LIEBE
Ist, dem Herrn von Bussy zu Folge, ein Verlangen von demjenigen, so man
liebt, wieder geliebt zu werden: und nach der Meynung des Herrn
Rochefoucault ein verborgner und zärtlicher Trieb dasjenige, was man
liebet, zu besitzen.
Die Menschen zu der alten Zeit,
Verlangten nichts als Lieb und Redlichkeit;
Und hatt' ein schönes Kind ein zärtlich Herz gefangen,
So ist man frey herausgegangen.
Andere Zeiten, andere Sitten; die Liebe ist heutiges Tages nichts mehr
als eine Handlung von Betrügerey, dabey man sich allezeit etwas zu
gewinnen vorsetzet, und voritzo hält man eine uninteressierte Liebe für
eine Sache, so man sich bloß in Gedanken vorstellt: man nennt diese
Liebe, eine Liebe des Corneille, weil sie sich nur in den Tragoedien
dieses Poeten und in einigen Romane befindet, kaum kann man diese
metaphysischen Ideen begreifen: Die Schreibart der Verliebten unserer
Zeiten ist folgendergestalt beschaffen:
Dona Clarice
Grausamer, liebst
du mich?
D. Ferdinand
Wie so? ob ich dich
liebe?
Nichts gleicht der starken Gluth von meinem regen Triebe,
Du hast allein mein Kind das Herze mir entführt,
So daß es ohne dich kein Glücke mehr verspürt,
Doch pflegt mich die Vernunft hierbey noch zu vergnügen,
Denn meine Liebe muß der Nutzen überwiegen.
Bemerket, daß diese Liebe welcher nichts zu vergleichen ist, selbst
wieder mit dem Eigennutze, welcher sie ohne Schwierigkeit überwiegt, gar
nicht in Vergleich zu setzen sey. Dergleichen Vernunftschlüsse sind so
gemein, daß man darbey den Widerspruch nicht mehr wahrnimmt.
Es giebt noch eine andere Gattung von Liebe, die man in der Republik der
Wissenschaften die poetische Liebe oder Poetenliebe nennt, und welche
die Italiener eine Liebe nach Art des Petrarcha genennt haben. Herr
Piron in seiner Metromanie, welches man eine Satyre nennen kann, die dem
Verfasser wider sich selbst entwischet, macht den Abriß einer Poetischen
Liebsten also:
Ja, ja ich liebte sie mit eben solcher Lust,
Als andern insgemein nur von der That bewust.
Ein würcklich Mädgen kann mich nicht so sehr vergnügen,
Sie bleibt ja, wie sie ist, an Gang, Gestalt, und Zügen.
So aber stellt mir oft mein angereitzter Sinn,
Bald eine Nymphe vor, bald eine Schäferin.
Bald ist sie braun, bald schwarz, verliebt, ja keusch und züchtig,
Frau, Jungfer und dabey in alle Sättel tüchtig.
Die Poeten machen also einen sehr großen Unterschied zwischen einer
würklichen und einer poetischen Liebe; und die Callisten, für welche sie
vor viele Verse machen, sind nicht allezeit ein geliebtes Object, es
sind poetische Gebietherinnen und man bedient sich derselben um einen
gewissen Gegenstand zu haben, bey welchem man einige Gedanken anbringen
kann.