GRATIEN
Die Heiden, so alles vergötterten, was sie liebenswürdig fanden, hatten
drey Gottheiten gemacht, Thalia, Aglaia, Euphrosine, welche allen
Annehmlichkeiten der Seele und des Leibes vorstunden. Die Liebe gieng
gar nicht ohne dieselben. Unsere Poeten und die Verliebten, welche
Freunde der Erdichtung sind, haben alle diese schönen Ideen angenommen.
Die Gratien bekleiden sie überall.
Diese gewöhnliche Redensart und eine Menge anderer, wo man die
Gratien hinein bringt, haben eben die Bedeutung als Reitzung,
Schönheit, Liebreiz. Die Gratien dienen auch eine
romanenhafte Redensart zu machen, und füllen einen halben Vers in der
singenden Poesie sehr glücklich aus:
Ich sehe sie das schöne Kind,
Mit welcher Reitz und Lust verschwestert sind
Viel Liebesgötter seh ich ihr zur Seiten fliegen;
Und wie die Gratien die sanften Tritte wiegen.