L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




Wörterbuch der Liebe

Worinnen die Erklärung der in dieser Sprache gebräuchlichsten Kunstwörter zu finden sind.

Vorrede

Alle Künste unterscheiden sich von einander durch solche Wörter, welche ihnen besonders eigen sind. Die Medicin und Wappenkunst sind fast gänzlich damit angefüllt. Ein Weltweiser, der den Nutzen der Wörter einsahe, hat sie mit so gutem Erfolge angewandt, daß man seine Schriften lesen zu können ein besonderes Wörterbuch hat haben müssen, welches so wunderbar beschaffen ist, daß man dasselbe zu verstehen noch ein anderes nöthig hat.

Die Liebe, welche man zu einer Kunst gemacht, und nicht mehr so treibt
Als wie in den vergangenen Zeiten
Die Leute mit einander freyten,
hat, wie die andern Künste, ihre Zuflucht zu den Wörtern genommen.
Es geht eben so wenig an, daß die Verliebten dieselben zu wissen entbehren könnten, als wenn die Schiffleute die bey der Seefahrt gebräuchlichen Worte nicht verstünden:
gleichwohl ist nicht so leichte davon Unterricht zu haben, als man denkt.
Zwar sagt man, die Natur giebt vortreffliche Lehren: man muß sie anhören, allein dieses ist nach den Lehren des Alterthums geurtheilt, welche in der Liebe eben so falsch sind, als die Lehren des Aristoteles in der Physik. Die Natur ist selbst eines der größten Hindernisse; wenn man glücklich seyn will, muß man sich derselben entschlagen und nur den Schein davon annehmen. Jedoch denselben muß man an sich haben: ein großer Lehrmeister preißt solches ausdrücklich an
Laßt eure Rede zwar geschmückt und künstlich seyn:
Doch so, als flößte dieß euch die Natur schon ein.
Man muß aus Aug und Mund die Worte ziemlich lesen,
Eh eure Rede noch bereits vollbracht gewesen.
Verborgne Kunst betreugt, doch wenn man sie erkennt,
Wird der, so englisch spricht, ein böser Schalk genennt.

Diejenigen, welche dieses Werk mit dem, was sie aus der Erfahrung wahrgenommen haben, zusammen halten wollen, werden mir zugestehen, daß es seinen Nutzen habe, und daß ein junges Gemüthe in Gefahr sey, wenn ihm diese Materien als unbekannte Dinge vorkommen. Begehet man irgend einen Fehler in der Liebe, so untersuche man ihn recht, es wird sich finden, daß man sich in der Erklärung eines Wortes betrogen, dessen richtige Bedeutung man nicht zu bestimmen gewußt. Alsdann, aber o trauriges Hülfsmittel! tadelt man seine Unwissenheit, man beklagt sich wie jene betrogene Heldinn:
Ach hat die Liebe mir denn die Vernunft geraubt!!
Daß ich, was er gesagt, ihm alles treu geglaubt.
Vermocht ich nicht den Grund der Reden einzusehen,
Und giebt nicht jetzt sein Zorn mir deutlich zu verstehen,
Daß zwar der falsche Mund voll süsser Schmeicheley,
Jedoch das Herz voll List, Betrug und Bosheit sey.

Will man mir noch nicht glauben, so berufe ich mich auf die arme Dido. Da sie eine junge und unerfahrne Wittbe war, so nahm sie alles nach dem Wortverstande an, was ihr Aeneas vorsagte. Der fromme Trojaner machte sich keinen großen Scrupel, die schönsten Kunstwörter bey ihr anzuwenden: sie nahm von ihrer scheinbaren Bedeutung nichts hinweg; man weiß wie theuer ihr ihre Unwissenheit zu stehen kam: und was sie für einen Lärm erregte, als ihr ehrerbietiger Liebhaber kam, und ihr dieses, obschon allerschlimmste, dennoch sehr artig eingerichtete Compliment macht.
Du weißt, Elisse, selbst, daß ich mich nie verschrieben,
Für deine Gegengunst dich ewiglich zu lieben,
Und daß ich, wenn die Lust mich noch so sehr besiegt,
Dich mit Versprechungen der Heyrath nie vergnügt.

Dieses Exempel mag genug seyn; man kann derselben viele finden, ohne erst nach Carthago oder Rom zu gehen; und Paris wird deren mehr als nöthig ist, an die Hand geben.

Es ist wahr, daß die Mode abgekommen ist, sich zu erstechen, sich mit Gifte zu vergeben und tausend andre Thorheiten, die von wichtiger Folge sind, vorzunehmen: aber man weinet noch, man geräth in Verzweifelung. Damit man aber diesen Unglücksfällen zuvorkommen möge, so geben wir dieses Wörterbuch.
Wir ersuchen hiermit alle junge Personen, und sonderlich das schöne Geschlechte, solches zu lesen, als dessen Irrthümer nicht wenig gefährlich sind. Diejenigen Frauenzimmer, so noch keine Wissenschaft von den Wörtern haben, können hier Unterricht holen. Sie müssen uns Dank wissen, daß sie dasjenige blos durch Lesen erlernen können, was sie gar öfters nur durch langwierige Uebung erhalten, wobey sie allezeit vieles zu befürchten haben.

 


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