"Ich bin vollkommen dein eigen ..."

Nikolaus Lenau (1802-1850)

Aus den Briefen an Sophie von Löwenthal (1810-1889)
 

 

 

 


Eine Furcht, nicht viel kleiner als die vor Deinem Tode, hast Du heute mit Deiner himmlischen Milde aus meinem Herzen gebannt, die Furcht, an Deiner Achtung etwas zu verlieren. Ich achte kein menschliches Wesen so hoch wie Dich, und ohne Deine Gegenachtung müßte mein Herz verkümmern. "Freudig kämpfen und entsagen", das sind Deine Worte, und Du bist mir groß genug, mich an Dir aufzurichten, o Du Herrliche! Liebe! Liebe!
April 1836 (S. 1)
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Heute warte ich umsonst auf meine Nachtigall. Vielleicht ist sie gestorben. Es ist nach Mitternacht; da schlug sie sonst am lautesten und goß mir ihr Lied so tief in meine Wunde und rief alle meine Sehnsucht auf, nach Dir! Heut ist sie still, nur der Brunnen rauscht, und das Wasser zieht auch ohne ihr Lied, wie das Leben thut, wenn ein Dichter stirbt. Es gibt Augenblicke, wo Du gegen mich erscheinst, als ob die Quelle Deiner Freuden, die Dir rauscht im frischen Leben Deiner Kinder, ebenso fröhlich fortrauschen würde ohne mich, wie da unten der Brunnen ohne die Stimme der Nacht.
In solchen Augenblicken ist meine Liebe nicht schwächer, aber ich fühle sie als brennenden Schmerz, den ich Dir, zumal in Gesellschaft, hinter dem verberge, was Du Hohn nennst. Und es mag kommen, daß ich dann mich fortsehne von Dir und der ganzen Welt, denn Du bist mir so sehr das Aeußerste meiner Wünsche und Empfindungen geworden, daß ich mich von Dir nirgends hin sehnen kann, als in den Tod.
Und selbst diese Sehnsucht, der ich in den letzten Tagen recht nachhing, ist mir durch den Wunsch und die Hoffnung erträglich, daß ich Dich dort wiederfinde und daß Du mich dort nicht mehr betrüben wirst. O wärest Du jetzt bei mir! O liebe, liebe Sophie!
April 1836 (S. 2)
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Wie sehr meine Liebe zu Dir gewachsen, kann ich jetzt ermessen. Nie war mir die Trennung von Dir so schwer gefallen, wie diesmal. Wenn mich die Zukunft zwingen sollte, Dich auf längere Zeit zu verlassen, so wird sie mich sehr unglücklich machen. Mein Leben ohne Dich ist ein fortwährendes stilles Bluten meines Herzens. Nur mit der äußersten Selbstüberwindung kann ich arbeiten. Mein Savonarola wird unter tausend Schmerzen entstanden sein; wenn er je fertig wird. (...)
Soeben schickte mir meine Wirtin, eine sehr gutmütige und dienstfertige Frau, frische Erdbeeren. So gut werden sie mir aber nicht schmecken wie jene, welche ich an Deiner Seite aß, des Morgens, in Deinem noch unaufgeräumten Zimmer, in Deinem lieben Kindertumulte, von Zeit zu Zeit angestrahlt von Deinem Blicke.
24. Juli 1836 (S. 3)
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Ich habe heute viel gearbeitet, aus mir heraus und in mich hinein. Einsam bin ich hier, ganz einsam. Aber ich vermisse in meiner Einsamkeit nur Dir. Nur Du bist mir unersetzlich durch die schöne Natur, durch den Verkehr mit großen Geistern, wie Platon, den ich fleißig lese, ja selbst durch die beglücktesten Stunden meines Kunstlebens. Denn Du bist mir die wunderbare Vereinigung alles dessen und die lebendige Fülle alles Wahren und Schönen, das mich warm und unmittelbar anweht in Deiner Nähe, o Du geliebtes Weib! Ich verdanke Dir auch mehr, als meinem ganzen Leben ohne Dich. Die Liebe hat die Welt erschaffen, und nur durch die Liebe lernen wir sie begreifen. Meine Schuld an Dich ist unermeßlich wie die Welt, die einst verlorene, die Du meinem Herzen wieder geschenkt. O könnte ich Dir vergelten und Dich auch ein wenig glücklich machen! Du!
25. Juli 1836 (S. 4)
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Mein Leben hier ist ungeachtet der großen Liebe, mit welcher mich meine Freunde und Hausgenossen in ihrer Mitte halten, nur ein halbes. Es hat eine wehmütige Wirkung auf mein Herz, daß ich unfähig bin, die Freude meiner Freunde zu erwidern.
Meine Liebe neigt sich hinaus in die Ferne nach Dir, sie lauscht und horcht nach Dir und starrt nach Dir in die Ferne, und achtet aller Liebe nicht, von der sie umgeben ist in der Nähe. Ich bin wahrlich krank. Ich denke immer nur an Dich und an den Tod. Mir ist oft sehr ernstlich zu Mute, als ob meine Zeit abgelaufen sei. Ich kann nicht dichten, ich kann mich an nichts freuen, nichts hoffen, ich kann nur an Dich denken und an den Tod. Neulich schrieb ich Dir, Du möchtest Deine Gesundheit pflegen, und habe selbst so wenig Lebensmut. Ich kann Dir einen Gedanken nicht verbergen, der seit einiger Zeit dunkel und immer dunkler meine Seele überschattet. Es drängt mich zu suchen, was ich wünsche. Doch das wird vorübergehen. Wenn ich Dich nur erst wiedersehe, o Du mein Liebstes!
Juli 1836 (S. 6-7)
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Der gestrige Tag war mir der längste meines Lebens. Jetzt weiß ich erst recht, was Angst ist, quälende, rastlose Angst. Ich wollte schreiben und es ging nicht, und auch heute muß ich mich dazu nötigen, um Wort zu halten. Ist sie nicht krank? Das ist der Gedanke, der einzige, dessen ich fähig bin, seit ich Dich im Vorüberfahren an Deinem Fenster stehen sah. Als Du so müde und schwach zusammenbrachst auf Deinem Sofa und mich mit einem Blicke tiefsten Leidens ansahst, ward mir im Herzen, als ob mein ganzer Himmel zusammenbräche, ich fühlte mich im Innersten geschlagen und gebeugt. Es zog mich heftig, zu Deinen Füßen zu sinken, da sagtest Du, ich solle gehen, und ich ging. Wenn ich Dich verlöre, könnte mich Gott trösten?
Ich kann nicht an Gott denken, ohne an Dich zu denken, und er würde mir die Wunden noch tiefer aufreißen. Ich würde sterben, das ist gewiß. Wenn er Dich mir nimmt, so nimmt er meinem Leben den Boden weg unter meinen Füßen, er nimmt meinem Herzen Speis' und Trank, er nimmt mir die Luft, in der ich atme, er will nicht mehr, daß ich lebe. O wäre es schon zwölf Uhr!
10. August 1826 (S. 7-8)
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Dein Abschiedsröslein liegt neben mir auf dem Tische und duftet so angenehm, als wollte der heutige Tag sein schönes Leben in dieser Blume verhauchen. O es war ein schöner Tag! Ich habe ihn beschlossen, als ich im Garten von Dir ging. Mir ist es fast lieb, daß ich Dich später nicht mehr allein gesehen habe. Die ungestörten Stunden waren einmal doch schon abgelaufen, und mit ihnen war der Tag vorüber. Fahr wohl, Du schöner Tag! Du flüchtiger Gast aus einer bessern Welt! Ich möchte weinen um Dich. O liebe Sophie! Das ist ein Tag, an dessen Erinnerung sich Dein Herz klammern soll; ich werde ihn feiern jedes Jahr wie Deinen Geburtstag. Ich habe in Deinem Umgang mehr Bürgschaft eines ewigen Lebens gefunden, als in allem Forschen und Betrachten der Welt. Wenn ich in einer glücklichen Stunde glaubte, jetzt sei das Höchste der Liebe erreicht und die Zeit zum Sterben gekommen, weil ja doch nichts Schöneres mehr nachfolgen könne: so war es jedesmal eine Täuschung, und es folgte eine noch schönere Stunde, da ich Dich noch höher liebte. Diese immer neuen, immer tieferen Abgründe des Lebens verkürzen mir seine Ewigkeit. Ich habe heut in Deinem schönen Auge die ganze Fülle des Göttlichen erblickt. Ich war glücklich wie nie zuvor. Recht deutlich ward mir heute wieder, daß im Schwellen und Sinken des Auges die Seele atmet. In einem so schönen Auge wie das Deinige zeigt sich uns der Stoff, aus welchem einst unser ewiger Leib gemacht sein wird, wie in einer prophetischen Hieroglyphe. Wenn ich sterbe, so geh' ich reich aus diesem Leben, denn ich habe das Schönste gesehen.

Das Abschiedsröslein duftet so angenehm wie ein: Gute Nacht! von Dir - Schlaf wohl, liebes Herz! Bewahre das zweite Röslein zum Andenken. Es war ein schöner Tag. Ich liebe Dich grenzenlos.
22. Oktober 1836 (S. 10-11)
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Den Gedanken, daß Du mir viel bist, so viel, daß mir ohne Dich alles andre nichts wäre, laß nicht fort, Du liebes, gutes Herz! Ja, Du bist mir viel. Du bist der innerste Kern meiner ganzen Lebensgeschichte, und wenn der Nerv Deines Daseins zerschnitten wäre, wie Du schriebst, so wäre auch mein Leben entzwei. Du warst gestern sehr liebenswürdig bei Tisch, als Du so freundlich und schonend mich zu sprechen nötigtest. Ich wäre gern mit Dir nach Haus gegangen. Heute seh' ich Dich.
2. November 1836 (S. 14)
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Du hast mir heute abend Unrecht gethan, da Du glaubtest, ich sei wieder zurückgefallen. Ich war es nicht und werde es nicht. Solcher entsetzlicher Stimmungen kann es nicht zwei geben in einem Menschenherzen. Es gibt nur einen Teufel in der Liebe, und ich habe ihn abgethan. Es ist eine klare Ruhe in mir wie nach einem Gewitter in der Luft. Vor gewissen Gedankenreihen habe ich jetzt einen Abscheu, daß ich gewaltsam abspränge, wenn sie sich einstellen wollten. Ich bin mir selbst unheimlich geworden in meiner Leidenschaftlichkeit. Mein Fehler ist, daß ich die Sphäre der Poesie und die Sphäre des wirklichen Lebens nicht auseinander halte, sondern beide sich durchkreuzen lasse. Gewohnt, in der Poesie mich dem Zuge meiner Phantasie zu überlassen, thu' ich ein Aehnliches auch im Leben, und es geschieht, daß in Momenten der Selbstvergessenheit diese, vielleicht zu viel geübte Kraft aufstürmt und ihre eigenen schönsten Gebilde verheerend niedertritt. Ich bin überhaupt ein sehr schlechter Oekonom; auch in der Oekonomie meiner Seelenkräfte habe ich zu wenig Berechnung, Maß, Ordnung.
Hier gilt Dein Wort: "Es ist nichts mit so einem Dichter." Ich bin ein Melancholiker. Der Kompaß meiner Seele zittert immer wieder zurück nach dem Schmerze des Lebens. Vielleicht kann mir alle Religion und Liebe nicht weiter helfen, als diesen Schmerz zu verklären.
Doch wisse, daß einem solchen Menschen die Augenblicke einer wahren heiligen Liebe tiefe Einschnitte zurücklassen. Hier wird nichts obenauf gemalt, sondern alles eingeätzt, gegraben und geschnitten. Dein Bild aber und unsre schönen Stunden sind meinem Herzen eingezeichnet mit der Schärfe und Treue des Unglücks, denn unsre Liebe ist unglücklich.
November 1836 (S. 14-15)
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Mir ist es jetzt so klar im Gemüte, wie die Luft nach einem Gewitter klar ist, und ich meine hinauszublicken in unsre Zukunft; es ist eine schöne Zukunft. Die Liebe ist die stärkste Macht im Himmel und auf Erden, sie hat die Welt erschaffen und erhält und bewegt sie ewig; sie hat sich unsrer Herzen bemächtigt und alles, was ihr entgegen ist, muß verbrennen und vernichtet werden, wie ein Strohhalm in den brennenden Vulkan geworfen. Sophie! wenn etwas Fremdes an mir war, das sich von Dir reißen wollte, so hat sich dagegen mein eigentliches wahrhaftes Wesen um so fester an Dich geklammert. Mein Innerstes war immer fest mit Dir, alles andre waren nur äußere, anklebende Gedanken, und das Feindliche mußte nur dazu dienen, die Liebe noch mehr in mir zu befestigen.
Es ist zu Schanden geworden wie alles, was gegen die Liebe ankämpft in der Welt. Sophie! Du hast mich öfter gefragt: Was denken Sie jetzt? und ich hatte gerade in den seligsten Momenten gar nichts gedacht, sondern war untergegangen in meiner Liebe, wie in Gott zur Zeit des Gebetes. Die Liebe ist über jeden Ausdruck, weil sie weit hinaus ist über jeden Gedanken. Darum kann ihr auch, wenn sie wahr ist, kein Gedanken schaden. O Sophie, Du hast mich heute überzeugt, daß mir nichts bei Dir schaden kann, keine Erinnerung. Du liebst mich, Du mußt mich lieben als Dein bestes Werk. An Dir haben sich meine erstorbenen Hoffnungen und Freuden wieder aufgerichtet zu einem neuen und schönern Leben, Du bist mein Trost, meine Lebenswärme, meine Offenbarung, Dir danke ich meine Versöhnung hier und meinen Frieden dort. O Sophie, laß uns recht zusammenhalten, getreu und freudig, immer, immer.
November 1836 (S. 15-16)
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Der heutige Morgen hat so trüb begonnen, indem ich wieder einmal ganz den drückenden Zwang unsres Verhältnisses fühlte, und er hat so freundlich und glücklich geendet, indem mich die Gewalt Deiner Liebe und Deines unbegrenzten Vertrauens über allen Gram des Lebens hinaushob. O Freundin meines Herzens! Du hast mehr Trost und Balsam in Deiner lieben Seele, als das Leben je verletzendes für mich haben kann. Dein Herz ist nicht unsterblich, und das Schicksal könnte mich an dieser verwundbarsten Seite fassen. Tragen wir bescheiden unser Glück, das, wenn es auch nicht voll ist und werden soll, doch als Bruchstück eines Himmels von Freuden mehr wert ist, als das Glück von Tausenden in seiner kümmerlichen Vollständigkeit. Es wäre fast eine Versündigung an Deiner Seele, wenn mir Dein körperlicher Besitz unentbehrlich wäre, und doch ist Dein Leib so schön und seelenvoll in jedem Teile, daß ich wieder meinen muß, ich hätte Deine Seele noch mehr inne, wenn auch Dein Leib mir zufallen dürfte. Sei es wie immer, Du liebst mich, das ist gewiß, und genug, mir das Leben teuer zu machen und meinen Mut zu einem tüchtigen Streben für die Sache der Ewigkeit zu befeuern und aufrecht zu halten. Sei heiter und froh, Du mein liebes, liebes Herz!
3. Dezember 1836 (S. 18)
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Als Du gestern abends am Boden saßest am Ofen, während ich mit Max sprach, warst Du besonders liebenswürdig, und ich wäre Dir gerne um den Hals gefallen. Es war etwas so kindlich Vergnügtes und geheim Zärtliches in Deinem Wesen, daß ich meine Freude an Dir kaum bemeistern konnte. Ich konnte kaum fort von Dir. Ja, Du hast recht, es ist ein Bund auf ewig. Solang mein Herz nicht welk und tot ist, werde ich Dich lieben, und solang mein Geist nicht erloschen ist, werde ich Deiner gedenken; die letzte Kraft meines Gefühls und die letzte Dämmerung meiner Gedanken sind Dein, Du unbegreiflich liebes Weib! O Sophie, Du Herrliche! Einzige! Wüßten die Menschen, wie glücklich wir sind in unsrer Liebe, so hätten sie nicht den Mut, uns zu stören. Sie würden ein solches Glück, den seltenen Gast auf dieser Erde, mit schonender Scheue nicht betrüben. Aber sie ahnen es nicht, und können es nicht fassen, und der seltene Fremdling erscheint ihnen wunderlich und abenteuerlich. Sie mögen ihre Ansicht behalten, für die sie nicht können, und wir behalten unser Glück, für das wir auch nicht können. Die Strömung hat uns erfaßt, wir müssen fort, wir müssen. -
Januar 1837 (S. 20-21)
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Diesen Morgen erwachte ich aus einem schönen Traum mit seligen Gedanken an Dich. Die Liebe ist allmächtig. Mag das Leben immerhin seine verdrießlichen Trümmer auflagern und häufen an seinem unerfreulichen Ufer - eine einzige Welle der Liebe, des tiefen, weiten und gewaltigen Meeres, spült die Trümmer fort, als wären sie nie dagewesen. Diesen Morgen lag ich im Dunkeln einsam und glücklich. Kennst Du diese Augenblicke der Liebe, wo das Herz im Himmel ist und jeden Wunsch vergißt? O, Du kennst sie gewiß! - Meine Liebe ist so groß, daß mein Herz manchmal verwirrt wird und sie nicht fassen kann, und dann zu Bewegungen getrieben wird, die an Wahnsinn streifen und Dir weh thun. Darum glaube ich fest, daß dieser Liebe eine Ewigkeit vorbehalten ist, wo sie sich frei und ganz wird ausbreiten können. Doch gebe es für mich schon jetzt Augenblicke, wo ich ruhig versinken kann in Dir und dem Gedanken, daß Du mich liebst. So war es mir heute morgen.
22. Februar 1837 (S. 25)
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Der heutige Tag war einer der traurigsten, ja er war der traurigste meines Lebens. Alle trübe Vergangenheit ist lachender Sonnenschein gegen die drohende Zukunft. O Sophie! hab' Erbarmen mit mir und rette Dich. Du bist mein Trost, mein Glaube, meine ewige Liebe, mein Glück, oder meine Verzweiflung. Meine Seele hängt an Deinem Atem, und mein Leben vergeht mit Deinem Hauche. O ich möchte mir den Tod geben für jedes unfreundliche Wort, womit ich Dein Herz verwundet habe, und für jeden Augenblick, den ich versäumt habe, Dir eine Freude zu machen, o Du liebe, arme, liebe Sophie! Könntest Du in mein Herz schauen! Gute Nacht! ich bin sehr angegriffen und müde. Ich halte gewiß Schritt mit Dir. Mein Schmerz wird rüstig sein, das ist meine einzige Linderung, er wird treu sein und mich nicht liegen lassen auf dem einsamen Wege, ohne Dich, als einen Bettler.
22. Februar 1837 abends (S. 26)
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(...) Du saßest gestern abend so lieb an Deinem Schreibpult, daß ich es nicht vergessen werde. Dein Angesicht strahlte vor Liebe, und vor Dir lag mein halbfertiger Freudenzettel, auf den ich mich sehr freue. Du bist meine Zuflucht, mein Trost, meine Stärkung. Du bringst bei mir das Leben wieder zu Ehren, wenn es mir andre entstellt und versudelt haben. Ich trachte auf die Menschheit zu wirken, nachdem mich Deine Liebe dazu ermuntert hat. So stehst Du durch mich mit der Welt in Verkehr, vielleicht in einem gesegneten. Das ist nächst der Erziehung Deiner Kinder Dein Beruf, und das soll Dir die Freude an unserm Verhältnis immer frisch und ungetrübt bewahren, liebe, liebe Sophie! - Ich habe Dir's manchmal gesagt, und werde Dir's noch manchmal wiederholen, daß Deine Liebe versöhnend und wahrhaft rettend auf mich gewirkt. Gleich in der ersten Zeit unsers Bundes war der Gedanke: mich zu heilen von meinen trostlos nächtlichen Grübeleien, der herrschende in Deiner Seele, und er hat Dich zu einem Liede begeistert. Diesem Lied verdanke ich meinen Savonarola. Wer weiß, ob und wie spät mir das Licht gekommen wäre ohne Dich. Nun aber hab' ich Dich gefunden. Ich erkannte und erfühlte an Dir den vollen Zauber, das Schöne, Unersetzliche, Alleinbesiegende der Persönlichkeit. Die starren und herzlosen Naturkräfte und Naturgesetze konnten unmöglich ein Wesen zu stande bringen wie Du bist. Du bist ein Lieblingsgeschöpf eines persönlichen, liebenden Gottes; das drang mir tief und fest ins Herz in mancher schönen Stunde, die ich  mit Dir leben durfte. Das, meine Sophie! ist der feste und geweihte Boden, auf dem unsre Liebe steht, aufrecht und immer.
23. Februar 1837 (S. 28-29)
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Mit schwerem Herzen ging ich heut in die Gesellschaft, mit einem noch schwerern kam ich nach Hause. Das Ungewisse, Zitternde meines Glückes haben mir Deine letzten Zeilen wieder recht vors Auge gebracht. Ich konnte den ganzen Abend nichts denken als Dich und die schreckende Möglichkeit, Deinen Umgang zu verlieren. Die vielen Menschen kamen mir vor, als wären sie zusammengekommen, um mir recht schmerzlich zu zeigen, wie mir die ganze Welt so gar nichts wäre, müßte ich von Dir scheiden. Ich sah immer nur Dein Antlitz, Dein schönes, heiliges Auge. (...)
Meine Gemütsruhe findet sich wieder in der Truhe. Ich habe dem Sturm mein Herz weit aufgethan ohne allen Rückhalt, er ist eingezogen und hat an allem Gezweig meiner Nerven gerüttelt. Doch war das gut. In den entlaubten Hain scheint die Sonne herein. Wenn ich Dich liebe, steh' ich bei Gott, denn er ist in Dir. O Du liebes, herrliches Herz!
Februar 1837 nachts (S. 29-30)
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Die Zeit des ungestörten Zusammenseins eilt vorüber. Es naht der Frühling für die Natur, der für die Wünsche unsrer Liebe ein Winter ist. Auch hier seh' ich ein wehmütiges Mißverhältnis zwischen unserm Geschick und der Natur. Doch soll es die Aufgabe unsres Lebens sein, daß wir die äußren Störungen und Mißklänge versöhnen durch unerschütterliche, liebste Eintracht unsrer Herzen. Das Unglück unsrer Liebe soll für sie nur eine Stärkung sein; vielleicht eine Uebung für die Ewigkeit. Haben wir gelernt, in allen Wechseln dieses Lebens uns immer wieder zu finden, so werden wir vielleicht dereinst beim großen Wechsel dieses Lebens in ein ewiges uns desto leichter finden und behalten. Die Liebe ist nicht bloß da zur Fortpflanzung der Gattung, sondern auch, und gewiß hauptsächlich, fürs ewige Leben der Individuen. Jenes ist der unsrigen versagt, wir wollen uns also fest an diese halten und die Macht unsrer Liebe in unser Inneres kehren und einander erfüllen und beglücken und getreulich das Zeichen verabreden, das wir uns einst dort geben wollen, um uns wiederzufinden. Ich will mich wohl ein wenig mäßigen in den Ausbrüchen meiner Leidenschaft; ganz kann ich sie nicht beherrschen. Ich fahre auf höchster See; und da läßt sich kein Anker werfen. Doch Deiner liebevollen Bekümmernis wegen will ich thun, was ich kann. Du hast freilich recht, daß der Affekt mein Leben verzehrt. Das ist nicht anders möglich. Aber diese Verschwendung macht mir Freude.
Ende März 1837 (S. 31-32)
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Mein gestriges Briefchen war ledern, sagtest Du. Das mag sein; aber Du ließest mich den Zettel doch nicht zerreißen, weil Dir der lederne Beutel, worin Du gleichwohl ein Goldstück meiner Liebe gefunden, doch nicht ganz unangenehm ist. O liebes Herz, wie warst Du gestern so schön und bezaubernd! Wie gern hätte ich um einen Kuß von Dir alles andre hingegeben, selbst das treffliche musikalische Spürhundgeschnupper und Hallogeschrei! Denn Du bist das köstliche Wild, nach dem ich jage, und auf dessen Spur alle meine Gedanken sind. Wie hast Du denn geschlafen?
Ich erwachte diese Nacht mit schönen, seligen Gedanken an Dich. Es war mir auf einmal sonnenklar, was Gott mit unsrer Liebe will. Sie ist ein Teil seiner eignen Liebe. Ich werde Dir das einmal erklären. Jetzt kann ich nicht, es ist zu viel. O Liebste! Gestern war Dein Gesicht wirklich ein schönheitstriefendes. Es war ein beständiges Wonnegeriesel alle deine Züge herunter. Ich hätte Dich verschlingen mögen. Aber auf dem Stephansplatz mußt' ich Dich verlassen. Da war es aus, und ich war allein in der trüben, feuchten Nacht.
11. April 1837 (S. 32-33)
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Heute nacht hatte ich einen glückseligen Traum, der mir den ganzen Tag hindurch nachgeklungen ist. Er läßt sich nicht schildern, nur träumen oder vielleicht in einem andern Leben erleben.
Liebes Herz! Der gestrige Abend war vielleicht der letzte schöne für die lange, lange Zeit von Störungen unsrer nächsten Zukunft. Ich kann mich gar nicht auf den Frühling freuen, weil er mir diesmal wie ein schöner Räuber naht. O der liebe Winter! Wie gern finge ich wieder von vorne an! Wir hatten eine reiche Welt mitten in seiner rauhen Umgebung. Du hast es manchmal bedauert, daß Dich die Liebe so ganz absterben macht für alle Freuden des Lebens. Ich bedaure das nicht, obgleich das vielleicht mich mehr betrifft als Dich. Mir ist es recht, daß Du der alleinige Brennpunkt meines ganzen Lebens bist. Freilich kann der leichter zum Bettler werden, der seine ganze Habe beisammen hat in einem geliebten Herzen, als einer, dem die Freude überall wächst in sicherer Verteilung. Aber mein Glück ist inniger und mir desto teurer, je gefährlicher es ist. Wo bleibst Du denn so lang? Es ist schon halb acht. Komm doch einmal nach Haus. Es ist schon ganz dunkel. Meine Feder geht wie ein Wanderer bei Nacht durch das Labyrinth meiner Liebe, aus dem ich nimmer hinausfinde. Komm! komm! Wo bleibst Du nur gar so lang? Die Uhr pickt in einem fort und mahnt mich an Deine Verschwendung. Es ist schon ganz dunkel, und wenn Du nicht bald kommst, werde ich recht traurig.
April 1837 (S. 33-34)
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(...) Die Ewigkeit muß sehr schön und herrlich sein, sonst ist es wahrhaftig nicht der Mühe wert, daß wir ihr so eilig zugetrieben werden, von solchen Freuden weg, wie wir sie heute gehabt. Vorderhand kann ich mir aber den Himmel nicht anders denken, als daß dort sicher und bleibend sein wird, was hier unsicher und flüchtig. Ich male mir's genau aus, wie es wäre: meine Luft Dein Atem, mein Licht Dein Auge, mein Trank Dein Wort, meine Speise Dein Kuß, mein Lager Dein Herz, mein Wandel das Reich Gottes mit Dir, mit Dir! Liebe Sophie! (...)
10. Juni 1837 (S. 37)
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(...) O, ich möchte diese Nacht an Deinem Bette knien und weinen, bis die Sonne wieder aufgeht. Deine Traurigkeit über meine Abreise erschüttert mich. O Du liebes, tiefes, heiliges Herz!
(...) Wenn Du wüßtest, wie lieb mir jedes Gerät in Deinem Haushalte ist, woran Deine Hand rührt, wie sich mir unter Deiner Hand Dinge veredeln und vertraut und teuer machen, die mich sonst nur störten, Du würdest mir Dein häusliches Treiben nicht mehr schmähen. Gerade die Art Deines Lebens ist mir recht. Sophie, ich verehre Dich wie kein menschliches Wesen und ich liebe Dich, wie man nur Dich lieben kann. Tröste Dich über unsre Trennung, denk' an den nächsten Winter, denk' an den Rest des Sommers, den wir ja auch noch zusammen leben wollen. Trau' meiner Liebe. Ich komme, sobald ich kann, die Sehnsucht nach Dir wird mir jede Arbeit beflügeln und zum Spiele machen.
Fürchte nicht, daß mir eine Anstrengung schaden werde. Trabt doch das müdeste Roß schneller zu, wenn es heimwärts geht, und zu Dir, Du süße Heimat meiner Seele, sollt' ich nicht eilen über Stock und Stein des Buchdruckersweges? Herzerl! Dich wiederzusehen! ans Herz zu drücken! Sopherl! Wär' ich nur wieder da! (...)
Gute Nacht, ich muß schlafen gehn, sonst kann ich zu lange nicht einschlafen. Gute Nacht, ich bin bei Dir, solang ich bin.
Guten Morgen, Sophie! Heute gehst Du nicht vorüber, auch regnet es. Hast Du schon meiner gedacht? Ich habe viel von Dir geträumt und zwar lauter Angenehmes; nur hab' ich es in meinem Morgenschlaf wieder verloren, den Nachklang davon spür' ich noch, auch mußt Du mir viel Liebes gesat haben, denn mein Herz ist noch ganz weich.
11. Juni 1837 Samstag abends (S. 39-40)
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Dein letztes Briefchen hätte mich nicht freuen sollen? Ist es doch eines Deiner liebsten, schönsten. Du darfst kein Bedenken tragen, einen Wunsch gegen mich auszusprechen, der nur ein leiser Wiederhall meiner lauten Sehnsucht ist. Der heutige Tag bleibt mir sehr teuer. Jeder Himmel war mir hold, der in den Lüften und der in Deinem Herzen. Ich sagte beim Abendessen, daß ich mir die Luft des heutigen Tages fürs ganze Jahr möchte aufheben können, und dachte dabei, daß ich mir dieses linde, süße Wehen Deiner Seele fürs ganze Leben bewahren möchte. Dein Liebreiz steht in voller Blüte. Wenn ich Dich so recht anschaue, fängt meine ganze Seele zu klingen an. Du bist aus dem besten Kernstück der Schöpfung gemacht. Dein Wesen ist ein gediegener Zauber. O könnte ich Dir nur sagen, was ich damit meine! Ich meine eben, Du bist der süßeste Traum und die festeste Realität zugleich. O Sophie! Sophie!
Du hast mich heute ein paarmal angeblickt, daß ich dabei an Deinen Tod denken mußte. Deine Seele legte sich so weit heraus aus Deinem offenen Auge, als ob sie mir entfliehen wollte. Du hast wunderbare Momente. Ich freue mich, daß ich der einzige bin, der sie sieht. Sie sind das Schönste meines Lebens. Gute Nacht, meine Sophie! (...)
13. Juni 1837 (S. 41-42)
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Halte nur unsern heutigen Abendgang recht fest in Deinem Gedächtnis, wenn Ungeduld Dich überfällt und Kummer Dich bezwingen will. Unsre Liebe ist einmal gewissermaßen eine unglückliche, und wir wollen unverdrossen und mutig die stille heimliche Tragödie, in der niemand spielt und zuschaut als unsre blutenden Herzen, bis an unser Ende fortführen. Vielleicht, ja gewiß gewinnen wir dann einst den Beifall der Himmlischen. Ich habe Augenblicke, in welchen ich vergehen möchte vor Schmerz über unser Los; aber ich habe auch andre, wo mir unser Unglück teuer ist, weil ich mir denke, Du würdest mich vielleicht weniger lieben, wenn Dein Gefühl nicht unter Gefahren und Schmerzen aufgewachsen wäre. Vielleicht müssen zwei Herzen aufgeschnitten werden, wenn sie ganz zusammenwachsen sollen?
Wir haben unsre blutenden Stellen aneinandergelegt und müssen so festhalten, wenn wir uns nicht verbluten wollen. O ich will Dich halten! Du wirst mich auch halten, ich weiß es. (...)
14. Juni 1837 (S. 43)
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(...) Wenn zwei Menschen so zusammengehören wie wir, so können sie auch hoffen, daß sie einmal zusammenkommen. Unser Glück darf uns nicht vorenthalten werden. Wir werden es dort finden. Das wäre ein Riß durch unsre ganze Ewigkeit, wenn's nicht so käme. Es muß! Gute Nacht, mein Herz!
25. Juni 1837 (S. 52)
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(...) Ich darf mir die Strecke Erde gar nicht vorstellen, die zwischen uns liegt, so wird mir bang. Die absolute Unmöglichkeit, sich in einer Stunde zu sehen, hat etwas Grauenhaftes. Und wie lang kann eine Stunde werden! So aber brauch' ich fünf Tage wenigstens. Stuttgart liegt ekelhaft von Wien weg. In unserm Garten blühen sehr schöne Rosen. Ich könnte Dir unmöglich eine blühende bringen. Zwei Liebende sollten nie so weit getrennt sein, daß sie sich nicht eine Rose frisch und blühend bringen können. Doch ein Röslein kriegst Du frisch von mir, wenn ich komme, meine treue Liebe. So weit kann uns wieder kein Schicksal auseinander rücken, daß ich Dir dieses Röslein nicht aufs frischeste erhalten zubringen könnte. Herzerl! Gute Nacht!
27. Juni 1837 (S. 53)
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(...) Sophie! Sophie! Du bist der schönste, liebevollste Gruß, den mir Gott gesendet hat. Ich sollte ewig nur auf Dich lauschen und Dich mit allen meinen Kräften in mich hereinziehen. Hätt' ich nur eine Handvoll von dem Staub, den Du tratest, als Du bei Penzing meinem Wagen nachgingst! Wie lange hab' ich nicht mehr in Dein Auge geblickt! O, diese Versäumnis kann mir nie wieder gut gemacht werden. Wenn ich meinem Dichterstreben mein Herzblut opfre und mit jedem Gedicht ein Stück dahingehe im redlichen Aufwande meines Ernstes, so ist das doch noch gar nichts gegen das Opfer, daß ich Dich entbehre. Mir thut meine ganze Seele weh nach Dir. O, Du Liebe! Und wenn meine Arbeiten nichts taugen, so ist es zum Verzweifeln, daß ich so viel dafür geopfert habe. Liebe Sophie! Dieses flache Papier und diese schwache Feder. Könnt' ich's nur in was Festes recht tief eingraben: Liebe Sophie! Herz! Liebe!
7. Juli 1837 (S. 58)
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Mit Bewegung erwarte ich diesen Tag, der in meinem Leben wichtig geworden ist wie kein andrer. An diesen schönen Tag knüpft sich meine tiefste Klage und mein unermeßliches Glück. Es ist mein zweites Weihnachten. Deine Geburt wird hinauswirken über mein Erdenleben auf meine Ewigkeit. Ich habe die stärkste Gewißheit davon. Gott habe Dank für diesen Tag. Mögen wir ihn noch oft zusammen verleben. Ich bin durch Dich besser geworden. Du überschätzest mich, aber Deine hohe Meinung von mir ist mir heilsam, denn sie ist mir ein dringendes Gebot, mich ernstlich zu veredeln, damit ich nicht allzutief unter den Gedanken bleibe, die Du von mir hast. Der größte Lohn für alles, was ich noch erstreben mag, wird mir in Deiner schönen Seele blühen, und in ihr finde ich die bitterste Strafe für jeden verfehlten Augenblick meines Lebens. Wie Du mir ein rettender und versöhnender Engel geworden bist, so auch ein strafender. Ich bin Dein mit allen meinen Hoffnungen, Wünschen und Werken. Ueberall wo ich Gottes starke Hand fühle, spüre ich auch Deine liebe Hand, und ich kann oft beide nicht voneinander unterscheiden. O Sophie! Du bist das Herz meines Lebens, es kommt von Dir und strömt zu Dir zurück. Ich bin ewig Dein.
Am Abend vor Deinem Geburtstag 1837 (S. 87-88)
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Der heutige Tag war einer der schönsten meines Lebens. Mein ganzes Herz zuckte in seliger Wehmut vom Morgen bis in die Nacht. Du standest mir gegenüber mit Deiner unbeugsamen Zärtlichkeit, daß ich Dich verschlingen wollte und anbeten zugleich. Vergiß Du diesen Tag nicht, es war wieder einmal recht gute Zeit in meinem Herzen, jeder Winkel meines Herzens war beleuchtet, ein schöner, festlicher, unvergeßlicher Tag. Ich möchte jetzt an Deinem Bette knieen und Dir auf die Füße weinen und sie tausendmal küssen, die Dich heute früh zu mir trugen an unsre liebe Bank, wo mein Herz so manchen seiner heftigen Schläge gethan hat, in Freud' und Schmerz. Ich erwartete Dich heute mit brennender Ungeduld, und die kleinen Blümchen konnten Dir nicht sagen, was ich fühlte, als ich sie Dir zusammenlas. Ich hatte nicht den Mut, Dir das Sträußchen zu geben, ich weiß nicht warum, ich ließ es liegen bis Du selbst es nahmst. O verzeih mir den flüchtigen Gedanken von neulich, die Erinnerung an meine Tage in Heidelberg. Nur ein leichter Wimpel flatterte zurück nach dieser Vergangenheit, während meines Lebens Anker wie immer festlag im festen Boden Deiner Liebe. Laß Dich nicht beirren, laß Dir das Liebevolle und Treuherzige, was ich Dir gesprochen in meinen besten Stunden, nicht aufwiegen von einem mürrischen Einfall einer bangen Minute. Doch ich verlasse mich auf Dich. Ich gebe mich Dir hin mit allen meinen guten und schlimmen Seiten, mach Du meine Rechnung, sie liegt in Deinen Händen, Du wirst mich nicht verlassen. Deine Schwelle ist die letzte, an der ich was begehre; von dieser wende ich mich nur noch an jene dunkle, über welche ich freudig schreiten werde, oder zögernd und klagend, wie es unsre Liebe will.
7. Oktober 1837 (S. 88-89)
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Deine Worte von heute abend sind wie Balsam in mein Herz geflossen. Ja, Du liebes, edles süßes Weib, unser gemeinsames Leiden soll uns heilig sein. Ich schmähe diese Stunden nicht und ich bereue nicht, Dich gefunden zu haben. Solche Stunden bestürmen das Herz zugleich mit einem Uebermaß von Lust und Leid, daß das verwirte nicht weiß, ob es bluten soll oder lachen, und verzweifeln möchte in seinem Himmel; aber sie sind die besten meines Lebens. Hätte ich Dich nicht gefunden, so hätte ich auch nie erfahren, was es heißt, von einem Weibe geliebt zu werden, die es wert ist, daß mir mein Unglück das Liebste ist, was ich habe. Ich habe mir nie ein Glück geträumt, wogegen ich dieses Unglück vertauschen möchte. Ein Blick in Deine Seele ist nicht zu teuer erkauft mit dem schmerzlichsten, bis an meinen Tod fortgekämpften Entsagen.
21. Oktober 1837 (S. 92)
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Ich war heute den ganzen Tag traurig, und jetzt beim Schlafengehen bin ich es am meisten. Könnte ich machen, daß ich durch Dein Leben nur so wie ein Zugwind gestrichen wäre, ich würde vielleicht wünschen, daß dies meine letzte Nacht sei. Aber Du würdest klagen, vielleicht noch lange, denn ich habe tief in Dein ganzes Leben eingeschnitten, Deine schlimmsten, wie Deine besten Stunden kommen von mir, und die meinigen kommen von Dir. Glück und Unglück haben uns enge zusammengebunden, wir müssen's austragen bis ans Ende. Dieses Band darf nie zerreißen. Es soll auf Erden nichts Festeres geben als unsre Liebe. In dieser Festigkeit behauptet sie ihre Rechtfertigung und Heiligung. Ich bin vollkommen Dein eigen. Störung von außen und hier und dort ein Verdruß von innen dürfen mir mein Gefühl nie wanken machen. Darunter kann mein Herz leiden, aber nicht meine Liebe. Diese ist tiefer als mein Herz. Sie wurzelt durch mein Herz hindurch in Gott, der uns halten wird. Manchmal ist die Verzweiflung nahe, aber sie wird mich nicht fassen, weil Du so gut bist und edel. Das hebt mich immer wieder und freut mich. Gute Nacht, meine liebe Sophie!
29. Oktober 1837 (S. 93-94)
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Ja, Du herziges Herz! Du bist die höchste Gewalt für mich. Du bist nicht machtlos; Du hast als meine Königin mein Leben in der Hand. Ich habe das Wagstück einmal gethan, mich mit Leib und Seele einem Weibe zu verkaufen, und dabei bleibt's. O, Du bezahlst gut! Heute abend hat wieder der ganze Himmel Deiner Seele auf mich geleuchtet, der ganze! Gottlob, Sophie, daß so etwas nur ich zu sehen bekomme; denn wer es sonst sähe, müßte Dich auch lieben, und wir würden uns vor Deiner Thüre totschlagen. So wie Du, blickt kein Weib mehr auf Erden. Und vom Auge geht es aus und verteilt sich auf alle die schönen Züge, wie eine Ueberschwemmung von Seligkeit. Du warst heute rasend schön und lieb. Wärst Du da! o wärst Du da!
3. November 1837 (S. 94)
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Mir geht es wie Dir. Was kann ich schreiben? Nach einem solchen Sturme von Freude mit schwachen Worten herumfächeln, was heißt das? Aber dies Blatt sollst Du aufbewahren, da es Dich in einer fernen künftigen Stunde mahne an eine vergangene sehr schöne. Sie ist vorüber wie eine himmlische Erscheinung. Mein Herz zittert noch. Ich liebe Dich unaussprechlich. Vergiß diese Stunde nicht. Sie wiegt alles tausendfach auf, was wir gelitten. Wenn ich Dich auch nicht ganz haben durfte, so hatte ich doch mehr, als meine schönsten Träume jemals für möglich hielten. Wie reich bist Du! wieviel kannst Du geben, wenn Du noch so viel zurückbehältst! Und gäbst Du mir auch alles, so wär's doch nicht alles, ich fände immer neue, tiefere Hintergründe Deines zauberhaften Wesens.
21. November 1837 (S. 94-95)
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(...) Sophie! Sophie! Jetzt fühl' ich erst, wie ich Dich liebe. Es wäre eine abscheuliche Grausamkeit, wenn Du nicht das Aeußerste thätest für Deine Genesung. Du hast mein ganzes Leben und Wirken an Dich gebunden. Manches ist in Deine Hand geliefert. Bedenke es. Es ist keine Galanterie, wenn ich Dir sage, daß ich ohne Dich nicht leben kann. Es ist voller Ernst. Der bloße Gedanke an Deinen Tod vergiftet mir die Welt. Ich habe meine Leidenschaft für Dich großgezogen, ich ließ sie ohne alle Hemmung heranwachsen, es wäre mir frevelhaft gewesen, wenn ich mich nicht mit meinem ganzen Leben in dieses Gefühl gestürzt hätte, denn unsre Liebe war meine Rettung und mein Heil. Jetzt aber steht sie mir so gewaltig gegenüber, daß ich erschrecke. Ich habe mich daran gewöhnt mein Bestes und Heiligstes aus ihrer Hand zu empfangen. Meine Frömmigkeit ist vielleicht noch ein Kind, das ohne diese Mutter nicht leben kann. Erhalte Dich. Es ist viel an Dir gelegen. Wenn ich sterbe, so verlieren ja auch Deine Kinder einen treuen Freund, der ihnen vielleicht einst willkommen wäre. Doch Du müßtest mich nicht lieben, wenn Dir mein Schmerz allein nicht genug wäre, um Dein Herz für meine dringende Bitte zu gewinnen. Schone Dich, hörst du? Schlaf Dich aus. Brauche alles, was Dir verordnet ist. Trag den Arthur nicht mehr. Aergere Dich nicht über Deine Dienstboten. Aergere Dich gar nicht. Besonders nicht über mich, denn das schadet Dir am meisten. Freue Dich recht an Deinen Kindern. Bete öfters. Denke, was wir doch haben, wenn wir auch nicht alles haben dürfen, und sei froh darüber. Liebe mich ewig, denn es ist heilsam und lebenserhaltend, ein ewiges Gefühl im Herzen zu tragen. O Sophie! liebstes Herzerl! wenn nur das Theater schon aus wäre.
27. November 1837 (S. 96-97)
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O, welch ein Abend! Heute hat sich mein Herz ganz geöffnet. Bis jetzt unbekannte Wonnen haben mich überströmt. Ich bin in diesem Augenblicke selig. Ich habe keinen Wunsch, als Dir Freude zu machen. Ich möchte noch heute nach Penzing laufen und Dir Deinen Hund holen, weil Du ihn so gerne hast. Herzerl! ich will morgen spazieren und alle Tage. Wie warst Du diesen Abend! O, nur ein paar solche Abende jenseits, so hat es mit dem Himmel seine Richtigkeit. Worin könnte denn auch die Freude dort bestehen, als daß wir noch inniger lieben werden, als hier. Dank Dir, Sopherl, noch inniger! Mit Dir zu den Füßen Gottes sitzen und Dich festhalten, das wird das beste sein. Ich bin heute wirklich auch viel besser als gestern, in solchen Stunden wachsen wir dem ewigen Leben zu. Ich bin sehr glücklich. - (...)
4. Januar 1838 (S. 102-103)
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Wenn ich einmal tot bin und Du liesest meine Zettel, so wird Dir das Herz wehthun. Diese Zettel sind mir das Liebste, was ich geschrieben habe. So unüberlegt sind mir dabei die Worte aus dem Herzen aufs Papier gesprungen, wie ein Vogel aus dem Nest fliegt. Wer mich kennen will, muß diese Zettel lesen. Aber es darf mich ja niemand kennen als Du. Kennst Du mich aber? Du kennst mich nicht, und wenn ich Dir noch viele schreibe, so kennst Du mich doch nicht, bevor ich tot bin. Warum nicht? Du sagtest neulich, ich sei jeden Tag anders. Wenn der Wind von Osten weht, oder von Westen, oder wie er sich wenden mag, ist es nicht immer dieselbe Luft? Und doch kennt mich niemand wie Du. Ich kenne Dich auch nicht. Ich spüre nur so etwas von Dir. Aber was ich von Dir spüre, ist mir lieber als alles, was ich in der Welt kenne. Ich thu' nur immer einen Schluck aus Deinem tiefen, süßen Wesen, und das ist genug, mich zu berauschen.
28. Januar 1838 (S. 105-106)
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Ich möchte sie Dir erhalten können diese Freudigkeit. Wir wollen nicht viel von ihr sprechen, denn sie ist gar scheu und flüchtig immer gewesen. Es gibt Tage, wo das Herz durchsichtiger ist als gewöhnlich. Solche waren unsre letzten, und Du hast bei mir und ich habe bei Dir nur klarer gesehen, was in uns vorgeht. Es ist ein stilles, heimliches Thun und Schaffen in meinem Herzen, als ob die Seele sich sorgfältig einrichtete mit Liebe für ihre ganze Zukunft. Das arbeitet fort Tag und Nacht, im Wachen und Träumen. Und so geht es auch bei Dir, und wir werden vielleicht einst erschrecken, wenn wir den ganzen Schatz an Liebe überblicken, den die treue Seele im stillen gesammelt hat. Ich kann nicht anders glauben, wenn ich wie z. B. heute klar hineinsehe und gewahre, wie seit einiger Zeit alles sicherer, fester, verwahrter, inniger und schöner geworden ist. Das sind die heimlichen Thaten unsres unsterblichen Teils. Keine Abnahme! kein verlorner Frühling und baldiger Herbst. Hier muß der Samstag nach dem Sonntag kommen. O Sophie! Wenn wir zusammen alt werden, so werden wir immer jünger.
8. Februar 1838 (S. 106)
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Ja, es ist ein großes Glück für einen Dichter, eine solche Geliebte zu haben wie Du. Du bist mein bester Umgang, meine Liebe, mein Ruhm, meine Kirche, alles in einer schönen Gestalt. Täglich fühle ich es versöhnender und beruhigender von Dir herüberwehen in mein Herz, und mein ganzes Wesen befestigt sich in Dir. Darum lief es mir heute abend so kalt den Rücken bei Deinem drohenden Lächeln. Aus diesem Besitze hinausgeschlagen zu werden, wäre die Vollendung eines ewigen Kummers für mich. O, es kann nicht sein! Wenn Dir einmal meine Liebenswürdigkeit verdächtig wird, so denke weniger an sie, als daran, wie mein Leben mit seinen Fäden an Dir hängt und von Dir lebt, dann wirst Du gesichert sein vor jedem Abfall. Wäre ich mit Dir allein auf einer öden Insel, ich würde mit dem gleichen Eifer arbeiten wie jetzt, Du würdest mich ja hören. Du könntest mir alles ersetzen, was auch jetzt nur einen Wert für mich hat, solange Du mich liebst.
5. März 1838 (S. 106-107)
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Heute kam wieder ein Brief von Dir, und ich bin ganz locker vor Freude über Deine Liebe, vor Wehmut, daß Du so ferne. Du schreibst, daß Du Deine Garderobe für Ischl zurichtest; ach, hätt' ich nur irgend ein Kleidungsstück, ein nahes, von Dir da! weißt Du, eins, das Du noch am Leibe getragen! Das noch warm wäre von Deinem süßen Leibe! Ach, Sopherl, ich liebe ja Deinen Leib selbst so sehr, nur weil er herumliegt um die schönste, beste, allersüßeste Seele auf Erden.
Gute Nacht, Du Heißverlangte!
7. Mai 1841 (S. 152)
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Guten Morgen, liebe Sophie! Das war eine schlimme Nacht, sehr unruhig. Das Verlangen nach Dir stürmt mir in Leib und Seele. Ich bin heute liegen geblieben. Schon lieg' ich ein paar Stunden wach und mit geschlossenen Augen und halte Dich beständig umklammert. Ich zittere vor Sehnsucht. So war es noch nie, wenn ich von Dir getrennt war. Ich schließe die Augen wieder. Komme, komm'! - Störer waren da. Der Doktor sagt, noch 14 Tage im Haus bleiben. Solange Du noch nicht in Ischl bist, ist's mir weniger arg. - Ich bin wieder allein und lag auf meinem Bette. Da überwallen mich wieder die Gedanken an Dich, so warm und schmerzlich süß. Du rollst durch alle Adern. Ich bin namenlos verliebt in Dich. Ich schwelge in Erinnerungen und Hoffnungen, und ich verzehre mich in der Pein der Entbehrung.
12. Mai 1841 (S. 154)
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Ich habe Dir soeben einen Brief geschrieben und Dich um Schonung Deiner Gesundheit gebeten. O schone sie. Mein ganzes Glück, meine ganze Zukunft wohnt in Deinem schönen Leibe mit Deiner süßen Seele. Schone Dich, sorge für Dich, liebe Dich, schon weil ich Dich so grenzenlos liebe. Ja, Sophie, ich liebe Dich. Dein Bild ist mir so lebendig gegenwärtig, daß ich es greifen kann. Du bist sehr schön. Z. B. Dein liebes Auge! wenn Dir darin die Seele so anschwillt, wie ich es oft, und nur ich allein ganz gesehen habe, o, dann gibt es für mich kein Jenseits mehr.
Ich muß abbrechen, es reißt mich schon wieder hinaus in die Strömung, allmächtige Liebe! heiliger, wonniger, verschmachtender Jammer, daß Du nicht mein bist, da bist, mein bist, mein, mein, ganz, ganz tief mein - und mich doch so liebst. Wir sind eins. Nichts darf uns trennen. Nichts. Lieber sterben und ganz aufhören; gelt? Diese Liebe ist immer größer und ernster geworden. Sie ist nicht mehr in mir, ich bin in ihr. Sie ist mein Gott. Gottes starke Hand drückt mich so fest an Dich, daß ich seufzen muß und ringen mit erdrückender Wonne, und meine Seele keinen Atem mehr hat, wenn sie nicht Deine Liebe saugen kann. Ach Sophie! ach, liebe, liebe, liebe Sophie!
12. Mai 1841 nachmittags (S. 155)
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Guten Morgen! Schlecht geschlafen, sehr unruhig. Du bist nicht mein erster und letzter Gedanke früh und spät, sondern mein beständiger. Die Aufregung ist die gleiche, als wenn Du da wärest, und doch gar keine Erleichterung in Wort und Blick - es wird oft peinlich und ganz fieberhaft.
Die Pulse schlagen, jagen und fragen nach Dir so treu, so heiß und verlangend, und müssen einsam verhallen und verwelken. Das Leben geht verloren, der Boden brennt unter mir, meine Seele nach Dir und ach, umsonst! Ich wußte gar nicht, wie ich Dich liebe, als ich fortging. Nun erfahr' ich's an verzehrenden Qualen in meinem ganzen verlassenen Wesen. Das darf nicht mehr lange so dauern, ich würde krank vor Sehnsucht. Was ist denn über mich gekommen, daß gar ich gar so lieben muß?
Heute ist der fünfzehnte Mai. O du elender Körper, rühre dich, tummle dich, daß wir fortkommen, du hast sie ja auch lieb, die Schöne, Liebe, deine Wohlthäterin, die dich genährt, gepflegt und entzückt hat, daß du dir selbst oft mehr zu sein dünktest als ein Körper! Eile, eile! Mir ist dieser langsamer Prozeß meiner Genesung unerträglich.
15. Mai 1841 (S. 157-158)
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Es ist schon spät, bei Mitternacht. Ich wollte Dir heute abend nicht schreiben und that es schon am Morgen, weil mich's für die Nacht zu sehr aufregt, und Schlaf mir gut ist. Ich lag lange im Dunkeln und konnte keine Ruhe finden, ich mußte Licht machen, um Dir zu schreiben. Wenn ich Dir nur sagen könnte, wie ich Dich liebe. Mir ist manchmal, als müßte ich meine Seele aufschneiden, um sie Dir inwendig zu zeigen, wie sie von Dir ganz durchdrungen ist. Du solltest auch keine Faser sehen, die nicht Deine Farbe trägt. Warum bist Du denn traurig? O, wär' ich bei Dir! Du würdest bald heiter werden. Freue Dich aufs Wiedersehen, freue Dich, mein Herz, und sei froh an unsrer Liebe. Sie ist schön. Sie wird immer feuriger, inniger. Ich war noch nie so fest, so selig einsam mit Dir zusammengeschlossen wie jetzt. Es ist rings um uns herum alles zugewachsen, eine recht dichte wilde Paradieseshecke, heilig, still und sicher. Wir können uns nicht mehr verlieren.
15. Mai 1841 (S. 158)
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Die Freude des gestrigen Tages arbeitete noch die ganze Nacht in meinem Herzen fort, das nicht einschlafen wollte, so müde auch das übrige war. Nur bei Dir gehöre ich dem Leben an; in der Ferne ist es aus mit jedem echten und frischen Atemzug. O süßes Herz! bei Dir wird es trotz meiner Jahre wieder Frühling in allen meinen Adern, und ich habe ein wollüstiges Heimweh, in Deinen Armen zu sterben.
Wien, 17. August 1842 (S. 169)
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Mir ist in meinem ganzen Leben noch nicht zu Mute gewesen wie heute. Mir ist, als wäre ich nach einer langen, langen Seereise voll Leid und Gefahr, Kampf und Not endlich auf einer seligen Insel gelandet. Dieser heilige Tag, ich fühl' es, hat tief in mein Leben eingeschnitten. Mein Herz und mein Schicksal haben sich gewendet. Ich bin wie neugeboren. Sollte ich auch mit den Menschen zerfallen, so fühle ich mich doch mit den himmlischen Mächten versöhnt. Mein Herz geht ruhiger, fester, tiefer und freudiger. Seine Schläge sind Dein bis auf den letzten. Ich habe fortan keinen Wunsch als für Dich und zu Deiner Freude zu leben; ich habe keine Sorge, als daß Gott Dich mir erhalte. Der Kreis meines Lebens hat sich geschlossen. Ich habe alles gefunden in Deiner Liebe, und gebe alles hin für Deine Liebe. Gott segne uns!
7. August 1843 (S. 170-171)
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Aus: Lenau und Sophie von Löwenthal
Tagebuch und Briefe des Dichters
nebst Jugendgedichten und Briefen an Fritz Kleyle
herausgegeben von Ludwig August Frankl
Stuttgart 1891
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger

 


 

 


 

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