SCHULDIGKEIT
Pflicht, welche man hat etwas zu thun, entweder vermöge des Gesetzes
oder aus Nothwendigkeit oder wegen des Wohlstandes: überhaupt ist die
Schuldigkeit ein verdrüßlicher Herr, den alle Welt los zu werden sucht.
Eine Heldinn sagt beym Corneille:
Ich muß aus Schuldigkeit ihm dieses doch gewähren,
Was andre sonst von mir aus Liebe nur begehren.
Diese Beugsamkeit eines Gemüthes ist nicht leicht zu denken, und man
könnte eine physicalische und moralische Unmöglichkeit in diesen
Ausdrücken anzeigen.
Ich, sollte ich meine Schuldigkeit nicht beobachten? sagt eine
Schöne. Dieses ist ein Schild, welchen sie allen Anfällen eines
Verliebten entgegen setzet; aber dieser Schild ist nur den Pfeilen eines
Neulings undurchdringlich. Eine Schöne, welche von ihrer Schuldigkeit
redet, übertritt dieselbe bald darauf: dieses ist eine Art von
Capitulation.
Ein gewisser, der sich darauf verstand, indem er von dem Siege eines
Verliebten redet, setzet hinzu:
Es mag die Schöne widerstreben,
Und ihre Schuldigkeit erheben,
Zur Zeit, die sich die Liebe selbst bestimmt,
Sieht man, wie Schuldigkeit gar bald ein Ende nimmt.