Liebeslyrik - Miniaturen

Gedichte und Gedicht-Zitate (Stichwort: Haar)
 


Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar


 



Stichwort: Haar

16./17. Jh.      18. Jh.      19/20. Jh.

 

16./17. Jh.

 

  • Anonyme Barockdichter

    Und soll dem Venus-sohn die liebes-jagt gelücken /
    Muß er aus langem
    haar ihm netz und sehnen stricken.
    Denn soll in sclaverey die freyheit seyn gebracht /
    So müssen fesseln seyn aus langem
    haar gemacht.
    _____

    Der
    haare zier sind trübsands sanffte wellen /
    Wo unsre ruh und geist versinckt /
    Ihr Meer kan wohl in stille sich verstellen /
    Woraus doch sturm und wetter dringt;
    Was hoffet man beständigs mehr /
    Die Venus kommt ja selbst von wellen her.
    _____

     

  • Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)

    Beschreibung vollkommener schönheit

    Ein
    haar so kühnlich trotz der Berenice spricht /
    Ein mund / der rosen führt und perlen in sich heget /
    Ein zünglein / so ein gifft vor tausend herzen träget /
    Zwo brüste / wo rubin durch alabaster bricht /
    Ein hals / der schwanen-schnee weit weit zurücke sticht
    Zwey wangen / wo die pracht der Flora sich beweget /
    Ein blick / der blitze führt und männer niederleget /
    Zwey armen / derer krafft offt leuen hingericht /
    Ein herz / aus welchem nichts als mein verderben quillet /
    Ein wort / so himmlisch ist / und mich verdammen kan /
    Zwey hände / derer grimm mich in den bann gethan /
    Und durch ein süsses gifft die seele selbst umhüllet /
    Ein zierrath / wie es scheint / im paradieß gemacht /
    Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.
    _____

     

  • Benjamin Neukirch (1665-1729)

    Auff ihre
    haare

    Laßt Berenicens haupt mit güldnen
    haaren prangen /
    Schreib / Conon / wie du wilst / sie in die sternen ein.
    Leug / leug / Callimachus / daß wann der tag vergangen
    Sie dieser unter-welt statt einer lampe seyn.
    Eur ruhm ist fabel-werck, und wär es auch geschehen /
    Was wunder wär es denn ein rothes
    haar zu sehen?
    Schaut, meine liebste führt kein feuer auff dem kopffe /
    Dann dieses steht allein nur ihren augen an;
    Ihr
    haar ist seid und flachs / und ihrem lichten zopffe
    Fehlt nichts / als daß man ihn nicht recht beschreiben kan.
    Wer wolte sich denn nun nicht willig lassen binden /
    Wenn man die fässel kan in solchen stricken finden?
    _____

     

  • Gottlieb Stolle (Leander aus Schlesien) (1673-1744)

    Als er sich in sie verliebet

    Indem ich mein gesichte
    Auf Flaviens gerolltes
    haar,
    Und ihre schönen augen richte,
    So fällt mein herz in doppelte gefahr.
    Kurz: Amor will mich töden oder fangen:
    Um nun das letzte zu erlangen,
    So muß ihr sauber
    haar ihm statt des netzes seyn.
    Die augen aber sind die bogen;
    Die pfeilen liefert ihm der holden blicke schein.
    Jedoch wer hat sich ie dergleichen garn entzogen?
    Kommt, pfeile! selbst, kommt häuffig angeflogen!
    Ihr seyd doch allzusüß und schön,
    Um euch aus bloser furcht des todes zu entgehn.
    _____

     

  • Georg Rudolf Weckherlin (1584-1653)

    Schöne
    haar

    O der Lieb liebste garn, der Schönsten schönste
    haar,
    Wan schertzend in dem lufft ihr schon bandloß  umbflieget,
    Befind ich doch alßbald, daß ihr mein hertz betrieget,
    Und daß ie freyer ihr, ie grösser mein gefahr.

    O goldfluß blaich und reich, Goldstriemen wahr und klar,
    Wan euch ihr weisse hand in taussent ringlein bieget,
    Befind ich auch alßbald, daß ihr mein hertz bekrieget,
    Und ie mehr ewre knöpff, ie mehr ich strick erfahr.

    Zwar wie solt dises garn doch meine sehl verdriessen?
    Ist ein hertz in der welt das disem schatz nicht hold?
    Wer wolt nicht einen strom von gold gern sehen fliessen?

    O reiche
    haar, zugleich der Freyheit strick und sold,
    Wie ihr, als der Lieb strick, mich pfleget zu beschliessen,
    Also belohnet ihr mich auch mit bestem gold.
    _____

    Seind es
    haar oder garn das kraußlecht, reine gold,
    Nach dessen purem schatz die Götter ein verlangen?
    Ach! Es seind zarte
    haar, meiner lieb wehrter sold:
    Nein. Es seind starcke garn, da sich die sehlen fangen.
    _____

     

18. Jh.
 

  • Susanne von Bandemer (1751-1828)

    An ***
    bey der Übersendung einer Haarlocke

    Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen,
    Muss keine Kette ihn umschlingen;
    Verachtend sprengt er sie. – Ein Faden fesselt ihn,
    Und willig wird er Amors Wagen ziehn, -
    Der Liebe süssgepries'ne Bande
    Sind, leider! zu Cytherens Schande,
    Nicht immer süss – und Blumenketten rar.
    Doch ich, mein Trauter, fess'le gar
    Den Mann der Liebe an ein –
    Haar -!
    _____

     

  • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

    Gewarnt

    Auch in Locken hab ich mich
    Gar zu gern verfangen,
    Und so, Hafis, wärs wie dir
    Deinem Freund ergangen.

    Aber Zöpfe flechten sie
    Nun aus langen
    Haaren,
    Unterm Helme fechten sie,
    Wie wir wohl erfahren.

    Wer sich aber wohl besann,
    Läßt sich so nicht zwingen:
    Schwere Ketten fürchtet man,
    Rennt in leichte Schlingen.
    _____


    Lebendiges Andenken

    Der Liebsten Band und Schleife rauben,
    Halb mag sie zürnen, halb erlauben,
    Euch ist es viel, ich will es glauben
    Und gönn euch solchen Selbstbetrug:
    Ein Schleier, Halstuch, Strumpfband, Ringe
    Sind wahrlich keine kleinen Dinge;
    Allein mir sind sie nicht genug.

    Lebendgen Teil von ihrem Leben,
    Ihn hat nach leisem Widerstreben
    Die Allerliebste mir gegeben,
    Und jene Herrlichkeit wird nichts.
    Wie lach ich all der Trödelware!
    Sie schenkte mir die schönen
    Haare,
    Den Schmuck des schönsten Angesichts.

    Soll ich dich gleich, Geliebte, missen,
    Wirst du mir doch nicht ganz entrissen:
    Zu schaun, zu tändeln und zu küssen
    Bleibt die Reliquie von dir. -
    Gleich ist des
    Haars und mein Geschicke :
    Sonst buhlten wir mit Einem Glücke
    Um sie, jetzt sind wir fern von ihr.

    Fest waren wir an sie gehangen;
    Wir streichelten die runden Wangen,
    Uns lockt' und zog ein süß Verlangen,
    Wir gleiteten zur vollern Brust.
    O Nebenbuhler, frei von Neide,
    Du süß Geschenk, du schöne Beute,
    Erinnre mich an Glück und Lust!
    _____


    Versunken

    Voll Locken kraus ein Haupt so rund! -
    Und darf ich dann in solchen reichen
    Haaren
    Mit vollen Händen hin und wider fahren,
    Da fühl ich mich von Herzensgrund gesund.
    Und küß ich Stirne, Bogen, Auge, Mund,
    Dann bin ich frisch und immer wieder wund.
    Der fünfgezackte Kamm, wo sollt er stocken?
    Er kehrt schon wieder zu den Locken.
    Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel,
    Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut,
    So zart zum Scherz, so liebeviel!
    Doch wie man auf dem Köpfchen kraut,
    Man wird in solchen reichen
    Haaren
    Für ewig auf und nieder fahren.
    So hast du, Hafis, auch getan,
    Wir fangen es von vornen an.
    _____

     

19./20. Jh.
 

  • Lisa Baumfeld (1877-1897)

    Am Sofa sie. In Falten reich und rauschend
    Fiel schwermüthig' das weisse Kleid hinab
    Und milde Perlen flossen durch die
    Haare -
    Das mondscheinblonde, weiche Frauenhaar,
    In dessen Netz ich mich verstrickt ... zu Tode -
    _____

     

  • Otto Julius Bierbaum (1865-1910)

    "Frauenhaar"

    "
    Frauenhaar" trag ich am Hute,
    Wie Flachs so weich, wie Seide so fein,
    Flirrfädelnd spinnt's im Sonnenschein,
    Flott flattert's in den Wind hinein,
    Ich trag es mit fröhlichem Mute
    Und denke dein,
    Mein
    Seidenhaar,
    Die meine Sonne, mein Sehnen war,
    Mein Leben im bebenden Blute,
    Du Weiche, du Feine, du Gute.
    _____

    Und ist doch um mich rings das Leben voll Gestalten,
    Das blutgetriebene, blühende, voll von Früchten,
    Und manchmal klingen Laute an mein Ohr,
    Und im Vorübergehen streift mich manche Hand,
    Und heiße Augen seh ich, rote Lippen, leuchtendes
    Haar,
    Gewänder, die von schönen Gliedern hold bewegt sind, -:
    Muß ich denn einsam sein?
    _____

     

  • Rudolf G. Binding (1867-1938)

    Ihrer
    Haare dunkle Schlingen -
    lassen sie mich jemals frei?
    Doch es soll ihr nicht gelingen
    daß ich ganz gefangen sei.

    Liebgefesselt überwinde
    ich die mächtigste Gestalt.
    Und die Gottheit wird gelinde
    und die Liebe wird Gewalt -

    Wird Gewalt die mir sie bindet.
    Alle Zärtlichkeit wird Spott.
    Unterworfen überwindet
    Mensch und Göttin nun der Gott.
    _____

     

  • Ernst Blass (1890-1939)

    Seit ich zuviel an dich denke,
    Bin ich nicht mehr frei und munter.
    Such ich, wie ich es versenke,
    Geht es doch mir nicht mehr unter.

    Lockig
    Haare, klar die Wangen
    Und der Augen Schelmerein,
    Sie sind ferne, doch sie fangen
    Mich mit bangen Schlingen ein.

    Weiß nicht, wie das enden möge,
    Bringt es Freude oder Schmerz?
    In dem zierlichsten Gehege
    Neu verfangen glüht mein Herz.
    _____

     

  • Paul Boldt (1885-1921)

    Mein gutes Glück, märzlich dahergetänzelt.
    Mädchen, gut, daß du Weib bist! Diese Stunde
    Verlangt das. Küsse mich! O unsere Munde

    Haben noch niemals um ihr Glück scharwenzelt.
    Du – du – dein
    Haar riecht wie der frühe Wind
    Nach weißer Sonne – Sonne – Sonne – Wind.
    _____

     

  • Carl Busse (1872-1918)

    Liebesfrühling

    Wie die Wolken sich wiegen und liegen
    Gleich Schwänen im Himmelsblau,
    Mein Herz will sonnenwärts fliegen,
    Es ist in die Höhe gestiegen
    Wie die Lerche über der Au!

    Es weiß nicht, was es vor Wonne
    Noch thun und lassen soll,
    Es jubelt zur Lichtmadonne,
    Es betet und jauchzt zur Sonne
    Und ist so voll .. so voll!

    Wer mochte ihm das wohl bringen?
    Das that eines
    Haares Duft!
    Nun will es vor Jubel zerspringen,
    Nun will es singen und klingen
    Wie die Lerche in der Luft.
    _____

     

  • Georg Busse-Palma (1876-1915)

    Jung mußt du sein .. an fünfzehn Jahr vielleicht.
    Mit langem
    Haar, das ledig seiner Spangen
    Sich um dich schmiegt und bis zum Knöchel reicht,
    Als wär’s ein Mantel, den du umgehangen!

    Und diesen Mantel weich und welligbraun,
    Den müßten atmend weiße Hügel heben
    Und drüberher zwei dunkle Augen schaun,
    Die Freund dem Traum nur und noch fremd dem Leben.
    _____


    Mondlied

    Im Lindengrün hat sich der Mond verfangen
    Und sieht so aus, als ob er weinen möcht. —
    Wie er im Laub, verfing sich mein Verlangen
    In eines Mädchens braunem
    Haargeflecht.

    In Lindenzweigen und in Mädchenflechten —
    Wer, bleicher Bruder, löst so lieben Bann? —
    Wir sehn so aus, als ob wir weinen möchten,
    Der Mond und ich, und sehn uns lange an ...
    _____


    Sehnsucht

    Schwingen schwüler Abendwinde
    Haben sie zu dir gebracht.
    Meine rote Sehnsuchtssünde
    Sieht dich nackend jede Nacht.

    Und dann wühlen ohne Ende
    Kühlung suchend sich ein Paar
    Schmaler fieberheißer Hände
    Ach im Traum nur! in dein
    Haar.

    Und dann pressen halbverschmachtet
    Lippen sich auf deinen Leib,
    Lippen, die den Tod verachtet
    Und jetzt betteln: sei mein Weib!

    Aber du in keuscher Kühle
    Ahnst noch nichts von solchem Schmerz.
    Moulin rouge, die rote Mühle
    Mahlt dich später, weißes Herz! — —
    _____


    Weißt du, mein Liebling ...

    Weißt du, mein Liebling, was ich einmal möchte?
    Ich möcht' mit dir weit in die Wälder fliehn
    Und deines
    Haares dunkelblonde Flechte
    Dort fest, ganz fest um meinen Nacken ziehn:
    Daß deine Lippen, die so lieblich brennen,
    Die ganze Nacht nicht von den meinen können! —
    _____


    Verflognes
    Haar

    Heut hat der Wind im Stadtgewühl
    Ein
    Haar auf meinen Rock geweht.
    Ich hob es auf in losem Spiel:
    Es flammte wie aus Gold gedreht!
    Gedreht aus Gold und Flammen -
    Von wem wohl mocht' es stammen?
    Ach Gott! es haben so viele,
    So viele sonniges
    Haar!

    Da wölbte plötzlich glutgefüllt
    Sich in Erinnerung mein Mund.
    Vor meine Seele stieg ein Bild:
    Ein weißes Haus in grünem Grund.
    Mein blonder Spielgeselle
    Warf mit mir Bocciabälle -
    Spätsommerheiß und fiebernd
    Lag rings der Garten im Schlaf.

    Wir bückten uns nach einem Ball
    Und kamen uns zu nah dabei.
    Da schlug vom Baum in dumpfem Fall
    Der Märchenapfel für uns zwei.
    Mein Mund in
    Mädchenhaaren -
    Wie heiß und jung wir waren!
    Wir sahen den Ball im Grase
    Und hoben ihn doch nicht auf ...

    Spätsommerheiße Seligkeit,
    Die mit dem Sommer sich entlaubt!
    Heut sind so fern wir jener Zeit
    Wie dieses
    Haar hier seinem Haupt!
    Es blitzt noch blond und eitel,
    Und ist von seinem Scheitel
    Doch längst im Wind verflogen,
    Wie wir von Jugend und Glück!
    _____

     

  • Carmen Sylva (1843-1916)

    An Mgylis

    Als du gestorben bist, o Mgylis, Mgylis,
    Da hab' ich mir dein langes
    Haar genommen,
    Und macht' ein Segel draus, o Mgylis, Mgylis,
    Mit leichtem Segel ist mein Schiff geschwommen.

    Wie reife Reben war's, o Mgylis, Mgylis!
    So golden, wie der Harfen zarte Saiten,
    Die Seelen fangen sich, o Mgylis, Mgylis,
    In deinem
    Haar und können nicht entgleiten.

    Dein
    Haar geht mit auf's Meer, o Mgylis, Mgylis!
    Wenn sich der Abend senkt, wie dunkel
    Zum Berghang Adlerzüge, Mgylis, Mgylis,
    Noch dunkler ob dem Sterngefunkel.

    Am Strand ist's Meer so lustig, Mgylis, Mgylis,
    Weil es die Bäume, Häuser spiegelt,
    So traurig ist die Weite, Mgylis, Mgylis,
    Die meine Einsamkeit besiegelt.

    In meiner Barke wein' ich, Mgylis, Mgylis,
    Das Meer die Taube, die der Sperber
    Im Niederstoßen trifft, o Mgylis, Mgylis,
    Mich traf der Sturm nicht, der Verderber!
    _____

     

  • Max Dauthendey (1867-1918)

    Das Rot deiner Wange ist ein Bett für mein Auge,
    Mein Zimmer wird feierlich von der Pracht deiner
    Haare,
    Jede Stunde bei dir ist ein Baum voll zärtlicher Blumen.
    _____

    Dein
    Haar hält mich schwerer als Ketten gefangen;
    Wenn nur ein
    Haar winkt,
    Klingt meine Kette bis ans Ende der Welt.
    Alle Rosen sind süß wie deine Nähe,
    Aber die Rosen werden zu Schmerzen, wenn du mir fern bist:
    _____


    Deine Locken

    Ich wühlte gern hitzig in deinem
    Haar,
    Sage mir: reden die Locken wahr?
    Die Locken werfen sich voll und rund
    Wie tolle Bäche an meinen Mund.

    Und jeder Lockenleib wild sich rollt,
    Als ob er mit Glut mir zufliegen wollt.
    Ich möchte vor Lust mein Herz zerbrechen,
    Mit tausend Splittern zu dir sprechen.
    _____

    Möchte von deinem langen goldbleichen
    Haar
    Ein Lager mir bekleiden.
    Seide wäre Stroh, Sammet - Igelhaut,
    Aber dein
    Haar ist wie ein Wolkenbett,
    Wie man's am Abend gleißend nur im Äther schaut. -

    Nein, dein
    Haar ist mehr, ist mehr,
    Dein
    Haar ist wie ein Strom der goldenen Maienluft
    Geschwängert von den Küssen junger Liebe.
    Will meine Augen mit deinem
    Haar verbinden,
    Will erblinden, in seinem Gold erblinden.
    _____

    Stille weht in das Haus,
    Fühlst du den Atem des Mondes,
    Löse dein
    Haar,
    Lege dein Haupt in den Blauschein hinaus.
    Hörst du, das Meer unten am Strand
    Wirft dir Schätze ans Land;
    Sonst wuchsen im Mond Wünsche, ein Heer,
    Seit ich dein Auge gesehn, ist die Mondnacht wunschleer.
    _____


    Dein
    Haar ist mein zärtlichstes Kissen

    Und schmückt dein
    Haar meine Kissen,
    Wie wird die Welt mir so gut;
    Deinem
    Haar verschrieb ich mein Blut,
    Deinem
    Haar, das im Dunkel noch lacht,
    Und das der Leidenschaft Geste
    Stumm wie das Feuer nachmacht.

    Dein
    Haar schreibt viel brennende Zeilen,
    Dein Bett ist der heißeste Brief;
    Dein
    Haar ist mein zärtlichstes Kissen,
    Auf dem meine Sehnsucht entschlief.
    _____


    Wie bräutliche Hecken im Frühling

    Von deinem Leib haben die Maienglocken ihren keuschen Geruch,
    Die Nachtigallen hast du heiß gemacht,
    Ihr Gesang malt dein Bild.
    Deine Lippen sind wie Kleeblüten klein und süß
    an meinem Weg gewachsen.
    Und drüber glänzt dein
    Haar festlich
    Wie bräutliche Hecken im Frühling.
    _____


    Wenn deine Arme sich ausbreiten

    Wenn deine Arme sich ausbreiten, leuchtet mein Blut
    und schlägt Feuer.
    Der Duft deines
    Haares trägt meinen Verstand fort.
    Wär' ich dein
    Haar, warm an dir gewachsen,
    Ich würde dir auf Brust und Schoß fallen
    Und immer bei dir liegen.
    _____

    Wie in den Keller der Schimmel,
    Wachsen Wolken über die Stadt;
    Das Fenster ist blind wie der Himmel,
    Und die Dinge leben nur matt.

    Ich habe nicht viel zu sagen,
    Die Taschen sind alle leer;
    Ich lasse den Hunger nagen,
    Und nichts verwundert mich mehr.

    Da find' ich im toten Zimmer
    Von der Liebsten ein glitzerndes
    Haar;
    Mein Herz glänzt bei seinem Schimmer
    Und vergißt, daß es hungrig war.
    _____

     

  • Richard Dehmel (1863-1920)

    Bewegte See

    Noch Einmal so! Im Nebel durch den Sturm:
    das Segel knatterte, die Schiffer schrieen,
    am Bugspriet stand das Wasser in meinen Knieen
    und sah dein stolz und fremd Gesicht.

    Noch Einmal wollte mir dein Auge drohn,
    wie eine Flamme stand dein
    Haar im Winde,
    doch in den Wellen rang ein Ton
    wie das Gewein von einem Kinde -
    da wehrtest du mir nicht:

    Um meine Lippen lag dein naß wild
    Haar,
    um deine Schulter lag mein Arm gezogen,
    und unsern Kuß versüßte wunderbar
    der Schaum der salzigen Sturzwogen -
    da schrie ich laut vor Freude auf.

    Noch Einmal so ! Was tust du jetzt so kalt,
    hast du denn Furcht vorm offnen Meere?
    Es peitscht dich warm! Komm bald, komm bald!
    im Hafennebel tanzt die Fähre -
    hinaus! hinauf!
    _____


    Entbietung

    Schmück dir das Haar mit wildem Mohn,
    die Nacht ist da,
    all ihre Sterne glühen schon.
    All ihre Sterne glühn heut Dir!
    du weißt es ja:
    all ihre Sterne glühn in mir!

    Dein
    Haar ist schwarz, dein Haar ist wild
    und knistert unter meiner Glut;
    und wenn die schwillt,
    jagt sie mit Macht
    die roten Blüten und dein Blut
    hoch in die höchste Mitternacht.

    In deinen Augen glimmt ein Licht,
    so grau in grün,
    wie dort die Nacht den Stern umflicht.
    Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn!
    laß glühn, laß glühn!
    schmück mir dein
    Haar mit wildem Mohn!
    _____

     

  • Felix Dörmann (1870-1928)

    Geliebte, kleine Braut!

    Schling' Deines
    Haares Strähne
    Ums Haupt mir, kleine Braut,
    Zerküsse die funkelnde Träne,
    Die mir von den Wimpern getaut.

    Vom Elend hier auf Erden
    Hab' ich genug erschaut,
    Genügsam will ich werden,
    Geliebte, kleine Braut!

    Ich will mein Sehnen begraben,
    Die Wünsche, so brennend und laut,
    Du sollst allein mich haben,
    Geliebte, kleine Braut!
    _____

    O laß mich, laß mich umranken
    Die schmiegsam volle Gestalt,
    Laß Busen mich betten an Busen
    Mit stürmischer Glutengewalt.
    O laß mich in trunkener Liebe
    Durchwühlen Dein flimmerndes
    Haar,
    Wundküssen die zuckenden Lippen,
    Der Lider kühles Paar.
    Ich liebe Dich übermenschlich,
    Du bleiches Medusengesicht,
    Und weiß, daß Deine Seele
    Schon für die meine spricht.
    Was soll das törichte Weigern,
    Das halberstickte "Nein",
    Du wirst in meinen Armen
    Noch todeszärtlich sein!
    _____

    Die müden Leiber ruhen
    Jedweder Regung bar,
    Und um uns beide flutet
    Narkotischen Duftes Dein
    Haar.

    Noch sind die heißen Glieder
    Einander angeschmiegt,
    Noch küssen sich die Lippen,
    Bis uns der Schlaf besiegt.
    _____

     

  • Stefan George (1868-1933)

    WECHSEL

    Ich sah sie zum erstenmal .. sie gefiel mir nicht:
    Es ist an ihr nichts schönes
    Als ihre schwarzen schwarzen
    haare.
    Mein mund berührte sie flüchtig eines tags
    Und sehr gefielen mir ihre
    haare
    Und auch ihre hand ..
    Es ist an ihr nichts schönes
    Als ihre
    haare - ja - und ihre feine hand.
    Ich drückte sie etwas wärmer eines tags
    Und sehr gefiel mir ihre hand
    Und auch ihr mund.
    Heute ist nichts mehr an ihr
    Was mir nicht sehr gefiele
    Was ich nicht glühend anbetete.
    _____

     

  • Anastasius Grün (1806-1876)

    Die
    Haarlocke

    Kleinod, das als blondes Wölkchen
    Einst an meinem Himmel stand,
    Einst ein Ring der goldnen Krone,
    Die ums Haupt ihr Schönheit wand!

    Deucht mir nur ein welkes Blättlein,
    Im verfloßnen Lenz gepflückt,
    Das in bangen Winterstunden
    Mir den Lenz vors Auge rückt.

    Und so wird gar oft im Leben,
    Was uns längst die Zeit entrafft,
    Neu im kleinen uns gegeben,
    Fesselnd mit verjüngter Kraft;

    So ein Blatt nur von dem Baume,
    Der einst Liebende umwallt!
    So ein Bild nur aus dem Traume,
    Welcher der Geliebten galt!
    _____

    Und kennst das goldne Wundernetz du nicht,
    Wo sich kein Faden in den andern flicht,
    Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
    Manch bebend Herz verstrickt in seinen Schoß?
    Siehst du der
    Lockenhaare goldig Prangen?
    Das ist das Wundernetz, das mich gefangen,
    Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
    Mein zitternd Herz verstrickt in seinen Schoß.
    _____

     

  • Otto Erich Hartleben (1864-1905)

    Das war der Duft, der deinem
    Haar entströmt,
    der mich umhüllt gleich einer Zauberwolke!
    - In tiefem Sinnen sass ich still bei Nacht,
    und die Gedanken sengten mir die Stirn -
    da war es mir, als wehte mir entgegen
    ein fremd-vertrauter Hauch aus fern vergessnen Welten - -

    Ich strecke meine Arme nach dir aus!
    Das war der Duft, der deinem
    Haar entströmte ...
    _____

     

  • Walter Hasenclever (1890-1940)

    Wenn manchmal in den wünschetollen Nächten
    Mein Blut mich quält, weil Du es zu Dir riefst,
    Dann greife ich in Deines
    Haares Flechten,
    Und küsse sacht die Stelle, wo Du schliefst.

    Und höre, wie Du träumst, und werde selig,
    Und weiß: Du bist wie ich. Und ich wie Du.
    - - - - - - - - - - - -  und mählich
    Singt sich mein Herz zur Ruh.
    _____

    Den Jammer einer leeren Zeit
    Streich mir aus meinem
    Haar,
    Und etwas Güte und Frömmigkeit
    Küsse mir in mein
    Haar,

    Und etwas weiche, milde Nacht
    Gib mir in Deinem Schoß,
    Dann regnet, was so traurig macht,
    Leise von uns los.
    _____

    Du bist gewohnt die Welt als Spiel zu sehn.
    Du schöne Frau - Du kommst aus fernen Ländern,
    Die ich nur ahne; Deine Glieder gehn
    Im leisen Duft von seidenen Gewändern.

    Wer bist Du denn? Dein
    Haar ist fein und lose
    Und so verschlungen wie ein
    Mädchenhaar,
    Und manchmal neigst Du Dich wie eine Rose,
    Die leuchtend und voll Sommerabend war.

    Und was Du rührst wird tönend und voll Leben.
    Bist Du ein Traum, ein Märchen, ein Gedicht?
    Du schöne Frau - Dir ist ein Glanz gegeben
    Oder ein Rausch - ich weiß es nicht.
    _____

    Die Felder verschneit. Die Straßen
    Eintönig, kalt und grau
    Wie der Raum, in dem wir saßen,
    Noch einmal - Du schöne Frau!

    Du gehst. Du gehörst einem andern.
    Weißt Du - wie Du mir erzählt
    Von Leben und Lebenswandern,
    Von Deiner kleinen Welt?

    Du, jener Abend, das Singen,
    Die Lorelei und Dein
    Haar,
    Und wie in den einfachsten Dingen
    Verwandtes zwischen uns war ...

    Du gehst. Du gehörst einem andern.
    Und Du neigst den Rosen zu.
    Leben heißt Wandern - Wandern -
    Schöne Frau, Du!
    _____

    Ich schreibe die Zeilen des Gedichtes
    Auf den Leib deines Briefes, Geliebte.
    Das Blut der Worte beginnt zu fließen,
    Es steigt ein Körper aus meinem Gedicht.
    Bald sind wir Blätter, bald sind wir Tränen,
    Gehaucht, verwüstet, hinabgeflossen;
    Bald sind wir Worte, verzaubert in Schrift.
    Du wirst leben in meinen Worten!
    Diese Zeilen sind Deine
    Haare,
    Diese Verse sind das Herz.
    _____

     

  • Heinrich Heine (1797-1856)

    Wo ist die Fee mit dem langen
    Goldhaar,
    Die erste Schönheit, die mir hold war?
    Der Eichenbaum, worin sie gehaust
    Steht traurig entlaubt, vom Winde zerzaust.
    _____

     

  • Max Herrmann-Neiße (1886-1941)

    Jetzt geht mein Blut dem deinen nach
    In unser stillstes Brautgemach.
    Du legst dich schwer auf mein Gesicht
    Und hüllst mich in dein
    Haar.
    Wie ein Taubenpaar
    Flattern deine Füße an mir,
    Deine Hände tun mir so Gutes.
    _____

    Warum müssen meine Hände welk werden
    Vom langen Warten!
    Warum bringst du mir nicht deine Wunder
    In die umflorten Dämmerstunden wieder,
    Wo meine Sehnsucht hungrig hockt!
    Wo blüht dein
    Schoßhaar weichgelockt,
    Wo gibst du dich mit Heilandes Gebärden -
    O zaghaft zarten! -
    Und windest Wunder
    Um Jünglingsglieder?
    _____


    Dein
    Haar hat Lieder, die ich liebe

    Dein
    Haar hat Lieder, die ich liebe,
    und sanfte Abende am Meer -
    O glückte mir die Welt! O bliebe
    mein Tag nicht stets unselig leer!

    So kann ich nichts, als matt verlegen
    vertrösten oder wehe tun,
    und von den wundersamsten Wegen
    bleibt mir der Staub nur auf den Schuhn.

    Und meine Träume sind wie Diebe,
    und meine Freuden frieren sehr -
    dein
    Haar hat Lieder, die ich liebe,
    und sanfte Abende am Meer.
    _____

    Ich denke dein: das ist wie Blütenzweige,
    in deren Schattenschutz ich sicher ruh',
    und deine Stimme spricht: "Schlaf' nur! Ich neige
    mich über dich, mein
    Haar deckt sanft dich zu!"
    _____

    Laß mich in deines Leibes braunem Laub
    versinken ganz und untergehn,
    mach mich zu einem Spiel und Raub
    des Windes, welchen deine
    Haare wehn!
    _____

     

  • Nikolaus Lenau (1802-1850)

    Sonnenuntergang;
    Schwarze Wolken zieh'n,
    O wie schwül und bang
    Alle Winde flieh'n!

    Durch den Himmel wild
    Jagen Blitze, bleich;
    Ihr vergänglich Bild
    Wandelt durch den Teich.

    Wie gewitterklar
    Mein' ich dich zu seh'n,
    Und dein langes
    Haar
    Frei im Sturme weh'n!
    _____

    O schönes Bild! oft sucht' ich im Leben dich;
    Doch hing die Seele sehnend nach dir hin, ach,
    So flohst du mich, und meine Thränen
    Netzten das flatternde
    Lockenhaar dir!
    _____

     

  • Heinrich Leuthold (1827-1879)

    Serenade

    Schweigen rings; im Garten der Villa plaudert
    Nur der Springquell; zwischen verschlaf'nen Büschen
    Lauschen Marmorgötter, und auf dem Meere
    Zittert das Mondlicht.

    Reiz und Anmuth theilen allein dein heimlich
    Lager jetzt und über den blendend weißen
    Nacken stromfallähnlich ergießt dein dunkel
    Fluthendes
    Haar sich.

    Schlaf umfängt dein zauberverbreitend Antlitz.
    Deiner Glieder griechisch geformten Bau nun,
    Und in's Herz dir träufelt der holde Traumgott
    Sanftes Vergessen.
    _____

     

  • Detlev von Liliencron (1844-1909)

    Rötliche, schimmernde, krausliche
    Haare
    Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.
    Frühling ists, bald kommen grämliche Jahre;
    Rötliche, schimmernde, krausliche
    Haare
    Sind eine preisliche, köstliche Ware,
    Kaufe sie rasch dir, du närrischer Tor.
    Rötliche, schimmernde, krausliche
    Haare
    Spielen im Wind mir um Schläfen und Ohr.
    _____

     

  • Thekla Lingen (1866-1931)

    Guter Rat

    Steck dir die Rose an die Brust,
    Lache und tanze in junger Lust,
    Lass es flattern, dein duftend
    Haar -
    Bist ja nicht immer zwanzig Jahr!

    Streue mit reichen Händen aus
    Deiner Jugend Blütenstrauss,
    Lasse schäumen den goldenen Wein -
    Wird ja nicht immer so köstlich sein!

    Lass dir küssen den jungen Mund!
    Kommt einmal deine dunkle Stund,
    Wirst du wissen, wie schön es war -
    Bist ja nur einmal zwanzig Jahr!
    _____

     

  • Hermann Löns (1866-1914)

    Du ruhst in meinem Schoße ...

    Die grünen Buchenblätter
    Schatten so schwer und dicht,
    Auf rotem Vorjahrslaube
    Spielt blau das Sonnenlicht.

    Du ruhst in meinem Schoße,
    Dein Atem geht so leis,
    Es fiel aus deinen Händen
    Der Strauß von Ehrenpreis.

    Der Duft aus deinem
    Blondenhaar
    Berauschend mich umweht,
    Um meine seligen Lippen
    Ein stilles Lächeln geht.
    _____


    Morgensonne

    Die Morgensonne umbrandet
    Den Wald mit brausender Flut,
    Gold ist vor meinen Augen
    Und rosenrote Glut.

    Gold ist vor meinen Augen
    Und rosenrote Glut,
    Die warme Morgensonne
    Auf deinem
    Haare ruht.
    _____

     

  • Ernst Wilhelm Lotz (1890-1914)

    Deine
    Haare

    Heute reizen mich deine
    Haare.
    Sie sind ein trunkenes Lichterspiel.
    Die Seele eines Malers müßte immer in Leuchten aufstehn
    Vor solchem Scheinen!
    Aber ich bin ein Dichter.
    Ich sinke.
    Versinke tief in flutrauschenden Traumsinn.
    Ich träume.
    Ich träume in deine
    Haare eine Landschaft hinein.

    Schwül zieht ein Strom aus großen Dämmerungen
    Zum Vordergrund in spät besonnten Schein.
    Die reichen Dünste halten Klarheit weich umschlungen.
    Ich glaube, hinter breiten Palmenfächern lebt ein Schein
    Von einem blanken Marmorstein.
    Der Abend duftet von Opferbränden,
    Aufwölkend einer Göttin dargebracht.
    Mit zitternden Händen
    Hat jemand ein Feuer angefacht.
    Die Flammen knistern, die Funken sprühen
    In staunende Ferne. -
    Ich sehe sie oben glühen:
    Die ersten Liebessterne.
    _____


    Deine
    Haare waren mir Sommer und Gartenglück ...

    Deine
    Haare waren mir Sommer und Gartenglück,
    An die Vorstadt gebaut. Weite und Wehen.
    Da fand ich Traum und Körper. Und den Wind,
    Der meine frühen Nächte überflammte. –
    Nun gleite ich manchmal kühl in Booten
    Mit hartem Hals:
    Und ich begreife, daß ich einsam bin.
    _____


    Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns ...

    Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns.
    Zur Nacht, eine Sichel sang vor unserem Fenster.
    Auf unsern Stimmen fuhren wir hinauf,
    Wir reisten Hand in Hand.
    An deinen
    Haaren, helles Fest im Morgen,
    Irr flogen Küsse hoch
    Und stachen reifen Wahnsinn in mein Blut.
    Dann dursteten wir oft an wunden Brunnen,
    Die Türme wehten stählern in dem Land.
    Und unsre Schenkel, Hüften, Raubtierlenden
    Stürmten durch Zonen, grünend vor Gerüchen.
    _____

     

  • Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)

    Schlaflied für dich

    Komm zu mir, dann wieg' ich dich,
    wiege dich zur Ruh'.
    Komm zu mir und weine nicht,
    mach die Augen zu.

    Ich flechte dir aus meinem
    Haar
    eine Wiege, sieh!
    Schläfst drin aller Schmerzen bar,
    träumst drin ohne Müh'.

    Meine Augen sollen dir
    blinkend Spielzeug sein.
    Meine Lippen schenk' ich dir -
    trink dich in sie ein.
    _____

     

  • Christian Morgenstern (1871-1914)

    Hier in Bergeseinsamkeiten
    brennt mein Wesen, dich zu halten,
    Zu entrückten Wirklichkeiten
    unsre Träume zu gestalten;
    unter diesen Tannen möcht ich
    mit dir wandern, Mund an Munde,
    und mit deinem
    Braunhaar flöcht ich
    uns in eins zu zartem Bunde...
    _____

    Wenn ich deine weichen Wangen
    leis in meine Hände nahm,
    und voll zärtlichem Verlangen
    Mund zu Mund zum Kusse kam;

    wenn ich deine Schläfen rührte
    durch der
    Haare duftig Netz,
    o, wie war, was uns verführte,
    beiden uns so süß Gesetz!
    _____

     

  • Eduard Mörike (1804-1875)

    Vicia faba minor

    Fort mit diesem Geruch, dem zauberhaften: Er mahnt mich
    An die
    Haare, die mir einst alle Sinne bestrickt.
    Weg mit dieser Blüte, der schwarz und weißen! Sie sagt mir,
    Daß die Verführerin, ach! schwer mit dem Tode gebüßt.
    _____

     

  • Erich Mühsam (1878-1934)

    Durch nahe Bäume wehen Grabesschauer;
    so fern dem Lebenslärm wie jene Grüfte,
    ruht unser Schritt am Fuß der Kirchhofsmauer, -
    trinkt meine Hand den Atem deiner Hüfte.
    Mein Mund versinkt im Dufte deiner
    Haare,
    die gleich der Nacht sich auf mein Sehnen neigen.
    Ja, lausch nur meiner Liebe, Wunderbare! - -
    Die Gräber singen, - und die Menschen schweigen ...
    _____

     

  • August Graf von Platen (1796-1835)

    Wer hätte nie von deiner Macht erfahren?
    Wer hätte je dich anzuschaun bereuet?
    Wie viele Reize liegen hingestreuet
    Auf diesen Wangen, diesen schönen
    Haaren!

    Du bist so zart, du bist so jung an Jahren,
    Durch jede Huldigung des Glücks erfreuet;
    Doch wer die List in deinem Busen scheuet,
    Der mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren!

    Noch prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste,
    Die Blätter bilden noch geräum'ge Lauben,
    Da schon Zerstörung wütet unterm Baste.

    Doch soll mir frostige Betrachtung rauben
    Den süßen Schatten, unter dem ich raste?
    Nein, deine Schönheit fodert blinden Glauben!
    _____

     

  • Robert Prutz (1816-1872)

    Eine Locke

    's war Mitternacht, früh Morgens sollt' ich scheiden,
    Wir saßen stumm, ein träumerisches Paar;
    Von ihrem Haupt ein Löckchen wollt' ich schneiden,
    Sie wehrte nicht, sie löste selbst das
    Haar.
    Da schlug mein Herz, der blöde Wunsch ward freier,
    In tausend Küssen kühlt' ich meine Glut,
    Und über uns, ein süß geheimer Schleier,
    Floß ihrer Locken dunkelbraune Flut.

    Wie lang' doch ist es, seit ich das erfahren?
    Ich sinne nach und dennoch find' ich's kaum;
    Hätt' ich die Locke nicht von ihren
    Haaren,
    Ich meine wohl, das alles wär' ein Traum.
    Denn für das
    Haar, das ich ihr schnitt vom Haupte,
    Schnitt sie der Liebe goldnes Band entzwei,
    Und ach, sie wußte, daß, was sie mir raubte,
    Kein
    Härchen nur, daß es mein Leben sei! –

    So schieden wir. Ich sah sie nimmer wieder,
    Als nur im Traum; sie, mein' ich, sah mich nie,
    Vergessenheit sank auf mein Antlitz nieder,
    Der bleichen Stirn warum gedächte sie?!
    Die Locke nur, sie hat mir bleiben müssen,
    Ich trug sie treu – und schau' nur her, mir däucht,
    Als wäre sie noch warm von unsern Küssen,
    Als wär' sie noch von unsern Thränen feucht!

    Ob wohl noch heut', wie tausend junge Schlangen,
    So mild, so braun wie eine Sommernacht,
    Der stolzen Frau um Hals und Stirn und Wangen
    Herniederfließt der Locken weiche Pracht?
    Und wer wohl heut' mit übermüth'gem Finger,
    Wie ich einst that, in diesen Locken wühlt,
    Und sich, gleich mir, dabei um nichts geringer,
    Als wie ein König beider Indien fühlt?

    Und horch, ich hör's wie Geisterstimmen säuseln;
    's kommt eine Zeit, sie kommt, du stolze Frau,
    Da wird dein
    Haar sich minder üppig kräuseln,
    Die braune Locke, glaub' mir, sie wird grau!
    Du wirst umsonst die schlanken Arme breiten
    Nach einem Herzen, dich zu wärmen dran,
    Kalt wird die Welt an dir vorüberschreiten –
    O, nicht mein Bild, nicht meines, schaue dann!

    Vergiß mich ganz! und sei der ernste Schnitter
    Vor Vielen dir mit einem Lächeln hold!
    Stirb sanft, stirb rasch! Es ist ja schon so bitter,
    Allein zu sterben; das hast du gewollt.
    Eins quält mich nur: von deinem Haupt dies
    Härchen,
    Im Tode selbst ein Kleinod bleibt es mir –
    Doch dann, o dann von all' den goldnen Märchen,
    Sprich, stolze Frau, o sprich, was bleib dann dir?
    _____

     

  • Joachim Ringelnatz (1883-1934)

    Ein Mädchengesicht, so lieb, so traut,
    Wie ich es nimmer zuvor geschaut.

    Gleich flüssigem Golde erglänzte ihr
    Haar,
    Und ich las in dem dunklen Augenpaar
    Ein wehmütig banges Erwarten.
    Ein leiser Wind erquickte die Luft
    Und trug einen süßen, berauschenden Duft
    Vom Holunderbusch durch den Garten.
    _____

    Ich habe an deiner Brüste Altar
    Die Nacht bei dir durchsonnen.
    Ich träumte unendliche Wonnen
    Im Zauberdufte aus deinem
    Haar.
    _____

     

  • Friedrich Rückert (1788-1866)

    Wissen möcht' ich nur, wie lange
    Ich dir spielen könnt' im
    Haar,
    Oder streicheln an der Wange,
    Oder sehn ins Augenpaar;
    Wissen möcht' ich, ob auf Erden
    Noch ein solches Spiel es giebt.
    Das man, ohne müde werden,
    Treiben kann als wie man liebt.
    _____

     

  • Wilhelm Runge (1894-1918)

    Nicht mehr wandern darf ich durch dein Antlitz
    plötzlich falle ich in deiner Augen tiefe Schlucht
    alle Berge schlagen über mir zusammen
    mit den Wellen deines
    Haars
    wirf des Lachens Rettungsring
    ganz dünn
    ist meine Stimme
    und wird zerreißen
    meinen Wurzeln schließt die Hand dein Felsen
    und des Auges Rose liegt gebrochen
    du bist blauer Himmel
    ich die Wolke
    die sich fest an deinen Nacken klammert
    sich nicht halten kann
    und tausendfingrig
    regenschreckt erdhin
    den Wiesengrund
    und dort hinsinkt himmellosgelöst auf ihr Knie
    _____

    Streicheln sinnt
    Mädchenhaar
    Die Stunden schlendern
    blaublühend überkopf stürzt goldenrot
    und Lachen schwingt die übermütge Schaukel
    Die Lippen springen Necken
    rasch
    zur Seite
    dein Auge tanzt
    vorbei
    in blauem Kleid
    tief in die Brust stürzt deiner Stimme nach ein Lauschen
    bricht Weg
    und Trennen stöhnt um deinen Hals
    nun lassen
    was wissen Sterne
    Kuß um Kuß
    _____

     

  • Hugo Salus (1866-1929)

    Frühlingsfeier

    Ein Blütenzweig, blaßrosa, weiß und grün,
    Die Welt hat tausend solcher Blütenäste,
    Da darf der eine auch für uns erblühn
    Und darf verblühn bei unserm Liebesfeste.

    Befrei' das schwere
    Haar von Kamm und Band
    Und laß die schwarzen Fluten niederwallen
    Auf dieses blumenhelle Lenzgewand,
    Und laß die neidischen Achselspangen fallen!

    Nun nimm den Blütenzweig. - Wie wunderbar
    Die Blüten glühn von deines Pulses Schlägen -
    Und rühre mir die Stirne und das
    Haar
    Und sprich dazu den heiligen Frühlingssegen:

    "Blick auf, der Lenz ist kommen über Nacht,
    Die Welt ist voll von Liebe und Erbarmen!"
    Ich blicke auf; der Frühling ist erwacht;
    Ich halt' den ganzen Frühling in den Armen! 
    _____

     

  • Richard von Schaukal (1873-1942)

    Nachklang

    Als ich dich liebte, damals, o wie war
    voll Duft und Glanz dein flockenleichtes
    Haar,
    wenn meine Finger selig es durchbebten!

    Ich weiß nicht mehr, ob deine Augen blau
    wie früher leuchten, kleine Frau,
    als sie im Lichte meiner Liebe lebten.
    _____

     

  • René Schickele (1883-1940)

    In deiner Treue will ich tief begraben sein.
    Ich weiß, dies
    Haar, das mich bedeckt, ist mein,
    und weiß, daß diese Hände mich behüten.
    Mit starken Engeln steht dein Herz im Bund.
    Alle Stunden, ob sie dunkel, ob sie fröhlich blühten,
    hingen als ein Lächeln sich an deinen Mund.
    _____


    Hymne

    In ihren Umarmungen blühte die Erde,
    ihr Herzschlag in diesen Nächten rührte die Welt.
    Der Morgen hob mit sorgsamer Gebärde
    den Vorhang von dem Himmelszelt,
    worin unsre Herzen schliefen.

    Ihre Augen im Tau der Frühe waren diamantne Schächte.

    Wir horchten, wie in unserm Blut die Stunden liefen,
    Hand in Hand, und durch den Abend dann, von Gluten triefend
    in die grenzenlosen Ebenen der Nächte.

    Sie stürzten umschlungen, als auf einmal Nachtigallen riefen.

    Auf der Sanftmut ihrer
    Haare senkten Dämmerungen sich hernieder,
    schimmernde, bestirnte Himmel waren ihre Glieder,
    zwanzig Nachtigallen litten Lust in ihrer Kehle.

    Unter der Berührung ihrer Hände bebte die verschlungne Seele.

    Aus ihren Haaren stieg der große Mond.
    _____

     

  • Karl Siebel (1836-1868)

    Wohl sind mir glühende Rosen erblüht,
    Tiefdunkele Augen und lockiges
    Haar
    Umfingen, umstrickten mein träumend Gemüth
    Und nahmen die Sinne mir ganz und gar.
    Es wogte, es hob sich die sehnende Brust;
    Es ward ihr die wilde bezaubernde Lust: -
    - - - - Du bist meine Liebe!
    _____

     

  • Theodor Storm (1817-1888)

    Traumliebchen

    Nachts auf des Traumes Wogen
    Kommt in mein Kämmerlein
    Traumliebchen eingezogen,
    Luftig wie Mondenschein.
    Sie ruht auf meinem Kissen,
    Sie stört mich auf mit Küssen
    Und lullt mich wieder ein.

    Glühend um meine Glieder
    Flutet ihr dunkles
    Haar,
    Auf meine Augenlider
    Neigt sie der Lippen Paar.
    "So küß mich, du blöder Schäfer!
    Dein bin ich, du süßer Schläfer,
    Dein heut und immerdar!"

    "Fort, fort aus meinem Stübchen,
    Gaukelndes Nachtgesicht!
    Ich hab ein eigen Liebchen,
    Ein andres küß ich nicht!"
    Umsonst, ich blieb gefangen,
    Bis auf des Morgens Wangen
    Brannte das rosige Licht.

    Da ist sie fortgezogen,
    Schwindend wie Mondesschein,
    Singend auf Traumeswogen
    Schelmische Melodein:
    "Traum, Traum ist alles Lieben!
    Wann bist du treu geblieben?
    Wie lang wohl wirst du's sein?"
    _____


    Nur eine Locke

    Nur eine Locke von deinem
    Haar
    Gib mir, mein Lieb, für die kalte Ferne!
    Still wie das ewige Licht der Sterne
    Will ich sie bergen immerdar.

    Nur eine Locke nach freundlicher Sitte
    Gib mir zum Pfande in Leid und Lust,
    Will sie ja bergen auf treuer Brust.
    Gib mir, mein Lieb, ich bitte, bitte!
    _____

     

  • Paul Wertheimer (1874-1937)

    Begegnung

    Du grüsstest kaum, da ich dir heut begegnet.
    Du rittest mir vorüber, kühl, im Schritt.
    Da schrie mein Herz und folgte dennoch mit.

    Es kam wie Gold aus deinem
    Haar geregnet.
    Und dieses Nackens Trotz! Indes ich litt,
    Wie warst du schön - wie hast du mich gesegnet.

    _____


    Bild

    Liebste, wie ich dich heute fand,
    Tändelnd, einen Globus in der Hand,
    Möcht' ich dich malen:
    mit kühlen Wangen,
    Gelöst vom Kleide die Silberspangen,
    Im
    Haar ein wehendes Seidenband,
    Die runde Welt in deiner lässigen Hand.

    _____


    Reisemorgen

    Und fahr' ich in die Weite
    Durch Dorf und Berg und Au,
    Bist du mir stets zur Seite,
    Geliebte Frau.

    Und in dem Duft der Ferne
    Fühl' ich dein nächtiges
    Haar,
    Ich reiche dir die Sterne
    Wie Blumen dar.

    Wie sich die Ähren regen.
    Der Wind herüberlauscht -
    Der Seele Erntesegen,
    Er rauscht dir zu und rauscht.

    _____

     

  • Anton Wildgans (1881-1932)

    Tief in Dein
    Goldhaar geht mein Blick zur Ruh,
    Mohntrunk für meine Unrast, Du Vergessen!
    Viel Qual war mir im Leben zugemessen,
    Nun fallen selig meine Lider zu.

    Und was ich träumend sehe, das bist Du!
    Bin ich denn jener, der noch jüngst besessen
    Von Gier war, die im Blute ihm gefressen? –
    Tief in Dein
    Goldhaar geht mein Blick zur Ruh.

    Freilich an Tagen, da Dir Deine Laune
    Nicht gut und lieb mit mir zu sein erlaubt,
    Da bin ich wieder aller Ruh beraubt,

    Geh' heimlich weinen in den Wald und staune,
    Bestürzt von eines Kindes Flattersinn,
    Wie sehr ich noch ein dumpfer Knabe bin.
    _____


     

 

 

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