ARGUS
Ein vertrauter Freund der Juno, welcher die in eine Kuh verwandelte Jo
(dieses war eine Gebietherin des Jupiters) bewachte, er hatte hundert
Augen, und konnte seine aufgetragne Verrichtung nicht mit Ehren loß
werden. Mercurius erfand das Geheimniß ihn einzuschläfern, und hieb ihm
den Kopf ab; sein Name ist daher allen denjenigen geblieben, welche über
die Schönen Aufsicht haben.
Einer Schönen einen Argus geben heißt: ihr sagen, daß sie schön
sey, und daß sie ihre Reitzungen nutzen soll. Dieses nimmt ihr Herz mit
einer ungemeinen Zärtlichkeit und Lebhaftigkeit ein, und ist bey einem
verliebten Handel etwas außerordentlich reizendes.
Der allergalanteste Poet hat eine Elegie verfertigt, um den Ehmann
seiner Gebietherin dahin zu bringen, seiner Frau Argos zu setzen und er
erklärt sich deutlich, daß er hinkünftig nicht mehr der Liebhaber einer
Frau seyn wollte, die einen so sanftmüthigen Mann hat.
Willst du dein Schicksal stets mit gleicher Schwachheit tragen,
So wird die Sanftmuth bald mein zärtlich Herz verjagen.
Ich habe gelesen, daß die Töchter, welche man zu Gemahlinnen der alten
Könige in Schottland bestimmt hatte, in einem Thurm aufgezogen worden,
wo man sie von ihrer Kindheit an einsperrte. Vermuthlich haben diese
guten Schottländer keine Metamorphosen gelesen, und wußten nicht die
Historie von der Danae.
Hier folgt eine Nachricht für diejenigen Mütter, welche in eben dem
Irrthume sind, worinnen diese waren:
Wenn eine Mutter oft ihr Kind,
Dem Witz und Wissenschaft verborgne Dinge sind,
Von aller Welt entfernet,
Und ihr noch Wächter setzt, so irrt sie, da sie glaubt,
Der Liebe würde so das Nahrungsoel geraubt:
Die Tochter hat noch nichts gelernet.
Man muß sie in die Schule schicken,
Und erstlich den Verstand ihr in die Falten rücken.