Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: Geheim / Geheimnis
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
18. Jh.
Gabriele von Baumberg
(1768-1839)
Der Morgenkuss nach einem Ball
Durch eine ganze Nacht sich nahe seyn,
So Hand in Hand, so Arm im Arme weilen,
So viel empfinden ohne mitzutheilen -
Ist eine wonnevolle Pein!
So immer Seelenblick im Seelenblick
Auch den
geheimsten Wunsch des Herzens sehen,
So wenig sprechen, und sich doch verstehen -
Ist hohes martervolles Glück!
Zum Lohn für die im Zwang verschwundne Zeit
Dann bey dem Morgenstrahl, warm, mit Entzücken
Sich Mund an Mund, und Herz an Herz sich drücken -
O dies ist – Engelseligkeit!
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Trennungslied
Theurer Freund! zwey Jahre sind vergangen,
Ach! und ohne Wiederkehr verlebt,
Seit der Liebe zärtliches Verlangen
Unsrer Beyder Ruhe untergräbt.
Traurig schwand der Rest vin meiner Jugend,
Sträubend, zwischen Pflicht und Liebe hin,
Und Beharrlichkeit, die schönste Tugend,
Nennt die Welt strafbaren Eigensinn.
Schweigen muss ich, dass ich noch dich liebe,
Unterdrücken den
geheimen Gram,
Dass durch Sturm der Funken edler Triebe
Statt erstickt, zu hellen Flammen kam.
Ach! was soll aus deiner Freundin werden,
Wann du fern aus unsern Mauern bist;
Wann sie Alles – ach! nur den Gefährten
Ihrer frohen Stunden nicht vergisst?
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Louise Brachmann (1777-1822)
Letzte Bitte
Ein zart
Geheimniß muß die Seele tragen,
Einsam und ewig! Nur im Augenblick,
Wo unsre Herzen an einander schlagen,
Tritt es hervor und bebt in Nacht zurück.
So brennt in dunkler Gruft mit düsterm Schimmer
Die Grabes-Lampe, - ewig ungesehn,
Der Schauer der Verzweiflung löscht sie nimmer,
Wird gleich ihr Strahl – als war er nie – vergehn.
Gedenke mein! O geh' nicht kalt vorüber,
Wo meines heißen Herzens Asche ruht!
Von Dir vergessen, - Du mein einzig Lieber, -
Nicht den Gedanken trägt der Seele Muth!
Hör' meines Busens letzte Liebestöne:
Die Tugend stört den Schmerz im Tode nicht.
Nimm meine letzte Bitte: - eine Thräne!
Die einz'ge Frucht, die meine Liebe bricht.
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Der Liebe
Geheimniß
Sagen, nein ich kann es nicht,
Was im Innern für Dich glühet,
Was mich magisch an Dich ziehet,
Sagen, nein ich kann es nicht!
Sähst Du nur nicht selbst die Glut,
Die mir auf den Wangen brennet,
Wenn Dein süßer Mund mich nennet,
Wenn auf mir Dein Lächeln ruht;
Auf mir ruht, wie Sonnenlicht
Auf den lenzerquickten Fluren. -
Sähst Du nur so klare Spuren
Dessen, was ich fühle, nicht!
Wie mein Blick erschrocken flieht,
Wenn dem Deinen er begegnet,
Wenn Dein Auge Strahlen regnet
Und mein Dasein in sich zieht.
Oder wenn es düster blinkt,
Wenn auf Deinen schönen Zügen
Dunkle Wolkenschatten liegen,
Schnell auch mir der Muth entsinkt.
Hast Du alles dies gesehn,
Was ich Dir verbergen wollte,
Was kein Wesen ahnen sollte;
Weh! so ist's um mich geschehn!
Ach, mein Frieden ist zerstört,
Und in Deine Hand gegeben,
Seit Du weißt, daß Dir mein Leben,
Dir mein ganzes Sein gehört!
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Augensprache
Schweige, Mund und redet, Augen!
Andre Sendung will ich nicht.
Nur so zarte Boten taugen,
Wo ein zart
Geheimniß spricht.
Durch der Wimpern Schattenschleier
Dringen Blitze, bang, doch kühn,
Süßes, wunderbares Feuer,
Spiegelnd in der Wangen Glühn.
Ja, mit Wundermacht entzünden
Licht sie im verwandten Sein,
Wissen schnell die Bahn zu finden
Tief ins Herzens Herz hinein.
Und die lieblichen Gesandten
Führen mächt'ge Sprache dort,
Und so schlingt mit Wechselbanden
Sich der Blicke Botschaft fort.
Unentweiht von äußern Zeugen,
Nur im heilig stillen Raum,
Lang' noch weil' in zartem Schweigen,
Lichter, seel'ger Himmelstraum!
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Die Schrift
Verachtend flieht ihr meine kalten Zeichen,
Wenn Gegenwart die Liebenden beglückt,
Wohl kann ich nicht die mächt'ge Kraft erreichen,
Mit der die Lippe spricht, das Auge blickt;
Gefesselt muß ich höherm Ausdruck weichen,
Der aus dem Herzen tönend euch entzückt;
Die arme Schrift, so willig, euch zu dienen,
Sie wartet still, bis ihre Stund' erschienen.
Doch wenn die Trennung ihre dunkeln Flügel
Um treuer Liebe Rosenstunden schwingt,
Wenn schmachtend nach geliebter Augen Spiegel
Der Sehnsucht Blick umsonst zur Ferne dringt;
Mir reicht dann ihr
geheimnißvolles Siegel
Die Liebe, die um Wort und Sprache ringt;
Denn keine Blick' und Laute mehr verkünden
Ihr dann die Grüße aus des Herzens Gründen.
Dann fliegen sie mit ihren Geisterschwingen,
Die treuen Boten, über Meer und Land;
Die ihr verschmäht, die armen Zeichen bringen,
Euch einzig dann des Himmels Unterpfand.
Die Seele flieht, sie schärfer zu durchdringen,
Ins schöne Aug' mit Wonn' auf sie gewandt,
Treu stehn sie da und lächeln gleich den Sternen,
Und zaubern Licht ins dunkle Herz des Fernen.
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Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832)
Gingo Biloba
Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt
geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut.
Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn:
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?
_____
[An Charlotte v. Stein]
Frage nicht nach mir, und was ich im Herzen verwahre,
Ewige Stille geziemt ohne Gelübde dem Mann.
Was ich zu sagen vermöchte, ist jetzo schon kein
Geheimnis;
Nur diesen Namen verdient, was sich mir selber verbirgt.
*
Arm an Geiste kommt heut spät dein Geliebter vor dich;
Arm an Liebe kommt er weder frühe noch spät.
_____
Geheimschrift
Laßt euch, o Diplomaten,
Recht angelegen sein
Und eure Potentaten
Beratet rein und fein!
Geheimer Chiffern Sendung
Beschäftige die Welt,
Bis endlich jede Wendung
Sich selbst ins Gleiche stellt.
Mir von der Herrin süße
Die Chiffer ist zur Hand,
Woran ich schon genieße,
Weil sie die Kunst erfand.
Es ist die Liebesfülle
Im lieblichsten Revier,
Der holde, treue Wille,
Wie zwischen mir und ihr.
Von abertausend Blüten
Ist es ein bunter Strauß,
Von englischen Gemüten
Ein vollbewohntes Haus;
Von buntesten Gefiedern
Der Himmel übersät,
Ein klingend Meer von Liedern
Geruchvoll überweht.
Ist unbedingten Strebens
Geheime Doppelschrift,
Die in das Mark des Lebens
Wie Pfeil um Pfeile trifft.
Was ich euch offenbaret,
War längst ein frommer Brauch,
Und wenn ihr es gewahret,
So schweigt und nutzt es auch.
_____
Lieb um Liebe, Stund um Stunde,
Wort um Wort und Blick um Blick;
Kuß um Kuß vom treusten Munde,
Hauch um Hauch und Glück um Glück.
So am Abend, so am Morgen!
Doch du fühlst an meinen Liedern
Immer noch
geheime Sorgen;
Jussuphs Reize möcht ich borgen,
Deine Schönheit zu erwidern.
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Manche Töne sind mir Verdruß, doch bleibet am meisten
Hundegebell mir verhaßt; kläffend zerreißt es mein Ohr.
Einen Hund nur hör ich sehr oft mit frohem Behagen
Bellend kläffen, den Hund, den sich der Nachbar erzog.
Denn er bellte mir einst mein Mädchen an, da sie sich heimlich
Zu mir stahl, und verriet unser
Geheimnis beinah.
Jetzo, hör ich ihn bellen, so denk ich mir immer: sie kommt wohl!
Oder ich denke der Zeit, da die Erwartete kam.
_____
Geheimnis
Über meines Liebchens Äugeln
Stehn verwundert alle Leute;
Ich, der Wissende, dagegen
Weiß recht gut, was das bedeute.
Denn es heißt: ich liebe diesen,
Und nicht etwa den und jenen.
Lasset nur, ihr guten Leute,
Euer Wundern, euer Sehnen!
Ja, mit ungeheuren Mächten
Blicket sie wohl in die Runde;
Doch sie sucht nur zu verkünden
Ihm die nächste süße Stunde.
_____
Geheimstes
»Wir sind emsig, nachzuspüren,
Wir, die Anekdotenjäger,
Wer dein Liebchen sei und ob du
Nicht auch habest viele Schwäger.
Denn, daß du verliebt bist, sehn wir,
Mögen dir es gerne gönnen;
Doch, daß Liebchen so dich liebe,
Werden wir nicht glauben können.«
Ungehindert, liebe Herren,
Sucht sie auf! Nur hört das eine:
Ihr erschrecket, wenn sie dasteht;
Ist sie fort, ihr kost dem Scheine.
Wisset ihr, wie Schehâb-eddin
Sich auf Arafat entmantelt,
Niemand haltet ihr für törig,
Der in seinem Sinne handelt.
Wenn vor deines Kaisers Throne
Oder vor der Vielgeliebten
Je dein Name wird gesprochen,
Sei es dir zum höchsten Lohne.
Darum wars der höchste
Jammer,
Als einst Medschnun sterbend wollte,
Daß vor Leila seinen Namen
Man forthin nicht nennen sollte.
_____
Zieret Stärke den Mann und freies mutiges Wesen,
O! so ziemet ihm fast tiefes
Geheimnis noch mehr.
Städtebezwingerin du, Verschwiegenheit!Fürstin der Völker!
Teure Göttin, die mich sicher durchs Leben geführt,
Welches Schicksal erfahr ich! Es löset scherzend die Muse,
Amor löset, der Schalk, mir den verschlossenen Mund.
Ach, schon wird es so schwer, der Könige Schande verbergen!
Weder die Krone bedeckt, weder ein phrygischer Bund
Midas' verlängertes Ohr; der nächste Diener entdeckt es,
Und ihm ängstet und drückt gleich das
Geheimnis die Brust.
In die Erde vergrüb er es gern, um sich zu erleichtern:
Doch die Erde verwahrt solche
Geheimnisse nicht;
Rohre sprießen hervor und rauschen und lispeln im Winde:
Midas! Midas, der Fürst, trägt ein verlängertes Ohr!
Schwerer wird es nun mir, ein schönes
Geheimnis zu wahren;
Ach, den Lippen entquillt Fülle des Herzens so leicht!
Keiner Freundin darf ichs vertraun: sie möchte mich schelten;
Keinem Freunde: vielleicht brächte der Freund mir Gefahr.
Mein Entzücken dem Hain, dem schallenden Felsen zu sagen,
Bin ich endlich nicht jung, bin ich nicht einsam genug.
Dir, Hexameter, dir, Pentameter, sei es vertrauet,
Wie sie des Tags mich erfreut, wie sie des Nachts mich beglückt.
Sie, von vielen Männern gesucht, vermeidet die Schlingen,
Die ihr der Kühnere frech, heimlich der Listige legt;
Klug und zierlich schlüpft sie vorbei und kennet die Wege,
Wo sie der Liebste gewiß lauschend begierig empfängt.
Zaudre, Luna, sie kommt! damit sie der Nachbar nicht sehe;
Rausche, Lüftchen, im Laub! niemand vernehme den Tritt.
Und ihr, wachset und blüht, geliebte Lieder, und wieget
Euch im leisesten Hauch lauer und liebender Luft,
Und entdeckt den Quiriten, wie jene Rohre geschwätzig,
Eines glücklichen Paars schönes
Geheimnis zuletzt.
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Johann Diederich Gries
(1775-1842)
In dunkler
Nacht, in einsam stiller Zelle
Sitz' ich und sinn' ob meinem tiefen Leide.
Wann bricht sie an, die neue Morgenhelle?
Wann ruft ein Tag zu längst entwohnter Freude?
Nein, wende dich hinab, du goldne Quelle
Des heitern Lichts! Du bist es, die ich meide.
Du darfst nicht schau'n, was mir den Busen schwelle,
Tob' im Gehirn und brenn' im Eingeweide.
O zwinge, Herz, die Lippe nicht, zu sprechen;
Denn nimmer darfst du mein
Geheimniss zeigen,
Und müsstest du in dieser Stunde brechen.
Es muss mit dir hinab zum Orkus steigen;
Du nennst es Liebe, doch die Welt Verbrechen -
Geduld, mein Herz! Bald wird es leicht, zu schweigen.
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Johann Christian Günther
(1695-1723)
ALS ER
INSGEHEIM LIEBTE
WAS ich in Gedancken küße,
Macht mir Müh und Leben süße
Und vertreibt so Gram als Zeit;
Niemand soll es auch erfahren,
Niemand will ich's ofenbahren
Als der stummen Einsamkeit.
Ob ich gleich nun, schöne Seele,
Nahmen, Brand und Schmerz verheele,
Würd es doch mein Glücke seyn,
Wenn du selbst errathen solltest
Und nur einmahl forschen wolltest,
Wem sich meine Flammen weihn.
Merckstu nichts aus Wort und Blicken,
Die viel Sehnsuchtszeichen schicken?
Siehstu mir kein Feuer an,
Wenn mein zärtliches Gemüthe
Bey der Wallung im Geblüte
Diesen Trieb nicht bergen kan?
Freylich mach ich öfters Grillen,
Aber alles doch im Stillen
Und dabey nicht ohne Lust,
Weil du allzeit meine Sinnen
Durch dein artiges Beginnen
Auch entfernt ergözen must.
Will ich mich gleich selber zwingen,
Dein Gedächtnüß wegzubringen,
Fühl ich in mir Widerstand;
Denn ich glaube dich zu lieben,
War mir schon ins Blut geschrieben,
Eh ich noch die Wiege fand.
Doch was hilft ins Blut geschrieben,
Wenn mir dies getreue Lieben
Weder Frucht noch Hofnung zieht?
Krancke mögen sich beklagen,
Nur mein Herz soll garnichts sagen,
Ob es noch so heftig glüht.
O du ungemeines Leiden,
Schöne Früchte sehn und meiden
Und bey Quellen dürsten stehn!
Wenn die Hauptperson nur wüste,
Was vor Seufzer sanfter Lüste
Ihrer Schönheit opfern gehn!
Doch du ungemeines Leiden
Bist auch warlich zu beneiden,
Weil dich die Person erweckt,
Die vom Schönsten auf der Erden
Selbst verdient geehrt zu werden
Und schon manches angesteckt.
Durch ein ehrerbietig Schweigen
Will ich mich gelaßen zeigen,
Bis vielleicht ein Tag erscheint,
Da die Flammen heller brennen
Und der Welt entdecken können,
Wie ich es so treu gemeint.
Sollt auch dieser Wunsch betriegen,
Find ich dennoch mein Vergnügen
Und die gröste Lust daran,
Daß ich nach der klugen Lehre
Dieses Bild
geheim verehre,
Was ich nicht besizen kan.
_____
Schweig, mein Herz, und halt die Plagen
Deiner Leidenschaft
geheim,
Lerne dein Verhängnüß tragen,
Koch aus Wermuth Honigseim!
Hat die Schickung deinem Fieber
Diesen schönen Arzt versagt,
Ey, so stirb doch zehnmahl lieber,
Eh dein Mund die Kühnheit wagt.
_____
Gedenck einmahl, wie schön wir vor gelebt
Und wie
geheim wir unsre Lust genoßen.
Da hat kein Neid der Reizung widerstrebt,
Womit du mich an Hals und Brust geschloßen,
Da sah uns auch bey selbst erwüntschter Ruh
Kein Wächter zu.
_____
Johann Georg Jacobi
(1740-1814)
An Chloen
Welch ein Kuß! Und deinen Wangen,
Zart wie Knospen, ehe sie
Noch zu Rosen aufgegangen,
Nahte sich der Jüngling nie.
Aber Liebes-Götter wachten,
Als du schliefst, um deinen Mund,
Küßten deine Lippen, machten
Ihr
Geheimniß ihnen kund;
Lehrten sie dieß holde Schweben,
Diesen Wonnedruck, so leicht,
Wie des Frühlingswindes Beben,
Wenn er über Wiesen schleicht.
Tausend Quellen einer süßen,
Neuen Wollust thun sich auf,
Rieseln in mein Herz, und fließen
Mächtiger in vollem Lauf;
Strömen hin durch alle Glieder:
Sterbend sucht mein Auge dich;
Und mir ist, erwach' ich wieder,
Als begrüßten Engel mich!
_____
Friedrich Schiller
(1759-1805)
Das
Geheimnis
der Reminiszenz
An Laura
Ewig starr an deinem Mund zu hangen,
Wer enthüllt mir dieses Glutverlangen?
Wer die Wollust, deinen Hauch zu trinken,
In dein Wesen, wenn sich Blicke winken,
Sterbend zu versinken?
Fliehen nicht, wie ohne Widerstreben
Sklaven an den Sieger sich ergeben,
Meine Geister hin im Augenblicke,
Stürmend über meines Lebens Brücke,
Wenn ich dich erblicke?
Sprich! warum entlaufen sie dem Meister?
Suchen dort die Heimat meine Geister?
Oder finden sich getrennte Brüder,
Losgerissen von dem Band der Glieder,
Dort bei dir sich wieder?
Waren unsre Wesen schon verflochten?
War es darum, daß die Herzen pochten?
Waren wir im Strahl erloschner Sonnen,
In den Tagen lang verrauschter Wonnen
Schon in Eins zerronnen?
Ja, wir waren's! - Innig mir verbunden
Warst du in Äonen, die verschwunden,
Meine Muse sah es auf der trüben
Tafel der Vergangenheit geschrieben:
Eins mit deinem Lieben!
Und in innig festverbundnem Wesen,
Also hab' ich's staunend dort gelesen,
Waren wir ein Gott, ein schaffend Leben,
Und uns ward, sie herrschend zu durchweben,
Frei die Welt gegeben.
Uns entgegen gossen Nektarquellen
Ewig strömend ihre Wollustwellen;
Mächtig lösten wir der Dinge Siegel,
Zu der Wahrheit lichtem Sonnenhügel
Schwang sich unser Flügel.
Weine, Laura! Dieser Gott ist nimmer,
Du und ich des Gottes schöne Trümmer,
Und in uns ein unersättlich Dringen,
Das verlorne Wesen einzuschlingen,
Gottheit zu erschwingen.
Darum, Laura, dieses Glutverlangen,
Ewig starr an deinem Mund zu hangen,
Und die Wollust, deinen Hauch zu trinken,
In dein Wesen, wenn sich Blicke winken,
Sterbend zu versinken.
Darum fliehn, wie ohne Widerstreben
Sklaven an den Sieger sich ergeben,
Meine Geister hin im Augenblicke,
Stürmend über meines Lebens Brücke,
Wenn ich dich erblicke.
Darum nur entlaufen sie dem Meister,
Ihre Heimat suchen meine Geister;
Losgerafft vom Kettenband der Glieder;
Küssen sich die langgetrennten Brüder
Wiederkennend wieder.
Und auch du - da mich dein Auge spähte,
Was verriet der Wangen Purpurröte?
Flohn wir nicht, als wären wir verwandter,
Freudig, wie zur Heimat ein Verbannter,
Glühend aneinander?
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August Wilhelm von Schlegel
(1767-1845)
Deutung
Was ist die Liebe? Les't es, zart geschrieben,
Im Laut des Worts: es ist ein innig Leben;
Und Leben ein im Leib gefeßelt Streben,
Ein sinnlich Bild von ewig geist'gen Trieben.
Der Mensch nur liebt: doch ist sein erstes Lieben
Der Lieblichkeit des Leibes hingegeben.
Will sich, als Leibes Gast, der Geist erheben,
So wird von Willkür die Begier vertrieben.
Doch unauflöslich Leib und Geist verweben
Ist das
Geheimniß aller Lust und Liebe;
Leiblich und geistig wird sie Quell des Lebens.
Im Manne waltet die Gewalt des Strebens;
Des Weibes Füll' umhüllet stille Triebe:
Wo Liebe lebt und labt, ist lieb das Leben.
_____
Christine Westphalen
(1758-1840)
Überall Liebe
Alles Schaffens und Strebens erhab'nes
Geheimniß ist Liebe!
Himme, Erd' und Meer zeugen die Wunder von ihr:
Wirkt nicht durch Liebe jedes Geschöpfes veredeltes Daseyn,
Von den Steinen hinan bis zu dem Aether des Raums?
_____
19./20. Jh.
Johanna Ambrosius
(1854-1939)
O hätt' ich einmal dir noch können sehn
Ins braune Aug', das gleich der ew'gen Flamme
Die todesmüde Seele mir durchhaucht. -
Aus ferner Kinderzeit
Tönt noch in meinem Ohr
Der süßen Stimme Laut,
Mit der du oft gegrüßet
Mich um die Dämmerzeit,
Wenn mit
geheimen Fäden
Mein Sinnen und mein Träumen
Zu dir zog.
_____
Elsa Asenijeff (1867-1941)
TRENNUNG
Ein Blitz wollt ich sein!
Feuriger Weg über die Ätherferne
Damit er mein gedenkt
In Sternenferne.
Blendender Weg in dein Blut hinein!
Natur, Holdwilde!
O leih mir deiner Kräfte
Geheimnis
Gib mir den schattenlosen Weg des Lichtes frei,
Trag mir mein Flehen auf deiner Tonwellen
Dunkler Raserei!
Sei da, trag meiner Seufzer buntes Farbenbett
Zum lebensreichen Ultraviolett,
Gib her die Welt,
Sprüh Funken, sende Licht!
Rolle Melodien!
Zieh seinen süssen Blick heran!
Auf Knien
Bitt ich dich,
Du kräftereiche Spenderin!
Mach, dass sein hold Gedenken
Sich mir herüberdreht
Und seinen scheuen Weg
Leise, leise
Zu seinem Herzen geht.
_____
Rosa Maria Assing
(1783-1840)
Verschließung
Still verschlossen steht im Herzen,
Was mein Mund nicht zu dir spricht;
Ewig will
geheim ich's denken,
Dir es sagen kann ich nicht.
Kalt und ruhig kann ich scheinen,
Herrschen über Blick und Mund;
Heimlich nur in stillen Thränen
Giebt sich meine Liebe kund!
_____
Wohl hatte recht der weise Mann:
Viel schöner ist's allein
Im stillen Thal, im grünen Wald
Mit dem Geliebten seyn.
Doch treffen wir uns auch im Saal
Gern im gesell'gen Kreis,
Denn Liebe ihre Sprache doch
Geheim zu reden weiß.
So manches Wort von dir gesagt,
Rauscht Allen leer vorbei,
Nur ich verstand wohl seinen Sinn,
Wußt', wie gemeint es sey.
Wie meine Blicke schweifen auch,
Bald dorten sind, bald hier,
Du weißt, wie mit
geheimer Lust
Sie ruhen nur auf dir!
Als deines süßen Liedes Klang
Nahm alle Hörer ein,
Wußt' ich, was Alle sie gehört,
Das galt nur mir allein.
Wenn im Gespräch ein schönes Wort
Wird in dem Kreise laut,
Gleich finden unsre Blicke sich,
Verstehn sich lieb und traut.
Im muntern Rätselspiele gar
Hat Liebe leichtes Müh'n,
In Frag' und Antwort sagen wir
Manch Liebeswort uns kühn.
Im deutschen Tanz umfängst du mich,
Ich ruh' in deinem Arm,
Wir schweben selig Brust an Brust
Hin durch den heitern Schwarm.
Und Keiner unsre Liebe ahnt
Im froh gesell'gen Kreis;
Ja, Liebe stets und überall
Geheim zu reden weiß.
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Hugo Ball (1886-1927)
Schmücke dich, Liebste, der Abend sinkt.
Winde dir Ketten ins leuchtende Haar.
Siehe, die Sonne will sich verneigen.
Tiefer noch will sich die Stille verschweigen.
Kerze flammt am Altar.
Wisse, die Seele liebt sich zu verschwenden.
Brennende Feier und wehe Musik.
Leiser noch will ihr
Geheimnis lallen,
Goldener Tropfen, zögerndes Fallen
Ist ihr unsägliches Glück.
Hülle dich, Liebste, in Prunkgewänder,
Ehe die Saite zerspringt.
Lächle im Saale der Engel und Rosen,
Laß dir die kindliche Stirne kosen,
Ehe das Echo verklingt.
Sei mir ein Fest und ein zärtliches Wunder.
Milder noch blühe dein Schein.
Wenn wir die magischen Worte tauschen,
Geht durch die Seele ein Flügelrauschen,
Dem wir uns weihn.
Schmücke dich, Liebste. Oh süßes Verwehen!
Rasch war der Sommer versungen.
Über den Hügeln welken die Kränze,
Doch in die Höhen der himmlischen Tänze
Sind wir entrückt und verschlungen.
_____
Mathilde Berensmann (1851-?)
Ob dir's bewußt?
Ob dirs bewußt was mächtig mich durchglüht
Und mich vergessen läßt so manche Stunde
In Kummer zugebracht?
Ob dirs bewußt, was für dich knospt und blüht
Auf meines Herzens
tiefgeheimsten Grunde,
Geweckt durch Zaubermacht?
Ob dirs bewußt, was mich im Traum umschwebt,
Am Tage füllt mir jeglichen Gedanken
Mit neuer Lebenslust?
Wonach mein Sehnen, meine Hoffnung strebt,
Was meinen Geist hebt über alle Schranken,
Ob dirs, ob dir bewußt?
Ach dir es einmal, einmal nur gesteh'n
Mit flehenden, mit gluterfüllten Worten,
Was mir beseelt die Brust;
Doch dann würd' ich's gewiß im Aug' dir seh'n,
Selbst wenn auch Thränen meinen Blick umflorten -
Wie dirs schon längst bewußt!
_____
Valeska Gräfin Bethusy-Huc
(1849-1926)
Nicht nur wenn unsre Pfade sich vereinen,
Bin ich bei Dir -
Auch wenn die Hand nicht ruhet in der Deinen,
Bin ich bei Dir.
Es geht ein leis
geheimnisvolles Grüßen
Von mir zu Dir,
Daß Wind und Wolken Boten werden müssen
Von mir zu Dir.
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Letztes Bewahren entfloh.
Ich bin ein Mann - und ich liebe.
Allen Gefahren geweiht
suchte ich neue Gefahren.
Aber auf einfachem Strand
zwischen den kleinen Blumen
traf mich das Schicksal - ich liebe.
Ich der verschlossenste Held
kann mein
Geheimnis nicht wahren.
Wo verbarg ich es noch?
Ich bin ein Mann - und ich liebe.
Wellen tragen es fort.
Vögel wissen es schon.
Der Himmel hat es gesehn,
Erde hat es getrunken,
mein
Geheimnis - ich liebe.
Wenn ich es niemand verriet:
Wiesen duften davon,
Boden des Waldes, die trocknen
Nadeln der Kiefern am Hang -
alles verrät mich - ich liebe.
Ausgeliefert bin ich.
Schon mir selber entrissen
bricht es siegend hervor.
Und in seligen Worten
steht es geschrieben - ich liebe.
_____
Ernst Blass (1890-1939)
Tief mein Auge sich verschliesse,
Da das Innere ihrer denkt!
Übermächtig tiefe Süsse
Wurde mir durch dich geschenkt.
Erst mit unbemerktem Schritte
Nahtest du, warst dann so nah,
Ach, wenn aus des Herzens Mitte
Ich dich sah und wiedersah!
Wie als hätte es vernommen
Schon vertrauten Ton und Sang,
Wurde deinem stillen Kommen
Alles um mich ein Empfang.
Grüner Schimmer in den Zweigen,
Tiefer Rasen hingestreckt,
Bäume neu erglänzend zeigen
Ihren Frühling, süss erweckt.
Und du, Tiefgeliebte, wusstest,
Es doch nie, wie sehr du labst,
Schenken, immer schenken musstest
Du, als du mich ganz umgabst,
Mich umwohntest und umhülltest
Wie die reinverklärte Luft,
Alles Innere mir erfülltest,
Süsseste, mit deinem Duft,
Jeden Lebenstag besiegelnd,
Wachsend heimlich in der Nacht
Und mich selber widerspiegelnd
Mit
geheimnisreicher Macht.
Bist du nun auch von mir ferne,
Weiss ich dich doch in der Welt.
Ist die Nacht auch ohne Sterne,
Bleibt mein Herz noch sanft erhellt.
_____
Friedrich von Bodenstedt
(1819-1892)
Seit deiner Augen Himmelsglanz
Seit deiner Augen Himmelsglanz
Mir in das Herz gestossen,
Hat sich das
Weltgeheimniß ganz
Dem innern Blick erschlossen.
Was dunkel war in Raum und Zeit,
Ist nun in Licht verschwunden,
Ich habe die ewige Seligkeit
Genossen in Sekunden.
Nun ist der Wahn und Zweifel hin,
Umschifft sind alle Klippen,
Seit mir des Lebens tiefsten Sinn
Gepredigt deine Lippen.
Ich möcht' es jubelnd sonnenhell
Der ganzen Welt verkünden,
Allein der Weisheit tiefsten Quell
Muß Jeder selbst ergründen.
_____
Paul Boldt (1885-1921)
Die schlafende Erna
Auf einer Ottomane aus Mohär
Liegt sie in Seidenröcken, eine Truhe
Voll Nacktheit, und ich denke voll Unruhe
An dein
Geheimstes – schönes Sekretär.
Die Frauen tuen Wundervolles in die Seide.
Am Knie beginnt es. Ich will es auspellen,
Wenn Küsse summen nach hautsüßen Stellen
Im Bett, daß wir nicht schlafen können beide.
Du großes Mädchen, die noch kleinen Brüste
Schmücken dich mir. Auf den
geheimen Schmuck
Hast du die linke weiße Hand gelegt;
Ich dachte: Soll die eine, die sie trägt –
Die schwarze Blume welken von dem Druck?
Und nahm die Hand weg, die ich leise küßte.
_____
Udo Brachvogel (1835-1913)
Du blickst empor und fragst mich: "Was verkündet
Der Fieberschauer, der die Brust Dir hebt,
Da eben mich Dein Arm zu fassen strebt?"
Vernimm, o Herrin, denn, was ihn begründet.
Sieh diesen Arm aus heißem Schnee geründet,
Sieh' diese Lippe, der Gesang entschwebt,
Sieh dieses Auge, das in Strahlen bebt,
Ein feuchter Saphir blaue Blitze zündet;
Sieh diesen Busen, in des Abends Licht
Wie liebestrunk'ne weiße Rosen bebend,
Sieh diesen Fuß, der leicht wie Elfen schwebend
Geheimnißvoll noch Schöneres verspricht:
Und mein dieß Alles, ohne Widerstreben
Dieß Alles mein - und ich, ich soll nicht beben?
_____
Lass' schweigen mich
Lass' schweigen mich. Auf meiner Seele Grunde
Liegt ein
Geheimniß, für mich selbst nicht klar;
Bezaubert hange ich an Deinem Munde
Und starr' in's Auge Dir bewußtseinsbar.
Ich fühle zitternd nur, daß ich Dich liebe,
Warum, Du schönste Seele, weiß ich nicht;
Das aber weiß ich, ohne Dich verbliebe
Nur Elend mir, und Sterben würde Pflicht.
So lass' mich schweigend lauschen Deinem Munde,
Stumm schwelgen mich in seiner Melodei,
Und das
Geheimniß auf der Seele Grunde -
O schone es, o reiß es nicht entzwei.
Lass' ihrer nicht bewußt die Flamme werden,
Die mir noch ungefacht im Busen ruht,
O wolle dieß
Geheimniß nicht gefährden,
Denn sieh', ich bebe vor der eig'nen Gluth.
_____
Ich will vor Andern mich verschließen,
Und schweigen in
geheimem Schmerz;
Kein Ton soll von der Lippe fließen,
Es scheine marmorkalt dies Herz.
Was können And're mir erwiedern?
D'rum werde nie die Klage laut,
Nur sanften und verschwieg'nen Liedern
Sei sie
geheimnißvoll vertraut.
Für alle Freuden, die da starben,
Ein Lied, das sie noch dankend nennt,
Dies sei mein Balsam für die Narben,
Darunter noch die Wunde brennt.
Und ist die Zeit nur erst vergangen,
Kommt auch der alte Sinn zurück,
Denn daß wir stets im Wechsel hangen,
Das ist ja unser wahrstes Glück.
_____
Clemens Brentano (1778-1842)
14. Juli 1834
Ich weiß wohl, was dich bannt in mir,
Die Lebensglut in meiner Brust,
Die süße zauberhafte Zier,
Der bangen
tiefgeheimen Lust,
Die aus mir strahlet, ruft zu dir,
Schließ mich in einen Felsen ein,
Ruft doch arm Lind durch Mark und Bein:
Komm, lebe, liebe, stirb an mir,
Leg' dir diesen Fels auf deine Brust,
Du mußt, mußt.
_____
Geheime Liebe
Unbeglückt muß ich durchs Leben gehen,
Meine Rechte sind nicht anerkannt;
Aus der Liebe schönem Reich verbannt,
Muß ich dennoch stets ihr Schönstes sehen!
Nicht die schwache Zunge darf's gestehen,
Nicht der Blick verstohlen zugesandt,
Was sich eigen hat das Herz ernannt,
Nicht im Seufzer darf's der Brust entwehen!
Tröstung such' ich bei der fremden Nacht,
Wenn der leere lange Tag vergangen,
Ihr vertrau' ich mein
geheim Verlangen;
Ist in Tränen meine Nacht durchwacht,
Und der lange leere Tag kommt wieder,
Still ins Herz steigt meine Liebe nieder.
_____
Carmen Sylva (1843-1916)
Räthsel
Im Mondenschein,
Im Rosenhain
Ein zärtliches Viertelstündchen!
Wie macht Natur
So künstlich nur
Einfältige Rosenmündchen?
Am Waldesrain
Zu Zwein allein,
Man findet sich ohne Säumniß!
Wie macht Natur
So einfach nur
Der mächtigen Lieb
Geheimniß?
Man hat am Stein
In zartem Schrein
Ein drittes dann aufgelesen -
Wie macht Natur
So vielfach nur
Die stets sich ähnlichen Wesen?
_____
Peter Cornelius (1824-1874)
Löse, Himmel, meine Seele
Löse, Himmel, meine Seele
Aus des Staubes engen Schranken!
Wandle sie zum Flügelboten
Liebessehnender Gedanken!
Wandle sie zu Blumenodem,
Zart gewiegt im Hauch des Windes!
Wandle sie zum reinen Glanze
In den Augen eines Kindes!
Wandle sie zum Hauch des Trostes
Für die Brust, die Schmerz betroffen!
Wandle sie zum Hoffenstraume,
Wo da schwand ein letztes Hoffen!
Und zum Balsam der Erfüllung
Auf
geheimer Sehnsucht Wunden!
Und zur Flamme des Entzückens,
Wenn sich Herz und Herz gefunden!
_____
Der Bach mit seinem Rauschen
Der Bach mit seinem Rauschen,
Mit ihrem Schlag die Nachtigall,
Laut künden sie ihr Wesen all,
Brauchst ihnen nicht zu lauschen.
Doch meines Herzens Schlagen
Ist so
geheim, mein Lieb, du mußt
Das Haupt mir lehnen an die Brust
Soll es dir alles sagen.
_____
Mir wird's mit meinen Liedern gehen
Mir wird's mit meinen Liedern gehen,
Wie wenn die Frau dem Mann was stickt,
Sie meint, es soll
geheim geschehen,
Doch hat er alles längst erblickt.
Bist du auch fern so manche Weile,
Du siehst mir doch hinein ins Blatt,
Ich schreib' dir keine einz'ge Zeile,
Die nicht dein Geist erraten hat.
Du bist so bei mir jede Stunde,
In all mein Sinnen so verwebt,
Daß die
geheimste Herzenskunde
Mir wie von deinen Lippen schwebt.
Wie soll dies Büchlein dich beglücken
Durch Überraschung, Närrchen du,
Wenn ewig hinter meinem Rücken
Du lächelnd stehst und schaust mir zu?
_____
Marie Eugenie Delle Grazie
(1864-1931)
Das
Geheimniß
Ich darf nicht weinen, darf nicht klagen,
Nicht äußern meinen tiefen Schmerz;
Die Menschen würden mich gleich fragen:
"Was hast Du? Was bewegt Dein Herz?"
Drum will ich auch kein Wörtchen sagen
Und still verschließen meine Brust,
Im tiefsten Herzen will ich tragen
Der Liebe Leid, der Liebe Lust.
_____
Verrathen
Ich mußte Jemand anvertrau'n
Des Herzens stilles Glüh'n,
Ich eilte in den Wald hinaus
Und sah ein Röslein blüh'n.
Das Röslein drückt' ich an die Brust
Und drückt es an den Mund,
Des Herzens Schlag, der Wonne Kuß
That mein
Geheimnis kund.
"O rothes Röslein hold und schön,
Du wohl verräthst mich nicht,
Weil meine Lieb' ich Dir vertraut
Ist Schweigen Deine Pflicht!" -
Und als ich durch den Wald jüngst ging
Mit ihm bei Mondenschein,
Da sah auch er das Blümchen hold
Das rothe Röselein.
Er brach das arme Blümchen ab
Und sah mich schelmisch an:
"Was ein so kleines Röslein doch
Nicht alles sagen kann!"
"O Röslein, sag', ich bitte Dich,
Nicht, was ich Dir vertraut;"
Ich wurde roth und wieder roth,
Mein Herz schlug auch zu laut.
Er sah mich überglücklich an:
"Laß Deinen stillen Schmerz,
Verrathen hat dies Röslein mir,
Was lang verbarg Dein Herz.
Verrathen hat des Rösleins Duft,
Des Rösleins Farbe mir,
Die auch auf Deiner Wange glüht,
Daß ich geliebt von Dir."
In seine Arme sank ich da,
An seine treue Brust,
Das böse Röslein küßte ich
Mit wahrer Herzenslust.
_____
Carl Ferdinand
Dräxler-Manfred (1806-1879)
Mädchenzauber
Lose Rose an dem Stocke,
Rings von Düften reich umringt,
Gleicht sie nicht der Purpurglocke,
Die von stiller Lust erklingt?
Ist die Rebe am Geranke,
Das um Stäbe dicht sich schwingt,
Nicht ein fröhlicher Gedanke,
Uns bedeutend: Menschen trinkt?
Doch gepflückt vom grünen Stengel
Und vom Mädchen zugesandt,
Gleicht die Rose einem Engel,
Der den Weg zum Herzen fand;
Und der Wein, im Becher schäumend
Und kredenzt von Mädchenhand,
Wird zur Liebesgluth, die träumend
Herzen an einander band.
Mädchenhände, Zauberwaffen,
Die ihr Schönes nur erschließt,
Deren wunderbarem Schaffen
Süßgeheime Lust entsprießt,
Die zu Liebesparadiesen
Alles ihr zu wandeln wißt:
Seid zu tausendmal gepriesen,
Seid zu tausendmal geküßt!
_____
Der Brief
Wenn die Liebe nun ein Brief ist,
Der bedeutungsvoll und tief ist,
Muß ein süßer Mund ihn siegeln,
Sein
Geheimniß streng zu zügeln;
Schreiben muß ihn eine Seele,
Daß ihm Innigkeit nicht fehle:
Aber mit dem Herzen lesen
Müssen ihn verliebte Wesen.
_____
Geheimniß
Was an Liebe du erfahren,
Trage tief in deiner Brust,
Wo es Keiner mag gewahren,
Keinem außer dir bewußt.
Sieh den Berg, im Felsenherzen,
Wie er alles wohl verbirgt,
Was er je an edlen Erzen
Oder Steinen ausgewirkt.
Sieh die Perlen, wie Gedanken
Schlafen sie im Muschelhaus,
Das sie innen ganz durchranken,
Niemals treten doch heraus.
Und dein eignes Herz, der Riese
An Gefühlen und an Gluth,
Sieh, wie es im Paradiese
Deiner Brust verborgen ruht.
Also deine Liebe wahre
Tief in deines Busens Schrein,
Das
Geheimniß offenbare
Der Geliebten nur allein.
Denn nur Liebende beglücken
Kann die Liebe - Andre nicht:
So wie Sterne nur entzücken,
Die da sehen - Blinde nicht.
_____
Verbot
Du hast verboten mir, von deinen Küssen
Etwas der Welt im Liede mehr zu sagen,
Du hast mir als
Geheimniß aufgetragen
Die Liebeslust, von der wir beide wissen.
Und Alles, Alles, was mit deinen süßen,
Geliebten Lippen du in schönen Tagen
Mir in das Herz als Segen eingetragen,
Tief in der Seele soll es bleiben müssen.
Doch wie, wenn nun der Lenz bescheint die Hügel,
Ein Körnlein, das ich still in's Erdreich senke,
Bald aufgesprossen ist zur vollen Blume:
So löset, Liebste, wenn ich dein gedenke,
Mein
Glücksgeheimniß seine schönen Flügel,
Und wird ein lautes Lied zu deinem Ruhme.
_____
Das Rosenblatt
Du sandtest deinen süßen Namen mir auf einem Rosenblatt,
Ich schrieb darauf, und sandte Lieder dir auf deinem Rosenblatt.
Doch von
geheimen Wonneträumen uns'rer Liebe, nimmer schriebe
Ich ein verständlich Wort der Welt, und traut es keinem Rosenblatt!
Du hast die tiefen Hierogliphen uns'rer Herzen mit den Kerzen
Des blauen Auges still enträthselt wohl auf feinem Rosenblatt?
Es war das rothe Blatt der Bote, den du kanntest und verstandest,
Du hast erforscht den Geber und sein Wort aus seinem Rosenblatt.
Du hast gedacht der Liebesmacht, der uns're Seelen sich vermählen,
Der Liebe, die im Sturm des Lebens schifft auf kleinem Rosenblatt;
Das sannst du wohl, begannst die Wehmuthfeier uns'rer Treue:
Und eine Perle war's auf deiner Wangen reinem Rosenblatt.
_____
Abends wenn durch blaue Höhen
Geht das stille Sternenheer,
Kommt die lieblichste der Feen
Aus den Wolken zu mir her;
Ihre süßen Augen blicken
Wie zwei Strahlen in die Nacht,
Ihre Lippen, sie entzücken
Mir das Herz mit Zaubermacht.
Leise flüstert sie mir Jenes,
Und von Diesem spricht sie süß:
Was sie denken mag ist Schönes,
Was sie gibt ein Paradies.
In die trunk'nen Arme pressen
Möcht' ich für und für mein Glück,
Riefe neidisch sie indessen
Nicht die Mitternacht zurück.
Und sie weilt in holder Säumniß,
Sagt mir schnell dann Lebewohl,
Weil die Welt um das
Geheimniß
Uns'res Glücks nicht wissen soll; -
Ahnte die, was in den Tagen
Meines Frohsinns Quelle sei,
Würde sie die Nächte fragen -
Und der Zauber wär vorbei.
_____
So wie der Mondschein auf der Welle zittert,
Erhellend und zugleich sie heimlich küssend,
So wie der Epheu sich um Lauben gittert,
Umblühend sie, und - um
Geheimes wissend:
So trifft dein Blick mich scheinbar kalt
Und doch in süßer Liebeshuld zerfließend.
Ist's nicht der Göttin reizende Gestalt,
Die sich dem Träumenden nur wollte zeigen?
Gemach, gemach, mein Herz, und lerne schweigen,
Sonst flieht, Endymion! dein Segen bald.
_____
Geheimniss
Du wunderholde Frau,
Die mich so ganz begeistert,
Daß mich, wenn ich dich schau,
Entzücken übermeistert:
Vernimm die süßen Töne
Die dir zum Preis, o Schöne,
Voll Sehnsucht und voll Lust
Entströmen meiner Brust.
Du weißt es, was mein Blick,
Dir feuertrunken sagte,
Wenn ich zu dir, mein Glück,
Ihn aufzuschlagen wagte,
Du kennst, unausgesprochen,
Des Herzens stilles Pochen,
Darin als schönstes Gut
Dein liebes Bildniß ruht.
Du weißt, ob auch kein Wort
Zu dir um Liebe flehte,
Daß du mein Gnadenhort,
Den ich
geheim anbete,
Daß du mir Schwung und Flügel,
Befriedigung und Zügel,
Daß du zu jeder Frist
Mein Ideal mir bist.
So wie die Luft den Strauch,
Der Wind die Welle reget,
So ists dein Zauberhauch,
Der mich zu tiefst beweget;
Mein Singen und mein Schweigen,
Dein Abglanz ists und Eigen,
Das schwärmend dein begehrt
Und stummberedt dich ehrt.
Geheimniß und Contrast,
Gesucht und doch gemieden,
Mit aller Glut umfaßt
Und niemals doch beschieden:
Wie soll das Räthsel enden?
O hilf, in deinen Händen
Ist Liebe, Glück und Ruh:
Mein Herz lauscht - winke du!
_____
Ludwig Eichrodt (1827-1892)
Nachhall
Wie soll ich lernen ihn vergessen
Den heißen, einen, letzten Kuß!
O schilt ihn, Theure, nicht vermessen
So schmerzvoll süßen Abschiedsgruß!
Wer wollte weise sich bewachen,
Wenn heilig in dem Busen brennt -?
Die Welt mit ihren sieben Sachen
Verschlang der festliche Moment.
Laß. Lasse mir von einem Bilde
Die selige Erinnerung!
Des Auges Hoheit, Muth und Milde!
Und der Gestalt beseelter Schwung!
Ja führet wieder uns zusammen
Dereinst ein gütiges Geschick,
Ich glaube, jene ächten Flammen
Sie rufen den Moment zurück.
Dann Wonne! liebend hangen dürfen
An deinem Mund und hehrer Lust
Geheimnißvollen Nektar schlürfen,
Ach, aus dem Athem deiner Brust!
Was auch die Stunde von uns fodre,
Was des Gefühls beschwingte Kraft
- Als ewge Poesie verlodre
Das Feuer unsrer Leidenschaft!
_____
August Heinrich Hoffmann von
Fallersleben (1798-1874)
Liebesleben
Oftmals lehnt sich der Verstand
Hin an meines Herzens Pforte,
Wie ein Lauscher an der Wand
Denkt er sich am rechten Orte.
Wie's ihm bangt nach jedem Ton,
Wie er lauscht mit spitzen Ohren!
Nichts als Rätsel sind sein Lohn,
All sein Mühen ist verloren.
O wie wüßt' er doch so gern,
Was die Liebe drinnen treibet!
Doch er steht ihr viel zu fern,
Lieb' ihm stets
Geheimnis bleibet.
_____
Johann Georg Fischer
(1816-1897)
Im tiefsten Wald
Wir sprachen bald und schwiegen bald,
Beseligt ich und du,
Und du,
geheimster Quell im Wald,
Du sahst und hörtest zu.
Und was die Liebe Liebes dort,
Was ich gefragt, was du,
Es floß als wie die Welle fort,
Und wie die Welle zu.
Und wie die Welle kam und floß
Und schwand und wallte zu,
Die ganze Welt, die uns umschloß,
Besaßen ich und du -
Und sprachen bald und schwiegen bald,
Beseligt ich und du,
Und du,
geheimster Quell im Wald,
Quillst immer, immer zu.
_____
Sängerweihe
Ich hab' gelernt die Frauenliebe loben,
Geliebte, bei des Frühlings Nachtigallen,
In's dichte Laub sind küssend sie gefallen,
Dann hat der Gatte singend sich erhoben.
Dein blüh'nder Leib, aus Duft und Licht gewoben,
Dein heil'ger Kuß, dein tiefes Aug' vor allen
Hat mich, o Mädchen, von den Nachtigallen
Mit meinem Sange bald gelenkt nach oben.
Es ist so schön, sich wundernd zu versenken
In deines Busens
lustgeheime Thale,
In deines Auges träumerische Gründe;
Und von der Küsse frischem Zaubermahle
Schwingt sich das Lied mit sel'gem Rückgedenken
Den Wolken zu, und weiß von keiner Sünde.
_____
Süße Mühen
Laß diesen hauchenden Maienstrauß
In deinen Busen mich versenken
Und über diesen Lenz hinaus
Das holde
Geheimniß froh bedenken,
Daß dieser Frühling in uns erregt
Zwei neue lebendige Welten,
Die ewig möchten süß bewegt
Das Höchste einander gelten,
Die rastlos verlangend und nie genug
Mit Fragen, ahnungsvollen,
In seligem Hin- und Wiederzug
Einander ergründen wollen.
______
Ludwig August Frankl
(1810-1894)
Portrait
Lächelnd kam sie hergegangen,
Stille Wehmuth in dem Blick,
Bleichen Vorwurf auf den Wangen
Von
geheim erfülltem Glück.
Nur die Lippen sanft gezogen
Brannten wie in Rosenblut -
Haben sie's der Wang' entsogen?
Ist es von der Küsse Glut?
_____
Agnes Franz (1794-1843)
Des Knaben
Geheimniß
Ich trage zwei Wörtlein im Herzen,
Die haben im Busen nicht Raum;
Die möcht' ich laut singen und sagen,
Sie nennen den Nächten, den Tagen,
Kundgeben im Wachen und Traum.
Die Sterne am nächtlichen Himmel,
Sie lauschen mit mildem Gesicht,
Sie lauschen, und blicken, und nicken,
Als theilten sie gleiches Entzücken,
Und flimmern im freundlichsten Licht.
Es lauschen die Blumen der Aue,
Und lächeln, und bleiben nicht kalt;
Sie äugeln gar spaßhaft zur Sonne,
Und zittern und glühen vor Wonne,
Und necken mich stets mannichfalt.
Das Bächlein auch hat mich verstanden,
Und hüpft mit dem blühenden Strauß,
Der träumend den Händen entglitten,
Mit zärtlichem Murmeln und Bitten
Hinab zu der Schäferin Haus.
Ach, Allem, was lebet und liebet,
Dem möcht' ich mich freudig vertrau'n.
Frei möcht' ich das innerste Leben,
Frei Allen mein Liebesglück geben,
Die forschend ins Auge mir schau'n.
Nur Einer nicht; - Einer verschließet
Sich immerdar Seele und Mund; -
Sie hat mich mit Fesseln umwunden,
Sie hat mir die Sprache gebunden,
Macht stumm mich zur seligsten Stund.
Ich wünschte, es schwatzten die Sterne!
(Ich zürnte Verräthern noch nie!)
Ich wünschte, es plauderten leise
Die Blumen, die Bächlein im Kreise,
Und drängten sich flüsternd um sie.
Da würde sie staunend vernehmen,
Was heimlich die Wange mir blich,
Da würde von Blumen und Sternen
Vielleicht sie das Wörtlein erlernen:
Ich liebe, ich liebe nur Dich!
_____
Geheimniß
Wer nennet mir das zarte Band,
Von Engeln gewoben mit leiser Hand,
Unsichtbar jedem Menschenblick,
Doch fest und wahr wie des Himmels Glück? -
- Still schmiegt sich's um die Menschenbrust,
Zieht Seele an Seele unbewußt;
Kann keiner die dunkle Gewalt auch erklären:
Er muß ihrem heiligen Zuge gewähren.
Wer schließt des Blickes Macht mir auf,
Von der Seele steigend zum Aug' hinauf?
Das Wort, so dunkel und doch so wahr
Wie ein Schwur, verbürgt von der Engel Schaar?
- Still fällt er in des Herzens Grund,
Giebt seine Allmacht der Seele kund;
Was keine Sprachen der Sterblichen nennen,
Kann Liebe im Blicke der Liebe erkennen.
Wer deutet mir das Morgenroth,
Das Leben wecket aus Nacht und Tod?
Der Hoffnung ersten Schimmer - so süß
Wie Engels Grüße vom Paradies? -
- O, wem der selige Aufgang gelacht,
Wem die Liebe geleuchtet in seine Nacht:
Durch alle Himmel, durch alle Zeiten
Wird Sehnsucht nach ihr die Flügel breiten.
_____
Else Galen-Gube (1869-1922)
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt …
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee,
und du, du wandelst nicht mehr
zum Grottenplatz am Erlbuschsee.
Und jede Spur, sie ist verweht,
wo wir gelagert, Brust an Brust,
verweht das stille Veilchenbeet,
das manch
Geheimnis mitgewußt.
Wer ruft nach mir? – Ein Seufzer glitt
aus meiner Brust im Sehnsuchtsweh …
Wo einst dein Fuß auf Rasen schritt,
liegt heut der weiße Winterschnee. - -
_____
Emanuel Geibel (1815-1884)
Mein süß
Geheimniß, wie verberg' ich's nur!
O, schwer ist's auch, den Kelch der Liebe schlürfen
Und Niemand auf der Welt es sagen dürfen,
Welch unergründlich Heil uns widerfuhr.
Mir ist, es müßt' in Funken unverhüllt
Mein lodernd Glück aus meiner Seele springen,
Wie Glocken müßt's in meiner Stimme klingen,
Daß all mein Leben selig sich erfüllt.
Doch seh' ich dich alsdann beim Morgenlicht
So harmlos walten in der Schwestern Kreise,
Dem Gaste freundlich nach gewohnter Weise,
Nur stummer noch, wie sonst, dann fass' ich's nicht;
Dann dünkt ein Traum mir dieser Sonnenschein,
Ein Schattenspiel der Tag und sein Gewimmel -
Wann kommst du wieder, Mond, und blickst vom Himmel
Auf unsre süße Eisamkeit zu Zwei'n!
_____
O schneller mein Roß, mit Hast, mit Hast,
Wie säumig dünkt mich dein Jagen!
In den Wald, in den Wald meine selige Last,
Mein süßes
Geheimniß zu tragen!
Es liegt ein trunkener Abendschein
Rothdämmernd über den Gipfeln,
Es jauchzen und wollen mit fröhlich sein
Die Vögel in allen Wipfeln.
O könnt' ich steigen mit Jubelschall
Wie die Lerch' empor aus den Gründen,
Und droben den rosigen Himmeln all
Mein Glück, mein Glück verkünden!
Oder ein Sturm mit Flügelgewalt
Zum Meere hinbrausen, dem blauen,
Und dort was im Herzen mir glüht und schallt
Den verschwiegenen Wellen vertrauen!
Es darf mich hören kein menschlich Ohr,
Ich kann wie die Lerche nicht steigen,
Ich kann nicht wehn wie der Sturm empor,
Und kann's doch nimmer verschweigen.
So wiss' es, du blinkender Mond im Fluß,
So wißt es, ihr Buchen im Grunde:
Sie ist mein, sie ist mein! Es brennt ihr Kuß
Auf meinem seligen Munde.
_____
Sei gesegnet das Haus und gesegnet die Flur,
Wo ein Herz einst das Wunder, zu lieben, erfuhr!
Denn die Lieb' ist der Strahl, der aus Eden uns blieb,
Als der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.
O selig
Geheimniß, das Keiner erräth,
Wenn, was jüngst noch so fremd war, sich schauernd versteht,
Und erlöst' von dem Selbst, das in Asche verstiebt!
Sich die Seele der Seele zu eigen ergiebt!
Da weht es wie Frühling vom Himmel in's Herz,
Und es blühn die Gedanken, wie Veilchen im März;
Du vollendest im Spiel, was dir nimmer gelang,
Und das Auge wird Glanz, und das Wort wird Gesang.
Wohl enteilt sie geflügelt, die köstliche Zeit,
Und mit Scheiden und Meiden kommt einsames Leid.
Doch die Thräne der Sehnsucht, entrollt sie auch heiß,
Ist süßer als Lust, die von Liebe nicht weiß.
Drum gesegnet das Haus und gesegnet die Flur,
Wo ein Herz einst das Wunder, zu lieben, erfuhr!
Denn die Lieb' ist der Strahl, der aus Eden uns blieb,
Als der Engel des Schwertes den Ahnherrn vertrieb.
_____
Stefan George (1868-1933)
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell
geheim und schlicht
Begleitest mich auf sonnigen matten
Umschauerst mich im abendrauch
Erleuchtest meinen weg im schatten
Du kühler wind du heisser hauch
Du bist mein wunsch und mein gedanke
Ich atme dich mit jeder luft
Ich schlürfe dich mit jedem tranke
Ich küsse dich mit jedem duft
Du blühend reis vom edlen stamme
Du wie ein quell
geheim und schlicht
Du schlank und rein wie eine flamme
Du wie der morgen zart und licht.
_____
Hermann von Gilm (1812-1864)
Nicht flüsterndes Gespräch, kein Händedrücken,
Auch keine Küsse und dergleichen Sachen
Giebt's zwischen uns – zwei Ufer ohne Nachen
Zwei ferne Ufer sind wir ohne Brücken.
Verbunden nur mit stummen Liebesblicken;
Das sind die Schwalben, die die Boten machen,
Beladen mit dem sinnenden Entzücken,
Mit dem die Mütter ob den Kindern wachen.
O halt' des Herzens Knospe unter'm Riegel
Und wach' und bete, daß das süße Siegel
Sich nie von unserem
Geheimnis schält.
Denn ist die Rose einmal aufgebrochen
Und ist die Liebe einmal ausgesprochen,
So sind auch ihre Tage schon gezählt.
_____
Raphaele
Wohin, o Mensch? Woher bist du gekommen?
Das sind die metaphysisch dunkeln Fragen,
Die manches edle Menschenherz benagen,
Von sternenloser Zweifelsnacht beklommen.
Was dich in unser Erdenthal getragen,
Das weiß ich längst; aus deinen himmlisch frommen
Und schönen Augen hab' ich es genommen,
Die kindlich plaudernd das
Geheimnis sagen.
Sei mir nicht böse, wenn ichs nacherzähle!
Du warst die einz'ge Frauenengelseele,
Daß auch im Himmel Weiblichkeit regiere.
Nicht herrschen, - lieben wollte Raphaele;
Da wies der Schöpfer ängstlich ihr die Thüre,
Daß sie ihm seine Engel nicht verführe.
_____
-
Felix Grafe (1888-1942)
Nacht
im Garten
Schön ist es wohl,
wenn über dem blühenden Dill
Segler ihre gestreiften Flüge ziehen,
aber tiefer zittert das
Geheimnis,
wenn seine funkelnden Kreise hinflutet
zärtliches Gestirn der Liebenden
über Nachtschatten und Jasmin.
Sieh, schon zog sie herauf,
die glühende Dämmerung.
Ängstlicher schmiegst du
an den Geliebten dich an,
aufblickend mit verdunkelten Augen
in das wolkenlose Tal.
Hingezogen in schimmernde Welle
weckt dir der Hauch des Windes
Erinnerung an Gärten der Kindheit.
Wie fern dies alles, fern und hingespült
mit unsichtbaren Händen aus dem Herzen.
Freundlicher wird schon der Abend,
später Sonne errötender Hauch
führt dem Liebenden schreibende Finger.
_____
Der Liebende schreibt
Heilig
geheimes Gesicht!
Runen, der schweigenden Stirne eingegraben!
Die aus dem Brunnen der Lieb getrunken haben,
halten in schützender Hand ein flackerndes Licht.
Oh wie nahe der Haß!
Nahe der Liebe! Schwankende Schale der Tage!
Süße Schale - bitteres Glas der Klage!
Tau im Frühling! Kissen von Tränen naß!
Küsse und Sehnen bei Nacht!
Stürzte dir purpurn der Mond durch die weißen Scheiben?
Oh die heiße, die drohende Brücke: Bleiben - Treiben - und Schreiben
zitternd erwachst du, weil dir der Liebende wacht.
Welt ist Spiegel und Spiel -
Goldene Spindel des Schicksals spinnt dir goldene Tage -
Aber aus bitter süßen Gespräch der Liebenden neigt sich die Wage
schwer herab wie zum Kuß und du sprichst:
Dies ist das Ziel, da der Tau der Liebe mir auf die Lippe fiel!
_____
Am Morgen der Liebe
Ein Taubenpaar entschwirrt der goldnen Frühe,
Es lockt ins Licht ihr liebestrunkner Flug.
Verschlafne Mägde schöpfen schon den Krug
Und stampfend stehn im Staub die braunen Kühe.
Da heb' auch ich mein Herz aus Qual und Mühe
Hinauf zu dir - ich litt des Leids genug -
Von allen heißen Wünschen, die ich trug,
Blieb einer nur, von dem ich atmend glühe.
Ich wünschte, daß aus Herzens holder Tiefe
Geheimnisvoll dein Mund mir küssend riefe,
Mich wie ein schlummernd Kindlein festzusaugen
Am Brunnen deiner Lippen und zu trinken
Den ewigen Kuß des Leids - und zu versinken
Tief in der Himmelsbläue deiner Augen.
_____
-
Julius Grosse (1828-1902)
Im
lärmenden Tag, im stürmenden Drang
Im lärmenden Tag, im stürmenden Drang
Die Stunden kommen und gehen;
Ein süßes
Geheimniß schon jahrelang
Blieb leuchtend darüber stehen.
Im rauschenden Wald, am rollenden Meer,
Am Freundesherde, dem warmen,
Wandelt' es lächelnd neben mir her,
Umschlang mich mit weichen Armen.
Und sinken die Nebel in dunkler Luft
Auf todtenstiller Haide,
So spielt es und singt wie im Sonnenduft
Mitten im nächtigen Leide.
Droben die Sterne, drunten die Seen,
Rings trauernde Einsamkeiten -
Fühl' ich in mir deine Seele wehn,
Wandl' ich in Ewigkeiten.
_____
Du kehrst nun in das Märchenreich zurück
Du kehrst nun in das Märchenreich zurück,
Aus dem du morgenklar gekommen.
Wer dich geschaut, ein
heimlich Glück
Hat er auf seine Fahrt mit sich genommen.
Mir bist du nun ein goldner Morgentraum,
Ein süßer, ewig unvergessen.
Solch heil'gen Frieden giebt kein Baum
Voll Myrthen selbst, als trauernde Cypressen.
Und deine Schönheit strahlt
geheimnißvoll
Hinfort auf alle meine Lieder,
Ich hab' geschaut, was Keiner soll:
Die Sonne meiner Seele sank mir nieder.
Doch alle Zukunft liegt im sanften Glanz
Von deinem süßen Zauberbilde,
Gleichwie im Mondenlichte ganz,
Das wiederstrahlt verschwundne Sonnenmilde.
_____
-
Alfred Grünewald
(1884-1942)
Geheimnis
Als sie mich fragten, woher ich kam,
verriet ich keinem, von dir.
Und als sie mir sagten: "Du glühst wie in Scham!",
kühlt' ich die Wangen mir.
Und als sie staunten: "Was macht dich so froh?",
tat ich dem Lächeln Gewalt.
Doch als sie raunten: "Was zitterst du so?",
sprach ich: "Die Nacht kommt bald."
_____
-
Ida von Hahn-Hahn
(1805-1880)
Keine
Fragen!
Was dringet ihr mit Fragen
Neugierig auf mich ein? -
Ich weiß euch nichts zu sagen,
Mein ist's
Geheimniß, mein!
Was soll ich euch erzählen
Von meiner süßen Lieb';
Der Aufschluß wird euch fehlen,
Mir selbst er ferne blieb.
Zwar kann ich euch verkünden,
Mein Lieben war wol schön,
Wie's selten ist zu finden, - -
Doch fragt mich nur nicht – wen? -
Mein Herz war schnell verloren;
Ich ging im Traum herum,
War dann wie neugeboren - -
Doch fragt mich nicht – warum? -
Mit ew'ger Wonne blickte
Ich ihm ins Auge froh,
Sein Dasein mich entzückte - -
Doch fragt mich nur nicht – wo? -
Die goldnen Stunden flogen
Zu flüchtig uns dahin;
Auch er ist fortgezogen - -
Doch fragt mich nicht – wohin? -
Ich meinte, überstehen
Würd' ich die Trennung nie,
Und doch, doch ist's geschehen - -
Doch nimmer fragt mich – wie?!
_____
-
Robert Hamerling
(1830-1889)
Ihr Auge
Ach jene tiefdurchdringenden,
In aller Näh' und Ferne
Den Herztribut erzwingenden,
Tiefdunklen Augensterne,
Sie schleudern, wie der prächtige
Demant'ne Sternenkranz,
Ins ird'sche Grau'n, ins nächtige,
Der Schönheit Wunderglanz.
Sie glüh'n, als geistdurchleuchtete
Krystall'ne Zauberbronnen,
Von ird'schem Tau befeuchtete,
Gedämpfte Himmelssonnen!
Mir ist, als ob sich spiegelte
Im Wunder ihres Scheins
Das nie so rein entsiegelte
Geheimnis höchsten Seins:
Die Welten, sie durchdringen sich,
Und seit dem ersten Werde
In Liebesdrang umschlingen sich
Der Himmel und die Erde;
Doch schöner nie entzündete
Sich dieser hohe Bund,
Als er sich mir verkündete
In deines Auges Grund!
_____
Um Mitternacht
Du liebes Kind, komm! lege das schöne Haupt
An meine Brust! Sieh', selber der Sterne Glanz
Erstarb, der Mond wich, Mitternacht zog
Zwischen der Welt nun und uns den Schleier!
Des Tages Last, Leid, quälende Sorge liegt
Nun hinter uns. Nein – ganz in den Schoß der Nacht
Versanken Raum, Zeit, Welt und Schicksal,
Rollten hinab in des Todes Abgrund!
O Liebste, sag' mir's, gab es denn eine Welt,
Ein leerer Traum war's! Ach, und nur wir allein
Wir leben, wir nur lebten, träumten,
Schufen im Traume die bunte Welt uns!
Wozu auch wär' sie? Ist doch ein liebend Paar
Schon ganz die Welt, löst ganz schon des höchsten Seins
Geheimnis. Wenn wir Herz an Herz ruh'n,
Ist er geschlossen, der Ring des Lebens!
_____
Du
Noch zarter, als die ich dir sang, die Lieder,
Noch süßer als ein Kuß, von dir gegeben,
Ist jenes holde Du, mein süßes Leben!
Das traulich zwischen uns geht hin und wieder.
Ein Vöglein scheint es mir im Glanzgefieder,
Dess' gold'ne Schwingen leise zu mir streben;
Mein Ohr berührt's in wunderholdem Schweben,
Und läßt zuletzt sich mir im Herzen nieder.
Zu künden das
Geheimnis ganz, das süße,
Versuchten wir mit Worten leeren Schalles:
Nun fanden wir den sprechendsten der Grüße.
Was braucht es noch des Reims und Silbenfalles?
Was selbst der Liebesblicke, Thränen, Küsse?
Mit einem Wörtchen sagen wir uns Alles.
_____
-
Otto Erich Hartleben
(1864-1905)
... O wüsstest du, wie hold mit Übermacht
das Zucken jeder Fiber dich durchwühlt,
wenn meine Lippen sprachlos Wonne flüstern
in deinen Leib ... O wüsstest du, wie wild
im Taumel deine Glieder beben lernen,
als wollten sie dem Leben sich entwinden
und ewig glühn in Wollustfieberflammen ...
O wüsstest dus! - Es ist ein Wunder, ja!
Und wer da zweifelt, wird es nimmer finden,
doch glaube nur, ach, lehne dich zurück,
gieb über deine Glieder mir Gewalt -
und wie dem Trüben, dem die Sonne langsam
aufschliesst das Herz, bis sie ihn warm durchströmt,
so wird auch dir ein unaussprechlich Glück,
berauschend ein
Geheimnis sich enthüllen.
_____
-
Julie von Hausmann
(1826-1901)
Ein wunderbar
Geheimnis ist
Die Lieb' in GOtt geweiht,
Sie wirket still, sie waltet frei
Hoch über Raum und Zeit.
Je mehr sie gibt, je reicher wird
Sie selbst an Wärm' und Glück,
Und, wie von GOtt sie kommt, so führt
Sie auch zu GOtt zurück.
_____
-
Friedrich Hebbel
(1813-1863)
Liebesgeheimnis
Du nennst die Liebe ein entzückend Träumen,
Ich nenne sie ein schmerzliches Erwachen;
Wir fühlen uns in öden Schlummers Räumen
Gekettet an unwürdig-nichtge Sachen,
Wir schauern, es ergreift uns, ohne Säumen
Frei für das hohe Leben uns zu machen,
Allein, wir Armen sind gar fest gebunden,
Bald ist der Mut, das Sehnen auch, entschwunden.
Ein müder Pilger kommt aus weiter Ferne,
Er streckt sich hin, zu dumpfem Schlaf ermattet.
Durch milden Blütenregen weckt ihn gerne
Der Baum, der still und freundlich ihn beschattet.
Halb wacht er schon. Da leuchten alle Sterne,
Ihn kühlt ein Hauch, mit dem ein Duft sich gattet,
Der ganze Himmel neigt sich auf ihn nieder,
Er seufzt: ein Traum! und schließt die Augen wieder.
_____
Das
Geheimnis der Schönheit
Was ist es, das an alle deine Schritte
Uns fesselt und das Herz uns schwellt,
Und uns zugleich in diese reine Mitte
Von heilger Scheu und süßer Neigung stellt?
Zwar scheinst du, wie aus einer lichtern Sphäre
In unsre Nacht hinabgetaucht,
Als ob der Duft in dir verleiblicht wäre,
Den still der Lotos in die Lüfte haucht.
Doch ists nicht dieser Zauber, der uns bindet,
Uns trifft ein höherer durch ihn,
Bei dem die Seele schauernd vorempfindet,
Wie alle Welten ihre Bahnen ziehn.
Du magst dein Auge senken oder heben,
Den Reigen führen oder ruhn,
So spiegelt sich das allgemeine Leben,
Dir selbst
Geheimnis, ab in deinem Tun.
Du bist der Schmetterling, der auf den Flügeln
Den Schlüssel zu der Schöpfung trägt
Und sie im Gaukeln über Au'n und Hügeln
Vorm Strahl der Sonne auseinander schlägt.
Du folgst nur einem flüchtigen Verlangen,
Nur einer Wallung der Natur,
Wenn wir mit trunknen Blicken an dir hangen,
Als zög ein neuer Stern die erste Spur.
Du pflückst in einer kindlich-leichten Regung
Dir Blüte oder Frucht vom Baum
Und weckst durch eine liebliche Bewegung
In uns den frühsten Paradieses-Traum.
Heil uns, daß du in unbewußtem Walten,
Wenn du auch selbst nur spielen willst,
Durch deiner Schönheit leuchtendes Entfalten
In uns das ewige Bedürfnis stillst.
_____
-
Heinrich Heine (1797-1856)
Die blauen Frühlingsaugen
Schaun aus dem Gras hervor;
Das sind die lieben Veilchen,
Die ich zum Strauß erkor.
Ich pflücke sie und denke,
Und die Gedanken all,
Die mir im Herzen seufzen,
Singt laut die Nachtigall.
Ja, was ich denke, singt sie
Lautschmetternd, daß es schallt;
Mein zärtliches
Geheimnis
Weiß schon der ganze Wald.
_____
Sorge nie, daß ich verrate
Meine Liebe vor der Welt,
Wenn mein Mund ob deiner Schönheit
Von Metaphern überquellt.
Unter einem Wald von Blumen
Liegt, in still verborgner Hut,
Jenes glühende
Geheimnis,
Jene tief
geheime Glut.
Sprühn einmal verdächtge Funken
Aus den Rosen - sorge nie!
Diese Welt glaubt nicht an Flammen,
Und sie nimmts für Poesie.
_____
-
Ludwig Jacobowski
(1868-1900)
Mysterium
- Wie fahler Irrlichtschein
Den einsamen Wanderer
Lockt in Todespein,
So deines Leibes knospenhaft
Blühende Pracht
- Im Dunkel der Nacht
Dem Unstet Verdammten
Fieberhaft winkt.
Schweratmend mit heißem Blut
Nachstürzt er der Flammenglut,
Tausend Wonnen er gierig trinkt.
- Im Erschöpfungdampfe der Leidenschaft
- Wandelt riesengroß-schattenhaft
Das große
Geheimnis
Des Lebens ...
_____
Wilhelm Jordan (1819-1904)
Beim
Meeresleuchten
Es trägt uns der Nachen hinaus in die Nacht,
Es wiegen die Wellen uns wohlig und weich,
Wir sitzen in seeligem Sinnen.
Hoch über uns stehen die Sterne so still
Und unter uns rieselt vom Ruder erregt
Ein Geleise von lebenden Lichtern.
Dies reizende Räthsel, wie deut ich es recht?
Was zündet entzückend dies Zauberlicht
Und entfacht in der Feuchte die Funken?
Beneiden die Nixen der Nacht ihren Schmuck
Und bemühn sich zu modeln der Milchstraße Pracht
Aus magischen Meerdiamanten?
Doch nirgend sonst flimmert die nächtliche Fluth
Als da wo das Boot mit uns Beiden an Bord
Die Finsterniß fahrend gefurcht hat.
Was uns strebend und streitend die Herzen umstrickt,
Entströmt es der Brust? Macht dies Wellengestrahl
Offenbar was wir Beide verbergen?
Wir wagen kein Wort, wir wissen zu wohl,
Es läg' entlarvt im leisesten Laut
Der Herzen holdes
Geheimniß.
Doch von unserm Gemüth ist das mächtige Meer
Ein Gleichniß geworden: es glüht und erglänzt
Von Lust und Verlangen und Liebe.
_____
Gottfried Kinkel (1815-1882)
Süß ist die mitternächtige Stunde,
Die weit die Herzen offen schließt,
Wenn von des Liebchens jungem Munde
Manch traut
Geheimniß sich ergießt.
Sie plaudert kindisch, bang, bescheiden
Von Mädchentand, der sie umgiebt,
Sie beichtet, wie mit stillem Leiden
Sie heimlich dich schon lang geliebt.
_____
Minna Kleeberg (1841-1878)
Ein Händedruck
Geheime Liebe willst du zeigen,
Die deines Herzens Glück und Schmuck? -
O laß von ihr die Lippe schweigen
Und zeig' sie nur im Händedruck.
Vertrau' dem Auge nicht, dem raschen,
Der Seele Lust, der Seele Glück;
Es möchte kalt die Welt erhaschen
Den ersten, heißen Liebesblick.
Du darfst zu der Geliebten gehen
Und drücken ihr die weiche Hand,
Da wird die Liebe dich verstehen,
Ob alle Welt dich nicht verstand.
Ein Händedruck ist Seelenspende,
Ist Sprache, die nur Liebe kennt.
Wo Liebe band die treuen Hände,
Hat nimmer sie die Welt getrennt!
_____
Nur einmal
Ich möchte nur einmal, Geliebter du,
Deine Augen küssen und - weinen,
Nur einmal bergen mein Haupt zur Ruh'
An deinem Herzen, dem reinen.
Nur einmal möcht' ich ergründen ganz
Deiner Seele
geheimste Tiefen
Und Worte vernehmen voll Licht und Glanz,
Die im Geiste dir schaffen und schliefen.
Wie würde zu neuem Leben mich weih'n
Deiner Liebe sonniger Schimmer!
Nur einmal nenne mich dein, nur dein -
Nur einmal? - nein, ewig und immer!
_____
Gustav Kühne (1806-1888)
Mußt' ich wieder reden:
O wundersamer Liebesrausch,
Wer faßt dein
geheimstes Leben?
Unnennbar süßer Seelentausch,
Wie deine Zauber weben!
Du gabst Dich mir, ich gab mich Dir
Im Wechselspiel der Liebe,
Daß Lust und Leid nun für und für
In ewiger Eintracht bliebe.
Es brach Dein stiller Kindertraum
Vor meinem Schmerz zusammen,
Und unsrer Freude Weihnachtsbaum
Steht doch in hellen Flammen.
_____
Sprach sie zu mir:
Laß mich zittern, laß mich beben,
Aber zweifle länger nicht,
Daß ich mein
geheimstes Leben
Dir geweiht zu süßer Pflicht.
Lippen, Herz und Mund und Wangen,
Und der Seele tiefster Schooß -
Eint mit Dir sich im Verlangen;
Dich zu lieben ist mein Loos.
Deine Zweifel können tödten -
Und doch wär' ich sterbend Dein:
Sieht die Nacht nicht mein Erröthen,
Kann ich frei und offen sein.
Du zerstörst mir meinen Himmel,
Mühst Dich selbst in bittrer Qual, -
Jage fort Dein Angstgewimmel,
Sei doch fromm und still zumal!
Küss' ich Dich, so muß ich zittern,
Denn Dein Athem glüht und bebt:
Warum soll es denn gewittern,
Wenn die Sonn' uns hell umschwebt?
Nasche doch vom Glück der Stunden,
Zukunft liegt mir viel zu weit:
Als ich Dich, Du mich gefunden,
Der Moment hat Ewigkeit.
_____
Nachtgeheimniß
Andächtig lauschend, sinnend still versunken,
Als wenn ein ferner Geisterton mich rief,
Hab' ich am Liebesurquell tief getrunken,
Berauscht, betäubt, als wenn die Seele schlief.
Geheimnißvolles Licht! dein Sterngefunkel,
Ich sah es wogen leis' im Dämmerschein.
Es war mir hell im nächtlich stillen Dunkel,
Ein süßer Schauer floß durch mein Gebein.
So sind die Schranken alle denn entriegelt,
In's Bad des Lebens taucht' ich wonnescheu,
Der Räthsel räthselvollstes liegt entsiegelt,
Ein altes Wunder und doch ewig neu.
Ich glaubte sonst, die Welt sei dumpf verschwiegen:
Nun hat sie ihr
Geheimstes ausgehaucht;
Den Schooß des Daseins seh' ich offen liegen,
In den sich meine Seele tief getaucht.
Nun weiß ich, was den Lauf der Sterne zügelt:
O süß Empfängniß, heilig, wunderbar!
Nun weiß ich, wie zur Brautnacht still beflügelt
Gott und Natur verschmilzt auf immerdar.
_____
Höchstes Glück
Nenne mir der Augenblicke
Seligsten im Liebesharm!
Denk' an alle Zeit zurücke,
Wo wir ruhten Arm in Arm.
Welcher aller Hochgenüsse
Mag für uns der schönste sein?
War's der Wirbelhauch der Küsse?
War's der Sehnsucht Wonnepein?
War's, wie Du zum ersten Male
Mir in's tiefste Herz geschaut?
Oder mit dem Augenstrahle
Mir Dein Seelenglück vertraut?
War's, wenn unsre Adern glühten?
Oder in der Zweifel Noth,
Ob die Augenblitze sprühten
Leben oder Liebestod?
War's, als durch den Thränenschleier
Sich Dein Blick in Wehmuth brach?
War's die heilig dunkle Feier,
Als die Nacht still um uns lag?
O du tief
geheimstes Beben!
Ich durchschwelgte all' dein Glück,
Aber Eins im Liebesleben
Kehrte niemals mir zurück.
Als Du gabst warum ich flehte,
Stiller Blicke Zauberlicht,
Keuscher Morgenathem wehte
Um Dein schüchtern Angesicht.
Zitternd reichtest Du die Lippen,
Erster Regung Stillgenuß -
Ach! es war nur scheues Nippen,
Reinster Liebe erster Kuß.
_____
Mein selig Kind ist fromm und gut
Und weiß nichts von der Welt,
Weiß nur, daß Gott im Herzen ruht,
Nicht blos im Himmelszelt.
Da draußen wogt und webt Natur
So wie es ihr gefällt,
Ganz tief
geheim ist Gottes Spur:
Gott ist das Herz der Welt.
Am Pulsschlag, wie er klopft und geht,
Erkennst Du, was Dich hält;
Nur wenn das Herze stille steht,
Dann erst zerbricht die Welt.
_____
Karoline Leonhardt
(1811-1899)
Geheimes Lied
Noch hör' ich Dich beim Abschied sagen:
Ich kehre bald zu Dir zurück!
Du schalt'st nicht meine leisen Klagen,
Und weil'st noch fern von mir, mein Glück?
Doch bin ich froh, blüht Dir nur Freude,
Mein bleibst Du stets mit treuem Sinn;
Du weißt ja nicht, daß ich jetzt leide
Und fern von Dir so traurig bin!
Den Stunden möcht' ich Flügel geben,
Denn jede bringt Dich näher mir,
Ein Band von Liebe will ich weben
Und Dich dann immer halten hier.
Doch glaub' nicht, daß ich Andre neide,
Wo Dir das Glück blüht, ziehe hin!
Du weißt ja nicht, daß ich jetzt leide
Und fern von Dir so traurig bin.
O fühltest Du des Herzens Qualen,
Das bang und ahnend zu mir spricht;
Ob Hoffnung und Erinn'rung stralen,
Sie sind doch nur ein Dämmerlicht!
Doch darum, Freund, nicht früher scheide,
Ist auch Dich sehen mein Gewinn.
Du weißt es nicht, daß ich jetzt leide
Und fern von Dir so traurig bin.
_____
Gleiche Stimmung
Wenn du die Liebe kennst, so frage
Mich nie, warum ich traurig bin;
Verstehe meine stille Klage
Und nimm mein süß
Geheimniß hin.
Kennst du die Liebe nicht, so wähle
Ich niemals zur Vertrauten dich;
Denn nur mit gleichgestimmter Seele
Erkennest und verstehst du mich.
_____
Heinrich Leuthold
(1827-1879)
Die Wurzel des Uebels
Mein Kind, das ist der Grund des Uebels:
Ich kann bei dir nicht stündlich sein;
Sonst kämst du nicht auf den Gedanken,
Das Küssen könnte sündlich sein.
Das Gegentheil will ich beweisen;
Doch, soll die Wirkung gründlich sein,
So muß vor Allem das Verfahren
Sowohl
geheim als mündlich sein.
_____
Sei getrost!
Späte Reue schreckt dich vielleicht vom Pfühl auf,
Mein gedenkend bebt dir das Herz und über
Deiner strengen, edelgewölbten Stirne
Lagert ein Schatten.
Sei getrost! kein kosend vertraulich Wort soll
Je verrathen, was in verschwieg'nen Nächten
Deine stolzen Lippen mir unter süßem
Sträuben gestammelt.
Nur ein Wink und rasch nach entleg'nen Ländern
Trägt das Meer mich; Perlen und Räthsel birgt es
Tief im Schooß; doch tiefer im Herzen hüt' ich
Unser
Geheimniß.
_____
Hieronymus Lorm (1821-1902)
Nicht zu verschweigen
Sollt' ich meine Lieb' wie eines sünd'gen Traumes Macht verschweigen?
Wird der Himmel seine Sterne, Frühling seine Pracht verschweigen?
Meiner Seele Sterne flammen und ihr Frühling ist erstanden,
Nimmer will ich was an Licht und Duft ihr ward gebracht verschweigen.
Mag's die Trauerweide flüstern, mag's die Quelle weiter sagen,
Wird es doch der Mond, der meine Einsamkeit bewacht, verschweigen.
Darf ich's nicht dem Tag und seinem hellen, lauten Hohn erzählen,
Sollt ich's drum der stille lauschend liebevollen Nacht verschweigen?
Ihre streng' geschloss'ne Lippe wahrt mein duftiges
Geheimniß,
Doch ich will's drum nicht der Lippe, die so rosig lacht, verschweigen.
Gierig lauscht die Welt den Kunden von entfachten Kriegesflammen,
Und ich sollt' ihr meines Busens liebeheiße Schlacht verschweigen?
Nein! Selbst wenn die Sargesdeckel über mir zusammenfallen,
Die von Leid und Lust die ganze, schwere Lebensfracht verschweigen,
Wird mein Herz noch über'm Moder als ein heller Demant funkeln,
Der nicht seinen Liebesschimmer will dem Gräberschacht verschweigen.
_____
Liebeszauber
Es giebt ein tief
geheimnißvolles Walten,
Zwei Herzen, die sich lieben, zu verknüpfen:
Ein Zauber ist's im Wort nicht festzuhalten,
Und dem Erforschen wird er stets entschlüpfen.
Es ist ein seelenvoll Beisammenfühlen,
Ein körperlos verschwieg'nes Wonnebringen!
Sie dürfen vor der Welt, der fremden, kühlen,
Sich unsichtbar mit süßer Glut umschlingen.
O, wenn du liebst mit Worten nicht und Liedern,
Nur mit dem Glück, das dich verklärt, gestehe!
Verlang' von ihren Lippen kein Erwidern
Und fühl' es nur im Zauber ihrer Nähe.
Doch fühlst du nicht, ihr nah, sie ganz dein eigen,
Scheint dich ein herber Bann von ihr zu trennen,
Dann ist dein einz'ger Halt noch das Verschweigen
Und deine Todeswunde das Bekennen.
_____
Verschwiegen
Es hat sich mir auf dieser Erde
Ein Himmel heimlich aufgethan,
Zu dem aus Trübsal und Beschwerde
Empor mich trägt ein holder Wahn.
Mir leuchten schön beseelte Züge
Der Frau, der still mein Herz gehört,
Die ich zu lieben mich begnüge,
Ihr selbst verborgen, ungestört.
Wenn mich ein einzig Wort verriethe,
Schon wär's an meinem Glück Verrath,
Dem ich allmächtig nur gebiete
So lang's Gedanke blos, nicht That.
Ein heißer Blick, ein Druck der Rechten,
Die Klage sehnsuchtsvollen Drang's
Giebt Preis das Glück den finstern Mächten
Der Lebensqual, des Untergang's.
Geheimniß, das mich süß umsponnen,
Sei nicht dem Schicksal anvertraut!
Durch Schweigen bin ich ihm entronnen,
Ob vor der Einsamkeit mir graut.
Doch wenn mein Träumen ich verhülle
Der Erde räuberischem Neid -
Mich trägt der Wahn, daß sich's erfülle
In unbegriffner Ewigkeit.
_____
Vereinigung
Geliebte Frau, in deinem Arm
Umfängt mich eine Welt der Ferne,
Ich lese klar die Schrift der Sterne,
Geliebte Frau, in deinem Arm.
Was ich in jenen Höhen lerne,
Besiegt der Erde nahen Harm.
Geliebte Frau, in deinem Arm
Umfängt mich eine Welt der Ferne.
Was Himmelssterne mir vertraut,
Von deinen Lippen wird's besiegelt;
Ein ird'scher Stern, dein Auge, spiegelt,
Was Himmelssterne mir vertraut. -
Des All's
Geheimniß ist entriegelt!
Ich glaube, spricht's auch ohne Laut,
Was Himmelssterne mir vertraut:
Von deinen Lippen wird's besiegelt!
Denn liebessel'ger Vollgenuß
Ist Himmelreich im Raum der Stunde.
Was spricht mit kußverschlossnem Munde
Denn liebessel'ger Vollgenuß?
Daß fromme Sehnsucht ist im Bunde
Und Glut der Andacht mit dem Kuß!
Denn liebessel'ger Vollgenuß
Ist Himmelreich im Raum der Stunde.
_____
Das Herz
Das Herz, so klein in seinem Raum,
Das Herz, so groß in seinem Traum,
Es schlägt in enger Menschenbrust
Und faßt des Erdballs Schmerz und Lust.
Beständig spricht's mit seinem Pochen,
Was Menschenweisheit nie gesprochen;
Hätt's für sein stummes Wort den Mund,
Es gäb das
Weltgeheimniß kund.
_____
Minna von Mädler (1804-1891)
Stumme Liebe
Kennst du dies hohe, himmlische Empfinden,
Den Geistergruß aus unsichtbarer Welt?
Die Seligkeit, der alle Gränzen schwinden,
Die Lust, die Menschen neben Götter stellt?
Den süßen Schmerz, das hoffnungsvolle Bangen,
Die still gepflegte, liebgewordne Pein,
Dies unruhvolle, sehnende Verlangen,
Den flücht'gen Zorn, das schönere Verzeih'n?
Kennst du die Liebe, war sie dir bekannt,
So hast du nie bei'm Namen sie genannt! -
Nein, wahre Lieb' hüllt sich in tiefes Schweigen,
Selbst lichtgeboren, scheut sie doch das Licht,
Die weite Welt, der Himmel ist ihr Eigen,
Doch das Asyl des Herzens läßt sie nicht.
Mit ihren Klagen flieht verschämt die Sonne
Die süßbewegte, holde Nachtigall;
Im Dunkel nur weilt sicher Glück und Wonne
Und im
Geheimniß ruht der Zauber all.
Kennst du die Liebe, war sie dir bekannt,
So hast du nie bei'm Namen sie genannt! -
Sie ruht so still, umwogt von Lust und Sorgen,
So treu von der Gedanken Schaar bewacht,
In tiefer Seele, jedem Blick verborgen,
Wie laut'res Gold im unbefahrnen Schacht.
Wag' beiden nicht den Stempel aufzudrücken,
Sie geh'n von Hand zu Hand, von Mund zu Mund,
Ach, und dein reines, heiliges Entzücken
Wird, ausgeprägt, der kalten Menge kund.
Kennst du die Liebe, war sie dir bekannt,
So hast du nie bei'm Namen sie genannt! -
Und will die lang verhalt'ne Flamme dringen
Aus ihrem Zwange siegend himmelwärts,
Und möchte laut von deiner Liebe singen
Dein froher Mund, dein hochentzücktes Herz:
So juble sie hinauf die Weltenbahnen,
Leih' andern Sternen deiner Sonne Glanz,
Doch wer sie selber ist, darf man nur ahnen,
Denn wahres Glück hüllt sich in Schweigen ganz.
Kennst du die Liebe, war sie dir bekannt,
So hast du nie bei'm Namen sie genannt! –
_____
Rosa Mayreder (1858-1938)
Es glänzt dein Aug in wunderbarer Helle!
Erfüllt von einem mystischen Entzücken
Such' ich
geheimen Sinn in deinen Blicken
Wie in prophetisch dunkler Bibelstelle.
Sie scheinen die unüberschrittne Schwelle
Des Körperlichen leise zu verrücken,
In ein verhülltes Jenseits sich zu brücken
Zu aller Liebe ungekannter Quelle.
Doch kann ich Offenbarung nicht gewinnen;
Es wird, gemischt aus Lust halb und aus Grauen,
Der Zauber mächtiger als das Besinnen.
Und wie ich deine Blicke in mich sauge,
Fühl' ich in diesem weltvergessnen Schauen
Mein ganzes Wesen werden lauter Auge.
_____
Ich lieb' es, unverwandt dich anzuschauen;
Ein holdes Rätsel ist dein Angesicht,
Das unverständlich immer zu mir spricht,
Als sollt' es ein
Geheimstes mir vertrauen.
Erobrerglück verkünden stolze Brauen,
Genoßne Gunst dein Mund, ein Rosenblatt
In goldner Schale, der so lächelnd satt
Der Küsse scheint, gereicht von andern Frauen.
In deinen Augen aber liegt von Trauer
Ein Widerschein, der ihren Glanz umflort,
Wie Himmelsblau, gesehn durch Regenschauer.
Das ist dein Innres, das blieb ungenommen!
Ein tiefes Unbewußtes dämmert dort,
Das nie berührt ward, ehe ich gekommen.
_____
Wenn deine Hände sich um meine legen,
Nimmst du zu eigen mich in solche Haft,
Daß meines ganzen Lebens Halt und Kraft
Entschläft in diesem zärtlichen Umhegen.
Von innen aber zückt ein neu Bewegen;
Erglommen heiß in der Berührung Rausch,
Fühl ich zu ungemeßnem Liebestausch
Des Blutes Welle fluten dir entgegen.
O Hände voll der Gaben, mir so teuer,
Der Lust
geheimstes Wunder tut ihr kund!
Es fließt von euch zu mir ein magisch Feuer,
Verschmelzend ungekannte Elemente,
Die lebend werden erst durch ihren Bund
Und tot sind, wenn sich eins vom andern trennte.
_____
Stephan Milow (1836-1915)
Wer ist's, den bei des Lenzes Walten,
So oft er neu die Erde schmückt,
Nicht jedes jungen Triebs Entfalten
Mit ewig neuer Macht entzückt?
Wenn rings die Stimmen Wonne tauschen,
Klingt so vertraut, was jede spricht,
Und doch – auf unser fragend Lauschen
Will keine uns die Antwort rauschen,
Was sie zur Lust gebar ans Licht.
So bist auch du nicht zu ergründen,
Klar ist nur, wie so reich du bist,
Und immer neu wird mich entzünden,
Was mir ein hold
Geheimniß ist.
Ich seh' in jedem Reiz dich blühen
Und weiß doch nicht, woraus er fließt;
Was deine Blicke, Küsse sprühen,
Ist einer innern Schöne Glühen,
Die keinem Auge sich erschließt.
_____
Von der Liebe
Nein, sie darf nicht stürmisch kommen,
Soll sie mächtig sein und dauern,
Sondern zagend und beklommen,
Mit
geheimnisvollen Schauern.
Nicht in Worten darf sie sprechen,
Noch sich überreden lassen;
Schwüre könnte sie nur brechen,
Und es kann kein Laut sie fassen.
Stets am tiefsten wird sie binden
Und sie ist in stärksten Banden,
Wenn die Herzen still sich finden,
Ahnungslos, uneingestanden.
_____
Die mich geliebt, so tief geliebt, wie keine,
Die ich geliebt, wie keine, keine je,
Ich log ihr, ich verrieth, betrog die Reine,
O Räthselthat! o namenloses Weh!
Geheimnißvolles Herz! warum, so frag' ich,
Hast du dir deinen Himmel selbst zerstört?
Was fielst du ab von deinem Gott, so klag' ich,
Und beugtest dich vor Götzen, wahnbethört?
Du aber legst mir auf die Stirn die Hände,
Erlösend mich von meiner bangen Schuld;
Was ich auch, schwank und wandelhaft, empfände,
Du bleibst dir treu: nur Liebe, Milde, Huld.
Du Herrliche! längst hast du mir vergeben
Und flehst mich nur: Vergiß, was dich bedrängt!
Du rettest mich und gibst mich neu dem Leben,
Wie jetzt dein weicher Arm mich sanft umfängt.
Ich juble wieder unter deinen Küssen
Und wähnte schon des Unheils Maß erfüllt:
O soll ich meine Schmach noch loben müssen,
Da sie mir dich so wunderbar enthüllt?
_____
Christian Morgenstern
(1871-1914)
Wenn du nur wolltest
Ich bin eine Harfe
mit goldenen Saiten,
auf einsamem Gipfel
über die Fluren
erhöht.
Du laß die Finger leise
und sanft darüber gleiten,
und Melodien werden
aufraunen
und aufrauschen,
wie nie noch Menschen hörten;
das wird ein heilig Klingen
über den Landen sein...
Ich bin eine Harfe
mit goldenen Saiten,
auf einsamem Gipfel
über die Fluren
erhöht -
und harre Deiner,
oh Priesterin!
daß meine
Geheimnisse
aus mir brechen
und meine Tiefen
zu reden beginnen
und, wie ein Mantel,
meine Töne
um dich fallen,
ein Purpurmantel
der Unsterblichkeit.
_____
In stillster Nacht
in tief
geheimnisvoller Stunde
kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
Aus allen Tiefen, allen Höhn
umschwoll es mich wie klagendes Getön,
wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.
In stillster Nacht
in tief
geheimnisvoller Stunde
da hab ich mich für alle Zeit
aus heilig heitrem Herzensgrunde
der Schönheit Sonnenreligion geweiht.
_____
War das die Liebe ...
War das die Liebe, die mich gestern streifte,
wie eines seidenen Gewandes Atem
im Dunkel, wie ein windvertragner Duft,
wie Harmonien aus der blauen Nacht,
woher, du weißt es nicht, doch stockt dein Blut
und horcht in die
Geheimnisse der Dinge...
und all dein Wesen flutet zögernd aus,
du fühlst dich wie ein Strom die Welt durchrinnen
und ahnst doch noch ein Mehr-als-diese-Welt,
wie hinter feiner Schleier Wehr noch wartend,
ein Himmelreich voll Blüten, Früchten, Sonnen,
und lächelnd winkt, die dich so sehr gerührt.
_____
Winternacht
Flockendichte Winternacht ...
Heimkehr von der Schenke ...
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich deiner denke.
Schau dich fern im dunklen Raum
ruhn in bleichen Linnen...
Leb ich wohl in deinem Traum
ganz
geheim tiefinnen? ...
Stilles Einsamwandern macht,
daß ich nach dir leide...
Eine weiße Flockennacht
flüstert um uns beide...
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Clara Müller-Jahnke
(1860-1905)
Sommernachtszauber
Einsam in der Julinacht bin ich träumend heimgegangen;
schmeichelnd hielt Resedenduft meine Sinne süß umfangen.
Durch die Lindenzweige ging flüsternd ein
geheimes Sehnen,
von den Blüten fiel der Tau leis und lind wie Liebestränen.
Einsam durch die Julinacht irrten Mandolinenklänge,
ach, als ob aus Fernen weit deine Stimme zu mir dränge,
deine Stimme, die mir einst weich in wogenden Akkorden
wie Musik ertönt - und jetzt klanglos, unstet, fremd geworden . . .
Fern aus Süd ein Windhauch kam; heimlich durch das Lindendunkel
blitzte, deinen Augen gleich, träumerisches Lichtgefunkel.
Leuchtend fiel ein Stern herab - ach, wo mocht' sein Strahl sich senken?!
Einsam in der Julinacht, weinend mußt ich dein gedenken. –
_____
Ihm
Ich hab mich dir so ganz ergeben
und bin mit Leib und Seele dein,
du meines Lebens wahres Leben,
du meines Daseins tiefstes Sein!
Wie sich der Mond sein mild Gefunkel
vom goldnen Glanz der Sonne leiht,
so fällt in meiner Seele Dunkel
der Schimmer deiner Herrlichkeit!
Denn was dereinst mit süßem Beben
durch meines Busens Tiefen drang,
vermocht ich Worte nicht zu geben -
da sah ich dich, und sieh! - ich sang!
Was in
geheimnisvoller Stille
in meines Herzens Garten sproß,
verborgen lag's in duft'ger Hülle,
bis es sich deinem Licht erschloß!
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Betty Paoli (1814-1894)
Unbewußtes
Aus deiner Stimme weichem Laut
Tönt mir ein Gruß entgegen,
So geisterhaft verwandt, so traut,
Wie ein
geheimer Segen.
Einsaugt den Ton mein dürstend Herz
Und fragt sich, froh beklommen,
Ob es ihn nicht schon anderwärts,
Nicht früher schon vernommen?
Wann lauscht' ich, ach! wann lauscht' ich doch
Zuerst so süßem Troste?
War's, als ein harmlos Kind, ich noch
Im Traum mit Engeln kos'te?
War's als mir einst der Musa Hand
Erschloß das Reich der Mythen?
War's als wir Beid' im Lichtgewand
Am Throne Gottes knieten?
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Liebesoffenbarung
Weißt du die
geheime Kund'
Nicht errathend zu erkennen,
O dann soll mein stolzer Mund
Nimmer meine Lieb' dir nennen.
Sagt der leise Schmerzenszug,
Meinen Lippen eingepräget,
Dir nicht deutlich klar genug,
Was mein Innerstes beweget;
Tönt aus meiner Stimme Ton,
Weich, voll schmerzensfreud'gen Bebens,
Dir nicht mein Geständniß schon,
Dann wär' auch das Wort vergebens.
Und mein Herz, ein scheues Kind,
Flieht das Wort, das kalte, leere!
Seine Dragomane sind
Nur der Blick, der Ton, die Zähre.
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August Graf von Platen
(1796-1835)
Glaub mir, noch denk ich jener Stunden stündlich,
Wo ich zum erstenmale dir das zarte
Geheimnis deines Sieges offenbarte,
Im Liede kühn, allein verlegen mündlich.
Dein jetz'ger Wille scheint mir unergründlich:
Weil jene Schüchternheit sie nicht bewahrte,
Hör ich dich klagen, unsre Lieb entarte,
Und ihr Verlangen nennst du keck und sündlich.
O daß die Blume nicht umsonst verdüfte,
Laß Wang an Wange hier uns ruhn im Düstern,
Und Brust an Brust gedrängt und Hüft an Hüfte.
Horch! wie es säuselt in den alten Rüstern!
Durchschwärmt vielleicht ein Elfenchor die Lüfte,
Wollüstig weichen Brautgesang zu flüstern?
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Luise von Ploennies
(1803-1872)
Heloise an Abälard
Und wenn wir dann in Götterfrieden ruhten,
Ward unser Auge zum verstärkten Spiegel,
Und unsre Lippen drückten stumm das Siegel
Auf unseres Glücks
geheimnißvolle Gluten.
O wunderbare, göttliche Minuten!
Erinnrung sprengt des Schicksals ehrne Riegel,
Und meine Sehnsucht schlägt mit wundem Flügel
Bang an die Pforte, heiß sich zu verbluten.
Erinn'rung, Sehnsucht, Reue, Grauen, Zagen,
Verzehren mich, doch treibt mich das Verlangen,
Statt der Gebete dieses Wort zu sagen:
Glücksel'ger Mund, an dem sein Glück gehangen,
Glückselig Herz, an dem sein Herz geschlagen,
Glückselig Weib, das liebend er umfangen.
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Heloise an Abälard
Der Stunde denk' ich, der
geheimnißvollen,
Als sich mit feuchtem Glanz dein Auge schmückte,
Als das vom Uebermaß des Glücks bedrückte
Ließ auf mich nieder seine Thränen rollen.
In meinem Geiste hört' ich Reichbeglückte
Die Lieder, die durch alle Lande schollen,
Vom Nachhall unsres Glückes schon umquollen,
Als noch des Glückes Fülle mich entzückte.
O diese Lieder, die wie Nachtigallen
Entzündet vom melod'schen Liederbrand,
Sich schwangen durch des Lenzes grüne Hallen!
O diese Rosen aus dem Paradiese,
Die mit dem Dufte durch das Vaterland
Den Namen trugen deiner Heloise!
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Freiin Hermance Potier
(1863-?)
Im Frühling
Ich traf dich jüngst auf sonn'gem Wege,
Am schönsten, klarsten Maientag,
Und mir erschien, daß auf dem Stege
Der ganze Frühlingsodem lag,
Es war ein Duften und ein Zittern,
Ein Wogen, Weben und ein Blüh'n,
Als stünd' nach labenden Gewittern
In frischer Pracht des Waldes Grün.
Und mit
geheimnisvollen Banden
Verknüpfte Liebe rings die Welt;
Was Wunder, wenn auch wir uns fanden,
Vom Mai berauscht - vom Lenz erhellt!
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Frieda Port (1854-1926)
Ich sehne mich den ganzen Tag
Nach einer Stunde Müßiggang,
Nach einem kleinen Winkelchen
Fern allem Lärm und Tagesdrang;
Nach einer Stunde, da mein Herz
Die schönen Worte ungestört
Und Alles, was du mir gesagt,
Süß im
Geheimen wieder hört.
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Hermione von Preuschen
(1854-1918)
Ruanweli, die goldene Pagoda
Ruanweli, die goldne Pagoda -,
in ihrem Innern glühen tausend Schätze,
die keiner heben kann, denn tief im Grund
sind sie vermauert; - und ein Riesenbau
türmt sich darüber - hoch wie Pyramiden.
Doch drinnen wölbt sich ein
geheimer Gang -
und einem einzigen nur war es vergönnt,
zu wandeln auf dem
tiefgeheimen Pfad
und zu erschaun das aufgehäufte Gold -
dem König!
... Laß mir dein Herz ein Ruanweli sein,
laß mich, auf
nachtgeheimen Pfaden wandelnd,
all seine Schätze - seine Wunder schaun -,
laß mir dein Herz mein Ruanweli sein!
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Robert Prutz (1816-1872)
Am Tage, da die Welt sollt' untergehen,
Berührt vom Flammenschweife des Kometes,
Wie es verheißen kundige Propheten,
Die mehr als andre in den Sternen sehen;
Da, unter Weinen, Jammern, Schluchzen, Flehen,
Beim nahen Schall der Weltgerichtstrompeten,
Indeß die Einen fluchen, Andre beten,
Da ist der Wunder köstlichstes geschehen.
Nicht fraget, was! Nie wird aus meinem Munde
Ein sterblich Ohr die Kunde je erlangen
Von dem
Geheimniß jener süßen Stunde.
Nur so viel wißt: indessen, furchtbefangen,
Die alte Erde bebt' in ihrem Grunde,
Ist eine neue Welt mir aufgegangen.
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Im Glück
Dem Schmerze konnt' ich Worte geben,
In Liedern sang ich meine Qual;
Doch seit mein herbstlich ödes Leben
Durch dich erblüht zum zweitenmal,
Und seit in meiner Seele Gründen
Ein neuer Frühling Wunder thut,
Da weigert sich mein Mund zu künden
Des Herzens sel'ge Wonneglut.
Nur deine Hände kann ich fassen,
Die treu an meinem Glücke baun,
Erröthen kann ich und erblassen
Und fragend in dein Auge schaun;
Mein Haupt zu deinem kann ich neigen
Und zärtlich pressen Mund auf Mund –
Da thut mein Kuß mit frommem Schweigen
Dir meiner Brust
Geheimniß kund.
Kein irdisch Auge kann ertragen
Der Sonne volle Strahlenpracht;
So kann dir auch mein Lied nicht sagen,
Was meine Seele jauchzen macht.
Drum siehst du sprachlos mich erbeben,
O frag', Geliebte, nicht warum:
Dem Schmerze konnt' ich Worte geben,
Doch meine Seligkeit ist stumm.
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Ernst Rauscher (1834-1919)
Die Tage sind trüb, doch helle
Sind meine Träume all',
Erst heute sah ich wieder
Das allerschönste Thal.
Da schwebte in Sommerkleidern
Die blühende Mädchenschaar,
Mit blauen und schwarzen Augen,
Mit blondem und dunklem Haar.
Auf grünem Rasen tanzten
Die Einen im Abendschein,
Die Andern sangen im Schatten
Mit Stimmen, wie Glocken rein.
Zu Zweien gingen Manche
Dahin - im duft'gen Tann,
Vertrauten sich flüsternd sicher
Vielsüße
Geheimnisse an.
Und Ein'ge fuhren scherzend
Auf einem kleinen See -
Es schwankte der Kahn, sie blieben
Hübsch in des Ufers Näh'.
Am Hügel saß Eine schweigend
Und blickte unverwandt
Hinüber zu blauen Bergen -
Ich hab' sie gleich erkannt!
_____
Waldgeheimniß
O zaubervolle Helle
Der Waldeseinsamkeit!
Für immer ist die Stelle
Der Liebe nun geweiht.
Allüberall ist Schweigen,
Allüberall ist Ruh',
Die dunklen Fichten neigen
Sich flüsternd einander zu.
Neugierig zögert ferne
Der Mond auf seiner Bahn,
Und blinzelnd strengen die Sterne
Die hellen Aeuglein an.
O Bäume, Mond und Sterne!
Wenn ihr 's erlauschen könn't,
So lauscht nur, da ihr gerne
Ein Glück dem Menschen gönnt.
Doch nimmer soll es wissen
Die neiderfüllte Welt,
Was hier ein Mund mit Küssen
Mir Glücklichem erzählt!
_____
Anna Ritter (1865-1921)
Weihe
Ich liebe diese Form, die Dich entzückt:
Die weiße Brust, an der Dein Haupt gelegen,
Und diesen Nacken, den Dein Arm umschlang.
Seit Deines Kusses Wonne mich durchdrang,
Liegts über mir wie ein
geheimer Segen,
Ein Frühlingsglanz, der meine Glieder schmückt.
Ich liebe dieser Augen lichten Schein,
Seit sie, zwei Sterne, über dir gestanden,
Und dieser Stimme warmen, vollen Klang,
Die deine Sehnsucht einst zur Ruhe sang!
Der Mund ist süß, den deine Lippen fanden,
Und diese Seele heilig, seit sie dein!
Die Liebe hebt mich über mich empor,
Daß ich mich selbst wie etwas Fremdes sehe,
Und meine Schönheit trage wie ein Kleid,
Wie einen Schmuck, der deinem Dienst geweiht:
Der Sonne gleich, lockt Deine liebe Nähe
Mich aus mir selber sehnsuchtsvoll hervor!
_____
Geheimnis
Ich trag' ein glückselig
Geheimnis
Mit mir herum,
Ich möchts allen Leuten vertrauen
Und bleib' doch stumm!
Ach, jubeln möcht' ich und singen,
Von früh bis spät -
Und rege nur heimlich die Lippen,
Wie zum Gebet!
_____
Rosengruß
Rosen brach ich dir im Garten
Und ich küßte eine jede
Mit den heißen, rothen Lippen,
Eh ich sie zur langen Reise
In das schmale Kästchen legte.
Und ich raunte einer jeden
In den Kelch ein süß
Geheimnis,
Gab ihr einen Gruß und Segen,
Einen scheuen Liebeszauber
Mit auf ihre lange Reise.
Rosen stehn auf deinem Tische,
Tragen Duft und Glanz und Gluthen
In dein dämmerstilles Zimmer,
Blühn zur Nacht an deinem Lager,
Streuen ihres kurzen Lebens
Heißen Traum in deinen Schlummer.
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Hermann Rollett (1819-1904)
Zitterndes Blatt
Stille Knospe – halb schon Rose, -
O warum so tief verschlossen? -
Fühlst du nicht das Liebgekose,
Das sich hell um dich ergossen?
Spürst du nicht das Lenzgetriebe,
Das dich liebevoll umlächelt?
Weckt dich nicht der Hauch der Liebe,
Der in Sehnsucht dich umfächelt?
Ahnst du nicht das süße Leben,
Das dich hold wird überkommen,
Das dich innerst wird durchbeben,
Von der Blüthe Duft umschwommen?
Willst du denn noch nicht erfahren
Des Erglühens hold' Entzücken?
Soll sich dir nicht offenbaren:
Liebesglück und Lieb-Beglücken?
Stille Knospe – halb schon Rose, -
Ach, warum so tief verschlossen?
O erblüh' im Liebgekose,
Das sich hell um dich ergossen!
Glaub' mir: - jegliche Secunde
Ist von jetzt an nur Versäumniß.
Denn dir zittert schon im Munde
Deiner Liebe süß'
Geheimniß!
_____
Adolf Friedrich von Schack
(1815-1894)
Das erste Liebeswort
Das war der süßeste der Laute!
Sie sprachs, das erste Liebeswort;
Im Herzen nun trag' ich das traute,
Tiefselige
Geheimniß fort.
Allein wo berg' ich meine Wonne,
Daß ich sie wohl behüten mag?
Dein Licht verhülle, läst'ge Sonne!
Verstumme, lärmbewegter Tag!
Weltfern sei meines Glückes Fülle
Begraben, wo sie nichts verräth
Und nur durch Nacht und heil'ge Stille
Des süßen Wortes Nachhall weht.
_____
Das
Geheimniß
Du fragst mich, Mädchen, was flüsternd der West
Vertraue den Blüthenglocken?
Warum von Zweige zu Zweig im Geäst
Die zwitschernden Vögel sich locken?
Warum an Knospe die Knospe sich schmiegt,
Und Wellen mit Wellen zerfließen,
Und dem Mondstrahl, der auf den Kelchen sich wiegt,
Die Violen der Nacht sich erschließen?
O thörichtes Fragen! Wem Wissen frommt,
Nicht kann ihm die Antwort fehlen;
Drum warte, Kind, bis die Liebe kommt,
Sie wird dir Alles erzählen!
_____
Süßes
Geheimniß
Glaub nicht, daß ich dem lauten Tage
Verrathe, was du mir vertraust,
Wenn mir vorbei mit flücht'gem Schritte
Du wandelst in der Deinen Mitte
Und mit dem Blick, halb kühn, halb zage,
Verheißend mir ins Antlitz schaust.
Berauscht vom Zauber deiner Nähe
Dann seh' ich lang dir staunend nach,
Und mälig erst, indem ich sinne,
Werd' ich des eignen Glückes inne,
Wenn ich die Rede ganz verstehe,
Die stumme, die dein Auge sprach.
Die Abendschatten werden trüber,
Längst in die Ferne schwandest du,
Und, wie den Tropfen Thau die Blume
Birgt in des Kelches Heiligthume,
Schließt meine Seele still sich über
Dem duftenden
Geheimniß zu.
_____
Oft, wenn wir ruhen Mund an Mund
Und meine Adern an den deinen pochen,
Nach innen lausch' ich plötzlich still;
Ich fühle, wie aus unsrer Seele Grund
Ein Wort, noch nie auf Erden ausgesprochen,
Empor sich ringen will.
O! der Natur
Geheimniß ruht
Und alles Lebens in dem Wort beschlossen,
Doch matt bisher noch ists verhallt.
Höher aufflammen laß der Küsse Gluth,
Daß es zuletzt, in vollen Klang ergossen,
Von unsern Lippen wallt!
_____
Enthülltes
Geheimniß
Von meinem Auge sank es wie ein Schleier,
Da ich zuerst dich fand. Mir war,
Als würd' im Tempel mir bei heil'ger Feier
Ein göttliches
Geheimniß klar.
Und in die Seele kam mir tiefes Schweigen;
Mit Staunen, wie zum erstenmal,
Sah ich die hocherhabne Sonne steigen,
Des Mondes milden Dämmerstrahl.
Erst nun ist Alles, Alles mir erschlossen,
Die Stimmen all' von Wald und Flur
Versteh' ich nun, das Welken und das Sproßen
Des ewig waltenden Natur.
Und was der Weisen Lehren nicht gelungen,
Nur durch der Liebe Zaubermacht,
Die feur'ger redet, als mit Engelzungen,
Hast du es, fast noch Kind, vollbracht.
_____
Wie sollten wir
geheim sie halten,
Die Seligkeit, die uns erfüllt?
Nein, bis in seine tiefsten Falten
Sei Allen unser Herz enthüllt!
Wenn Zwei in Liebe sich gefunden,
Geht Jubel hin durch die Natur,
In längern wonnevollen Stunden
Legt sich der Tag auf Wald und Flur.
Selbst aus der Eiche morschem Stamme,
Die ein Jahrtausend überlebt,
Steigt neu des Wipfels grüne Flamme
Und rauscht, von Jugendluft durchbebt.
Zu höherm Glanz und Dufte brechen
Die Knospen auf beim Glück der Zwei,
Und süßer rauscht es in den Bächen,
Und reicher blüht und glänzt der Mai.
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Max von Schenkendorf
(1783-1817)
Frühlingsgesang an Sulamith
Den Bäumen wachsen Augen
Im Garten und im Hain,
Und tausend Leben saugen
Des Gottes Athem ein.
Die Liebe fließt in Bächen,
Sie weht im Blüthenduft,
Verborgne Stimmen sprechen
Im Bach und in der Luft.
Komm Freundin, süße Taube,
Verborgne, Liebliche,
Komm zur
geheimen Laube,
Umwölkt vom Blüthenschnee.
Laß fühlen mich der Rede
Bezaubernde Gewalt,
Enthüll', o Süße, Blöde,
Die herrliche Gestalt.
Der Lilien bekleidet,
Gab ihr den Frühlingsschein,
Der unter Rosen weidet,
Dein Freund ist dein, du sein!
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Georg Scherer (1828-1909)
Komm!
Der Mond bestrahlt die Mauern
Der Burg in träumender Ruh,
Des Waldes Wipfel schauern
Heimliche Küsse sich zu.
Die goldenen Sterne neigen
Sich tief in die blaue Flut,
Es zittern auf schilfigen Teichen
Die Lilien in Liebesglut.
Mit blühenden Armen umschlingen
Die grünen Zweige sich all;
Drin lockt mit traulichem Singen
Den Buhlen die Nachtigall. -
Nur ich irr' einsam im Dunkeln,
Von Sehnsucht und Hoffnung durchglüht,
Und seh' deine Kerze funkeln
Durch Rosen und Rebenblüt'.
Du kennst meines Liedes Weise;
Komm, öffne das Fenster sacht
Und flüster' ein Wörtlein leise
Mir zu in verschwiegener Nacht!
Ich nahe dir selig erschrocken;
O laß mich ins Antlitz dir sehn,
Und laß deine duftigen Locken
Um die heißen Schläfen mir wehn!
Dann löst, in dein Anschaun versunken,
Des Herzens
Geheimnis der Mund,
Und die Lippen besiegeln trunken
Den heiligen Liebesbund.
_____
Liedeszauber
Ich weiß, ihr längstverklungnen Lieder,
Welch stiller Zauber auf euch liegt,
Daß euer Anblick immer wieder
Mein Herz in Jugendträume wiegt.
Es hat, in holden Traum versunken,
Der Liebsten Aug' auf euch geruht,
Ihr habt den warmen Hauch getrunken
Des Atems und der Wangen Glut.
Oft habt mit ihrem süßen Munde
Geheime Zwiesprach ihr geführt,
Ja, in verschwieg'ner Dämmerstunde
Die frommen Lippen scheu berührt.
Was Wunder, daß ein Duft und Schimmer
Auf euch, vergilbten Blättern, liegt,
Und euer Anblick mir noch immer
Das Herz in Jugendträume wiegt!
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Theodor Storm (1817-1888)
Du willst es nicht in Worten sagen
Du willst es nicht in Worten sagen;
Doch legst du's brennend Mund auf Mund,
Und deiner Pulse tiefes Schlagen
Tut liebliches
Geheimnis kund.
Du fliehst vor mir, du scheue Taube,
Und drückst dich fest an meine Brust;
Du bist der Liebe schon zum Raube
Und bist dir kaum des Worts bewußt.
Du biegst den schlanken Leib mir ferne,
Indes dein roter Mund mich küßt;
Behalten möchtest du dich gerne,
Da du doch ganz verloren bist.
Du fühlst, wir können nicht verzichten;
Warum zu geben scheust du noch?
Du mußt die ganze Schuld entrichten,
Du mußt, gewiß, du mußt es doch.
In Sehnen halb und halb in Bangen,
Am Ende rinnt die Schale voll;
Die holde Scham ist nur empfangen,
Daß sie in Liebe sterben soll.
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Ständchen
Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?
Dreizehn Lieder sollst du hören,
Dreizehn Lieder, frisch gedichtet;
Alle sind, ich kann's beschwören,
Alle nur an dich gerichtet.
An dem zarten schlanken Leibchen
Bis zur Stirne auf und nieder,
Jedes Fünkchen, jedes Stäubchen,
Alles preisen meine Lieder.
Wahrlich, Kind, ich hab zuzeiten
Übermütige Gedanken!
Unermüdlich sind die Saiten,
Und der Mund ist ohne Schranken.
Vom
geheimsten Druck der Hände
Bis zum nimmersatten Küssen!
Ja, ich selber weiß am Ende
Nicht, was du wirst hören müssen.
Laß dich warnen, laß mich schweigen.
Laß mich Lied um Liebe tauschen;
Denn die Blätter an den Zweigen
Wachen auf und wollen lauschen.
Weiße Mondesnebel schwimmen
Auf den feuchten Wiesenplanen;
Hörst du die Gitarre stimmen
In dem Schatten der Platanen?
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Moritz Graf von Strachwitz
(1822-1847)
Bescheidene Bitten
Ich will ja nur an deiner Lippe sterben,
Als Sonnenstaub in deinem Kuß verfliegen,
Will nur den Schmerz, den tiefen schweren herben,
Mit deines Mundes Lethetrank besiegen.
Ich will ja nicht an deinem Munde saugen,
Nur fromm und gläubig in dein Antlitz schauen
Und auf dem Strahle deiner Wunderaugen
Zum Äther hin demantne Brücken bauen.
Ich will ja nicht in deinem Aug' mich sonnen,
Nur Worte tauschen süßer Minnefehde,
Nur rauschen hören deiner Lippe Bronnen
In sanften Wellen zarter Frauenrede.
Ich will ja nicht dich sehen, küssen, hören,
Ich will ja nur dein denken im
geheimen
Und hoffnungslos der Saite Gold empören
Und mich ergehn in zarten Liebesreimen.
_____
Dir hab' ich beklemmt und bänglich
Dies Dutzend Liedchen geweiht;
Die Sache ist bedenklich,
Denn gar zu ernst ist die Zeit.
Gern hätt' ich's im
Geheimen
Dir klüglich zugestellt,
Es will von verliebten Reimen
Nichts wissen mehr die Welt.
Doch wenn mit feuchten Blicken
Dein Auge in meines fällt,
Dann muß darin versinken
Für uns die Zeit und die Welt.
Und wollte mich dann zerschmettern
Des Zeitgeists schreitender Fuß,
Ich würde dich sterbend vergöttern
Und sterben in deinem Kuß.
_____
Karl Streckfuss (1779-1844)
Das Geständniss
Ein Wörtchen muss ich dir verkünden,
Ein leises Wörtchen, dir allein;
Längst fühlt' ich's schon mein Herz entzünden,
Doch schloss ich's tief im Busen ein.
Du siehst mich fragend an? O schlage
Nur jetzt noch nieder deinen Blick,
Mir weicht der Muth, es treibt die Frage
Ins Innerste das Wort zurück.
Nein, sieh mich an - die Wange glühet,
Und zu der Erde sinkt mein Blick,
Mir pocht das Herz, der Athem fliehet,
Und so verscheucht die Furcht das Glück.
Ich kann - ich kann das Wort nicht sagen,
Ob es mein Innres gleich verzehrt,
Denn Reue folgt dem kühnen Wagen,
Wenn uns ein blinder Wahn bethört.
O möchtest du mich doch verstehen,
Und dann dem Schüchternen verzeihn!
Du lächelst? Deine Blicke sehen
Mein schön
Geheimniss sicher ein.
Du nick'st mit freundlicher Geberde?
Du zürnest, Holde, nicht auf mich?
Wohl mir, dem Glücklichsten der Erde,
Amana, ja, ich liebe dich!
_____
Ludwig Uhland (1787-1862)
Liebesfeuer
Vom Feuer, das in Liebenden sich dränget,
Wie Ebb' und Flut, vernehmt
geheime Kunde!
Sind sie getrennt, so bleibt es tief im Grunde
Der sehnsuchtsvollen Herzen eingeenget;
Nur Widerschein der Glut, die innen senget,
Gelangt zum dunkeln Aug' und bleichen Munde;
Bis nun erscheint des Wiedersehens Stunde,
Wo sich das Feuer aus der Tiefe sprenget.
Wie erst mit heißen Blicken sie sich grüßen!
Wie beider lang verhaltne Flammen streben,
Sich zu vereinen durch das Spiel der Augen!
Bald senken sie die Wimpern, um in Küssen
Noch tiefer eins des andern glühend Leben
Aus Lippen, denn aus Augen, einzusaugen.
_____
Paul Wertheimer (1874-1937)
Ständchen
Vernimmst du meiner Geige sehnsuchtstollen
Aufschrei der nachtgebor'nen Melodien?
Ich will mit Liedern wie mit wundervollen
Blumenguirlanden deine Stirn umziehen.
Du meine Welt, du mein
geheimes Wissen!
Was ist mir der Erkenntnis Sternenklarheit!
In Nachtviolen, Rosen und Narzissen,
In meinem Traum von dir ist meine Wahrheit!
_____
Das alte Wort
Nach wetterschwüler Stunde
Aufzuckt's um deine Lippen,
Du fühlst in dieser dunklen
Tiefe und Feierstille
Dein Herz schwer niedertropfen,
Und senkst in meine Seele
Das Wort: Ich liebe dich.
Das Wort, es treibt und wurzelt
Und rankt sich auf und duftet
Mit schweren blauen Blüten,
Und wird zur Wunderblume,
Um alle Himmel greifend,
Um alle Lande schattend,
Und um die Erde weit.
Und aus dem Baume fallen
Geheimnisvolle Früchte,
Betaut vom Morgenglanze,
In meiner Seele reifen,
Dem Wunder dieser Stunde
In Demut aufgeschloss'nen
Vertrauend offnen Schoß.
_____
Ernst von Wildenbruch (1845-1909)
Verlust
Wie gedenk' ich jener Zeit so gerne,
Da ich, Süße, dich zuerst erblickt,
Da ich, wie der Wandrer seinem Sterne,
Deinem Pfade folgte, still beglückt.
Süß
Geheimnis
mir den Busen füllend,
Sel'ge Träume in verschwiegner Brust,
Nur der Blick dem Blicke es enthüllend,
Wider Willen und doch so voll Lust.
Und das alles nun so ganz versunken.
All das schöne goldne junge Glück,
Von dem Himmelsbrand ein öder Funken,
Nur Erinnrung einzig noch zurück.
Ach, es will die Seele mir verzagen;
Wär' ich fort aus diesem Qualenland!
Hilf mein Gott, du hast zu schwer geschlagen,
Ich zerbreche unter deiner Hand.
_____
Eliza Wille (1809-1893)
Ich küsse deine Wangen -
Die Blumen still und süß;
In deinem lieben Herzen,
Da blüht das Paradies.
Ich halte dich umfangen -
Du senkst die Augen still,
Und mir - mir ist's wie Träumen,
Geheimnißvoll und still,
Ein Traum, ein warm Entzücken,
Es weht mich an und lebt!
Und dich, und dich zu halten,
Nach der die Seele strebt,
Und dich, und dich zu lieben,
Die mich mit Wonn' durchbebt,
O was, was ist das Leben,
Hab' ich nicht dir gelebt? -
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Stefan Zweig (1881-1942)
Ahnung
Die Sonne endet ihre Reise, -
Wir wandeln unsern Park entlang.
Von ferne summt noch eine Weise ...
Wir horchen hin ... Und leise, leise
Zieht es uns mit in Wort und Klang,
Als wollte alles sich erfüllen,
Was in uns noch in Blüten steht. -
Wir ahnen den
geheimen Willen,
Und unsre Liebe neigt die stillen
Versehnten Augen zum Gebet ...
_____
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