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Johann Wilhelm Ludwig
Gleim
(1719-1803)
Der Glückliche
Glücklich ist, wer nimmer liebet,
Wer der Liebe lacht:
Denn wer sich der Lieb' ergiebet,
Seufzet, sehnt sich, ist betrübet,
Winselt Tag und Nacht;
Sein Gewinsel, sein Gesehne,
Was er denkt, und thut, und spricht,
Wirkt ein einziges Gesicht!
Alles andre Schöne
Rührt ihn nicht.
(Band 1 S. 370-371)
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Betrachtung
Brot hat mir Gott und Wein dazu gegeben!
Wenn er mir nun noch Liebe giebt,
So fehlt mir nichts! Was hat man von dem Leben,
Wenn man nicht liebt?
(Band 1 S. 379)
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Ursachen zum Lieben
Da, wo die Adler fliegen,
Ist alles voll von Liebe;
Da, wo die Karpen schwimmen,
Ist alles voll von Liebe;
Im Garten, auf den Fluren,
In Thälern, auf den Bergen,
In Stuben und in Kammern,
Auf Kanzeln und auf Thronen,
Im Himmel und auf Erden,
Ist alles voll von Liebe;
Soll denn mein Herz nicht voll seyn?
(Band 2 S. 38-39)
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Aus: J. W. Gleims
sämmtliche Werke
Erster und zweyter Band
Carlsruhe im Büreau der deutschen Classiker 1819
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