Paul Heyse
(1830-1914)
Trennt euch zuweilen,
Ihr glücklich Liebenden!
Ach, nur die Ferne
Glüht Seel’ und Seele
Magisch zusammen;
Ach, nur die Sehnsucht
Vermählt euch ganz!
Süße ist das Haben
Arm in Armen,
Süß sind die Gaben,
Die lebenswarmen,
Des geselligen
Augenblicks.
Wie reife Trauben,
Des Gartens Zierde
In sonnigen Lauben,
Die voll Begierde
Wir pflücken und naschen,
Durstig des raschen,
Trunkenen Glücks.
Doch gleich dem Weine,
Der aus der Kelter
Trübe geflossen,
Lange von dunkeln
Reifen umschlossen,
Bis er mit Funkeln
Im Becher glüht:
So kann nur Liebe
Das Mark durchglühen,
Die ausgereift ist
In Sehnsuchtsmühen,
Fern und allein,
Bis ihr die Blume,
Die duftig reine,
Dauernd erblüht.
Trennt euch zuweilen,
Ihr glücklich Liebenden!
Besser, es trennen
Euch weite Meilen,
Als der Nähe
Treiben und Jagen,
Wo Herz dem Herzen
Muß ferne schlagen
Und Blicke scherzen
In fremdem Glanz.
Ach, nur die Ferne
Glüht Seel’ und Seele
Magisch zusammen;
Ach, nur die Sehnsucht
Vermählt euch ganz!
Aus: Paul Heyse
Gesammelte Werke, Reihe III, Band 5 Gedichte und Übersetzungen
(J. G. Cottasche Buchhandlung) Georg Olms Verlag Hildesheim Zürich New
York 1991 (Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1924) (S. 183-185)
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