MATTIGKEIT
Der Ovidius des vergangnen Jahrhunderts Herr von Bussi fällt das Urthel,
daß die Mattigkeit das wahrhafte Kennzeichen der Verliebten ist. Ja er
rät so gar den hitzigen Personen zum wenigsten die Sprache und Gestalt
eines in Mattigkeit fallenden anzunehmen.
Meine Mattigkeit bedeutet alsdenn: die Mühe, so ich mir gebe,
ihnen die Vergessenheit ihrer selbst einzuflößen, die den Schönen so
gefährlich ist, und sie in diese thörichten Träumereyen zu werfen, wo
ein Verliebter seine Rechnung findet.
Diese erdichtete Mattigkeit ist ansteckend wie ein Seuche, insonderheit
bey einem jungen Gemüthe.
Was die Nachricht des Herrn von Bussi anbelangt, so muß man ihr mäßig
folgen, und auf den Charakter seiner Gebietherin sehen. Die Schönen
überhaupt wollen eine Vergnügung haben, und der meiste Theil erwählt zu
seinem Sinnbilde
Noch vielmehr Schreckerey als Liebe.
Matt werden ist bey demjenigen, was man schöne Neigung nennt, die
zärtliche Wirkung einer reinen Flamme, welche uns allgemach verzehret;
dieses ist eine angenehme und rührende Krankheit, welche uns die
Gedanken von unserer Genesung hässig macht, man unterhält sie heimlich
in dem innersten seines Gemüthes, und wenn sie sich entdecken will, so
machen die Augen, das Stillschweigen, ein Seufzer, der uns entfährt,
eine Zähre, die uns wider unsern Willen aus den Augen läuft, dieselbe
besser kund, als alle Wohlredenheit in einem Gespräche solches zu thun
vermöchte.
Die Zeit der schönen Neigungen ist vergangen, und die Celadons sind an
das Ufer des Flusses Lignons geschickt worden. Matt werden hat demnach
nicht mehr diejenige Bedeutung, wie bey der Astree oder in dem Munde des
Cyrus und der Oroondate. Es pflegt heutiges Tages den Zustand der
Unwissenheit eines Finanziers anzuzeigen, welcher von seinem Principal
bey einer Schönen nicht Nutzen kann, oder den Zustand eines jungen
Abtes, der schöne Hände hat, und eine gewisse Iris etwas werther hält,
als sein Gebethbuch, und sich dabey einbildet, daß es ein schönes
Ansehen giebt, wenn man metaphorisch matt wird.