Ich denke dein . . .

Johann Wolfgang von Goethe, Friederike Brun und viele andere

 



Ich denke dein . . .


Verzeichnis der Gedichte:

 

 




Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)


Nähe des Geliebten

Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne
O wärst du da!

Aus: Johann Wolfgang von Goethe
Goethes Gedichte in zeitlicher Folge. Insel Verlag.
Herausgegeben von Heinz Nicolai. 7. Auflage 1990
(S. 355-356)
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Friederike Brun (1765-1835)


Ich denke dein
(1792)

Ich denke dein, wenn sich im Blütenregen
Der Frühling mahlt;
Und wenn des Sommers mild gereifter Seegen
In Ähren stralt.

Ich denke dein, wenn sich das Weltmeer tönend
Gen Himmel hebt,
Und vor der Wogen Wuth das Ufer stöhnend
Zurückebebt.

Dein denk' ich, wenn der junge Tag sich golden
Der See enthebt,
An neugebornen zarten Blumendolden
Der Frühthau schwebt.

Ich denke dein, wenn sich der Abend röthend
Im Hain verliert,
Und Philomelens Klage leise flötend
Die Seele rührt.

Dein denk' ich, wenn im bunten Blätterkranze
Der Herbst uns grüsst;
Dein, wenn, in seines Schneegewandes Glanze,
Das Jahr sich schliesst.

Am Hainquell, ach! im leichten Erlenschatten
Winkt mir dein Bild!
Schnell ist der Wald, schnell sind die Blumenmatten
Mit Glanz erfüllt.

Beim trüben Lampenschein, in bittern Leiden,
Gedacht' ich dein!
Die bange Seele flehte nah' am Scheiden:
»Gedenke mein!«

Ich denke dein, bis wehende Zypressen
Mein Grab umziehn;
Und selbst in Lethe's Strom soll unvergessen
Dein Name blühn!

Aus: Gedichte von Friederike Brun geb. Münter
Hrsg. von Friedrich Matthisson
Zürich 1795 (S. 44-45)
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Friedrich von Matthisson (1761-1831)


Andenken

Ich denke dein,
Wenn durch den Hain
Der Nachtigallen
Akkorde schallen!
Wann denkst du mein?

Ich denke dein
Im Dämmerschein
Der Abendhelle
Am Schattenquelle!
Wo denkst du mein?

Ich denke dein
Mit süßer Pein
Mit bangem Sehnen
Und heißen Tränen!
Wie denkst du mein?

O denke mein,
Bis zum Verein
Auf besserm Sterne!
In jeder Ferne
Denk ich nur dein!

Aus: Gedichte von Friedrich von Matthisson
Fünfzehnte Auflage Zürich
bei Orell Füßli und Comp. 1851 (S. 217-218)
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Christian Ludwig Neuffer (1769-1839)


Der abwesenden Gattin

Ich denke dein, sobald der erste Schimmer
Des jungen Tages Wald und Flur erhellt,
Und in mein einsam stilles Zimmer,
Und in mein waches Auge fällt,
Wenn Andacht mir im Herzen glühet,
Und meines Morgenopfers Flamm'
Empor zum Himmel ziehet.

Ich denke dein mit frommer Herzensfeier,
Vor deinem Bild, in süßem Selbstbetrug,
Und geb' in schöpferischem Feuer
Ihm Geist und Leben Zug vor Zug,
Ich wähne freudig dich mir näher,
Und ganz vertieft im Schauen schlägt
Die heiße Brust mir höher.

Ich denke dein, wenn mich in muntern Chören
Das Häuflein uns'rer Kinder froh umringt,
Ich wähne dich zu schau'n, zu hören,
Wo vielfach sich dein Bild verjüngt,
Doch wenn sie nach der Mutter fragen,
Laß ich des Wiedersehens Trost
In uns're Herzen tagen.

Ich denke dein, wohin mein Blick sich wendet,
Ich sehe deiner Hände süße Spur,
Was du geordnet und vollendet
Im Haus, wie in der Gartenflur,
An Zeichen, die mich rings umgeben,
Seh' ich, stets mahnend, deinen Geist
Mir nah und näher schweben.

Ich denke dein auf buntem Wiesenpfade,
Und auf des Eichenhügels freiem Haupt,
Am Steg, am schroffen Bachgestade,
Am Tisch, von Luxusgrün umlaubt,
An jedem Ort, auf allen Wegen,
Die wir getheilt mit frohem Sinn,
Schwebt mir dein Bild entgegen.

Ich denke dein, wenn sich die Sonne neiget,
Wenn mählig sich des Tages Auge schließt,
Wenn Dunkel aus den Thälern steiget,
Und Schlummer stärkend mich umfließt;
Wenn alle Sinnen mir vergehen,
Darf im Verklärungsschimmer dich,
Mein Seelenauge sehen.


Aus: Gedichte von Neuffer
Erstes Bändchen Cabinets-Ausgabe
Hildburghausen u. New York
Druck und Verlag vom Bibliographischen Institut 1829 (S. 116-118)

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Christian Gottfried Heinrich Burdach (1775-1823)

An Sie

Ich denke dein, wenn der Erinnrung Freude
Melodisch mir wie ferner Nachhhall tönt,
Wenn sich die Gegenwart im Blütenkleide
Bei Träumen der Vergangenheit verschönt!

Ich denke dein, wenn Morgengold die Fluren
Im leisen Frühlingswehen überfließt,
Wenn die betauten, feiernden Naturen
Der Schlummergott in seine Arme schließt.

Ich denke dein, wenn für die Seligkeiten
Der Liebe, für die heil'ge Sympathie
Aëdons Jubellied des Herzens Saiten
Bewegt und stimmt mit lieblicher Magie.

Und wenn die Einsamkeit mit stillen Freuden,
Mit reiner Lust mein Herz und Auge füllt;
O dann umwallt mich unter Pappelweiden
Stets gegenwärtiger dein schönes Bild.

Dein Blick erheitert dann mir, wie ein Funken
Von Götterlicht, des Daseins dunkeln Traum,
In Sehnsucht und geheimer Lust versunken,
Weilt sanft mein Aug' am Lebensblütenbaum.

O, laß mich ruh'n in dieses Baumes Kühle,
Mich tauchen in der Liebe Ätherglut,
Und ungetrübt im heiligen Gefühle
Ergieße sich des Lebens stille Flut!

Aus: Lyriker und Epiker
der klassischen Periode Dritter Teil
Herausgegeben von Dr. Max Mendheim
Stuttgart Union Deutschen Verlagsgesellschaft (1893) (S. 225-226)
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Johann Gotthard Reinhold (1771-1838)


Amulet

Ich denke dein,
Wenn mitten unter Andern
Von Bild auf Bild die Blicke unstät wandern;
Dann flüchtet von der Dinge falschem Schein
Das stille Herz zum einzig wahren Sein,
Und mitten unter Andern,
Denk ich nur dein.

Denk du an mich,
Wenn von den holden Wangen,
Umflort von herzbezwingendem Verlangen,
Der Freude Farbenschimmer von dir wich;
Dann male treu im schönen Auge sich
Wie auf den holden Wangen:
Ich denk an dich.

Aus: Dichterischer Nachlaß
von Johann Gotthard von Reinhold
Herausgegeben von K. A. Varnhagen von Ense
Erster Band Leipzig F. A. Brockhaus 1853 (S. 100)
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Karl Geib (1777-1852)


Der Geliebten

Ich dachte Dein,
Wo heil'ger Vorzeit Schauer wehen
Im grünen Hain, auf luft'gen Höhen:
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Trotz manchem schönen Frauenbilde
Im Saal, im Garten, im Gefilde;
Denkst Du auch mein?

Ich dachte Dein,
Wo hoch sich Burgruinen thürmen
Als feste Wehr in Kampf und Stürmen:
Denkst Du auch mein?

Sie denket mein!
Es tönt mir, gleich der Harf' im Winde
Durch diese Flur und stillen Gründe:
"Sie denket Dein!"

Und denkst Du mein,
So harr' ich aus in Leid und Sehnen:
Verschwinde jedes eitle Wähnen!
Ich denke Dein!

Aus: Gedichte von Karl Geib
Zweiter Band (S. 126)
Speyer 1830
In der J. C. Kold'schen Buchhandlung
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Amalie Krafft (1778-1852)


Ich denke Dein

Ich denke Dein!
Ob auch getrennt in weiter Ferne,
Ist meine Seele stets bei Dir;
Im Morgenroth - beim Glanz der Sterne,
Seh' ich Dein holdes Bild vor mir,
Und bei des Mondes Silberschein
Gedenk' ich Dein.

Ich denke Dein!
Auf heißer Sehnsucht lichten Schwingen,
Umschwebt mein Geist auch ferne Dich;
Dir meiner Liebe Gruß zu bringen,
Erfaßt oft Glutverlangen mich:
Doch muß getrennt von Dir ich seyn,
Gedenkend Dein!

Ich denke Dein!
Wenn hoch die Abendwolken glühen
Im letzten goldnen Sonnenstrahl,
Mit ihnen möchte ich dann ziehen,
Weit über Fluren, Berg und Thal,
Doch bleiben muß ich hier; allein
Ich denke Dein!

Ich denke Dein!
Wenn längst des Tages Licht geschieden,
Und Atair im Adler glänzt;
Wenn Alles ruht im tiefen Frieden,
Dein Haupt vielleicht schon Mohn umkränzt:
Dann hängt mein Blick an Arktursschein -
Und denke Dein.

Ich denke Dein!
Selbst wenn in Schlummers dunklen Träumen
Mein Aug den äuß'ren Sinn verschließt;
Da Du aus allen Himmelsräumen
Mein schönstes Sternenbild mir bist.
Belebt von Dir mein ganzes Seyn,
Gedenk' ich Dein!


Aus: Sechs Erzählungen nebst einem Anhange
von Gedichten
von Amalie Krafft
Neue Ausgabe
Aschaffenburg Verlag von Theodor Pergay 1834 (S. 112-113)

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Wilhelm Gerhard (1780-1858)


Der Entfernten

Wenn schlummernd noch die Menge schweigt,
Die Nacht dem Morgenstrahl sich neigt,
Und hoch empor die Lerche steigt,
Gedenk' ich dein, o Liebe!
Wenn heiß die Mittagssonne sticht,
Und säumend sich im Silberlicht
Des Meeres grüne Woge bricht,
Gedenk' ich, Liebe dein!
Wohin ich geh,
In Wohl und Weh
Ach! immer denk ich, Liebe,
Ja, immer denk ich dein!

Und wenn die Abendsonne blinkt,
Die Welle röthend niedersinkt,
Und allen Wesen Ruhe winkt;
Gedenk' ich dein, o Liebe!
Denkst du geschieden und allein
In deinem stillen Kämmerlein
Bey Sonnen- oder Mondenschein,
O Liebe, denkst du mein?
Mir nah und fern
Bist du mein Stern,
Und ewig denk' ich, Liebe,
Ja, ewig denk' ich dein!


Aus: W. Gerhard's Gedichte Erster Band
Leipzig Verlag von Joh. Ambr. Barth 1826 (S. 39)

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Ulrich Benedikt Wachter (1783-1847)


An Lauretten

Ich denke dein!
Laurette, nun schwebst du vor mir,
Doch reicht mein Arm nicht bis zu dir.
O, denk' auf ewig mein!

Ich denke dein!
Im Traume ists dein sanftes Bild,
Das mir den ganzen Busen füllt.
O, denk, Laurette, mein.

Ich denke dein!
Und mitten unter Sorg' und Müh
Vergeß ich Theure! dich doch nie!
Laurette denke mein!

Ich denke dein!
Und Röthe glüht auf meiner Wang -
Da schlägts im Herzen ach! so bang!
Denn - o! du denkst nicht mein!

Ich denke dein!
Nun frage ich - antworte frey
Antworte ohne Schmeicheley,
"Denkst du auch manchmal mein?"

Ich denke dein!
Und wenn du mein denkst ewiglich -
Laurette, sieh, dann lieb ich dich!
"Denkst du nun ewig mein?"

Aus: Gedichte von Ulrich Benedikt Wachter
Reutlingen und Fürth 1803
bei Johann Jakob Mäcken
und in Commission bei Friedrich Korn (S. 5-6)
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Theodor Körner (1791-1813)


Nähe der Geliebten

Ich denke dein im Morgenlicht des Maien,
Im Sonnenglanz;
Ich denke dein, wenn mich die Sterne freuen
Am Himmelskranz.

Ich sorg' um dich, wenn in des Berges Wettern
Der Donner lauscht;
Du schwebst mir vor, wenn in den dunkeln Blättern
Der Zephir rauscht.

Ich höre dich, wenn bei des Abends Gluten
Die Lerche schwirrt;
Ich denke dein, wenn durch des Deiches Fluten
Der Nachen irrt.

Wir sind vereint, uns raubt der Tod vergebens
Der Liebe Lust;
O, laß mich ruhn, du Sonne meines Lebens,
An deiner Brust!


Aus: Theodor Körner's sämmtliche Werke
Im Auftrage der Mutter des Dichters
herausgegeben und mit einem Vorwort begleitet
von Karl Streckfuß Berlin 1861 (S. 100)
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Hedwig Hülle (1794-1861)


Ich denke Dein

Ich denke Dein, wenn mit dem Blüthenlenze
Natur, als Braut, erwacht,
Und in dem reichen Flor der frischen Kränze
Der Welt geschmückt entgegenlacht.

Ich denke Dein, wenn aus des Meeres Spiegel
Aurora lächelnd steigt,
Und wenn Apoll der goldnen Rosse Zügel
Zum Demantschloß der Thetis neigt.

Ich denke Dein, wenn an des Tages Himmel
Kein Wölkchen rings sich zeigt,
Und wenn, verhallt des Lebens laut Getümmel,
Die Nacht schon Schlummerkörner reicht.

Ich denke Dein, wenn furchtbar auf und nieder
Im Thale Donner rollt;
Es winkt Dein Bild mir Seelenruhe wieder,
Wenn laut im Sturm die Schöpfung grollt.

Ich denke Dein, durch alle Dunkelheiten
Strahlst Du, o schönes Licht!
Und dürftest Du durch's Leben mich geleiten,
Tauscht' ich mein Glück um Throne nicht!

Aus: Herbstrosen
In vermischten Gedichten und Erzählungen
von Hedwig Hülle geborne Hoffmeier
Bremen 1828 Gedruckt und in Commission bei Joh. Georg Heyse (S. 91)
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Pauline von Brochowska (1795-1853)
(Ps. Theophania)


Ich denke Dein!
Nachruf an Emilie H. zum vierten December

Ich denke Dein, senkt sich auf ros'gen Schwingen
Der junge Lenz zur schlummernden Natur,
Mit Blüthen schmückend Berg und Hain und Flur;
Ein Dankesopfer ew'ger Huld zu bringen.

Ich denke Dein, wenn Nachtigallen singen,
Im Flötenton sich künden Liebesschwur,
Wenn überall sich zeigt des Frühlings Spur
Und Schneesblüthen aus dem Schleedorn dringen.

Ich denke Dein, wenn golden Phöbus strahlet
Am Ulmenteich des Eises Rinde bricht,
Sein hehres Bild in blauer Fluth sich malet
Und Leben strömet aus des Lebens Licht.
In Rosenschimmer sich die Wolken tauchen
Und Erstlings-Veilchen Balsamdüfte hauchen.
*


Ich denke Dein, wenn Sommerlüfte wehen,
Aus grünen Saaten sich die Lerche schwingt,
Im Glührothschein ihr frohes Liedchen singt,
Und Thauestropfen auf den Halmen stehen.

Selbst wenn zum Erntefest die Schnitter gehen,
Zu muntern Tänzen sich die Jugend schlingt,
Ein reicher Segen Landmann's Mühe winkt,
Hörst Du um Trost in Trennungsnacht mich flehen.

Ich denke Dein, wenn Myrth' und Lilie blühen,
Der Schmetterling sich sonnt auf Wiesenpracht,
Von Blumentriften heim die Heerden ziehen,
Der Liebe Stern erglänzt in stiller Nacht.
Bei fort und fort sich wechselnden Gestalten
Wird stets im Herzen die Erinn'rung walten.
*


Ich denke Dein, wenn hin das Blumenleben -
Im Garten einsam nur die Aster blüht,
Durch's Stoppelfeld der kalte Herbstwind zieht,
Die Schwalben fort zu wärmern Zonen schweben.

Wenn fahle Blätter Wald und Flur umgeben,
Im Bachus-Laub die goldne Traube glüht,
Gedenk' ich Dein mit sehnendem Gemüth
Möcht' Kunde Dir von meiner Liebe geben.

Und wenn im Thal die Abendglocken hallen,
Das müde Herz sich sehnt nach süßem Traum,
Gleich Opferdüften fromme Hymnen wallen,
Zu düstern Himmels sternbesä'tem Raum,
Dann gläubig ich das Herz zum Vater lenke,
Du bist es, deren betend ich gedenke.
*


Ich denke Dein, wenn Silberflocken fallen,
Und eisig um mich weht die Winterluft,
Wenn längst erstorben süßer Blumenduft,
Nicht Lieder mehr am Berge wiederhallen;

Wenn weiße Schleier die Natur umwallen,
Die ganze Gegend eine öde Gruft,
Bis Frühlingshauch die Blüthen wieder ruft,
Zum Maifest ziert der Erde Segens-Hallen.

So werd' ich immer, immer Dein gedenken;
Bei Lenzeskuß, bei Wintersturmes Wuth,
Bis sie auch mich in's kühle Grab versenken,
An Mutterbrust des Lebens Hülle ruht;
Dann wirst Du lächelnd mir entgegenschweben,
Mir Engels Kuß für treue Freundschaft geben.

Aus: St. Petersburgische Zeitschrift
Herausgegeben von August Oldekop
Zweiter Band St. Petersburg 1822 (S. 99-101)
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Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)


Erinnerung

Ich denke dein im trauten Kreis der Freunde,
Ich denke dein in dem Gewühl der Schlacht,
Ich denke dein beim Neidgezisch der Feinde,
Und wenn die Felsenkluft vom Donner kracht.

Ich denke dein im finstern Stadtgewühle
Und in dem Tal, wo nur der Hirte pfeift,
Ich denke dein in sehnsuchtsvoller Stille
Und auf dem Feld, wo schon die Ähre reift.

Ich denke dein, ich sitze oder stehe,
Du schwebst, o Traute, überall um mich
Und, wenn in stiller Schwermut leis ich gehe,
Vergeß ich alles, alles; nur nicht dich.

Aus: Annette von Droste-Hülshoff. Sämtliche Gedichte.
Mit einem Nachwort von Richarda Huch.
Insel Verlag 1988 (S. 606)
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Alexander Rydenius (1800-1823)


Ich denke Dein

Wenn Sonne sinkt
Ins wogende Meer hinab,
Wenn goldighell
Die Wolke, wie Purpur, glüht,
Heiliger Sternenchor
Funkelt am Himmelsplan,
Wenn die Natur schweigt,
Ruhe das All umfängt,
Nachtigall klagend mir
Flötet im Pappelhain,
Dann denk' ich Dein!

Wenn Sonne steigt
Aus rosiger Fluth empor -
Strahlendes Himmelsaug'
Segnend die Flur anlacht -
Ringsum das All erwacht -
Lerchen mit frohem Sang,
Singend dem Schöpfer Dank,
Steigen in milder Luft -
Freude und Jubel hoch
Waltet im Weltenkreis -
Liebe, so schön und rein
Schimmert wie Sternenschein -
Dann denk' ich Dein!


Aus: Auswahl aus Alexander Rydenius
poetischem Nachlaß und Bruchstücke
aus seinem Reise-Tagebuche
Herausgegeben von einem seiner Freunde
Reval 1826 Gedruckt bei Carl Dullo (S. 4-5)

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Franz Joseph Schermer (1804-1881)


Triumph der Freundschaft
Wechselgesang

Thekla
Ich denke dein, wenn sanft die Blätter säuseln
Am zarten Zweig;

Alwina
Ich denke dein, wenn sich die Wellen kräuseln
Im Wiesenteich.

Thekla
Ich denke dein, wenn Blütenkränz' umschimmern
Den Auenwald;

Alwina
Ich denke dein, wenn hell die Zweige flimmern
Von Schnee umwallt.

Thekla
Ich denke dein, wenn die Melonen gelben
Im Rankengrün;

Alwina
Ich denke dein, wenn sich die Aepfel wölben,
Und rosig glühn.

Thekla
Ich denke dein, wenn in dem braunen Laube
Die Wallnuss schwillt;

Alwina
Ich denke dein, wenn sich die goldne Traube
Dem Blick enthüllt.

Thekla
Ich denke dein, wenn zart die Halme nicken,
Am Bachesrand.

Alwina
Ich denke dein, wenn Elfen Silber sticken
In mein Gewand.

Thekla
Ich denke dein, wenn in dem Blumenbette
Die Elfe träumt;

Alwina
Ich denke dein, wenn bunt der Nelken Kette
Das Beet umsäumt.

Thekla
Ich denke dein, wenn sich die Blätter röthen
Am Bachesrain;

Alwina
Ich denke dein, wenn hell die Amseln flöten
Im dunklen Hain.

Thekla
Ich denke dein, wenn Nachtigallen klagen
Im Nussgesträuch;

Alwina
Ich denke dein, wenn Heimchen seufzend zagen
Am Kalmusteich.

Thekla
Ich denke dein, wenn in dem Bächlein lallet
Das Nixenkind;

Alwina
Ich denke dein, wenn mich dein Geist umwallet,
Wie Lispelwind.

Thekla
Ich denke dein, wenn Glockenklang durchhallet
Den Morgenduft.

Alwina
Ich denke dein, wenn Glockenlaut durchwallet
Die Abendluft.

Thekla
Ich denke dein, wenn hoch die Sonne leuchtet
Am Himmelsraum;

Alwina
Ich denke dein, wenn zarter Nachtthau feuchtet
Der Halme Saum.

Thekla
Ich denke dein, wenn aus dem Kelch der Blume
Die Elfe trinkt;

Alwina
Ich denke dein, wenn in dem Heiligthume
Die Orgel klingt.

Thekla
Ich denke dein, wenn in der Heil'genlegende
Das Lämpchen glimmt;

Alwina
Ich denke dein, wenn durch die Taxuswände
Der Glühwurm flimmt.

Thekla
Ich denke dein, wenn um das Kreuzbild Engel
Anbetend stehn;

Alwina
Ich denke dein, wenn mit dem Friedenstengel
Sie es umgehn.

Thekla
Ich denke dein, wenn Morgenchöre preisen
Den Herrn der Welt;

Alwina
Ich denke dein, wenn hehr die Sterne kreisen
Am Wolkenzelt.

Thekla
Ich denke dein, wenn sinnend ich durchziehe
Das Augefild;

Alwina
Ich denke dein, wenn betend ich erglühe
Vor Gottes Bild.

Thekla
Ich denke dein, wenn Freuden mich umschweben
Im leichten Tanz;

Alwina
Ich denke dein, wenn mir die Leiden weben
Den Dornenkranz.

Thekla
Ich denke dein, wenn mir in Blumenräumen
Die Wimper sinkt;

Alwina
Ich denke dein, wenn mir in sanften Träumen
Die Heimat winkt.

Thekla, Alwina
Ich denke dein, und unsers Schwurs der Treue,
Wenn hold und mild
Vergissmeinnicht erblühn mit sanfter Bläue
Im Augefild.

Thekla, Alwina
In jeder Näh', in allen weiten Fernen
Denk' ich nur dein!
Ja, sag' es an! - bei diesen goldnen Sternen:
Denkst du auch mein?

Thekla, Alwina
Meine Alles bist du, du nur mein Gedanke:
Stets denk' ich dein.
Und wenn ich an des Lebens Marken wanke:
Denk' ich noch dein!

Thekla, Alwina
Vertraue mir: nicht ist es eitles Träumen;
Stets denk' ich dein.
Und weil' ich einst in jenen Sternenräumen:
Ich denke dein!

Aus: Gedichte von Franz Joseph Schermer
Doctor der Philosophie
Bamberg 1835 (S. 77-82)
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Karl Herloßsohn (1804-1849)


Ich denke Dein, wenn in dem Pflichterringen
Empörter Kämpfe meine Brust erbebt,
Wenn meines Herzens weichste Saiten klingen
Und meine Ideale ausgelebt -
Dann denk' ich Dein.

Ich denke Dein, wenn über Schneegefilde
Der Mandoline Zitterlaute zieh'n,
Die Eisluft durch die Saiten sanft und milde
Gleich Heimathsträumen bang' vorüber flieh'n:
Dann denk' ich Dein.

Zerrann der Schnee, ist uns der Lenz gekommen,
Ich weil' allein im düstern Abendlicht,
Ich traure, denn mein Frühling ist verglommen
Und meinen Frieden finde ich hier nicht:
Dann denk' ich Dein.

Wenn dann den Sarg, das Grab mich schon umfangen,
Die kalte Decke drückt die weiche Brust -
Dann bebt der Geist, der kalten Hüll' entgangen,
An jedem Ort schon längst verrauchter Lust.
Dann denk' ich Dein.


Aus: K. Herloßsohn's Gesammelte Schriften
Erste Gesammtausgabe
Band XI. Buch der Lieder
Band XII. Reliquien in Liedern
Prag Verlag von J. L. Kober 1868 (Band XII. S. 92-93)
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Heinrich von Levitschnigg (1810-1862)


Abschied

Was soll dein blaß Gesicht? ich denke dein.
Uns trennt der Ruf der Pflicht, - ich denke dein.
Das Band der Liebe, das uns fest umschlang,
Dies Band aus Rosen bricht - ich denke dein.
Der Morgen kommt, mit ihm der Scheidegang,
Besät mit Dornen dicht - ich denke dein.
Durch alle Zeit, zischt wild der Wetterstrahl,
Scheint hell der Sonne Licht - ich denke dein.
Durch alles Land, sei's Alpenberg, sei's Thal,
Tönt laut mein Glutgedicht: Ich denke dein!
Stockt einst mein Blut, das sonst wie Lava rann,
Sein letzter Pulsschlag spricht: Ich denke dein!
Um keinen Gram vermindert sich auch dann
Der Liebe Vollgewicht - ich denke dein.
Doch still! Ein Wort für tausend Schwüre gilt,
Das Wort - zwar tönt es schlicht - "ich denke dein."
Frag' an dich jenseits, ob ich's redlich hielt;
Leb' wohl und weine nicht - ich denke dein!


Aus: Gedichte von Heinrich Ritter von Levitschnigg
Wien Verlag von Pfautsch & Compagnie 1842 (S. 95)

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Betty Paoli (1814-1894)


Ich denke dein

Ich denke dein im Waldesgrunde,
Ich denke dein beim Festgelag,
Bei jeder Wonne, jeder Wunde,
Bei jedem Hauch und Herzensschlag.
Aus heitern Hoffnungsparadiesen,
Aus der Verzweiflung Nachtverließen
Wend' ich den treuen Blick dir zu -
Und du?

Ich lieb' dich, als durch mich Erlös'te
Vom Fluche, dem ich lang geweiht,
Als meiner Freuden reinste, größte,
Als mein verklärtest', schönstes Leid!
Ich liebe dich, in sel'ger Beugniß,
Als menschgewordnes Gotteszeugniß,
Das mir verheißen Glück und Ruh' -
Und du?

Aus: Gedichte von Betty Paoli
Pesth Verlag von Gustav Heckenast 1841 (S. 105)
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Wilhelm Jordan (1819-1904)


Ich denke dein

Ich sitz' in milder Sommernacht
Im Garten ganz allein.
Der Linde Grün in stiller Pracht
Durchstrahlt der Mondenschein.
Die Lüfte wiegen sanft und kühl
Die Welt in stilles Wohlgefühl
Und ich gedenke Dein.

Das Wölkchen dort zerfließt wie Rauch,
Läßt Sterne schon herein.
In Allempfindung möcht ich auch
So licht zerflossen sein.
Umsonst, ein feurig Sehnen hält
Mein Herz geschieden von der Welt,
Denn ich gedenke Dein.

Nun träumt ein einzig Element
Die ganze Welt zu sein
Und fühlt sich wieder ungetrennt,
Nur ich bin ganz allein.
Des Friedens Strömung fühl' ich wehn
Und muß gebannt am Ufer stehn,
Denn ich gedenke Dein.

O dürft' ich nur minutenlang
In diesen Strom hinein,
Vergessen allen Thatendrang
Und alle Sehnsuchtspein!
Wo find' ich diese stille Lust?
In deinem Arm, an deiner Brust
Allein, drum denk ich Dein.

Aus: Strophen und Stäbe
Von Wilhelm Jordan
Frankfurt a. M. W. Jordan's Selbstverlag
1871 Leipzig F. Volckmar (S. 54-55)

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Salomon Hermann Mosenthal (1821-1877)


Liebesbotschaft

Allwo ich geh' und wo ich bin
Hab' ich ein kleines Vöglein,
Das fliegt beständig her und hin
Und bringt Dir meine Grüße,
Du Liebliche, Du Süße!
Wie heißt das kleine Vögelein?
Das Vöglein heißt: Ich denke Dein!

Und drückt mich Sorg' und Kummer schwer,
Und will ich traurig werden,
So ruf' ich schnell das Vöglein her;
Und hör' ich seine Lieder,
So bin ich selig wieder!
Wie heißt das holde Vögelein?
Das Vöglein heißt: Ich denke Dein.

Und wenn dies Herz einst nicht mehr schlägt
Und man den Leib, den müden,
In seine stille Grube legt,
Dann fliegt aus duft'gem Flieder
Ein Vöglein zu Dir nieder.
Wie heißt das treue Vögelein?
Das Vöglein heißt: Ich denke Dein.

Aus: Gesammelte Gedichte von S. H. Mosenthal
Wien Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn 1866 (S. 33-34)

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Heinrich Kämpchen (1847-1912)


Knappenliebe

Ich denke dein im tiefsten Bergverließ,
Du bist mein Stern, du hellest mir die Nacht.
Wenn ich die Schicht beginn, wenn ich sie schließ,
Mit dir ist sie begonnen und vollbracht.

Ich denke dein - fern von dem goldnen Tag -,
Nicht hemmt dein Bild die düstre Felsenwand.
Du bist mir nah beim wilden Wetterschlag,
Und deine Flügel halten mich umspannt.

Ich denke dein im Schoß der ewgen Nacht,
Und nimmer hat ihr Grauen mich geschreckt.
Der Schwaden flammt, der wilde Donner kracht,
Mich hält der Liebe Götterschild gedeckt.

Ich denke dein - und ist es Schicksals Schluß,
Schließt mich der Berg in seine Klüfte ein,
Ich sende sterbend dir den letzten Kuß,
Und sterbend, Mädchen, sterbend denk ich dein.

Aus: Karl Otto Conrady (Hrsg.)
Das große deutsche Gedichtbuch
Athenäum Verlag Kronberg /Ts. 1977 (S. 590-591)
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Frieda Port (1854-1926)


Ich denke dein in nächt'ger Morgenfrühe,
Wenn aus dem Dunkel sich die Dämmrung ringt,
Wenn kaum erblaßt der Horizont sich röthet
Und eine erste Wachtel singt.

Und kaum in Nacht versunken taucht die Liebe
Mir auf der Morgenröthe Flügeln auf.
Ich denke dein und kürze wie die Wachtel
Voll Sehnsucht mit Gesang der Stunden Lauf.


Aus: Gedichte von Frieda Port
Berlin Verlag von Wilhelm Hertz
(Bessersche Buchhandlung) 1888 (S. 27)
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Max Herrmann-Neiße (1886-1941)


Ich denke dein

Ich denke dein: das ist wie Blütenzweige,
in deren Schattenschutz ich sicher ruh',
und deine Stimme spricht: "Schlaf' nur! Ich neige
mich über dich, mein Haar deckt sanft dich zu!"

Ich denke dein: und alle Welten sterben,
in deiner weißen Stirn aufzuerstehn;
gastlichen Trankes Glas zersprang zu Scherben,
gleich Schatten fremde Frau'n in nichts verwehn.

Ich denke dein, ich fasse deine Hände,
du sprichst zu mir, und jedes Wort ist nah,
als fielen all' die tausend Weltenwände
seh' ich dich, wie ich einst bei mir dich sah.

Ich denke dein: Wind singt und Kinder spielen,
und über fremde Brücken wallt die Welt,
ich aber bin in all' den seltsam Vielen
so eigen Herz an Herz zu dir gesellt.

Glaubt eine fremde Frau zu ihr mich neigen
und spiegelt schon sich drin mit schönstem Du -
ich denke dein: das ist von Blütenzweigen
ein Schattenschutz, in dem ich selig ruh'!

Und deine Haare decken sanft mich zu.

Aus: Max Herrmann-Neiße Gesammelte Werke
Herausgegeben von Klaus Völker
bei Zweitausendeins 1986/87
Band 1: Gedichte 1 Im Stern des Schmerzes
Band 2: Gedichte 2 Um uns die Fremde
Band 3: Gedichte 3 Schattenhafte Lockung
Band 4: Gedichte 4 Mir bleibt mein Lied (Band 2 S. 83)
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Immer Dein
(Dichter nicht genannt)

Ich denke Dein, wenn es im Osten glühet,
Juwelenschmuck auf Feld und Wiesen prangt,
Ein reizend Blumen-All voll Duft erblühet,
Und lieberfüllt des Himmels Kuß verlangt.
Herz-Liebchen, dann gedenk' ich Dein.

Ich denke Dein, wenn in dem heißen Süden
Ein Feuerstrom den Höhenrauch durchwühlt,
Die Erde dämmernd lechzt und ach! den müden,
Erschöpften Sohn der Noth kein Schatten kühlt.
Geliebteste, dann denk' ich Dein!

Ich denke Dein, wenn es im Westen dunkelt,
Die Schattenrisse deutungsvoll vergehen,
Dort oben Luna's Silberleuchte funkelt,
Und Ahnungen von Jenseits mich umwehen,
Mein Liebchen, dann gedenk ich Dein.

Ich denke Dein, wenn mitternächtlich leise
Der Geist der Liebe durch die Welten geht,
Und reizend in der Schwestern-Engel Kreise
Dein himmlisch Bild süß lächelnd vor mir steht.
O Theure, ewig denk ich Dein!

Aus: Ansbacher Morgenblatt
für Stadt und Land
Dienstag den 28. Juli 1846 (Nr. 117) (S. 472)
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An B.
(Dichter nicht genannt)

Ob Dein ich wohl gedacht - so hör' ich fragen -
Als finsteren Geschickes strenges Walten
Von Hand und Mund so lang und fern gehalten:
Laß Dir die Antwort meines Herzens sagen.

Ich denke Dein, wenn Silberwogen tragen
Die Sonn' in goldner Hülle Strahlenfalten
Zum duft'gen Süd, zum Nord, dem rauhen, kalten,
Und sich in Osten nächt'ge Wolken tagen.

Da denk' ich Dein, bis düstre Himmelshallen
Mit mildem Sternenlicht die Engel schmücken,
Die Nacht erglänzt in mattem Silberschein.

Und zwischen lichter Sterne Himmelswallen
Und holder Morgenröthe Liebesblicken
- In stiller Nacht - denk ich im Traume Dein.

Aus: Unterhaltungs-Blatt zum
Ansbacher Morgenblatt für Stadt und Land
Sonntag den 23. August 1846 (Nr. 34) (S. 131)
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Andenken der Freundschaft
An Amalia
(Dichter nicht genannt)

Ich denke Dein!
So lang der Freundschaft Treue
Nicht ihren Eid und einen Freund vergißt;
So lang der Liebe heilige Gottesweihe
Hier oder dort noch Einem Herzen heilig ist;
So lang in guter Seelen holdem Eintrachtbunde
Der Tugenden Erinnrung lebt, gräbt sich im Grunde
Von meiner Seele tief und tief die Erinnrung ein:
Amalia, ich denke Dein!

Ich denke Dein!
Im widrigen Geschicke,
Wo mein Gemüth des Kummers Nacht verhüllt;
Und in dem Glanz vom besten Erdenglücke,
Das meine Brust mit hehren Seraphsfreuden füllt;
Wann stumm ich sitz' in eitler Thoren öden Kreisen;
Wann segnend mich belebt der Umgang wahrer Weisen;
Wann in der Einsamkeit ich bin, - mein Geist mit Gott allein: -
Amalia, dann denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
So oft mit schwarzem Schatten
Die Nacht mein stilles Zimmerchen bedeckt,
Und kein Getös der Waffenwelt den matten
Und bangen Geist aus seiner Stärkungsruhe schreckt;
Wenn dann auf ernster, heiliger Gedanken Schwingen
Noch reine Frohgefühle meine Seel' durchdringen,
Gefühle, nur von Gott und einer bessern Welt allein:
Amalia, dann denk' ich Dein;

Ich denke Dein!
Wann mit dem frühern Strahle
Des Morgenroths auch früh mein Geist erwacht,
Und die Natur sich tausend - tausendmale
Nun schmückt mit neuer, anmuthsvoller Frühlingspracht;
Wenn dann das Glück, das Gott an Tugend und Verstand
An die Natur, an Lieb' und Freundschaft band
Mich innigst rührt, des Menschenlebens menschlich mich zu freun:
Amalia, dann denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
Das schöne Gartenleben,
Dieß Paradies, das sich die Lieb' geweiht,
Wird immerdar vor meinem Geiste schweben,
In seiner Unschuld Reiz und Friedensfreundlichkeit.
Ha! welch ein Paradies, wo unter Himmelslüften
Mir, geistig fühlbar, stets der Freude Blumen düften,
Die lieblichsten für meines Herzens Sinn im ganzen Hain!
Amalia, da denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
Wo lautrer Tugendsaaten
Zur Menschheit Wohl nach Pflicht ich ausgestreut,
Und, fern vom Eigennutz, durch edle Thaten
Als Christ ich leb' und wirke für die Ewigkeit;
Wo ich aus Leidenschaft der Weisheit Pfad verfehle,
Und, statt des Guten, ach! das Böse, Böse, wähle;
Wo sehnlichst wünscht mein Herz, ganz schuld- und fehlerlos zu seyn:
Amalia, da denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
Hab ich den Lauf vollendet,
Den mir zu laufen wies des Schöpfers Hand;
Und seh ich, wenn mein Lebenskampf sich endet,
Getrosten Muths des Grabes schauderhaften Rand;
Fühlt dann in diesem letzten Augenblick hienieden
Nur meine Seele noch der Tugend hohen Frieden:
Auch da, bey diesem schwachen, letzten, innern Lebensschein,
Amalia, da denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
O! Seele voll Seelengüte,
Voll Himmelshuld und Engelfreundlichkeit!
Was göttlich heißt im menschlichen Gemüthe,
Und, menschlich schöner stets, zur Göttlichkeit gedeiht:
Dieß Bild von Dir, das mehr als irdisches Entzücken
Mir strahlt, steht überall vor meinen innern Blicken,
In ungeschminkter, liebenswerther Einfalt, klar und rein.
Amalia, drum denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
Auf allen meinen Wegen
Gehn Deiner Liebe Wünsche mir voran,
Ist mit mir Deiner Liebe frommer Segen,
Nimmt Deine Lieb' mit Zärtlichkeit sich meiner an;
Ha! Welch ein Glück! Und würde aller Großen Ehre,
Und aller Reichen Gold mein Eigenthum, ich wäre
So selig nicht, als da ichs lebhaft fühle: Du bist Mein!
Amalia, drum denk' ich Dein!

Ich denke Dein!
O! nimmer, Freundin! nimmer
Wird edler Geister Freundschaft untergehn.
Einst trennt uns zwar der Tod, doch nicht auf immer. -
Das Sterbliche wird einst, verklärt, unsterblich schön. -
Dort werden wir durch Gottes Huld uns wieder finden,
Und, Engeln gleich, uns reiner, himmlischer verbinden;
Dann wird des Wiedersehens ewig, ewig seyn!
Amalia, drum denk' ich Dein!

Aus: Deutsche Monatsschrift
Von den bisherigen Herausgebern derselben fortgesetzt
[Gottlob Nathan Fischer und Friedrich Gentz]
1799 Januar bis April Erster Band
Leipzig in der Sommerschen Buchhandlung
und in Commission in der Buchhandlung
der Großschen Erben zu Halberstadt (S. 75-78)
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Ich denke Dein!
An Philippine
(Dichter nicht genannt)

Ich denke Dein, wenn schöpferisch die Sonne
Empor am grauen Morgenhimmel steigt,
Und wenn die Kelche neuer Lebenswonne
Der junge Lenz erstorb'nen Fluren reicht.

Ich denke Dein, wenn seines Brandes Fluten
Herniedergießt des Mittags Flammenstrahl,
Und wenn, entfloh'n den sommerlichen Gluten,
Mich Kühlung labt und heit'rer Freunde Mahl.

Ich denke Dein, wenn Phöbus scheidend nieder
In's Meer auf gold'ner Abendwolke sinkt,
Und wenn die Pfirsiche, wenn die Traube wieder
Mir an dem herbstlichen Geländer winkt.

Ich denke Dein, wenn Mond und Sterne schimmern
Hoch an der Schöpfung nächtlichem Azur,
Und wenn des Eises Diamanten flimmern
Am Prachtgewand der winterlichen Flur.

So rufen mich des Lebens alle Zeiten
Zu Dir, zu Dir mit süßem Drang zurück;
Und selbst das leise Beben dieser Saiten
Erschuf mir nur Dein seelenvoller Blick.

Aus: Der Wiener Telegraph. Conversationsblatt
für Kunst, Literatur, geselliges Leben,
Theater, Tagesbegebenheiten und Industrie
Nr. 41 Mittwoch den 4. April 1838 III. Jahrgang (S. 167)
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"Ich denke Dein!"
(Samstag's Poesie eines Ehemann's. Zur Guitarre zu singen)
(Dichter nicht genannt)

Ich denke Dein,
Wenn von Aurorens Strahlen
Die Kaffeekanne hoch erglüht,
Und Deine Wange, holde Gattin!
Im Eifer des Genusses blüht.

Ich denke Dein,
Wenn Du zum Markt gerüstet,
Das Geld mir aus der Börse pflückst,
Und mich zur Meßzeit's Olimpiade
Mit Forderungen hoch beglückst.

Ich denke Dein,
Wenn Deine Schlüssel rasseln,
- Ein mittelalterlich Gespenst! -
Und zankend Du durch Küch' und Kammer
Erzürnt an mir vorüberrennst.

Ich denke Dein,
Wenn ich am Samstag flüchte,
Die breite Feder hinter'm Ohr,
Weil alle Zimmer Fluthen zeugen
Und Quellen sprudeln rings hervor.

Ich denke Dein,
Wenn, ach! die Ordnungsliebe
Auch in mein Tuskulum Dich treibt,
Dein Eifer meine Bücher richtet
Und meine Manuscripte stäubt.

Ich denke Dein,
Wenn Deine große Wäsche
In meinen Reichen führt das Wort,
Und Bügeleisen-Barrikaden
Mir sperren jeden Zufluchtsort.

Ich denke Dein,
Will ich den Schiller lesen,
Um Euch zu bilden Groß und Klein,
Und unter Thüren-Kanonaden
Du stürmst geschäftig aus und ein.

Ich denke Dein,
Bin ich in Poesieen
Vertiefet, glücklich, reich und stolz,
Und mich dann aus Elisium rüttelt
Das Schreckenswort: "Wir brauchen Holz!"

Ich denke Dein,
Komm' Abends ich nach Hause
In Gott vergnügt, - nur etwas spät -
Und Deines Schmollens üble Laune
Noch Wochen lange Spannung sä't.

Ich denke Dein,
Wenn Deines Kammermädchens
Mich anzunehmen, Menschheit zwingt,
Und Du mit Eifersucht mir lohnest,
Die mich um Schlaf und Ruhe bringt.

Ich denke Dein
Zu allen, allen Zeiten,
Wo mir das Leben wird zur Pein;
D'rum muß ich Deiner stets gedenken,
Und das muß wahre Liebe seyn!

Aus: Didaskalia
Blätter für Geist, Gemüth und Publicität
Nr. 11. Samstag den 12. Januar 1850
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