Wörterbuch der Liebe
Worinnen die Erklärung der in dieser Sprache gebräuchlichsten
Kunstwörter zu finden sind.
Vorrede
Alle Künste unterscheiden sich von einander durch solche Wörter, welche
ihnen besonders eigen sind. Die Medicin und Wappenkunst sind fast
gänzlich damit angefüllt. Ein Weltweiser, der den Nutzen der Wörter
einsahe, hat sie mit so gutem Erfolge angewandt, daß man seine Schriften
lesen zu können ein besonderes Wörterbuch hat haben müssen, welches so
wunderbar beschaffen ist, daß man dasselbe zu verstehen noch ein anderes
nöthig hat.
Die Liebe, welche man zu einer Kunst gemacht, und nicht mehr so treibt
Als wie in den vergangenen Zeiten
Die Leute mit einander freyten,
hat, wie die andern Künste, ihre Zuflucht zu den Wörtern genommen.
Es geht eben so wenig an, daß die Verliebten dieselben zu wissen
entbehren könnten, als wenn die Schiffleute die bey der Seefahrt
gebräuchlichen Worte nicht verstünden:
gleichwohl ist nicht so leichte davon Unterricht zu haben, als man
denkt.
Zwar sagt man, die Natur giebt vortreffliche Lehren: man muß sie
anhören, allein dieses ist nach den Lehren des Alterthums geurtheilt,
welche in der Liebe eben so falsch sind, als die Lehren des Aristoteles
in der Physik. Die Natur ist selbst eines der größten Hindernisse; wenn
man glücklich seyn will, muß man sich derselben entschlagen und nur den
Schein davon annehmen. Jedoch denselben muß man an sich haben: ein
großer Lehrmeister preißt solches ausdrücklich an
Laßt eure Rede zwar geschmückt und künstlich seyn:
Doch so, als flößte dieß euch die Natur schon ein.
Man muß aus Aug und Mund die Worte ziemlich lesen,
Eh eure Rede noch bereits vollbracht gewesen.
Verborgne Kunst betreugt, doch wenn man sie erkennt,
Wird der, so englisch spricht, ein böser Schalk genennt.
Diejenigen, welche dieses Werk mit dem, was sie aus der Erfahrung
wahrgenommen haben, zusammen halten wollen, werden mir zugestehen, daß
es seinen Nutzen habe, und daß ein junges Gemüthe in Gefahr sey, wenn
ihm diese Materien als unbekannte Dinge vorkommen. Begehet man irgend
einen Fehler in der Liebe, so untersuche man ihn recht, es wird sich
finden, daß man sich in der Erklärung eines Wortes betrogen, dessen
richtige Bedeutung man nicht zu bestimmen gewußt. Alsdann, aber o
trauriges Hülfsmittel! tadelt man seine Unwissenheit, man beklagt sich
wie jene betrogene Heldinn:
Ach hat die Liebe mir denn die Vernunft geraubt!!
Daß ich, was er gesagt, ihm alles treu geglaubt.
Vermocht ich nicht den Grund der Reden einzusehen,
Und giebt nicht jetzt sein Zorn mir deutlich zu verstehen,
Daß zwar der falsche Mund voll süsser Schmeicheley,
Jedoch das Herz voll List, Betrug und Bosheit sey.
Will man mir noch nicht glauben, so berufe ich mich auf die arme Dido.
Da sie eine junge und unerfahrne Wittbe war, so nahm sie alles nach dem
Wortverstande an, was ihr Aeneas vorsagte. Der fromme Trojaner machte
sich keinen großen Scrupel, die schönsten Kunstwörter bey ihr
anzuwenden: sie nahm von ihrer scheinbaren Bedeutung nichts hinweg; man
weiß wie theuer ihr ihre Unwissenheit zu stehen kam: und was sie für
einen Lärm erregte, als ihr ehrerbietiger Liebhaber kam, und ihr dieses,
obschon allerschlimmste, dennoch sehr artig eingerichtete Compliment
macht.
Du weißt, Elisse, selbst, daß ich mich nie verschrieben,
Für deine Gegengunst dich ewiglich zu lieben,
Und daß ich, wenn die Lust mich noch so sehr besiegt,
Dich mit Versprechungen der Heyrath nie vergnügt.
Dieses Exempel mag genug seyn; man kann derselben viele finden, ohne
erst nach Carthago oder Rom zu gehen; und Paris wird deren mehr als
nöthig ist, an die Hand geben.
Es ist wahr, daß die Mode abgekommen ist, sich zu erstechen, sich mit
Gifte zu vergeben und tausend andre Thorheiten, die von wichtiger Folge
sind, vorzunehmen: aber man weinet noch, man geräth in Verzweifelung.
Damit man aber diesen Unglücksfällen zuvorkommen möge, so geben wir
dieses Wörterbuch.
Wir ersuchen hiermit alle junge Personen, und sonderlich das schöne
Geschlechte, solches zu lesen, als dessen Irrthümer nicht wenig
gefährlich sind. Diejenigen Frauenzimmer, so noch keine Wissenschaft von
den Wörtern haben, können hier Unterricht holen. Sie müssen uns Dank
wissen, daß sie dasjenige blos durch Lesen erlernen können, was sie gar
öfters nur durch langwierige Uebung erhalten, wobey sie allezeit vieles
zu befürchten haben.