L I E B E S - L E X I K O N

Die entdeckte Sprache der Verliebten
oder reelles Liebes-Lexikon
aus dem Jahre 1749

 



 




WER WEISS WAS NOCH GESCHIEHT

Sind gewöhnliche Worte in dem Munde junger Mädgen, welche nicht viel mit Leuten umgegangen. Sie sind insgemein der Schluß der Unterredungen von den einsamen Gesprächen, zu welchen sie die von der Eitelkeit unterstützte Liebe veranlaßt.
Eine reiche Mannsperson vom Stande, welche durch den Glanz einer neugebohrnen Schönheit gerührt wird, macht sich an dieselbe: er gelangt bald dahin, daß er ihr gefällt. Man machet den Antrag, man unterstützet sie mit Versprechungen; die kleine Person so von lauter Vorurtheilen eingenommen, schlägt sie ab, man arbeitet daran, wie ihre Irrthümer zu vertreiben sind, und durch Hülfe der Briefe, der Geschenke und einer verschmitzten Kupplerin, welche, wie sie betheuert, in Verzweiflung geriethe, wenn sie nicht eine Zweydeutigkeit begienge, hat man sie zur Entschlüssung gebracht, einen Bedienten, ein Cammermädgen, ein aufgeputztes Zimmer, und einen wohlzubereiteten Tisch anzunehmen. Die Betrachtungen, so die junge Person darüber anstellt, machen dieses Glück trübe: sie erklärt sich, sie wolle lieber wieder zu ihrer Nadel greifen, als ohne Namen und ohne einen gewissen Stande zu leben. Dazu kommen noch die Schwierigkeiten, so von Seiten der Eltern entstehen; aber man betäubet sie, und machet ihr etwas weiß, die Schöne kommt wieder auf ihren Entschluß, daß man nicht wisse, was geschieht, welcher ihr vormals so wohl ausgeschlagen, und treibt ihn so weit, als er gehen kann. Ich werde verehrt und bin verehrenswürdig, so viele Sorgfalt und so vieler Aufwand geben mir zuverlässige Versicherung, mein Liebhaber ist ein ehrlicher Mann: warum sollte er mich betrügen? Lasset uns nicht an meinem Glücke verzweifeln, taugt meine Miene nicht daß ich eine Marquisin werden könnte, es ist so viel andern glücklich gegangen, bin ich weniger liebenswürdig als diese oder jene, welche es geworden? Endlich wird die Finsterniß vertrieben.

Das Wer weiß, was noch geschieht, verkehrt sich in eine Raserey und Verzweifelung, wenn ein Verliebter zufrieden ist, daß er einen Abriß von ihrer Heyrath bekommen, und das Original davon mit einer von seinem Stande verlangt, oder auch den einen Abriß mit dem andern vertauscht. Auf das Wer weiß, was noch geschieht erfolget ein Ach Treuloser! ach Verräther! und endlich tröstet man sich mit seiner selbst eigenen Erfahrung, und nachdem man besser unterrichtet worden, so läßt man das Wer weiß, was noch geschieht? fahren ohngeachtet aller Versprechungen der jungen Herren.

 


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