L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




LIEBEN

Zu Amadis Zeiten bedeutete solches, eine unüberwindliche Neigung zu jemanden hegen, itzo hat es eine ganz andre Bedeutung, und es ist ein so großer Unterschied zwischen unserer Art zu lieben und unserer Vorfahren ihrer, als zwischen ihren weiten und unsern engen Hosen, die nach englischer Art gemacht werden, zwischen ihren spitzigen Kappen und unsern aufgestülpten Hüten. Alles verändert sich, aber unsere Art ist so bequem, daß ich glaube, man werde sie behalten.

Man liebt verschiedentlich und man gestehet frey,
Was etwan unser Endzweck sey.
Nichts hört man mehr von Unzucht sagen.
Die Liebe schicket sich zu gut und bösen Tagen.

Lieben bedeutet also nunmehr eine Person finden, die im Stande ist uns die Zeit zu vertreiben, oder unsere schlimmen Umstände wieder auf guten Fuß zu setzen. Demnach will dieses: Cleon liebt die Marquisin ** so viel sagen: Cleon ist ein Stutzer, welcher sich in großen Ruf setzen und Paris durch seine Streiche auf sich aufmerksam machen will, wenn er von sich kann sagen lassen: Cleon steht bey der Marquisin unvergleichlich wohl: sie waren gestern beysammen: er vergnügt sich an diesem guten Ruf, und würde ihn nicht mit dem Siege bey Arbelles oder mit dem Uebergange über den Rhein vertauschen.

Lisis liebt die Luscinde, das ist: Lisis ist ein Taugenichts, der weder Dienste im Krieg noch in Verwaltung des gemeines Wesens hat, der weder bey Hofe noch in der Stadt etwas zu verrichten hat. An statt die Zeit damit zu vertreiben, daß er in das Wasser speyen und runde Wellen aufwerfen sollte, besuchte er die Luscinde, welche, da sie eben so wenig als er thut, ihn ordentlicher Weise sechs Stunden des Tages bey sich behält. Sie macht sich eine Schuldigkeit daraus, von seinem Munde alle Neuigkeiten der Stadt zu hören, davon er nicht die geringsten Umstände vergießt, sie bittet ihn ihr eine neue Menuet bekannt zu machen; er macht Verse und liest ihr solche vor. Luscinde, welche nicht weiß, daß sie von ihr handeln, sagt ihm offenherzig, daß sie nichts taugen, und bittet ihn einige über den Tod eines Papagey oder über eine andere eben so wichtige Ursache zu machen.

Endlich liebt man auch des Nutzens wegen, und wenn der junge Damon zu der alten Emilie sagt: Ich liebe sie, so will er sagen: Ich bin unter einem Planeten gebohren, da lauter Prinzen haben auf die Welt kommen sollen: niemals hat ein Mensch eine stärkere Neigung zum Vergnügen und zum Verthun gehabt. Aber dieser verwünschte Planet hat, da er mir diese edlen Triebe gegeben, mich nicht zugleich reich gebohren werden lassen; ich habe mich durch das Spiel um das meinige gebracht, ich bin auf allen Seiten schuldig; sie, deren Mann ein Rentmeister ist, welcher mitten im Reichthum sitzt, wollen doch meine Sachen zu Stande bringen, und den Schuldnern, die mich beunruhigen, das Maul stopfen.

 


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