Wald?
    Ihr ungeheuren Nächte, da Tod,
    Mein Tod, mein williger Tod geballt
    In mir wartete! O meine völlige Not!
    Du fingst wieder an, mein Herz, wenn Frührot,
    Wenn wieder ein letzter grausiger Tag
    Auf den schneeblauen Dächern lag.
    Du fingst wieder an und schlägst deinen Schlag,
    Deinen heißen, schönen vergangenen Schlag,
    Mein vergangenes Herz im Heute.

    Aus: E. A. Rheinhardt Die unendliche Reihe Gedichte und Aufrufe
    Ed. Strache Verlag Wien Prag Leipzig 1920 (S. 43-44)
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  • Joachim Ringelnatz (1883-1934)

    Umweg

    Ging ein Herz durchs Hirn Güte suchen,
    Fand sie nicht, doch hörte da durchs Ohr
    Zwei Matrosen landbegeistert fluchen,
    Und das kam ihm so recht rührend vor.

    Ist das Herz dann durch die Nase krochen.
    Eine Rose hat das Herz gestochen,
    Hat das Herz verkannt.
    In der Luft hat was wie angebrannt
    Schlecht gerochen.

    Und das Wasser schmeckte nach Verrat.
    Leise schlich das Herz zurück,
    Schlich sich durch die Hand zur Tat,
    Hämmerte.
    Und da dämmerte
    Ihm das Glück.

    Aus: Joachim Ringelnatz Das Gesamtwerk in sieben Bänden
    Herausgegeben von Walter Pape Diogenes Verlag AG Zürich 1994
    (Band 1 S. 264-265)
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  • Ernst Goll (1887-1912)

    Ich hab mein Herz in deine Hand gelegt

    Ich hab mein Herz in deine Hand gelegt,
    Nun ist ihm gut -
    Horch, wie es ruhvoll und beseligt schlägt
    In deiner Hut.

    Vielleicht ermattet sein gelinder Schlag,
    Von Glück betört,
    Dann hat es noch den letzten Lebenstag
    Dir angehört.


    Aus: Ernst Goll Im bitteren Menschenland
    Das gesammelte Werk
    Herausgegeben von Christian Teissl
    Igel Verlag 2012 (S. 96)
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  • Alma Johanna Koenig (1887-1942)

    Schlaflied für ein krankes Herz

    Schlaf ein, mein Herz, schlaf nur ruhig ein,
    es wird - wie das Fallen von Sternschnuppen sein.
    Fürcht keinen mit deinem Scheiden zu kränken,
    es wird kein andres Herz an dich denken.

    Schlaf ein, mein Herz, schlaf nur selig ein,
    dein Los war Sehnsucht und große Pein,
    du ließest dies Leben an dir vollstrecken
    und willst vor der Nacht voller Sterne erschrecken?

    Schlaf ein, mein Herz, schlaf auf ewig ein.
    Nur nicht Urständ und Wandlung und neues Sein!
    Gott weiß wohl, was dich dazu verleitet.
    Er hält schon weit seine Arme gebreitet ...


    Aus: Alma Johanna Koenig Liebesgedichte
    F. G. Speidel'sche Verlagsbuchhandlung Wien und Leipzig 1930 (S. 19)
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  • Amalie Senninger (1866-1921)

    Mein Herz

    Mein Herz ist ein Schiff auf hohem Meer
    Es branden die Wogen wohl drüber her,
    Weiss nicht ob je ein Port ihm winkt,
    Ob es nicht draussen im Kampf versinkt.
    Ich will bis zum letzten am Steuer stehn,
    Mit dem sinkenden Schiffe untergehn.
    Nur Eines erbitt ich: "Am Himmelsrand
    Erscheine noch, Liebe vom Jugendland!" —

    Aus: Gedichte von Amalie Senninger
    Staufen Verlag Bad Reichenhall 1913 (S. 102)
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  • Ilse von Stach (1879-1941)

    Das Herz

    Wie liegst Du da so märchenhaft
    Und strahlst in Deiner Zauberkraft,
    Du herrliche Natur!
    Ach, könnte ich ergründen
    Und könnte finden
    Deines Zaubers Spur!
    Ich seh' das Meer und hör' das mächtige Brausen,
    Vernehme stumm des starken Windes Sausen,
    Seh' wiederum der Sonne lieblich Licht.
    Ich hör' die Vögel, hör' der Räume Rauschen,
    Muß andachtsvoll des Waldes Stimme lauschen,
    Doch das geheime Wirken kenn' ich nicht.

    Wie bist Du sturm- und sonnenreich,
    Wie bist Du klein und göttergleich,
    Du Herz, wie die Natur.
    Wer könnte Dich ergründen?
    Wer könnte finden
    Deines Zaubers Spur?
    Ich fühle selbst die Folgen der Gedanken,
    Den wilden Thatendrang, das bange Schwanken,
    Wie ein Begriff sich schon am nächsten bricht;
    Bald schmerzt der Mißerfolg im steten Kriege,
    Bewund're bald des Herzens hohe Siege,
    Doch das geheime Wirken kenn ich nicht.


    Aus: Ilse Stach von Goltzheim
    Wer kann dafür, daß seines Frühlings Lüfte weh’n! Gedichte
    E. Piersons's Verlag, Dresden und Leipzig, 1898 (S. 12)
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  • Alfred Wolfenstein (1883-1945)

    Das Herz

    Vergessen lag das Herz in unsrer Brust,
    Wie lange! ein Kiesel in des Willens Lust,
    Nur mit den wasserkühlen spiegelnden Händen
    Manchmal berührt, unbewußt.

    Einsiedlerisch in sich geschweift, so klein
    Und überflüssig dem verzerrten Stein
    Der Bauten und des Geldes stählernem Throne,
    Nie greifend in die spitzen Räder ein.

    Doch seht, wie leiser die Maschine raucht,
    Und endlich ist das Schneegebirg verbraucht,
    Der kalte Strom wütet vorüber -
    Denn glühend blüht das Land, das nun auftaucht,

    Das Herz - das schmal wie eine Sonne brennt,
    Doch Sterne nun nach seinen Strahlen nennt,
    Das kleine Herz blickt unermeßlich
    Aus seines offenen Hauptes Firmament!

    O Stirn, das Zeichen dieses Herzens trag,
    Und Nacht, steh heller auf von seinem Schlag!
    Es faßt die breite Erde um - und über die Ränder
    Der Welt hinaus strahlt er den Tag.

    Aus: Alfred Wolfenstein Werke
    Erster Band: Gedichte
    Herausgegeben von Günter Holtz
    v. Hase & Koehler Verlag Mainz 1982 (S. 189)
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