LIEBEN
Zu Amadis Zeiten bedeutete solches, eine unüberwindliche Neigung zu
jemanden hegen, itzo hat es eine ganz andre Bedeutung, und es ist ein so
großer Unterschied zwischen unserer Art zu lieben und unserer Vorfahren
ihrer, als zwischen ihren weiten und unsern engen Hosen, die nach
englischer Art gemacht werden, zwischen ihren spitzigen Kappen und
unsern aufgestülpten Hüten. Alles verändert sich, aber unsere Art ist so
bequem, daß ich glaube, man werde sie behalten.
Man liebt verschiedentlich und man gestehet frey,
Was etwan unser Endzweck sey.
Nichts hört man mehr von Unzucht sagen.
Die Liebe schicket sich zu gut und bösen Tagen.
Lieben bedeutet also nunmehr eine Person finden, die im Stande ist uns
die Zeit zu vertreiben, oder unsere schlimmen Umstände wieder auf guten
Fuß zu setzen. Demnach will dieses: Cleon liebt die Marquisin **
so viel sagen: Cleon ist ein Stutzer, welcher sich in großen Ruf setzen
und Paris durch seine Streiche auf sich aufmerksam machen will, wenn er
von sich kann sagen lassen: Cleon steht bey der Marquisin
unvergleichlich wohl: sie waren gestern beysammen: er vergnügt sich an
diesem guten Ruf, und würde ihn nicht mit dem Siege bey Arbelles oder
mit dem Uebergange über den Rhein vertauschen.
Lisis liebt die Luscinde, das ist: Lisis ist ein Taugenichts, der
weder Dienste im Krieg noch in Verwaltung des gemeines Wesens hat, der
weder bey Hofe noch in der Stadt etwas zu verrichten hat. An statt die
Zeit damit zu vertreiben, daß er in das Wasser speyen und runde Wellen
aufwerfen sollte, besuchte er die Luscinde, welche, da sie eben so wenig
als er thut, ihn ordentlicher Weise sechs Stunden des Tages bey sich
behält. Sie macht sich eine Schuldigkeit daraus, von seinem Munde alle
Neuigkeiten der Stadt zu hören, davon er nicht die geringsten Umstände
vergießt, sie bittet ihn ihr eine neue Menuet bekannt zu machen; er
macht Verse und liest ihr solche vor. Luscinde, welche nicht weiß, daß
sie von ihr handeln, sagt ihm offenherzig, daß sie nichts taugen, und
bittet ihn einige über den Tod eines Papagey oder über eine andere eben
so wichtige Ursache zu machen.
Endlich liebt man auch des Nutzens wegen, und wenn der junge Damon zu
der alten Emilie sagt: Ich liebe sie, so will er sagen: Ich bin
unter einem Planeten gebohren, da lauter Prinzen haben auf die Welt
kommen sollen: niemals hat ein Mensch eine stärkere Neigung zum
Vergnügen und zum Verthun gehabt. Aber dieser verwünschte Planet hat, da
er mir diese edlen Triebe gegeben, mich nicht zugleich reich gebohren
werden lassen; ich habe mich durch das Spiel um das meinige gebracht,
ich bin auf allen Seiten schuldig; sie, deren Mann ein Rentmeister ist,
welcher mitten im Reichthum sitzt, wollen doch meine Sachen zu Stande
bringen, und den Schuldnern, die mich beunruhigen, das Maul stopfen.