MISSBRAUCHEN
Dieses Wort schickt sich sehr wohl, wenn man sich zu widersetzen pflegt,
und alsdenn setzt man fast allezeit eine Verneinung hinzu.
Nein, ich werde ihre Gütigkeit niemals mißbrauchen;
oder ohne Verneinung, wenn man eine lebhafte Art des Ausdrucks erwählt:
Ich, sollte ich wohl jemals ihre Gütigkeit mißbrauchen? Ach!
Alles dieses bedeutet nur schlechthin: damit sie sich ergeben, so muß
ich ihnen Versprechungen und Eydschwüre thun und hiermit haben sie
dieselben.
Manchmal wird es in einem Verstande genommen, der etwas bejahet, welcher
aber sehr sinnreich ist, wie im folgenden Liede:
Erlaubt mein Mund, des Cleons Willen
Und süsse Regung nur zu stillen,
Ihm einmal einen sanften Kuß,
So sucht er größrer Gunst Genuß.
Erhält er einmal sein Verlangen,
So ist ihm nicht die Lust vergangen:
Er wollt ich räumt' ihm gar noch etwas höhers ein
Der Mensch kann nie zufrieden seyn.
Alsdann nimmt die Gebietherin eine stolze Miene an oder beschwert sich
über den Liebhaber, welcher niemals zufrieden ist.
In Wahrheit ich bin gar zu gutherzig.
Ich mißbrauche ihre Gütigkeit,
antwortet der Verliebte, aber es ist schwer wohl zu lieben
etc.
Auf diese Erinnerung vom Mißbrauch folgt manchmal ein viel größerer
Mißbrauch.