KÜSSEN
Wir haben der Bedeutung dieses Wortes vieles benommen, denn, wie der
Leser weiß oder nicht weiß, so machte sich ehmals eine Braut viel aus
einem einzigen Kusse:
wenn der zukünftige Liebste noch vor der Heyrath starb, so hatte sie auf
die Hälfte des Vermögens, welches ihm mit gegeben worden, Anforderung.
Ja unter der Regierung Francisci des ersten verdammte sein Lieutenant in
dem Mayländischen Namens Trivulce einen Franzosen zum Tode, weil er
einer Italienerin einen Kuß geraubt. Aber wir wollen uns die Neigung,
das was wir wissen, vorzubringen, nicht zu weit verführen lassen, und
nur sagen, daß heutiges Tages unsere Gesetze hierinnen viel glimpflicher
sind.
Ein Kuß wird manchmal nur von ohngefehr gegeben,
Doch dieses ist nicht wohlgethan;
Die Neigung muß ihn erst beleben,
Und Hoffnung bricht sich selbst dadurch die erste Bahn.
Ein Kuß der mir nach Wunsch gelingt,
Ist der, so mehr verspricht als mit sich bringt.
Dieses ist die Absicht der Verliebten, gleichwohl begehrt man einen Kuß
als eine Gunst, die keine Folgen nach sich zöge.