Liebeslyrik - Miniaturen

Gedichte und Gedicht-Zitate (Stichwort: keusch / Keuschheit)
 


Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar


 



Stichwort: keusch / Keuschheit

16./17. Jh.      18. Jh.      19/20. Jh.

 

16./17. Jh.

 

  • Hans Aßmann Freiherr von Abschatz (1646-1699)

    Dein kluges Urtheil mag ohn allen Zwang erkennen /
    Wer deiner Gegen-Gunst am besten würdig sey.
    Doch suchet deine Wahl ein Herze voller Treu /
    So bin ich schon gewiß / du wirst Silvandern nennen.

    Soll gleich der Ausspruch nicht auff meine Seite fallen /
    Ich werde dir darob nicht abhold können seyn.
    Ich will die
    keusche Brunst ins Herze schlüssen ein /
    Und bleibe biß ins Grab dein Treuster unter allen.
    _____

     

  • Anonyme Barockdichter

    Hier liege ich zu deinen zarten füssen /
    Nim schönste mich zu deinem diener an;
    Ich suche nichts als deine hand zu küssen /
    Die stets so sehr die herzen fesseln kan:
    Das meinige sey dir hiemit ergeben /
    Verschmäh es nicht / es rührts ein
    keuscher trieb;
    Es wünscht bey dir in diensten stets zu leben /
    Denn du bist mir mehr als mein leben lieb.
    _____


    Die kuß-scheue Doris

    So glaubstu / Doris / denn / daß dich ein kuß verletzt /
    Den ein erhitzter mund auff deine lippen setzt?
    Die rosen welcken zwar / wenn man sie offt berührt /
    Doch deine werden erst dadurch noch mehr geziert.

    Du weist's / dein auge hat in mir den zug erweckt /
    Du hast in meiner brust das feuer angesteckt /
    Itzt aber / da die glut mit lichten flammen spielt /
    So wegerstu den trost / der diese sehnsucht kühlt.

    Vielleichte bildestu dir diese wörter ein:
    Es sey ein wiederspiel /
    keusch und verliebet seyn:
    Nein / wie Narcissen gern bey Tulipanen stehn /
    So mag ein
    keuscher geist auch wol zur liebe gehn.

    Ein unbefleckter kuß ist auch bey göttern rein:
    Und doch will deine brust von stahl und eysern seyn;
    Ach! geh nur in dich selbst und ändre deinen sinn;
    Ein kuß der nimmt ja nicht bald alle
    keuschheit hin.

    Ich habe / Doris / zwar nicht deine gunst verdient /
    Doch wo die wehmuth noch in deinem herzen grünt /
    So schau nicht meinen werth nur meine flammen an /
    Und dencke / daß kein mensch / als du / sie heilen kan.

    O lieb / itzt merck' ichs schon / mein wünschen wird erhört:
    Doch daß kein falscher dorn uns diese lust verstört /
    So stelle dich verblümt / und sprich: ich kenn ihn nicht /
    Biß einst die einsamkeit uns sicherheit verspricht.
    _____


    Die verborgene Wollust

    Oeffentlich züchtig
    Und erbar von schein;
    Heimlich lust-süchtig /
    Voll brünstiger pein /
    Ganz eingezogen
    Und
    keusch sich gestellt /
    Das hat in der welt
    Manch klug-dünckend auge betrogen.

    Liebe verachten /
    Wo jemand zur hand /
    Doch heimlich trachten
    Zu leschen den brand.
    Mit küssen / herzen /
    (Offt folgt auch was mehr;)
    Da läst sich die ehr /
    Ach! leicht und geschwinde verschertzen.

    Recht
    keusch in warheit /
    Da ruhet die lust /
    In ehren-klarheit /
    Und labet die brust.
    Von
    keuschheit rühmen
    Und
    keusch doch nicht seyn /
    Trifft nimmer wohl ein /
    Wie schön mans gleich denckt zu verblümen.

    Drum dencket daran /
    Die ihr euch verliebt /
    Wie diß schaden kan /
    Und schmerzlich betrübt /
    Hingegen lieben /
    Und
    keusch doch auch seyn /
    Das bringt zwar auch pein /
    Doch ändert die lust das betrüben.
    _____

    Jedoch wer kan die hand zurücke ziehen /
    Wenn schönheit uns beut ihren Nectar an?
    Vor menschen-krafft ist es ein bloß bemühen /
    Weil niemand hier / als engel / leben kan /
    Der mund mag noch so viel von zucht und
    keuschheit sprechen /
    Ein schönes auge kan ihm bald den hochmuth brechen.
    _____

     

  • Simon Dach (1605-1659)

    Du kanst dich tieff in unsre hertzen sencken,
    Und nimst mit süsser pein
    Da, wo wir es am wenigsten gedencken,
    Den platz der seelen ein;
    Daß man liebet ohne ruh,
    Süsse Venus, das machst du.

    Nicht die du pflegst die hertzen zu vergeilen,
    Dich arge mein ich nicht,
    Die du uns triffst mit
    keuschen liebes-pfeilen,
    Und eheliche pflicht
    Zweyen hertzen aufferlegst,
    Und ein
    keusches feur erregst,

    Dir ruff ich zu, du must von dem her kommen,
    Der alles geben muß,
    Du kanst auch nichts, als nützlich seyn und frommen,
    Du bringest nie verdruß;
    Segen, ruh und einigkeit
    Geben stets dir das geleit.
    _____

    Alle, die ihr freyen wollt,
    Merckt, wie ihr euch halten sollt,
    Sintemal die eh' ohn zwist
    Gottes hohe stifftung ist,
    Über die er in der welt
    Noch gestreng und heilig hält.

    Räumt euch keiner lust-seuch' ein,
    Bleibt von aller unzucht rein,
    Euer hertz sey tag und nacht
    Durch der
    keuschheit schutz bewacht,
    Rufft, wie sehr ein jeder kan,
    Gott umb unschuld hertzlich an.
    _____

     

  • Paul Fleming (1609-1640)

    Der Keuschen

    Wenn sich die Götter auch befreien gleich als wir,
    so nähme dich der Schmuck auch selbst zu seinem Weibe,
    dieweil die
    Keuschheit wohnt in einem solchen Leibe,
    in welchem sind gleich hoch die Tugend und die Zier,
    der Geist und die Gestalt. Wie seltsam ist diß hier!
    Denk, Jungfrau, daß ich nicht was Ungemeintes schreibe
    und dich berede des, was ich mir selbst nicht gläube.
    Dein Zeugnüß biet selbst du. Du sprichst es selbst von dir.
    Die schönste Schönheit ist ein züchtiges Gemüte;
    was eine Jungfer ziert, das wohnet im Geblüte.
    Das Ander, was das Volk für schöne hält und heißt,
    der Seelen Überzug, der Leib pflegt oft zu triegen.
    Da ist ein schöner Leib, da ist ein schöner Geist,
    wenn sie als hier den Glanz von wahrer Schönheit kriegen.
    _____


    Der Schönen

    Nicht, daß du schöne nur alleine soltest sein;
    du bist auch
    keusch, auch from, wie deine Schwestern beide,
    die schön auch sind wie du. Trutz allem Haß' und Neide,
    an den drei Stücken kommt ihr gänzlich überein.
    Doch schreib ich, Schöne, dir hier zu nur einen Schein
    und nenne dich nach dir, nicht etwan dir zu Leide,
    nein, sondern daß ich nur die Namen unterscheide.
    Sonst seid ihr ganz gleich eins, gleich from, gleich
    keusch, gleich rein.
    O Jungfrau, sonst zu Nichts als Tugend nur geboren,
    in welche Zier und Zucht zusammen sich verschworen,
    verzeih mir diesen Fehl, du götlichs Menschenkind,
    daß ich dein würdigs Lob nicht würdig kan erhöhen,
    von dem die Suada selbst mit Willen muß gestehen,
    daß tausent Zungen ihr hierzu zu wenig sind.
    _____


    Der Frommen

    Die Schönste heißest du, wenn Schönheit schöne macht,
    die
    Keuscheste von Zucht. Doch laß' ich mir behagen,
    dir von der Frömmigkeit den Namen anzutragen,
    die aus den Augen dir mit kluger Einfalt lacht.
    Mund trifft mit Herzen zu. Der Schönheit sanfte Pracht
    gibt deiner Demut nach. Es kommen Viel' und fragen,
    wie kan ich ihnen doch was mehr und bessers sagen,
    als was sie hatten schon bei sich von dir gedacht?
    Dein Ansehn redt für dich, das sittige, das liebe,
    in welches die Natur die Treflichkeit ganz schriebe,
    die in der Seelen liegt und hell erglänzt, wie sehr
    sie auch sich in sich hält. An Menschen nur sind Mängel
    und was verwerflich ist. An dir, du reiner Engel,
    ist ganz Verwerflichs nichts, ist ganz nichts Menschliches mehr.
    _____

     

  • Andreas Gryphius (1616-1664)

    An Eugenien

    Schön ist ein schöner leib, den aller lippen preisen,
    Der von nicht schlechtem stamm und edlem blut herrührt;
    Doch schöner, wenn den leib ein' edle seele ziehrt,
    Die einig sich nur lässt die tugend unterweisen;
    Vielmehr, wenn weisheit noch, nach der wir offtmals reisen,
    Sie in der wiegen lehrt; mehr, wenn sie zucht anführt
    Und heilig seyn ergetzt, die nur nach demuth spür't;
    Mehr, wenn ihr
    keuscher geist nicht zagt für flamm und eisen.
    Diß schätz ich rühmens wehrt, diß ist, was diese welt,
    Die aller schönheit sitz, für höchste schönheit hält,
    Und das man billich mag der schönheit wunder nennen.
    Wer dieses schauen wil, wird finden, was er sucht
    Und kaum zu finden ist, wenn er, o blum der zucht!
    O schönste! wenn er euch wird was genauer kennen.
    _____

     

  • Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616-1679)

    Ich küsse noch die stunde /
    Da ich den ersten liebes-kuß /
    Aus
    keuscher freundschafft überfluß /
    Genoß aus deinem zucker-munde:
    Das reine siegel / so von dir
    Auff meine lippen ward gedrücket /
    Hat auch die seele selbst aus mir
    In süsse bande hingerücket.
    _____

     

  • Christian Hölmann (1677-1744)

    Auf ihr herze

    Mein kind! was ist dein herz? Ein ort, da reine tugend
    Beliebte frömmigkeit, und
    keusche flammen hegt;
    Es ist ein fester schild, der bey beliebter jugend
    Das wort beständigkeit statt seiner losung trägt;
    Es ist die sichre burg, die noch kein feind bestiegen.
    Solt‘ ich darinnen doch nur zur besatzung liegen!
    _____

     

  • Christian Friedrich Hunold (Menantes) (1681-1721)

    Ich brenne/ schönstes Kind/ jedoch in
    keuschen Flammen/
    In Flammen deren Ruß den edlen Ruhm nicht schwärtzt:
    Durch Feuer/ das allein muß von dem Himmel stammen/
    Womit der Sternen Gluth in reinen Wesen schertzt.
    In deinen Tugenden und sittsamsten Geberden
    Muß mein getreues Hertz zum Opffer Heerde werden.
    _____

    Ein unbefleckter Kuß ist auch bey Göttern rein;
    Du weist/ das meinen Trieb die
    Keuschheit selbst erreget/
    Und daß die reinste Gluth mich dir zum Füssen leget/
    Und dennoch will dein Hertz von Stahl und Eisen seyn:
    Ach dencke nur/ was selbst dem Himmel muß belieben/
    Wird einem Engel auch zur Regel vorgeschrieben.
    _____

    Mein Engel nimm auf Brust und Wangen
    Nun meinen
    keuschen Kuß und brennendes Verlangen/
    Ich will dein treuer Paris seyn/
    Weil du der Helena in allen zu vergleichen/
    Drum lasse mir zum Hafen ein
    Die Seegel reiner Liebe streichen.
    _____

     

  • Heinrich Mühlpfort (1639-1681)

    In Virifugam

    So rein ist nicht der Schnee / als deine reine Sitten /
    Du schreibst der
    Keuschheit selbst Zucht und Gesetze für /
    Mich wunderts / daß du kanst auch der Natur gebieten /
    Dein Geist trägt Pallas-Witz / dein Leib der Venus Zier.
    Und dannoch wilstu gar des Ehstands Labsal hassen /
    Dein Aug erkühnt sich nie die Männer anzusehn /
    Du scheinst zwar im Gemüth der Wollust Thun zu lassen /
    Nur wenn du Kinder bringst / was ist dann da geschehn?
    _____

     

  • David Schirmer (1623-1687)

    Wer GOtt in dem Hertzen trägt/
    Und in
    Keuschen Armen
    Eine Liebste schlaffen legt/
    Besser zuerwarmen/
    Dann darauf mit erhöhter Hand
    Ein reines Glaß ausleeret/
    Der wird von keinem Unbestand/
    In Traurigkeit verseeret.
    _____

    O Perle/ meiner
    keuschen Seele!
    Licht meiner Glut! mein Sonnenschein!
    Laß mir es zu/ daß ich mich quäle/
    Ich werde bald nicht bey dir seyn.
    Ich werde bald/ voll Angst und Leiden/
    O meine Schöne! von dir scheiden.
    _____

    Perle
    keuscher Jugend/
    Zierrath aller Tugend/
    Soll dein Götterlicher Schein
    Irrdisch seyn?
    Deine Treflichkeiten
    Können überstreiten/
    Was des Himmels hoher Plan
    Mahlen kan.
    _____

    Sie giebt mir tausend Lieblichkeiten
    Aus jhrer süssen Augen-Glut.
    Sie machet es auf allen Seiten
    Nach einer
    keuschen Liebe gut.
    Wir lieben heimlich in der Stille
    Ich und die schöne Purpurille.
    _____

     

  • Sibylle Schwarz (1621-1638)

    Die Lieb' ist billich ja in allem
    keusch zu schätzen /
    sie ist das Guhte selbst; wer ihr sich gantz ergiebt /
    der wird geliebt / und liebt / der liebt und wird geliebt /
    er kan sich ewiglich mit süßer Lust ergetzen /

    zu letzt entkompt er auch des Todes grimmen Netzen /
    und lebt noch einst so lang / er wird gahr nicht betrübt /
    weil er die Frewde hat; im fall er Lieben übt /
    kan ihn das Unglück auch zu keiner Zeit verletzen /

    er lebt in wahrer Ruh / in stehter Einigkeit /
    darff nicht zu Felde ziehn / er führt den süßen Streit.

    Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen /
    das uns wie Brodt ernehrt? der muß ein Unmensch seyn /
    der stirbet / weil er lebt / er ist ein Klotz und Stein /
    er ist ein höltzern Bild / sein Hertz ist vohn Metallen.
    _____

    Ist Lieben
    keusch? wo kompt denn Ehbruch her?
    Ist Lieben guht / nichts böses drinn zu finden /
    wie kann sein Feur dan so gahr viel entzünden?
    Ist Lieben Lust / wer bringt dan das Beschwär?

    Wer Lieben liebt / fährt auff der Wollust Meer /
    und lässet sich ins Todes Netze binden /
    das nicht zerreist / er lebet nuhr den Sünden /
    liebt Eitelkeit / und ist der Tugend leer.

    Das ewig lebt / dem stirbt er gäntzlich ab /
    sieht seine Noht erst / wan er siht sein Grab.

    Wer dan nuhn wird in Liebes Brunst gefunden /
    der fliehe bald / und hasse / die er liebt;
    ist Lieb ihm süß? so werd er drümb betrübt;
    ist sie sein Brodt? so geb er sie den Hunden.
    _____

     

  • Kaspar Stieler (1632-1707)

    Was mir an Jungfern meist beliebt
    haß' ich und straff' es an der Meinen.
    Das gröste/ das mich iezt betrübt/
    das mir das Herze machet weinen/
    ist ihrer
    Keuschheit reine Zucht/
    von der sie nicht wil abewanken/
    diß macht mir sorgliche Gedanken.
    Seht was die tolle Liebe sucht!
    _____

    Wol dehm/ der sich der Lieb' ergiebt!
    der wird bekrönt mit Myrten-kränzen
    geniessen dieses steten Lenzen.
    Wol dehm/ der
    keusch und treulich liebt!
    Ihn wird mit Sieg/ Triumff und singen
    der bleiche Charon überbringen.
    _____


    Die
    Schein-keusche

    Gaminde sieht so ernstlich auß/
    sie kan für allen Junggesellen
    sich so verzumfen stellen/
    wenn sie ihr sprechen zu:
    daß man sie vor die
    keusche Dirne/
    die auß Diespiters Gehirne
    gebohren/ halten solt'
    Ey!
    keusche Pallas du/
    weiß auff den Schild/ ich weiß/ er macht die Brüder starren/
    macht dich und sie zu Narren.

    Gaminde/ Stolze/ meinstu wol
    man werd' auff deine
    Keuschheit bauen?
    der geile Schmukk der Pfauen
    verräht dich wer du bist.
    Du blössest die begriffnen Brüste/
    die
    keusche bergen solche Lüste
    und gehn beschnürt herein.
    Wo
    Keuschheit in dir ist
    so laß doch einen Flor nur um die Ballen spielen.
    Nein/ dir gefällt das Fühlen.

    Gaminde liegt zum Fenster auß
    und spottet aller Jung-gesellen
    die sich verliebet stellen.
    Schaut/ Brüder/ in die Höh/
    seht/ wie Gaminden
    keusche Wangen
    im rotem Feuer angegangen/
    beschaut sie/ forschet nach/
    ob Pallas auch so seh'
    ob ihr beernst Gesicht auß roter Menje blinke:
    das Aas ist roht von Schminke.
    _____

     

  • Georg Rudolf Weckherlin (1584-1653)

    An die schönste und gaileste Rosina

    An Schönheit kan dir keine gleichen,
    An Gailheit wilt du keiner weichen,
    Ach! wär dein hertz der
    keuschheit Ruhm,
    Gleichwie dein Leib der Schönheit Blum,
    So könt dich weitter nichts bereichen.
    _____

     

18. Jh.

 

  • Sophie Albrecht (1757-1840)

    Daß mein Busen stärker strebet,
    Wenn mein Auge dich erblickt,
    Deine Seele wonnig bebet,
    Wenn mein Auge dich entzückt.

    Daß ich dir im Arme liege,
    Wenn der Stern der Liebe wacht,
    Mich an deinem Busen schmiege
    In der stillen Laube Nacht.

    Holder, laß die Welt es wissen! -
    Sei die Laube noch so dicht:
    War bei unsern heißen Küssen
    Gottes
    keuscher Engel nicht? - -
    _____

     

  • Friederike Brun (1765-1835)

    Freundschaft und Liebe

    Hand in Hand und unzertrennbar wandeln
    Freundschaft und reine Liebe mit einander!
    Wo die Freundschaft entflieht, da senkt der
    keusche
    Eros die Fackel.
    _____

     

  • Johann Christian Günther (1695-1723)

    Eröfne mir das Feld der Brüste,
    Entschleus die wollustschwangre Schoos,
    Gieb mir die schönen Lenden blos,
    Bis sich des Monden Neid entrüste!
    Die Nacht ist unsrer Lust bequem,
    Die Sternen schimmern angenehm
    Und buhlen uns nur zum Exempel;
    Drum gieb mir der Verliebten Kost,
    Ich schencke dir der Wollust Most
    Zum Opfer in der
    Keuschheit Tempel.
    _____

    Deiner
    Keuschheit reiner Spiegel
    Kriegt durch Küße keinen Schröck,
    Denn sie sind ein Freundschaftssiegel
    Und verlaßen keinen Fleck.
    Suche deine guten Tage,
    Eh die späte Nachreu klage:
    Da ich suche, sind sie weg.
    _____

    Die Schäze deiner
    keuschen Zucht
    Und der noch unberührten Brüste
    Sind warlich eine seltne Frucht,
    Nach der ich innerlich gelüste.
    Erschrick nicht vor der schnellen Hand
    Und las sie in dem Busen spielen;
    Ich führe dich in einen Stand,
    Des Lebens Kern und Marck zu fühlen.
    _____

    Daß du mir als meine Braut
    Auf ein
    keusches Widerstreben
    Seele, Geist und Brust gegeben
    Und mir, was du hast, vertraut,
    Ist so wenig eine Sünde
    Als mein Kuß ein Judaskuß,
    Ob ich gleich von meinem Kinde
    Unverhoft entrinnen muß.
    _____

    Was vor
    keusche Zärtligkeit
    Sog ich aus dem lieben Munde,
    Dem es etwan diese Stunde,
    Aber mir zur Angst, gereut!
    Was vor hiziges Entzücken
    Gab nicht dort die Jahrmarcktslust,
    Wo du mich mit naßen Blicken
    Um das Thor verlaßen must!
    _____

     

  • Christian Felix Weisse (1726-1804)

    Die Schamhaftigkeit

    Wie schamhaft, o wie
    keusch ist sie,
    Mein Mädchen, die kleine Blondine!
    Heut in Gesellschaft küsst' ich sie,
    Da sprach sie mit zorniger Mine:
    Geh, Unverschämter, geh! was denkt die Welt von mir?
    Heut Abends noch verlang' ich Rechenschaft von dir.

    Wie schamhaft, o wie
    keusch ist sie,
    Mein Mädchen, die kleine Blondine!
    Ich kam bey Licht, und küsste sie,
    Da rief sie mit drohender Mine:
    Halt, Unbesonnener! der Nachbar gukt heraus!
    Sie zog den Vorhang vor, ich blies die Lichter aus.
    _____

     

19./20. Jh.

 

  • Stine Andresen (1849-1927)

    Und wenn der Abend nieder sinkt,
    Freund Hesperus am Himmel blinkt,
    Hin eil' ich voll Verlangen
    Zum trauten Lieb, o sel'ge Lust!
    Bald ruhet sie an meiner Brust,
    Von meinem Arm umfangen.

    Wie dann ihr Aug' in meines glüht,
    Zwei Lippen, hold und
    keusch erblüht,
    Sich mir entgegen neigen,
    Da reißt es mich gewaltsam fort,
    Vergessen hab ich jedes Wort,
    Ich kann nur küssen und schweigen.
    _____

    Sein Liebchen steht am Gartenzaun
    Mit Wangen rot, mit Augen braun,
    Mit süßem,
    keuschen Munde.
    Drauf küßt er sie unzähl'ge Mal;
    Verschwunden ist die Herzensqual,
    Er wird gesund zur Stunde.
    _____

     

  • Rudolf G. Binding (1867-1938)

    Die Freundin und die Dämmerung

    Du Vertraute meiner Räusche,
    heiliger Nächte stiller Glanz,
    Ganz-Verlorne, Trunken-
    Keusche,
    die du trugest meinen Kranz,

    sieh, dich muß ich jäh verlassen,
    lächelnd eben noch beglückt;
    will erblindend ich dich fassen
    bin ich sehend schon entrückt.

    Denn nach heißer nächtiger Feier
    schleppt den ersten kühlen Saum
    Dämmrung, schwer gewandet, neuer
    Dinge kundig durch den Raum.

    Und sie hält den nachtgebornen
    Kelch voll dunklen Taus empor
    wachen Träumern und verlornen
    Kindern die sie sich erkor.

    Blauer Stunden Trunkenheiten
    tropfen nieder von dem Rand
    die mich sanft hinausgeleiten
    in ein rätselhaftes Land.

    Und durchs Wolkentor des Rausches
    tritt dein Dichter in das Weit
    reiner Schönheit, seligen Tausches
    einer höheren Wirklichkeit.

    Himmel, wahre deine Sterne.
    Erde, schirme deine Pracht!
    Denn es greift aus Menschenferne
    meine Hand in eure Nacht.

    Dir, Vertraute meiner Räusche,
    reiß ich nieder ihren Glanz:
    kröne dich der letzte
    keusche
    wie der erste grüne Kranz.
    _____

     

  • Ernst Blass (1890-1939)

    Der helle Tag war eine schlimme Nacht,
    Das wache Leben nur ein dumpfer Schlaf,
    Eh' ich zum Traum von dir bin aufgewacht,
    Eh' meine Näh deine Ferne traf,

    Zum Traum von mir, der, lange Zeit verborgen,
    Nun wie ein Held an meine Seite trat,
    Nicht Gestern galt, nicht Heute, nur das Morgen
    War nahe mir, geöffnet war der Pfad.

    Und Liebe flocht in
    keuschesten Gewinden
    Unmerklich schon den bunten ewigen Kranz.
    Was lang getrennt war, hoffte sich zu finden,
    Und das Entzweite sah sich wieder ganz.
    _____

     

  • Clemens Brentano (1778-1842)

    Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,
    Die in der Blätter
    keuschen Busen sinkt,
    Und milden Tau und süßen Honig trinkt,
    Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.
    So singt mein tiefstes Freudenlied,
    Ach meine Rose blüht!
    _____

     

  • Carl Busse (1872-1918)

    Meine Seele

    Und wenn dein Blick verlangend,
    Wie scheu dein Mund auch zagt,
    Einst meine Seele bangend
    Um ihre Tiefen fragt -

    Dir ganz dann hingegeben,
    Entschleiert sie sich dir:
    Von meinem wilden Leben
    Drang auch kein Laut zu ihr.

    Von Staub wohl und Gewittern
    Mocht's oft darüber wehn,
    Doch kann in
    keuschem Zittern
    Sie rein noch vor dir stehn.
    _____

     

  • Georg Busse-Palma (1876-1915)

    Durch jede Sünde mußt du mit mir gehn,
    Doch wenn der Stunden Leidenschaft verglühte,
    Mir
    keusch und lächelnd auch ins Antlitz sehn
    Und mir verzeihn in großer Kindergüte ..

    So mußt du sein, die ich mir freien möcht'!
    Geb's Gott, ich find' dich noch in frühen Tagen.
    Denn früh schon altern die von Faust's Geschlecht,
    Die so wie ich zwei Seelen in sich tragen! ..
    _____

    ... Und bist du heute auch mein Weib,
    Das eine werd' ich nie vergessen,
    Daß ich den süßen,
    keuschen Leib
    Nicht so viel früher schon besessen!
    Und bist du heut auch zehnfach schön:
    Selbst wenn wir selig müd' uns küßten,
    Muß meine Sehnsucht suchen gehn
    Nach vierzehnjährigen Kinderbrüsten.
    _____

     

  • Max Dauthendey (1867-1918)

    Wie bräutliche Hecken im Frühling

    Von deinem Leib haben die Maienglocken ihren
    keuschen Geruch,
    Die Nachtigallen hast du heiß gemacht,
    Ihr Gesang malt dein Bild.
    Deine Lippen sind wie Kleeblüten klein und süß
    an meinem Weg gewachsen.
    Und drüber glänzt dein Haar festlich
    Wie bräutliche Hecken im Frühling.
    _____

     

  • Felix Dörmann (1870-1928)

    Ich möchte beten,
    Beten aus tiefster Seele, -
    Und weiß nicht zu wem;
    Denn ich glaub' es nicht,
    Daß über der Sterne
    Funkelndem Reigen
    Ein Vater thront.
    Und so sing' ich denn
    Meiner Seele Jubelfanfaren,
    All ihre jauchzende,
    Trunkene Seligkeit
    Hinaus in die Welt,
    In die kalte, blütenarme Welt:
    Noch kann ich lieben,
    Noch kann ich lieben,
    Tief und
    keusch und wunschlos!
    Ich möchte danken -
    Und weiß nicht wem,
    Ich möchte singen, weinen und beten.
    _____

    Mit Deiner Liebe milder Kraft
    Hast Du den Bann der Leidenschaft
    Zerschmettert und gebrochen.
    Ein tiefes,
    keusches Lieben
    Ist alles, was geblieben,
    Und das gilt Dir allein.
    _____

    Mein tiefes,
    keusches Lieben
    Die flammende Gier durchloht,
    Die reinen Gedanken entstieben,
    Und nichts ist zurück mir geblieben,
    Als wollustrasende Not.

    Sieh meine zuckenden Glieder, -
    Des Mundes blasigen Schaum;
    O neig' zu mir Dich nieder, -
    Hinweg das starre Mieder,
    Für meine Lippen Raum!

    Hinweg von Deinen Brüsten
    Das faltige Schleiergewand,
    Es ringt mein ganzes Gelüsten
    Nach
    keuschen, ungeküßten,
    Hinweg, hinweg Deine Hand!

    Ich fühle mein Aug' sich verglasen,
    Mein Leib verkohlt, verbrennt,
    Jetzt mußt Du mit mir rasen, -
    Mußt teilen meine Ekstasen,
    Der Seligkeit höchsten Moment.
    _____

    Der Traum der
    keuschen Liebe,
    Längst ist er ausgeträumt,
    Es tanzen und toben die Nerven,
    Das Blut zum Hirne schäumt;
    Es bricht sich in wilden Kaskaden
    Am Herzen, verdorrt und versteint,
    Das seine verbissenen Qualen
    Verschüttet und ausgeweint.
    Ich will meine Zähne vergraben
    In Deinem knirschenden Haar,
    Im Blutrausch will ich vergessen,
    Daß ich ein Anderer war.
    Ich weiß, Du kannst genießen,
    Unfaßbar, riesenhaft stark,
    Wohlan, so genieß' mich, Lucia -
    Es schreit nach Fäulnis mein Mark.
    _____


    Sehnsucht

    Ich sehne mich nach einer Traumgestalt,
    Nach einem unberührten,
    keuschen Wesen,
    Das noch im Buch der Sünde nicht gelesen,
    Das Wollust nicht einmal im Geist umkrallt.

    In ihrer Seele müßte Mitleid wohnen
    Mit jedem Menschen und mit jedem Tier,
    Am allermeisten aber doch mit mir,
    In dem das Elend und die Marter thronen.

    Und wie vom übervollen Weinpokal
    Die goldnen Fluten achtlos niederschießen,
    Müßt' ihre Himmelsreinheit mich umfließen
    Und tilgen meiner Seele Sündenqual.
    _____

     

  • Gustav Falke (1853-1916)

    Schamhafte Liebe

    Du schläfst, und meine blöde Liebe
    darf sich auch ihrem Winkel wagen
    und über dich ihr zärtlich Nachtgebet
    mit leisem Mund und lautem Herzschlag sagen.

    Dem hellen Tag ist sie ein schreckhaft Kind
    und liebt Verstecke, hüllt sich gern in Schweigen,
    verschüchtert leicht, wo andre lärmend sind.
    Du schläfst, und ihre stillen Sterne steigen.
    Weit öffnet sich ihr Herz, und in verschämter Pracht
    erglüht die
    keusche Königin der Nacht.
    _____


    An ***

    Was ich dir verdanke?
    Goldenen Tag und Traum.
    des Glücks eine blühende Ranke
    um meinen Lebensbaum,
    eine Liebe, die im Verzichten
    schweren Sieg errang,
    und für mein Singen und Dichten
    einen reinen,
    keuschen Klang.
    _____

    Nie hat es keuschere Leidenschaft gegeben,
    wenn Leidenschaft denn
    keusch sein kann und ist,
    die ja ihr Recht nur an sich selber mißt.
    Liebe sucht Liebe, Leben will zu Leben,
    und wenn es sucht und sehnt: nenn's Leidenschaft
    nenn's Liebe, Mädchen,
    keusch ist jede Kraft,
    die Leben wirkt. Und also lieb ich dich,
    und so, in
    Keuschheit, will ich dich für mich.
    _____

    So
    keusch und zärtlich, wie Geschwister lieben,
    die eines Blutes gleicher Puls belebt,
    so lieb ich dich und wünscht', ich wär' dein Bruder,
    der seine schöne junge Schwester schützt,
    Gespiel ihr und ein Freund in Lust und Leid,
    und Lehrer, Rater so wie ältere Brüder
    bei kleinen Schwestern gern den Vormund machen.
    O reine Liebe, ohne ein Begehren,
    weil sie ja alles, was sie hold beglückt,
    schon von Natur fraglos zu eigen hat.
    _____

     

  • Otto Erich Hartleben (1864-1905)

    Wie heimlich dann im Bett an deiner Brust!
    Aus Morgenträumen Arm in Arm erwacht,
    bestaunen wir den lustigen Sonnenstrahl,
    der keck zu solchen Heimlichkeiten drang.
    Behaglich recken wir die schlafgestärkten
    und schon von neuer Lust durchbebten Glieder,
    und selig lächelnd schauen wir uns stumm
    in Augen, die der Schlaf noch kaum verliess.
    O meine süsse, weisse Hede, komm -
    lass deine Haare fliessen! Diese Spitzen -
    o lass mich - lass mich: du bist schöner so,
    und freier schweifen meine Küsse - ah!
    Zieh deine Hände von den Augen, Kind:
    was schämst du dich? Der Sonnenstrahl ist
    keusch -
    _____

    Dass deine Brüste hocherbaulich sind,
    hat auch der Theologe tief empfunden
    und will dich nun in
    keuscher Liebe retten.
    Du gutes Kind! Welch Seelenzwist für dich!
    Ich kenne das, auch ich war einmal fromm
    und hab ein schönes Mädchen retten wollen.
    Du armes Kind! Heut bin ich lasterhaft,
    und mich entzückt dein junger, weisser Leib
    weit mehr, als deine Tugend je vermöchte.
    So geh zu ihm und lass dich retten. - Nein?
    Mich hast du lieb, der dich nicht anders will,
    als dich die gütige Natur geschaffen? Wie?
    - O Kind: du bist so lasterhaft, wie ich!
    In sündigen Gluthen schlingst du deine Arme
    um mich, dein Mündchen spottet zügellos
    des reinen Jünglings, der dich retten möchte -
    dem deine Brüste hocherbaulich sind.
    _____

    »Von meinen Brüsten leise schlich
    dein Blick und stahl sich in die Nacht?
    O sage, was bekümmert dich,
    woher die Thräne, unbewacht?«

    - Du Weib, das mir ergeben sich
    und ruht in meiner Hände Haft,
    o dürft ich erst ersehnen dich,
    voll zagend
    keuscher Leidenschaft!

    Ich sehne mich nach Frühlingsthau,
    zurück nach scheuem Knaben-Sinn:
    - dass ich mich nicht zu sagen trau,
    wovon ich heimlich selig bin.
    _____

    Sprödes,
    knospenkeusches Mädchen,
    könnt ich einmal noch dich küssen
    scheu wie einst, da du erröthet -
    hab auch selbst erröthen müssen.
    _____

     

  • Friedrich Hebbel (1813-1863)

    Das Heiligste

    Wenn zwei sich in einander still versenken,
    Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,
    Nein,
    keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,
    Und schamhaft zitternd, während sie sich tränken;

    Dann müssen beide Welten sich verschränken,
    Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,
    Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,
    Springt eine Welle, die die Sterne lenken.

    Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,
    Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden,
    Als Schönstes dämmerte, das muß sich mischen;

    Gott aber tut, die eben sich entfaltet,
    Die lichten Bilder seiner jüngsten Stunden
    Hinzu, die unverkörperten und frischen.
    _____

     

  • Heinrich Heine (1797-1856)

    Geschlossen war mein Aug, doch angeblickt
    Hat meine Seel beständig dein Gesichte,
    Du sahst mich an, beseligt und verzückt,
    Und geisterhaft beglänzt vom Mondenlichte!

    Wir sprachen nicht, jedoch mein Herz vernahm,
    Was du verschwiegen dachtest im Gemüte -,
    Das ausgesprochne Wort ist ohne Scham,
    Das Schweigen ist der Liebe
    keusche Blüte.
    _____

     

  • Max Herrmann-Neiße (1886-1941)

    Es zieht etwas durch die Luft ...
    So wie Rosenduft,
    So wie Frühlingserwachen - - -
    Ein verstecktes Lachen,
    Ein geheimes Flüstern,
    Bald
    keusch - bald lüstern -
    Ein lockendes Singen,
    Ein Klingen
    Wie von bebenden Engelsharfen ...

    Auf blütenbesätem Baum
    Flötet die Nachtigall
    Ihr Lied im Jubelschall ...
    Drunter: ein schöner Traum,
    Ein seeliges Märchen:
    Kost ein Pärchen.

    Fest umschlungen
    Sitzen die Jungen:
    Die leben die erste Wonne -
    Golden leuchtet die Frühlingssonne.
    _____

     

  • Detlev von Liliencron (1844-1909)

    Mit ausgebreiteten Armen

    Weltvereinsamt und verlassen,
    Liebes Mädchen, sitz ich hier.
    Alle Menschen muß ich hassen,
    Kann mich selber nicht mehr fassen
    Komm, o komm zu mir!

    Blütenpracht und grüne Zweige
    Und die ganze Frühlingszier
    Sind mir holde Fingerzeige,
    Daß ich sanft zu dir mich neige:
    Komm, o komm zu mir!

    Tausend zärtliche Gedanken,
    Keusche Minne, Liebesgier,
    Die sich ewig in mir zanken -
    Hab Erbarmen mit dem Kranken:
    Komm, o komm zu mir!
    _____

     

  • Thekla Lingen (1866-1931)

    Hohe Liebe

    Nicht, wie die andern sollst du mich lieben,
    Nicht mir zu Füssen will ich dich sehn,
    Bleib mir zur Seite erhobenen Hauptes,
    Dass ich an deine Schulter mich lehn'!

    Nicht wie die andern zehrenden Kusses
    Sollst du mir küssen Augen und Mund,
    Nur meine Stirne will ich dir neigen
    Zu unserer Seelen lauterem Bund.

    Nur mit den Blicken sollst du umfangen,
    Was ich dir gebe in meinem Blick,
    Alles Begehren, alles Verlangen
    Sinke zum heiligen Born zurück.

    Nimmer versiegen wird dann die Quelle
    Seliger Sehnsucht in unserer Brust,
    Nimmer verglühen wird dann die Flamme,
    Ewig geschüret in
    keuscher Lust.
    _____

     

  • Robert Prutz (1816-1872)

    Du mit der schwanenweißen Brust,
    Berauschend wie der Duft der Traube,
    Du meine flammenheiße Lust
    Und
    keusch und züchtig wie die Taube;
    Aus deines Auges milden Sternen,
    So lockend und so fromm dabei,
    Wann werd' ich je zu Ende lernen
    Der Liebe süße Litanei?
    _____

     

  • Hugo Salus (1866-1929)

    Mit geschlossenen Lidern

    Sonst, wenn mein Herz in Liebe sich verzehrte
    Und ich die Lider schloß, ihr nah zu sein,
    Sah ich die Liebste, mädchenhaft und rein,
    Daß sich mein sündig Herz zur Buße kehrte.

    Voll strenger Zucht erschien mir die Verklärte
    So
    keusch, wie treu. Bis in den Schlaf hinein
    Umstrahlte mich der Liebe Heiligenschein,
    Daß selbst dem Traum der
    Keuschheit Engel wehrte.

    Auch jetzt schließ' ich die Lider: seliges Dämmern,
    Draus schlank und weiß der schönste Körper lacht!
    O warmer Marmor, drin die Pulse hämmern!

    Die Lider preß ich zu. O Lichtgefunkel,
    Hell strahlt ihr Leib und leuchtet durch die Nacht.
    Und wär' ich blind, wär' selig doch mein Dunkel ... 
    _____

     

  • Ernst Schulze (1789-1817)

    O wie süß ist ein geraubter Kuß!
    Wenn das Mädchen
    keusche Lieb' empfindet,
    Und ihr Auge leise nur verkündet:
    O wie süß ist ein geraubter Kuß!
    Glaube nicht, sie thu' es aus Verdruß,
    Wenn sie dann sich deinem Arm entwindet;
    Nein, zu süß ist ein geraubter Kuß,
    Wenn das Mädchen
    keusche Lieb' empfindet.
    _____

    Wie in dem Quell, den reines Silber füllt,
    Das geist'ge Bild des Mondes sich entfaltet,
    Und, von der Welle zartem Hauch umwaltet,
    Mit hellerm Glanz aus seinem Bade quillt;

    So wohnt in meinem Inneren dein Bild,
    Durch Sehnsucht nicht zum Körper umgestaltet,
    Nicht durch Genuß, nicht durch die Zeit veraltet,
    Und in der Reinheit Silberflor gehüllt.

    Die Liebe taucht's in ew'ge Morgenröthe,
    Schmückt seine Stirn mit einem Strahlenkranze,
    Und göttlich wird, was sonst nur irdisch war.

    Der Sehnsucht leises Flehn wird zum Gebete,
    Das Auge strahlt von
    keuscher Andacht Glanze,
    Und reiner glüht der Busen, dein Altar.
    _____

    Wer je die Macht der
    keuschen Lieb' erfuhr,
    Dem wird ihr Hauch im Busen ewig wohnen;
    Ein Bild nur kann in einem Herzen thronen,
    Die zarte Brust hegt eine Liebe nur.

    Durchs ganze Leben folgt sie unsrer Spur,
    Mit Dornen bald und bald mit Blüthenkronen;
    Doch mag sie zürnen, mag sie lächelnd lohnen,
    Ihr huldigt stets die edlere Natur.

    Nie schweigt der Schmerz, den sie uns einst gegeben,
    Die Freude nie, die sie uns einst gewährte;
    Kurz ist die Lust, doch ewig das Gefühl.

    Von Welt zu Welt mit uns emporzuschweben,
    Folgt uns ihr Strahl als leuchtender Gefährte;
    Ihr Seyn ist Werden, Ewigkeit ihr Ziel.
    _____

    Keusch sey des Herzens heiliges Zartgefühl
    Und gebe nie dem Hohne der Welt sich hin;
    Nur blenden kann des höhern Lichtes
    Flamme den Thoren, doch nicht ihm leuchten.
    _____

     

  • Kurt Tucholsky (1890-1935)

    Erst wollte ich mich dir in
    Keuschheit nahn.
    Die Kette schmolz.
    Ich bin doch schließlich, schließlich auch ein Mann,
    und nicht aus Holz.

    Der Mai ist da. Der Vogel Pirol pfeift.
    Es geht was um.
    Und wer sich dies und wer sich das verkneift,
    der ist schön dumm.
    _____

     

  • Frank Wedekind (1864-1918)

    Die
    Keuschheit

    Schimmernd fülle sich der Teller,
    Schimmernd bis zum Rand hinan;
    Jeder spende seinen Heller
    Gern dem alten Leiermann.
    Manch ein Lied hab ich gesungen,
    Das euch tief ins Herz gedrungen;
    Doch ein Lied wie dieses hier
    Hörtet ihr noch nicht von mir.

    Eines Abends in der Messe
    Lauscht' er hinter ihrem Pult,
    Mit erzwungner Totenblässe
    Bat er sie um ihre Huld.
    Von Madrid bis Kopenhagen
    Hat er sich herumgeschlagen,
    Tausend Mädchen schon verführt,
    Kujoniert und angeschmiert.

    Und sie bat, daß Gott ihr helfe,
    Doch sein Odem war so warm,
    Und dieselbe Nacht um elfe
    Lag sie schon in seinem Arm.
    Weidlich hat er sie belogen,
    Hat das Hemd ihr ausgezogen;
    Sie ward rot für ihr Geschlecht,
    Doch das war ihm grade recht.

    Als sie nun die Schmach erlitten,
    Ward dem Ungeheuer klar,
    Daß sie engelrein von Sitten
    Und ihm zu gefühlvoll war.
    Freilich konnt es ihn beglücken,
    Eine frische Blume pflücken;
    Für sein weiteres Pläsier
    Fehlte die Verderbnis ihr.

    Und er war wie umgewandelt,
    Als ihr nun die Liebe kam;
    Hat sie so infam behandelt,
    Daß sie schier verging vor Scham;
    Stieß sie aus den warmen Kissen,
    Hat sie nackt hinausgeschmissen,
    Warf ihr ihre Kleider nach,
    Schloß die Tür mit einem Krach.

    Auf dem Vorplatz unter Tränen
    Zog sie sich die Strümpfe an,
    Fluchte ihres Herzens Sehnen
    Und verzieh dem rohen Mann;
    Drauf ging sie in ihre Kammer,
    Dort sank sie aufs Bett vor Jammer,
    Schlug mit beiden Fäusten sich
    Wund und weinte bitterlich.

    Ist's nicht wirklich ein Entsetzen,
    Daß es solche Männer gibt,
    Die sich nicht mal mehr ergötzen,
    Wo ein andrer kindlich liebt.
    Weil sie ihre Liebe suchten
    Bei den H-, den verfluchten,
    Ist der Seele Klang verdumpft,
    Ihr Empfinden abgestumpft.

    In dem nächtlich stillen Garten
    Sitzt die
    keusche Maid voll Gram,
    Liebelechzend zu erwarten
    Den Geliebten, der nicht kam.
    Ach, sie meint, er müsse kommen,
    Doch die Sterne sind verglommen
    Und der sanfte Mond verblich,
    Ohne daß ihr Kummer wich.

    Und nun ward ihr immer schlimmer,
    Immer toller jeden Tag,
    Und sie lief ihm auf das Zimmer,
    Als er noch zu Bette lag;
    Sagt ihm gleich, wozu sie käme,
    Daß er sie zur Dienstmagd nehme,
    Wenn sie seiner Lust zu schlecht,
    Alles, alles sei ihr recht.

    Aber dieser Fürchterliche
    Hatte keinen Trost für sie
    Als verdrehte Bibelsprüche
    Voll gesalzner Ironie;
    Sich an ihrer Scham zu weiden
    Zwang er sie, ihn anzukleiden,
    Macht sie dabei, ohne Not,
    Immer wieder purpurrot.

    Als den Schlips sie ihm gebunden,
    Gab der Mensch ihr einen Tritt
    Und ein Schimpfwort ihrer wunden
    Seele auf den Heimweg mit.
    Doch als sie den Hut genommen,
    Spielt er plötzlich dann den Frommen,
    Sah sie an und sagte: Du,
    Heute abend Rendez-vous!

    Und sie trat am selben Abend
    Wieder in die Wohnung ein,
    Einen Strauß am Busen habend,
    Denn sie wollte lieblich sein.
    Gleich riß er ihn ihr vom Kleide,
    Überreicht' ihn voller Freude
    Einer Dirne, rotgelockt,
    Die geschminkt im Lehnstuhl hockt.

    Drauf tät er sie zärtlich bitten,
    Aufzulösen sich ihr Haar;
    Jene hat's ihr abgeschnitten,
    Daß sie wie ein Knabe war.
    Dann mußt' sie das Kleid ablegen,
    Ging einher, zum Herzbewegen:
    Schuhe, Strümpfe, Höschen, Hemd,
    Und der Scheitel links gekämmt.

    Nun erhob sich die geschminkte,
    Dekolletierte Schandperson,
    Schlecht verbergend, daß sie hinkte,
    Denn sie trieb es lange schon:
    Komm, mein Page, und enthülle
    Meiner Reize Zauberfülle
    Diesem schönen jungen Herrn;
    Ach, er hat mich gar zu gern!

    Und sie tat es ohne Zucken,
    Zog ihr selbst die Strümpfe ab,
    Mußte all die Dünste schlucken,
    Die das Scheusal von sich gab.
    Mehrmals, bis das Werk vollendet,
    Hat sie stumm den Kopf gewendet,
    Hustete aus tiefster Brust,
    Wurde beinah unbewußt.

    Alsdann kam an ihn die Reihe,
    Was ihr nicht so gräßlich war;
    Leise wimmernd macht das treue
    Kind ihn aller Kleidung bar;
    Wollt' ihm noch die Füße küssen,
    Doch er hat sich losgerissen.
    Und nun gab der edle Wicht
    Ihr in jede Hand ein Licht.

    So mußt' sie sich aufrecht stellen,
    Wo der Vorhang offen hing,
    Um das Schauspiel zu erhellen,
    Das vor ihr in Szene ging.
    Durch die Bosheit angefeuert,
    Hat er mehrmals es erneuert,
    Immer tiefern Höllenschmerz
    Bohrend in des Kindes Herz.

    Treulich tät sich ihm vereinen
    Das entmenschte Schauerweib,
    Fand am Jammerblick der Kleinen
    Teuflisch süßen Zeitvertreib,
    Heuchelt, ihr ins Herz zu schneiden,
    Außerordentliche Freuden,
    Fraß mit Schluchzen und Geschrei
    Einen Apfel auch dabei.

    Als die Roheit sondergleichen
    Keinen neuen Reiz mehr bot,
    Ließ man sich die Kleider reichen,
    Stellte sich dabei halb tot.
    Nichts als Püffe, nichts als Tritte
    Spürt das Kind bei jedem Schritte.
    Drauf löscht er die Lichter aus,
    Führt die Schandperson nach Haus.

    Kommt zurück nach langer Pause,
    Und das Mädchen ist noch da,
    Denn sie wagt sich nicht nach Hause,
    Weil sie so verändert sah;
    Bat ihn, daß sie bleiben könnte,
    Was er ihr denn auch vergönnte;
    Ach, sie dachte nicht daran,
    Was der Schreckensmensch ersann.

    Nachdem er zu Bett gegangen,
    Winkt er sie vom Diwan her,
    Überreicht ihr einen langen
    Scharfgeladenen Revolver.
    Bittet kühl um den Gefallen,
    Ihn sich vor den Kopf zu knallen,
    Denn die Wirkung sei famos,
    Und er sei sie endlich los.

    Ohne etwas zu entgegnen,
    Hob sie sich ihn an die Stirn,
    Tät noch ihren Mörder segnen
    Und durchschoß sich das Gehirn.
    Lächelnd schmaucht er die Zigarre
    Zum Entstehn der Totenstarre,
    Geht dann, seiner Schandtat froh,
    Nach dem Polizeibureau!

    Und nun hat sie ausgelitten,
    Diese Maid, die treu geliebt,
    Dabei engelrein von Sitten,
    Wie es keine zweite gibt.
    Alle möge Gott verfluchen,
    Wenn sie seine Gnade suchen,
    Denn sie liebten nur das Fleisch;
    Diese starb im Herzen
    keusch.
    _____



     

 

 

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