Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
|
Stichwort: Haar
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
Anonyme Barockdichter
Und soll dem Venus-sohn die liebes-jagt gelücken /
Muß er aus langem
haar
ihm netz und sehnen stricken.
Denn soll in sclaverey die freyheit seyn gebracht /
So müssen fesseln seyn aus langem
haar
gemacht.
_____
Der
haare
zier sind trübsands sanffte wellen /
Wo unsre ruh und geist versinckt /
Ihr Meer kan wohl in stille sich verstellen /
Woraus doch sturm und wetter dringt;
Was hoffet man beständigs mehr /
Die Venus kommt ja selbst von wellen her.
_____
Christian Hoffmann von
Hoffmannswaldau (1616-1679)
Beschreibung vollkommener schönheit
Ein
haar
so kühnlich trotz der Berenice spricht /
Ein mund / der rosen führt und perlen in sich heget /
Ein zünglein / so ein gifft vor tausend herzen träget /
Zwo brüste / wo rubin durch alabaster bricht /
Ein hals / der schwanen-schnee weit weit zurücke sticht
Zwey wangen / wo die pracht der Flora sich beweget /
Ein blick / der blitze führt und männer niederleget /
Zwey armen / derer krafft offt leuen hingericht /
Ein herz / aus welchem nichts als mein verderben quillet /
Ein wort / so himmlisch ist / und mich verdammen kan /
Zwey hände / derer grimm mich in den bann gethan /
Und durch ein süsses gifft die seele selbst umhüllet /
Ein zierrath / wie es scheint / im paradieß gemacht /
Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.
_____
Benjamin Neukirch
(1665-1729)
Auff ihre
haare
Laßt Berenicens haupt mit güldnen
haaren
prangen /
Schreib / Conon / wie du wilst / sie in die sternen ein.
Leug / leug / Callimachus / daß wann der tag vergangen
Sie dieser unter-welt statt einer lampe seyn.
Eur ruhm ist fabel-werck, und wär es auch geschehen /
Was wunder wär es denn ein rothes
haar
zu sehen?
Schaut, meine liebste führt kein feuer auff dem kopffe /
Dann dieses steht allein nur ihren augen an;
Ihr
haar
ist seid und flachs / und ihrem lichten zopffe
Fehlt nichts / als daß man ihn nicht recht beschreiben kan.
Wer wolte sich denn nun nicht willig lassen binden /
Wenn man die fässel kan in solchen stricken finden?
_____
Gottlieb Stolle (Leander
aus Schlesien) (1673-1744)
Als er sich in sie verliebet
Indem ich mein gesichte
Auf Flaviens gerolltes
haar,
Und ihre schönen augen richte,
So fällt mein herz in doppelte gefahr.
Kurz: Amor will mich töden oder fangen:
Um nun das letzte zu erlangen,
So muß ihr sauber
haar
ihm statt des netzes seyn.
Die augen aber sind die bogen;
Die pfeilen liefert ihm der holden blicke schein.
Jedoch wer hat sich ie dergleichen garn entzogen?
Kommt, pfeile! selbst, kommt häuffig angeflogen!
Ihr seyd doch allzusüß und schön,
Um euch aus bloser furcht des todes zu entgehn.
_____
Georg Rudolf Weckherlin
(1584-1653)
Schöne
haar
O der Lieb liebste garn, der Schönsten schönste
haar,
Wan schertzend in dem lufft ihr schon bandloß umbflieget,
Befind ich doch alßbald, daß ihr mein hertz betrieget,
Und daß ie freyer ihr, ie grösser mein gefahr.
O goldfluß blaich und reich, Goldstriemen wahr und klar,
Wan euch ihr weisse hand in taussent ringlein bieget,
Befind ich auch alßbald, daß ihr mein hertz bekrieget,
Und ie mehr ewre knöpff, ie mehr ich strick erfahr.
Zwar wie solt dises garn doch meine sehl verdriessen?
Ist ein hertz in der welt das disem schatz nicht hold?
Wer wolt nicht einen strom von gold gern sehen fliessen?
O reiche
haar,
zugleich der Freyheit strick und sold,
Wie ihr, als der Lieb strick, mich pfleget zu beschliessen,
Also belohnet ihr mich auch mit bestem gold.
_____
Seind es
haar
oder garn das kraußlecht, reine gold,
Nach dessen purem schatz die Götter ein verlangen?
Ach! Es seind zarte
haar,
meiner lieb wehrter sold:
Nein. Es seind starcke garn, da sich die sehlen fangen.
_____
18. Jh.
Susanne von Bandemer
(1751-1828)
An ***
bey der
Übersendung einer
Haarlocke
Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen,
Muss keine Kette ihn umschlingen;
Verachtend sprengt er sie. – Ein Faden fesselt ihn,
Und willig wird er Amors Wagen ziehn, -
Der Liebe süssgepries'ne Bande
Sind, leider! zu Cytherens Schande,
Nicht immer süss – und Blumenketten rar.
Doch ich, mein Trauter, fess'le gar
Den Mann der Liebe an ein –
Haar
-!
_____
Johann Wolfgang von
Goethe (1749-1832)
Gewarnt
Auch in Locken hab ich mich
Gar zu gern verfangen,
Und so, Hafis, wärs wie dir
Deinem Freund ergangen.
Aber Zöpfe flechten sie
Nun aus langen
Haaren,
Unterm Helme fechten sie,
Wie wir wohl erfahren.
Wer sich aber wohl besann,
Läßt sich so nicht zwingen:
Schwere Ketten fürchtet man,
Rennt in leichte Schlingen.
_____
Lebendiges Andenken
Der Liebsten Band und Schleife rauben,
Halb mag sie zürnen, halb erlauben,
Euch ist es viel, ich will es glauben
Und gönn euch solchen Selbstbetrug:
Ein Schleier, Halstuch, Strumpfband, Ringe
Sind wahrlich keine kleinen Dinge;
Allein mir sind sie nicht genug.
Lebendgen Teil von ihrem Leben,
Ihn hat nach leisem Widerstreben
Die Allerliebste mir gegeben,
Und jene Herrlichkeit wird nichts.
Wie lach ich all der Trödelware!
Sie schenkte mir die schönen
Haare,
Den Schmuck des schönsten Angesichts.
Soll ich dich gleich, Geliebte, missen,
Wirst du mir doch nicht ganz entrissen:
Zu schaun, zu tändeln und zu küssen
Bleibt die Reliquie von dir. -
Gleich ist des
Haars
und mein Geschicke :
Sonst buhlten wir mit Einem Glücke
Um sie, jetzt sind wir fern von ihr.
Fest waren wir an sie gehangen;
Wir streichelten die runden Wangen,
Uns lockt' und zog ein süß Verlangen,
Wir gleiteten zur vollern Brust.
O Nebenbuhler, frei von Neide,
Du süß Geschenk, du schöne Beute,
Erinnre mich an Glück und Lust!
_____
Versunken
Voll Locken kraus ein Haupt so rund! -
Und darf ich dann in solchen reichen
Haaren
Mit vollen Händen hin und wider fahren,
Da fühl ich mich von Herzensgrund gesund.
Und küß ich Stirne, Bogen, Auge, Mund,
Dann bin ich frisch und immer wieder wund.
Der fünfgezackte Kamm, wo sollt er stocken?
Er kehrt schon wieder zu den Locken.
Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel,
Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut,
So zart zum Scherz, so liebeviel!
Doch wie man auf dem Köpfchen kraut,
Man wird in solchen reichen
Haaren
Für ewig auf und nieder fahren.
So hast du, Hafis, auch getan,
Wir fangen es von vornen an.
_____
19./20. Jh.
Lisa Baumfeld (1877-1897)
Am Sofa sie. In Falten reich und rauschend
Fiel schwermüthig' das weisse Kleid hinab
Und milde Perlen flossen durch die
Haare
-
Das mondscheinblonde, weiche Frauenhaar,
In dessen Netz ich mich verstrickt ... zu Tode -
_____
Otto Julius Bierbaum
(1865-1910)
"Frauenhaar"
"Frauenhaar"
trag ich am Hute,
Wie Flachs so weich, wie Seide so fein,
Flirrfädelnd spinnt's im Sonnenschein,
Flott flattert's in den Wind hinein,
Ich trag es mit fröhlichem Mute
Und denke dein,
Mein
Seidenhaar,
Die meine Sonne, mein Sehnen war,
Mein Leben im bebenden Blute,
Du Weiche, du Feine, du Gute.
_____
Und ist doch um mich rings das Leben voll Gestalten,
Das blutgetriebene, blühende, voll von Früchten,
Und manchmal klingen Laute an mein Ohr,
Und im Vorübergehen streift mich manche Hand,
Und heiße Augen seh ich, rote Lippen, leuchtendes
Haar,
Gewänder, die von schönen Gliedern hold bewegt sind, -:
Muß ich denn einsam sein?
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Ihrer
Haare
dunkle Schlingen -
lassen sie mich jemals frei?
Doch es soll ihr nicht gelingen
daß ich ganz gefangen sei.
Liebgefesselt überwinde
ich die mächtigste Gestalt.
Und die Gottheit wird gelinde
und die Liebe wird Gewalt -
Wird Gewalt die mir sie bindet.
Alle Zärtlichkeit wird Spott.
Unterworfen überwindet
Mensch und Göttin nun der Gott.
_____
Ernst Blass (1890-1939)
Seit ich zuviel an dich denke,
Bin ich nicht mehr frei und munter.
Such ich, wie ich es versenke,
Geht es doch mir nicht mehr unter.
Lockig
Haare,
klar die Wangen
Und der Augen Schelmerein,
Sie sind ferne, doch sie fangen
Mich mit bangen Schlingen ein.
Weiß nicht, wie das enden möge,
Bringt es Freude oder Schmerz?
In dem zierlichsten Gehege
Neu verfangen glüht mein Herz.
_____
Paul Boldt (1885-1921)
Mein gutes Glück, märzlich dahergetänzelt.
Mädchen, gut, daß du Weib bist! Diese Stunde
Verlangt das. Küsse mich! O unsere Munde
Haben noch niemals um ihr Glück scharwenzelt.
Du – du – dein
Haar
riecht wie der frühe Wind
Nach weißer Sonne – Sonne – Sonne – Wind.
_____
Carl Busse (1872-1918)
Liebesfrühling
Wie die Wolken sich wiegen und liegen
Gleich Schwänen im Himmelsblau,
Mein Herz will sonnenwärts fliegen,
Es ist in die Höhe gestiegen
Wie die Lerche über der Au!
Es weiß nicht, was es vor Wonne
Noch thun und lassen soll,
Es jubelt zur Lichtmadonne,
Es betet und jauchzt zur Sonne
Und ist so voll .. so voll!
Wer mochte ihm das wohl bringen?
Das that eines
Haares
Duft!
Nun will es vor Jubel zerspringen,
Nun will es singen und klingen
Wie die Lerche in der Luft.
_____
Georg Busse-Palma
(1876-1915)
Jung mußt du sein .. an fünfzehn Jahr vielleicht.
Mit langem
Haar,
das ledig seiner Spangen
Sich um dich schmiegt und bis zum Knöchel reicht,
Als wär’s ein Mantel, den du umgehangen!
Und diesen Mantel weich und welligbraun,
Den müßten atmend weiße Hügel heben
Und drüberher zwei dunkle Augen schaun,
Die Freund dem Traum nur und noch fremd dem Leben.
_____
Mondlied
Im Lindengrün hat sich der Mond verfangen
Und sieht so aus, als ob er weinen möcht. —
Wie er im Laub, verfing sich mein Verlangen
In eines Mädchens braunem
Haargeflecht.
In Lindenzweigen und in Mädchenflechten —
Wer, bleicher Bruder, löst so lieben Bann? —
Wir sehn so aus, als ob wir weinen möchten,
Der Mond und ich, und sehn uns lange an ...
_____
Sehnsucht
Schwingen schwüler Abendwinde
Haben sie zu dir gebracht.
Meine rote Sehnsuchtssünde
Sieht dich nackend jede Nacht.
Und dann wühlen ohne Ende
Kühlung suchend sich ein Paar
Schmaler fieberheißer Hände
Ach im Traum nur! in dein
Haar.
Und dann pressen halbverschmachtet
Lippen sich auf deinen Leib,
Lippen, die den Tod verachtet
Und jetzt betteln: sei mein Weib!
Aber du in keuscher Kühle
Ahnst noch nichts von solchem Schmerz.
Moulin rouge, die rote Mühle
Mahlt dich später, weißes Herz! — —
_____
Weißt du, mein Liebling ...
Weißt du, mein Liebling, was ich einmal möchte?
Ich möcht' mit dir weit in die Wälder fliehn
Und deines
Haares
dunkelblonde Flechte
Dort fest, ganz fest um meinen Nacken ziehn:
Daß deine Lippen, die so lieblich brennen,
Die ganze Nacht nicht von den meinen können! —
_____
Verflognes
Haar
Heut hat der Wind im Stadtgewühl
Ein
Haar
auf meinen Rock geweht.
Ich hob es auf in losem Spiel:
Es flammte wie aus Gold gedreht!
Gedreht aus Gold und Flammen -
Von wem wohl mocht' es stammen?
Ach Gott! es haben so viele,
So viele sonniges
Haar!
Da wölbte plötzlich glutgefüllt
Sich in Erinnerung mein Mund.
Vor meine Seele stieg ein Bild:
Ein weißes Haus in grünem Grund.
Mein blonder Spielgeselle
Warf mit mir Bocciabälle -
Spätsommerheiß und fiebernd
Lag rings der Garten im Schlaf.
Wir bückten uns nach einem Ball
Und kamen uns zu nah dabei.
Da schlug vom Baum in dumpfem Fall
Der Märchenapfel für uns zwei.
Mein Mund in
Mädchenhaaren
-
Wie heiß und jung wir waren!
Wir sahen den Ball im Grase
Und hoben ihn doch nicht auf ...
Spätsommerheiße Seligkeit,
Die mit dem Sommer sich entlaubt!
Heut sind so fern wir jener Zeit
Wie dieses
Haar
hier seinem Haupt!
Es blitzt noch blond und eitel,
Und ist von seinem Scheitel
Doch längst im Wind verflogen,
Wie wir von Jugend und Glück!
_____
Carmen Sylva (1843-1916)
An Mgylis
Als du gestorben bist, o Mgylis, Mgylis,
Da hab' ich mir dein langes
Haar
genommen,
Und macht' ein Segel draus, o Mgylis, Mgylis,
Mit leichtem Segel ist mein Schiff geschwommen.
Wie reife Reben war's, o Mgylis, Mgylis!
So golden, wie der Harfen zarte Saiten,
Die Seelen fangen sich, o Mgylis, Mgylis,
In deinem
Haar
und können nicht entgleiten.
Dein
Haar
geht mit auf's Meer, o Mgylis, Mgylis!
Wenn sich der Abend senkt, wie dunkel
Zum Berghang Adlerzüge, Mgylis, Mgylis,
Noch dunkler ob dem Sterngefunkel.
Am Strand ist's Meer so lustig, Mgylis, Mgylis,
Weil es die Bäume, Häuser spiegelt,
So traurig ist die Weite, Mgylis, Mgylis,
Die meine Einsamkeit besiegelt.
In meiner Barke wein' ich, Mgylis, Mgylis,
Das Meer die Taube, die der Sperber
Im Niederstoßen trifft, o Mgylis, Mgylis,
Mich traf der Sturm nicht, der Verderber!
_____
Max Dauthendey
(1867-1918)
Das Rot deiner Wange ist ein Bett für mein Auge,
Mein Zimmer wird feierlich von der Pracht deiner
Haare,
Jede Stunde bei dir ist ein Baum voll zärtlicher Blumen.
_____
Dein
Haar
hält mich schwerer als Ketten gefangen;
Wenn nur ein
Haar
winkt,
Klingt meine Kette bis ans Ende der Welt.
Alle Rosen sind süß wie deine Nähe,
Aber die Rosen werden zu Schmerzen, wenn du mir fern bist:
_____
Deine Locken
Ich wühlte gern hitzig in deinem
Haar,
Sage mir: reden die Locken wahr?
Die Locken werfen sich voll und rund
Wie tolle Bäche an meinen Mund.
Und jeder Lockenleib wild sich rollt,
Als ob er mit Glut mir zufliegen wollt.
Ich möchte vor Lust mein Herz zerbrechen,
Mit tausend Splittern zu dir sprechen.
_____
Möchte von deinem langen goldbleichen
Haar
Ein Lager mir bekleiden.
Seide wäre Stroh, Sammet - Igelhaut,
Aber dein
Haar
ist wie ein Wolkenbett,
Wie man's am Abend gleißend nur im Äther schaut. -
Nein, dein
Haar
ist mehr, ist mehr,
Dein
Haar
ist wie ein Strom der goldenen Maienluft
Geschwängert von den Küssen junger Liebe.
Will meine Augen mit deinem
Haar
verbinden,
Will erblinden, in seinem Gold erblinden.
_____
Stille weht in das Haus,
Fühlst du den Atem des Mondes,
Löse dein
Haar,
Lege dein Haupt in den Blauschein hinaus.
Hörst du, das Meer unten am Strand
Wirft dir Schätze ans Land;
Sonst wuchsen im Mond Wünsche, ein Heer,
Seit ich dein Auge gesehn, ist die Mondnacht wunschleer.
_____
Dein
Haar
ist mein zärtlichstes Kissen
Und schmückt dein
Haar
meine Kissen,
Wie wird die Welt mir so gut;
Deinem
Haar
verschrieb ich mein Blut,
Deinem
Haar,
das im Dunkel noch lacht,
Und das der Leidenschaft Geste
Stumm wie das Feuer nachmacht.
Dein
Haar
schreibt viel brennende Zeilen,
Dein Bett ist der heißeste Brief;
Dein
Haar
ist mein zärtlichstes Kissen,
Auf dem meine Sehnsucht entschlief.
_____
Wie bräutliche Hecken im Frühling
Von deinem Leib haben die Maienglocken ihren keuschen Geruch,
Die Nachtigallen hast du heiß gemacht,
Ihr Gesang malt dein Bild.
Deine Lippen sind wie Kleeblüten klein und süß
an meinem Weg gewachsen.
Und drüber glänzt dein
Haar
festlich
Wie bräutliche Hecken im Frühling.
_____
Wenn deine Arme sich ausbreiten
Wenn deine Arme sich ausbreiten, leuchtet mein Blut
und schlägt Feuer.
Der Duft deines
Haares
trägt meinen Verstand fort.
Wär' ich dein
Haar,
warm an dir gewachsen,
Ich würde dir auf Brust und Schoß fallen
Und immer bei dir liegen.
_____
Wie in den Keller der Schimmel,
Wachsen Wolken über die Stadt;
Das Fenster ist blind wie der Himmel,
Und die Dinge leben nur matt.
Ich habe nicht viel zu sagen,
Die Taschen sind alle leer;
Ich lasse den Hunger nagen,
Und nichts verwundert mich mehr.
Da find' ich im toten Zimmer
Von der Liebsten ein glitzerndes
Haar;
Mein Herz glänzt bei seinem Schimmer
Und vergißt, daß es hungrig war.
_____
Richard Dehmel
(1863-1920)
Bewegte See
Noch Einmal so! Im Nebel durch den Sturm:
das Segel knatterte, die Schiffer schrieen,
am Bugspriet stand das Wasser in meinen Knieen
und sah dein stolz und fremd Gesicht.
Noch Einmal wollte mir dein Auge drohn,
wie eine Flamme stand dein
Haar
im Winde,
doch in den Wellen rang ein Ton
wie das Gewein von einem Kinde -
da wehrtest du mir nicht:
Um meine Lippen lag dein naß wild
Haar,
um deine Schulter lag mein Arm gezogen,
und unsern Kuß versüßte wunderbar
der Schaum der salzigen Sturzwogen -
da schrie ich laut vor Freude auf.
Noch Einmal so ! Was tust du jetzt so kalt,
hast du denn Furcht vorm offnen Meere?
Es peitscht dich warm! Komm bald, komm bald!
im Hafennebel tanzt die Fähre -
hinaus! hinauf!
_____
Entbietung
Schmück dir das Haar mit wildem Mohn,
die Nacht ist da,
all ihre Sterne glühen schon.
All ihre Sterne glühn heut Dir!
du weißt es ja:
all ihre Sterne glühn in mir!
Dein
Haar
ist schwarz, dein
Haar
ist wild
und knistert unter meiner Glut;
und wenn die schwillt,
jagt sie mit Macht
die roten Blüten und dein Blut
hoch in die höchste Mitternacht.
In deinen Augen glimmt ein Licht,
so grau in grün,
wie dort die Nacht den Stern umflicht.
Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn!
laß glühn, laß glühn!
schmück mir dein
Haar
mit wildem Mohn!
_____
Felix Dörmann (1870-1928)
Geliebte, kleine Braut!
Schling' Deines
Haares
Strähne
Ums Haupt mir, kleine Braut,
Zerküsse die funkelnde Träne,
Die mir von den Wimpern getaut.
Vom Elend hier auf Erden
Hab' ich genug erschaut,
Genügsam will ich werden,
Geliebte, kleine Braut!
Ich will mein Sehnen begraben,
Die Wünsche, so brennend und laut,
Du sollst allein mich haben,
Geliebte, kleine Braut!
_____
O laß mich, laß mich umranken
Die schmiegsam volle Gestalt,
Laß Busen mich betten an Busen
Mit stürmischer Glutengewalt.
O laß mich in trunkener Liebe
Durchwühlen Dein flimmerndes
Haar,
Wundküssen die zuckenden Lippen,
Der Lider kühles Paar.
Ich liebe Dich übermenschlich,
Du bleiches Medusengesicht,
Und weiß, daß Deine Seele
Schon für die meine spricht.
Was soll das törichte Weigern,
Das halberstickte "Nein",
Du wirst in meinen Armen
Noch todeszärtlich sein!
_____
Die müden Leiber ruhen
Jedweder Regung bar,
Und um uns beide flutet
Narkotischen Duftes Dein
Haar.
Noch sind die heißen Glieder
Einander angeschmiegt,
Noch küssen sich die Lippen,
Bis uns der Schlaf besiegt.
_____
Stefan George (1868-1933)
WECHSEL
Ich sah sie zum erstenmal .. sie gefiel mir nicht:
Es ist an ihr nichts schönes
Als ihre schwarzen schwarzen
haare.
Mein mund berührte sie flüchtig eines tags
Und sehr gefielen mir ihre
haare
Und auch ihre hand ..
Es ist an ihr nichts schönes
Als ihre
haare
- ja - und ihre feine hand.
Ich drückte sie etwas wärmer eines tags
Und sehr gefiel mir ihre hand
Und auch ihr mund.
Heute ist nichts mehr an ihr
Was mir nicht sehr gefiele
Was ich nicht glühend anbetete.
_____
Anastasius Grün
(1806-1876)
Die
Haarlocke
Kleinod, das als blondes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der goldnen Krone,
Die ums Haupt ihr Schönheit wand!
Deucht mir nur ein welkes Blättlein,
Im verfloßnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.
Und so wird gar oft im Leben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;
So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt!
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!
_____
Und kennst das goldne Wundernetz du nicht,
Wo sich kein Faden in den andern flicht,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Manch bebend Herz verstrickt in seinen Schoß?
Siehst du der
Lockenhaare
goldig Prangen?
Das ist das Wundernetz, das mich gefangen,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Mein zitternd Herz verstrickt in seinen Schoß.
_____
Otto Erich Hartleben
(1864-1905)
Das war der Duft, der deinem
Haar
entströmt,
der mich umhüllt gleich einer Zauberwolke!
- In tiefem Sinnen sass ich still bei Nacht,
und die Gedanken sengten mir die Stirn -
da war es mir, als wehte mir entgegen
ein fremd-vertrauter Hauch aus fern vergessnen Welten - -
Ich strecke meine Arme nach dir aus!
Das war der Duft, der deinem
Haar
entströmte ...
_____
Walter Hasenclever
(1890-1940)
Wenn manchmal in den wünschetollen Nächten
Mein Blut mich quält, weil Du es zu Dir riefst,
Dann greife ich in Deines
Haares
Flechten,
Und küsse sacht die Stelle, wo Du schliefst.
Und höre, wie Du träumst, und werde selig,
Und weiß: Du bist wie ich. Und ich wie Du.
- - - - - - - - - - - - und mählich
Singt sich mein Herz zur Ruh.
_____
Den Jammer einer leeren Zeit
Streich mir aus meinem
Haar,
Und etwas Güte und Frömmigkeit
Küsse mir in mein
Haar,
Und etwas weiche, milde Nacht
Gib mir in Deinem Schoß,
Dann regnet, was so traurig macht,
Leise von uns los.
_____
Du bist gewohnt die Welt als Spiel zu sehn.
Du schöne Frau - Du kommst aus fernen Ländern,
Die ich nur ahne; Deine Glieder gehn
Im leisen Duft von seidenen Gewändern.
Wer bist Du denn? Dein
Haar
ist fein und lose
Und so verschlungen wie ein
Mädchenhaar,
Und manchmal neigst Du Dich wie eine Rose,
Die leuchtend und voll Sommerabend war.
Und was Du rührst wird tönend und voll Leben.
Bist Du ein Traum, ein Märchen, ein Gedicht?
Du schöne Frau - Dir ist ein Glanz gegeben
Oder ein Rausch - ich weiß es nicht.
_____
Die Felder verschneit. Die Straßen
Eintönig, kalt und grau
Wie der Raum, in dem wir saßen,
Noch einmal - Du schöne Frau!
Du gehst. Du gehörst einem andern.
Weißt Du - wie Du mir erzählt
Von Leben und Lebenswandern,
Von Deiner kleinen Welt?
Du, jener Abend, das Singen,
Die Lorelei und Dein
Haar,
Und wie in den einfachsten Dingen
Verwandtes zwischen uns war ...
Du gehst. Du gehörst einem andern.
Und Du neigst den Rosen zu.
Leben heißt Wandern - Wandern -
Schöne Frau, Du!
_____
Ich schreibe die Zeilen des Gedichtes
Auf den Leib deines Briefes, Geliebte.
Das Blut der Worte beginnt zu fließen,
Es steigt ein Körper aus meinem Gedicht.
Bald sind wir Blätter, bald sind wir Tränen,
Gehaucht, verwüstet, hinabgeflossen;
Bald sind wir Worte, verzaubert in Schrift.
Du wirst leben in meinen Worten!
Diese Zeilen sind Deine
Haare,
Diese Verse sind das Herz.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Wo ist die Fee mit dem langen
Goldhaar,
Die erste Schönheit, die mir hold war?
Der Eichenbaum, worin sie gehaust
Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.
_____
Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)
Jetzt geht
mein Blut dem deinen nach
In unser stillstes Brautgemach.
Du legst dich schwer auf mein Gesicht
Und hüllst mich in dein
Haar.
Wie ein Taubenpaar
Flattern deine Füße an mir,
Deine Hände tun mir so Gutes.
_____
Warum müssen meine Hände welk werden
Vom langen Warten!
Warum bringst du mir nicht deine Wunder
In die umflorten Dämmerstunden wieder,
Wo meine Sehnsucht hungrig hockt!
Wo blüht dein
Schoßhaar
weichgelockt,
Wo gibst du dich mit Heilandes Gebärden -
O zaghaft zarten! -
Und windest Wunder
Um Jünglingsglieder?
_____
Dein
Haar
hat Lieder, die ich liebe
Dein
Haar
hat Lieder, die ich liebe,
und sanfte Abende am Meer -
O glückte mir die Welt! O bliebe
mein Tag nicht stets unselig leer!
So kann ich nichts, als matt verlegen
vertrösten oder wehe tun,
und von den wundersamsten Wegen
bleibt mir der Staub nur auf den Schuhn.
Und meine Träume sind wie Diebe,
und meine Freuden frieren sehr -
dein
Haar
hat Lieder, die ich liebe,
und sanfte Abende am Meer.
_____
Ich denke dein: das ist wie Blütenzweige,
in deren Schattenschutz ich sicher ruh',
und deine Stimme spricht: "Schlaf' nur! Ich neige
mich über dich, mein
Haar
deckt sanft dich zu!"
_____
Laß mich in deines Leibes braunem Laub
versinken ganz und untergehn,
mach mich zu einem Spiel und Raub
des Windes, welchen deine
Haare
wehn!
_____
Nikolaus Lenau
(1802-1850)
Sonnenuntergang;
Schwarze Wolken zieh'n,
O wie schwül und bang
Alle Winde flieh'n!
Durch den Himmel wild
Jagen Blitze, bleich;
Ihr vergänglich Bild
Wandelt durch den Teich.
Wie gewitterklar
Mein' ich dich zu seh'n,
Und dein langes
Haar
Frei im Sturme weh'n!
_____
O schönes Bild! oft sucht' ich im Leben dich;
Doch hing die Seele sehnend nach dir hin, ach,
So flohst du mich, und meine Thränen
Netzten das flatternde
Lockenhaar
dir!
_____
Heinrich Leuthold
(1827-1879)
Serenade
Schweigen rings; im Garten der Villa plaudert
Nur der Springquell; zwischen verschlaf'nen Büschen
Lauschen Marmorgötter, und auf dem Meere
Zittert das Mondlicht.
Reiz und Anmuth theilen allein dein heimlich
Lager jetzt und über den blendend weißen
Nacken stromfallähnlich ergießt dein dunkel
Fluthendes
Haar
sich.
Schlaf umfängt dein zauberverbreitend Antlitz.
Deiner Glieder griechisch geformten Bau nun,
Und in's Herz dir träufelt der holde Traumgott
Sanftes Vergessen.
_____
Detlev von Liliencron
(1844-1909)
Rötliche, schimmernde, krausliche
Haare
Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.
Frühling ists, bald kommen grämliche Jahre;
Rötliche, schimmernde, krausliche
Haare
Sind eine preisliche, köstliche Ware,
Kaufe sie rasch dir, du närrischer Tor.
Rötliche, schimmernde, krausliche
Haare
Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.
_____
Thekla Lingen (1866-1931)
Guter Rat
Steck dir die Rose an die Brust,
Lache und tanze in junger Lust,
Lass es flattern, dein duftend
Haar
-
Bist ja nicht immer zwanzig Jahr!
Streue mit reichen Händen aus
Deiner Jugend Blütenstrauss,
Lasse schäumen den goldenen Wein -
Wird ja nicht immer so köstlich sein!
Lass dir küssen den jungen Mund!
Kommt einmal deine dunkle Stund,
Wirst du wissen, wie schön es war -
Bist ja nur einmal zwanzig Jahr!
_____
Hermann Löns (1866-1914)
Du ruhst in meinem Schoße ...
Die grünen Buchenblätter
Schatten so schwer und dicht,
Auf rotem Vorjahrslaube
Spielt blau das Sonnenlicht.
Du ruhst in meinem Schoße,
Dein Atem geht so leis,
Es fiel aus deinen Händen
Der Strauß von Ehrenpreis.
Der Duft aus deinem
Blondenhaar
Berauschend mich umweht,
Um meine seligen Lippen
Ein stilles Lächeln geht.
_____
Morgensonne
Die Morgensonne umbrandet
Den Wald mit brausender Flut,
Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut.
Gold ist vor meinen Augen
Und rosenrote Glut,
Die warme Morgensonne
Auf deinem
Haare
ruht.
_____
Ernst Wilhelm Lotz
(1890-1914)
Deine
Haare
Heute reizen mich deine
Haare.
Sie sind ein trunkenes Lichterspiel.
Die Seele eines Malers müßte immer in Leuchten aufstehn
Vor solchem Scheinen!
Aber ich bin ein Dichter.
Ich sinke.
Versinke tief in flutrauschenden Traumsinn.
Ich träume.
Ich träume in deine
Haare
eine Landschaft hinein.
Schwül zieht ein Strom aus großen Dämmerungen
Zum Vordergrund in spät besonnten Schein.
Die reichen Dünste halten Klarheit weich umschlungen.
Ich glaube, hinter breiten Palmenfächern lebt ein Schein
Von einem blanken Marmorstein.
Der Abend duftet von Opferbränden,
Aufwölkend einer Göttin dargebracht.
Mit zitternden Händen
Hat jemand ein Feuer angefacht.
Die Flammen knistern, die Funken sprühen
In staunende Ferne. -
Ich sehe sie oben glühen:
Die ersten Liebessterne.
_____
Deine
Haare
waren mir Sommer und Gartenglück ...
Deine
Haare
waren mir Sommer und Gartenglück,
An die Vorstadt gebaut. Weite und Wehen.
Da fand ich Traum und Körper. Und den Wind,
Der meine frühen Nächte überflammte. –
Nun gleite ich manchmal kühl in Booten
Mit hartem Hals:
Und ich begreife, daß ich einsam bin.
_____
Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns ...
Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns.
Zur Nacht, eine Sichel sang vor unserem Fenster.
Auf unsern Stimmen fuhren wir hinauf,
Wir reisten Hand in Hand.
An deinen
Haaren,
helles Fest im Morgen,
Irr flogen Küsse hoch
Und stachen reifen Wahnsinn in mein Blut.
Dann dursteten wir oft an wunden Brunnen,
Die Türme wehten stählern in dem Land.
Und unsre Schenkel, Hüften, Raubtierlenden
Stürmten durch Zonen, grünend vor Gerüchen.
_____
Selma Meerbaum-Eisinger
(1924-1942)
Schlaflied für dich
Komm zu mir, dann wieg' ich dich,
wiege dich zur Ruh'.
Komm zu mir und weine nicht,
mach die Augen zu.
Ich flechte dir aus meinem
Haar
eine Wiege, sieh!
Schläfst drin aller Schmerzen bar,
träumst drin ohne Müh'.
Meine Augen sollen dir
blinkend Spielzeug sein.
Meine Lippen schenk' ich dir -
trink dich in sie ein.
_____
Christian Morgenstern
(1871-1914)
Hier in Bergeseinsamkeiten
brennt mein Wesen, dich zu halten,
Zu entrückten Wirklichkeiten
unsre Träume zu gestalten;
unter diesen Tannen möcht ich
mit dir wandern, Mund an Munde,
und mit deinem
Braunhaar
flöcht ich
uns in eins zu zartem Bunde...
_____
Wenn ich deine weichen Wangen
leis in meine Hände nahm,
und voll zärtlichem Verlangen
Mund zu Mund zum Kusse kam;
wenn ich deine Schläfen rührte
durch der
Haare
duftig Netz,
o, wie war, was uns verführte,
beiden uns so süß Gesetz!
_____
Eduard Mörike (1804-1875)
Vicia faba minor
Fort mit diesem Geruch, dem zauberhaften: Er mahnt mich
An die
Haare,
die mir einst alle Sinne bestrickt.
Weg mit dieser Blüte, der schwarz und weißen! Sie sagt mir,
Daß die Verführerin, ach! schwer mit dem Tode gebüßt.
_____
Erich Mühsam (1878-1934)
Durch nahe Bäume wehen Grabesschauer;
so fern dem Lebenslärm wie jene Grüfte,
ruht unser Schritt am Fuß der Kirchhofsmauer, -
trinkt meine Hand den Atem deiner Hüfte.
Mein Mund versinkt im Dufte deiner
Haare,
die gleich der Nacht sich auf mein Sehnen neigen.
Ja, lausch nur meiner Liebe, Wunderbare! - -
Die Gräber singen, - und die Menschen schweigen ...
_____
August Graf von Platen
(1796-1835)
Wer hätte nie von deiner Macht erfahren?
Wer hätte je dich anzuschaun bereuet?
Wie viele Reize liegen hingestreuet
Auf diesen Wangen, diesen schönen
Haaren!
Du bist so zart, du bist so jung an Jahren,
Durch jede Huldigung des Glücks erfreuet;
Doch wer die List in deinem Busen scheuet,
Der mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren!
Noch prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste,
Die Blätter bilden noch geräum'ge Lauben,
Da schon Zerstörung wütet unterm Baste.
Doch soll mir frostige Betrachtung rauben
Den süßen Schatten, unter dem ich raste?
Nein, deine Schönheit fodert blinden Glauben!
_____
Robert Prutz (1816-1872)
Eine Locke
's war Mitternacht, früh Morgens sollt' ich scheiden,
Wir saßen stumm, ein träumerisches Paar;
Von ihrem Haupt ein Löckchen wollt' ich schneiden,
Sie wehrte nicht, sie löste selbst das
Haar.
Da schlug mein Herz, der blöde Wunsch ward freier,
In tausend Küssen kühlt' ich meine Glut,
Und über uns, ein süß geheimer Schleier,
Floß ihrer Locken dunkelbraune Flut.
Wie lang' doch ist es, seit ich das erfahren?
Ich sinne nach und dennoch find' ich's kaum;
Hätt' ich die Locke nicht von ihren
Haaren,
Ich meine wohl, das alles wär' ein Traum.
Denn für das
Haar,
das ich ihr schnitt vom Haupte,
Schnitt sie der Liebe goldnes Band entzwei,
Und ach, sie wußte, daß, was sie mir raubte,
Kein
Härchen
nur, daß es mein Leben sei! –
So schieden wir. Ich sah sie nimmer wieder,
Als nur im Traum; sie, mein' ich, sah mich nie,
Vergessenheit sank auf mein Antlitz nieder,
Der bleichen Stirn warum gedächte sie?!
Die Locke nur, sie hat mir bleiben müssen,
Ich trug sie treu – und schau' nur her, mir däucht,
Als wäre sie noch warm von unsern Küssen,
Als wär' sie noch von unsern Thränen feucht!
Ob wohl noch heut', wie tausend junge Schlangen,
So mild, so braun wie eine Sommernacht,
Der stolzen Frau um Hals und Stirn und Wangen
Herniederfließt der Locken weiche Pracht?
Und wer wohl heut' mit übermüth'gem Finger,
Wie ich einst that, in diesen Locken wühlt,
Und sich, gleich mir, dabei um nichts geringer,
Als wie ein König beider Indien fühlt?
Und horch, ich hör's wie Geisterstimmen säuseln;
's kommt eine Zeit, sie kommt, du stolze Frau,
Da wird dein
Haar
sich minder üppig kräuseln,
Die braune Locke, glaub' mir, sie wird grau!
Du wirst umsonst die schlanken Arme breiten
Nach einem Herzen, dich zu wärmen dran,
Kalt wird die Welt an dir vorüberschreiten –
O, nicht mein Bild, nicht meines, schaue dann!
Vergiß mich ganz! und sei der ernste Schnitter
Vor Vielen dir mit einem Lächeln hold!
Stirb sanft, stirb rasch! Es ist ja schon so bitter,
Allein zu sterben; das hast du gewollt.
Eins quält mich nur: von deinem Haupt dies
Härchen,
Im Tode selbst ein Kleinod bleibt es mir –
Doch dann, o dann von all' den goldnen Märchen,
Sprich, stolze Frau, o sprich, was bleib dann dir?
_____
Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Ein Mädchengesicht, so lieb, so traut,
Wie ich es nimmer zuvor geschaut.
Gleich flüssigem Golde erglänzte ihr
Haar,
Und ich las in dem dunklen Augenpaar
Ein wehmütig banges Erwarten.
Ein leiser Wind erquickte die Luft
Und trug einen süßen, berauschenden Duft
Vom Holunderbusch durch den Garten.
_____
Ich habe an deiner Brüste Altar
Die Nacht bei dir durchsonnen.
Ich träumte unendliche Wonnen
Im Zauberdufte aus deinem
Haar.
_____
Friedrich Rückert
(1788-1866)
Wissen möcht' ich nur, wie lange
Ich dir spielen könnt' im
Haar,
Oder streicheln an der Wange,
Oder sehn ins Augenpaar;
Wissen möcht' ich, ob auf Erden
Noch ein solches Spiel es giebt.
Das man, ohne müde werden,
Treiben kann als wie man liebt.
_____
Wilhelm Runge (1894-1918)
Nicht mehr wandern darf ich durch dein Antlitz
plötzlich falle ich in deiner Augen tiefe Schlucht
alle Berge schlagen über mir zusammen
mit den Wellen deines
Haars
wirf des Lachens Rettungsring
ganz dünn
ist meine Stimme
und wird zerreißen
meinen Wurzeln schließt die Hand dein Felsen
und des Auges Rose liegt gebrochen
du bist blauer Himmel
ich die Wolke
die sich fest an deinen Nacken klammert
sich nicht halten kann
und tausendfingrig
regenschreckt erdhin
den Wiesengrund
und dort hinsinkt himmellosgelöst auf ihr Knie
_____
Streicheln sinnt
Mädchenhaar
Die Stunden schlendern
blaublühend überkopf stürzt goldenrot
und Lachen schwingt die übermütge Schaukel
Die Lippen springen Necken
rasch
zur Seite
dein Auge tanzt
vorbei
in blauem Kleid
tief in die Brust stürzt deiner Stimme nach ein Lauschen
bricht Weg
und Trennen stöhnt um deinen Hals
nun lassen
was wissen Sterne
Kuß um Kuß
_____
Hugo Salus (1866-1929)
Frühlingsfeier
Ein Blütenzweig, blaßrosa, weiß und grün,
Die Welt hat tausend solcher Blütenäste,
Da darf der eine auch für uns erblühn
Und darf verblühn bei unserm Liebesfeste.
Befrei' das schwere
Haar
von Kamm und Band
Und laß die schwarzen Fluten niederwallen
Auf dieses blumenhelle Lenzgewand,
Und laß die neidischen Achselspangen fallen!
Nun nimm den Blütenzweig. - Wie wunderbar
Die Blüten glühn von deines Pulses Schlägen -
Und rühre mir die Stirne und das
Haar
Und sprich dazu den heiligen Frühlingssegen:
"Blick auf, der Lenz ist kommen über Nacht,
Die Welt ist voll von Liebe und Erbarmen!"
Ich blicke auf; der Frühling ist erwacht;
Ich halt' den ganzen Frühling in den Armen!
_____
Richard von Schaukal
(1873-1942)
Nachklang
Als ich dich liebte, damals, o wie war
voll Duft und Glanz dein flockenleichtes
Haar,
wenn meine Finger selig es durchbebten!
Ich weiß nicht mehr, ob deine Augen blau
wie früher leuchten, kleine Frau,
als sie im Lichte meiner Liebe lebten.
_____
René Schickele
(1883-1940)
In deiner Treue will ich tief begraben sein.
Ich weiß, dies
Haar,
das mich bedeckt, ist mein,
und weiß, daß diese Hände mich behüten.
Mit starken Engeln steht dein Herz im Bund.
Alle Stunden, ob sie dunkel, ob sie fröhlich blühten,
hingen als ein Lächeln sich an deinen Mund.
_____
Hymne
In ihren Umarmungen blühte die Erde,
ihr Herzschlag in diesen Nächten rührte die Welt.
Der Morgen hob mit sorgsamer Gebärde
den Vorhang von dem Himmelszelt,
worin unsre Herzen schliefen.
Ihre Augen im Tau der Frühe waren diamantne Schächte.
Wir horchten, wie in unserm Blut die Stunden liefen,
Hand in Hand, und durch den Abend dann, von Gluten triefend
in die grenzenlosen Ebenen der Nächte.
Sie stürzten umschlungen, als auf einmal Nachtigallen riefen.
Auf der Sanftmut ihrer
Haare
senkten Dämmerungen sich hernieder,
schimmernde, bestirnte Himmel waren ihre Glieder,
zwanzig Nachtigallen litten Lust in ihrer Kehle.
Unter der Berührung ihrer Hände bebte die verschlungne Seele.
Aus ihren Haaren stieg der große Mond.
_____
Karl Siebel (1836-1868)
Wohl sind mir glühende Rosen erblüht,
Tiefdunkele Augen und lockiges
Haar
Umfingen, umstrickten mein träumend Gemüth
Und nahmen die Sinne mir ganz und gar.
Es wogte, es hob sich die sehnende Brust;
Es ward ihr die wilde bezaubernde Lust: -
- - - - Du bist meine Liebe!
_____
Theodor Storm (1817-1888)
Traumliebchen
Nachts auf des Traumes Wogen
Kommt in mein Kämmerlein
Traumliebchen eingezogen,
Luftig wie Mondenschein.
Sie ruht auf meinem Kissen,
Sie stört mich auf mit Küssen
Und lullt mich wieder ein.
Glühend um meine Glieder
Flutet ihr dunkles
Haar,
Auf meine Augenlider
Neigt sie der Lippen Paar.
"So küß mich, du blöder Schäfer!
Dein bin ich, du süßer Schläfer,
Dein heut und immerdar!"
"Fort, fort aus meinem Stübchen,
Gaukelndes Nachtgesicht!
Ich hab ein eigen Liebchen,
Ein andres küß ich nicht!"
Umsonst, ich blieb gefangen,
Bis auf des Morgens Wangen
Brannte das rosige Licht.
Da ist sie fortgezogen,
Schwindend wie Mondesschein,
Singend auf Traumeswogen
Schelmische Melodein:
"Traum, Traum ist alles Lieben!
Wann bist du treu geblieben?
Wie lang wohl wirst du's sein?"
_____
Nur eine Locke
Nur eine Locke von deinem
Haar
Gib mir, mein Lieb, für die kalte Ferne!
Still wie das ewige Licht der Sterne
Will ich sie bergen immerdar.
Nur eine Locke nach freundlicher Sitte
Gib mir zum Pfande in Leid und Lust,
Will sie ja bergen auf treuer Brust.
Gib mir, mein Lieb, ich bitte, bitte!
_____
Paul Wertheimer
(1874-1937)
Begegnung
Du grüsstest kaum, da ich dir heut begegnet.
Du rittest mir vorüber, kühl, im Schritt.
Da schrie mein Herz und folgte dennoch mit.
Es kam wie Gold aus deinem
Haar
geregnet.
Und dieses Nackens Trotz! Indes ich litt,
Wie warst du schön - wie hast du mich gesegnet.
_____
Bild
Liebste, wie ich dich heute fand,
Tändelnd, einen Globus in der Hand,
Möcht' ich dich malen:
mit kühlen Wangen,
Gelöst vom Kleide die Silberspangen,
Im
Haar
ein wehendes Seidenband,
Die runde Welt in deiner lässigen Hand.
_____
Reisemorgen
Und fahr' ich in die Weite
Durch Dorf und Berg und Au,
Bist du mir stets zur Seite,
Geliebte Frau.
Und in dem Duft der Ferne
Fühl' ich dein nächtiges
Haar,
Ich reiche dir die Sterne
Wie Blumen dar.
Wie sich die Ähren regen.
Der Wind herüberlauscht -
Der Seele Erntesegen,
Er rauscht dir zu und rauscht.
_____
Anton Wildgans
(1881-1932)
Tief in Dein
Goldhaar
geht mein Blick zur Ruh,
Mohntrunk für meine Unrast, Du Vergessen!
Viel Qual war mir im Leben zugemessen,
Nun fallen selig meine Lider zu.
Und was ich träumend sehe, das bist Du!
Bin ich denn jener, der noch jüngst besessen
Von Gier war, die im Blute ihm gefressen? –
Tief in Dein
Goldhaar
geht mein Blick zur Ruh.
Freilich an Tagen, da Dir Deine Laune
Nicht gut und lieb mit mir zu sein erlaubt,
Da bin ich wieder aller Ruh beraubt,
Geh' heimlich weinen in den Wald und staune,
Bestürzt von eines Kindes Flattersinn,
Wie sehr ich noch ein dumpfer Knabe bin.
_____
|