WAHL
Handlung der Seele, welche für ein Object mehr als für das andere
erklärt, nachdem sie eine vernünftige Untersuchung angestellet. Aus
dieser Definition folget:
I. Daß die Wahl in der Liebe nicht statt finden könne, indem die Liebe
gar zu blind ist, als daß sie die Vergleichung zweyer Sachen anstellen
sollte.
II. Daß wenn auch die Seele hierinnen frey wäre, sie in ihrer Wahl irren
könnte, weil alle Verliebte gleich unterwürfig, gleich höflich, gleich
verschwenderisch, mit dem Eyde der Treue und alle nach einem Muster
gemacht sind. Der Vorzug also, den man dem einen vor dem andern giebt,
kann nichts anders als die Wirkung eines Eigensinnes und eines ich weiß
nicht was seyn.
Nicht Wahl auch nicht Vernunft entflammet unsre Triebe,
Wenn man die Schöne sieht und spricht, mein Kind ich liebe.
Die Verliebten und die Schönen mögen also nicht mehr so großes Wesen von
ihrer Wahl machen.