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Friedrich Rückert
(1788-1866)
Auseinander gekommen sein,
Wenn man erst nah bei einander war,
Ist viel schlimmer, als ganz und gar
Nie bei einander gewesen sein.
(S. 297)
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Eins, nur eines
möcht' ich wissen,
Ob es giebt kein Band so fest,
Womit Liebe, die zerrissen,
Wieder sich verbinden läßt.
Und noch eines möcht' ich wissen,
Wie der Liebe Band so fest,
Daß es, wenn es schon zerrissen,
Doch das Herz noch frei nicht läßt.
(S. 296-297)
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Glaub es, holdes Angesicht,
Glaub es nur und zweifle nicht,
Daß die Schätze, deren Glanz
Dich noch blendet, dein sind ganz!
Fühl es recht in deinem Sinn,
Daß ich ganz dein eigen bin,
Mit dem Besten, was ich habe,
Mit der reichen Liedergabe,
Die der Himmel mir gegeben
Nur zum Schmucke deinem Leben.
(S. 305)
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Ich liebe dich, weil
ich dich lieben muß;
Ich liebe dich, weil ich nichts anders kann;
Ich liebe dich nach einem Himmelschluß;
Ich liebe dich durch einen Zauberbann.
Dich lieb' ich, wie die Rose ihren Strauch;
Dich lieb' ich, wie die Sonne ihren Schein;
Dich lieb' ich, weil du bist mein Lebenshauch;
Dich lieb' ich, weil dich lieben ist mein Sein.
(S. 380)
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Unbegreiflich
wunderbar
Ist und bleibt es, wie ein Paar,
Zwei, die erst so fremd sich sind,
Werden so bekannt geschwind.
Unbegreiflich noch viel mehr,
Wie ein Paar, bekannt so sehr,
Dann so fremd einander grüßt,
Als ob es sich nie geküßt.
(S. 297)
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Warum in der Ecke
stehn,
Um mir einen Kuß zu gönnen?
Laß es doch die Leute sehn,
Was sie mir nicht wehren können!
Laß den heißen Blick der Sonnen
Sehn darein mit Neid und Groll;
Unsre Lieb' ist solch ein Bronnen,
Der nicht dran versiegen soll.
(S. 293)
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Weil ich nicht anders
kann als nur dich lieben,
Will ich dich lieben denn soviel ich kann.
Zu hassen dich hatt' ich mir vorgeschrieben,
Mit Hasse sah das Herz die Vorschrift an.
Dich zu vergessen hatt' ich mich getrieben;
Vergessen war es, eh' ich mich besann.
Da so der Haß ward von sich selbst zerrieben,
So das Vergessen in sich selbst zerrann;
So laß mich denn, soviel ich kann, dich lieben,
Weil ich nichts anders als dich lieben kann.
(S. 297-298)
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Wissen möcht' ich
nur, wie lange
Ich dir spielen könnt' im Haar,
Oder streicheln an der Wange,
Oder sehn ins Augenpaar;
Wissen möcht' ich, ob auf Erden
Noch ein solches Spiel es giebt.
Das man, ohne müde werden,
Treiben kann als wie man liebt.
(S. 291)
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Aus: Friedrich
Rückerts Werke
in sechs Bänden. Hrsg. von Dr. Conrad Beyer
Verlag Max Hesse 1900 Band 1
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