FLÜCHTIG
Unbeständig, untreu, leichtsinnig. Siehe:
Verändern und
Untreue.
Flüchtig seyn, heißt mit einer Neigung zur Unbeständigkeit
gebohren seyn, welche, weil sie unter den Männern gemein ist,
verhindert, daß man nicht bey den Damen ein Verbrechen daraus machet.
Ist es eine Tugend? Ist es ein Fehler? Wir wollen die Entscheidung eines
so schweren Falles nicht über uns nehmen. Was man hiervon weiß, ist
dieses, daß eine gewisse Neigung, welcher man selten widerstehet, das
Mißvergnügen, so von einer lang erregten Begierde unzertrennlich ist,
und den Verdruß sparet, welcher einen Verliebten zur Verzweiflung
bringen würde. Man verläßt also einander auf eine geschickte Art, so
bald man einen neuen Gegenstand hat, der uns gefällt, oder auch nur,
wenn man voraus sieht, daß es uns verdrüßlich fallen wird.
Hat man die süsse Gunst verlohren,
So ehmals eine zu uns trug,
So sind die Mädgen mehr gebohren,
Und eine thut nicht allen gnug,
Man sucht bey andern auch im Lieben,
Sich mit Geschicklichkeit zu üben,
So liebt man allzeit unbetrübt,
Und wenn man einer gleich zuweilen Abschied giebt.
Und diejenige Person von zweyen, welche Abschied nimmt, macht sich um
destoweniger ein Gewissen daraus, weil sie wohl weiß, daß in dem Zorne,
welchen sie sich bey der andern zuziehen wird, eine neue Neigung das
einzige Mittel ist, zu dem man seine Zuflucht nehmen wird. Dieses
Systema ist in der Liebe ziemlich allgemein worden, nur die alten
Frauenzimmer, so viel Wesens von sich machen, wollen hierinnen strenger
verfahren, weil sie die Furcht der Folgen, so daraus entstehen möchten,
bewogen hat, sich für eine Liebe zu erklären, die ohne Ende seyn soll.