Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: keusch / Keuschheit
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
Hans Aßmann Freiherr von
Abschatz (1646-1699)
Dein kluges Urtheil mag ohn allen Zwang erkennen /
Wer deiner Gegen-Gunst am besten würdig sey.
Doch suchet deine Wahl ein Herze voller Treu /
So bin ich schon gewiß / du wirst Silvandern nennen.
Soll gleich der Ausspruch nicht auff meine Seite fallen /
Ich werde dir darob nicht abhold können seyn.
Ich will die
keusche
Brunst ins Herze schlüssen ein /
Und bleibe biß ins Grab dein Treuster unter allen.
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Anonyme Barockdichter
Hier liege ich zu deinen zarten füssen /
Nim schönste mich zu deinem diener an;
Ich suche nichts als deine hand zu küssen /
Die stets so sehr die herzen fesseln kan:
Das meinige sey dir hiemit ergeben /
Verschmäh es nicht / es rührts ein
keuscher
trieb;
Es wünscht bey dir in diensten stets zu leben /
Denn du bist mir mehr als mein leben lieb.
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Die kuß-scheue Doris
So glaubstu / Doris / denn / daß dich ein kuß verletzt /
Den ein erhitzter mund auff deine lippen setzt?
Die rosen welcken zwar / wenn man sie offt berührt /
Doch deine werden erst dadurch noch mehr geziert.
Du weist's / dein auge hat in mir den zug erweckt /
Du hast in meiner brust das feuer angesteckt /
Itzt aber / da die glut mit lichten flammen spielt /
So wegerstu den trost / der diese sehnsucht kühlt.
Vielleichte bildestu dir diese wörter ein:
Es sey ein wiederspiel /
keusch
und verliebet seyn:
Nein / wie Narcissen gern bey Tulipanen stehn /
So mag ein
keuscher
geist auch wol zur liebe gehn.
Ein unbefleckter kuß ist auch bey göttern rein:
Und doch will deine brust von stahl und eysern seyn;
Ach! geh nur in dich selbst und ändre deinen sinn;
Ein kuß der nimmt ja nicht bald alle
keuschheit
hin.
Ich habe / Doris / zwar nicht deine gunst verdient /
Doch wo die wehmuth noch in deinem herzen grünt /
So schau nicht meinen werth nur meine flammen an /
Und dencke / daß kein mensch / als du / sie heilen kan.
O lieb / itzt merck' ichs schon / mein wünschen wird erhört:
Doch daß kein falscher dorn uns diese lust verstört /
So stelle dich verblümt / und sprich: ich kenn ihn nicht /
Biß einst die einsamkeit uns sicherheit verspricht.
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Die verborgene Wollust
Oeffentlich züchtig
Und erbar von schein;
Heimlich lust-süchtig /
Voll brünstiger pein /
Ganz eingezogen
Und
keusch
sich gestellt /
Das hat in der welt
Manch klug-dünckend auge betrogen.
Liebe verachten /
Wo jemand zur hand /
Doch heimlich trachten
Zu leschen den brand.
Mit küssen / herzen /
(Offt folgt auch was mehr;)
Da läst sich die ehr /
Ach! leicht und geschwinde verschertzen.
Recht
keusch
in warheit /
Da ruhet die lust /
In ehren-klarheit /
Und labet die brust.
Von
keuschheit
rühmen
Und
keusch
doch nicht seyn /
Trifft nimmer wohl ein /
Wie schön mans gleich denckt zu verblümen.
Drum dencket daran /
Die ihr euch verliebt /
Wie diß schaden kan /
Und schmerzlich betrübt /
Hingegen lieben /
Und
keusch
doch auch seyn /
Das bringt zwar auch pein /
Doch ändert die lust das betrüben.
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Jedoch wer kan die hand zurücke ziehen /
Wenn schönheit uns beut ihren Nectar an?
Vor menschen-krafft ist es ein bloß bemühen /
Weil niemand hier / als engel / leben kan /
Der mund mag noch so viel von zucht und
keuschheit
sprechen /
Ein schönes auge kan ihm bald den hochmuth brechen.
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Simon Dach (1605-1659)
Du kanst dich tieff in unsre hertzen sencken,
Und nimst mit süsser pein
Da, wo wir es am wenigsten gedencken,
Den platz der seelen ein;
Daß man liebet ohne ruh,
Süsse Venus, das machst du.
Nicht die du pflegst die hertzen zu vergeilen,
Dich arge mein ich nicht,
Die du uns triffst mit
keuschen liebes-pfeilen,
Und eheliche pflicht
Zweyen hertzen aufferlegst,
Und ein
keusches feur erregst,
Dir ruff ich zu, du must von dem her kommen,
Der alles geben muß,
Du kanst auch nichts, als nützlich seyn und frommen,
Du bringest nie verdruß;
Segen, ruh und einigkeit
Geben stets dir das geleit.
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Alle, die ihr freyen wollt,
Merckt, wie ihr euch halten sollt,
Sintemal die eh' ohn zwist
Gottes hohe stifftung ist,
Über die er in der welt
Noch gestreng und heilig hält.
Räumt euch keiner lust-seuch' ein,
Bleibt von aller unzucht rein,
Euer hertz sey tag und nacht
Durch der
keuschheit schutz bewacht,
Rufft, wie sehr ein jeder kan,
Gott umb unschuld hertzlich an.
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Paul Fleming (1609-1640)
Der
Keuschen
Wenn sich die Götter auch befreien gleich als wir,
so nähme dich der Schmuck auch selbst zu seinem Weibe,
dieweil die
Keuschheit
wohnt in einem solchen Leibe,
in welchem sind gleich hoch die Tugend und die Zier,
der Geist und die Gestalt. Wie seltsam ist diß hier!
Denk, Jungfrau, daß ich nicht was Ungemeintes schreibe
und dich berede des, was ich mir selbst nicht gläube.
Dein Zeugnüß biet selbst du. Du sprichst es selbst von dir.
Die schönste Schönheit ist ein züchtiges Gemüte;
was eine Jungfer ziert, das wohnet im Geblüte.
Das Ander, was das Volk für schöne hält und heißt,
der Seelen Überzug, der Leib pflegt oft zu triegen.
Da ist ein schöner Leib, da ist ein schöner Geist,
wenn sie als hier den Glanz von wahrer Schönheit kriegen.
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Der Schönen
Nicht, daß du schöne nur alleine soltest sein;
du bist auch
keusch, auch from, wie deine Schwestern beide,
die schön auch sind wie du. Trutz allem Haß' und Neide,
an den drei Stücken kommt ihr gänzlich überein.
Doch schreib ich, Schöne, dir hier zu nur einen Schein
und nenne dich nach dir, nicht etwan dir zu Leide,
nein, sondern daß ich nur die Namen unterscheide.
Sonst seid ihr ganz gleich eins, gleich from, gleich
keusch, gleich rein.
O Jungfrau, sonst zu Nichts als Tugend nur geboren,
in welche Zier und Zucht zusammen sich verschworen,
verzeih mir diesen Fehl, du götlichs Menschenkind,
daß ich dein würdigs Lob nicht würdig kan erhöhen,
von dem die Suada selbst mit Willen muß gestehen,
daß tausent Zungen ihr hierzu zu wenig sind.
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Der Frommen
Die Schönste heißest du, wenn Schönheit schöne macht,
die
Keuscheste
von Zucht. Doch laß' ich mir behagen,
dir von der Frömmigkeit den Namen anzutragen,
die aus den Augen dir mit kluger Einfalt lacht.
Mund trifft mit Herzen zu. Der Schönheit sanfte Pracht
gibt deiner Demut nach. Es kommen Viel' und fragen,
wie kan ich ihnen doch was mehr und bessers sagen,
als was sie hatten schon bei sich von dir gedacht?
Dein Ansehn redt für dich, das sittige, das liebe,
in welches die Natur die Treflichkeit ganz schriebe,
die in der Seelen liegt und hell erglänzt, wie sehr
sie auch sich in sich hält. An Menschen nur sind Mängel
und was verwerflich ist. An dir, du reiner Engel,
ist ganz Verwerflichs nichts, ist ganz nichts Menschliches mehr.
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Andreas Gryphius (1616-1664)
An Eugenien
Schön ist ein schöner leib, den aller lippen preisen,
Der von nicht schlechtem stamm und edlem blut herrührt;
Doch schöner, wenn den leib ein' edle seele ziehrt,
Die einig sich nur lässt die tugend unterweisen;
Vielmehr, wenn weisheit noch, nach der wir offtmals reisen,
Sie in der wiegen lehrt; mehr, wenn sie zucht anführt
Und heilig seyn ergetzt, die nur nach demuth spür't;
Mehr, wenn ihr
keuscher geist nicht zagt für flamm und eisen.
Diß schätz ich rühmens wehrt, diß ist, was diese welt,
Die aller schönheit sitz, für höchste schönheit hält,
Und das man billich mag der schönheit wunder nennen.
Wer dieses schauen wil, wird finden, was er sucht
Und kaum zu finden ist, wenn er, o blum der zucht!
O schönste! wenn er euch wird was genauer kennen.
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Christian Hoffmann von
Hoffmannswaldau (1616-1679)
Ich küsse noch die stunde /
Da ich den ersten liebes-kuß /
Aus
keuscher freundschafft überfluß /
Genoß aus deinem zucker-munde:
Das reine siegel / so von dir
Auff meine lippen ward gedrücket /
Hat auch die seele selbst aus mir
In süsse bande hingerücket.
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Christian Hölmann
(1677-1744)
Auf ihr herze
Mein kind! was ist dein herz? Ein ort, da reine tugend
Beliebte frömmigkeit, und
keusche flammen hegt;
Es ist ein fester schild, der bey beliebter jugend
Das wort beständigkeit statt seiner losung trägt;
Es ist die sichre burg, die noch kein feind bestiegen.
Solt‘ ich darinnen doch nur zur besatzung liegen!
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Christian Friedrich
Hunold (Menantes) (1681-1721)
Ich brenne/ schönstes Kind/ jedoch in
keuschen Flammen/
In Flammen deren Ruß den edlen Ruhm nicht schwärtzt:
Durch Feuer/ das allein muß von dem Himmel stammen/
Womit der Sternen Gluth in reinen Wesen schertzt.
In deinen Tugenden und sittsamsten Geberden
Muß mein getreues Hertz zum Opffer Heerde werden.
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Ein unbefleckter Kuß ist auch bey Göttern rein;
Du weist/ das meinen Trieb die
Keuschheit selbst erreget/
Und daß die reinste Gluth mich dir zum Füssen leget/
Und dennoch will dein Hertz von Stahl und Eisen seyn:
Ach dencke nur/ was selbst dem Himmel muß belieben/
Wird einem Engel auch zur Regel vorgeschrieben.
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Mein Engel nimm auf Brust und Wangen
Nun meinen
keuschen Kuß und brennendes Verlangen/
Ich will dein treuer Paris seyn/
Weil du der Helena in allen zu vergleichen/
Drum lasse mir zum Hafen ein
Die Seegel reiner Liebe streichen.
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Heinrich Mühlpfort
(1639-1681)
In Virifugam
So rein ist nicht der Schnee / als deine reine Sitten /
Du schreibst der
Keuschheit selbst Zucht und Gesetze für /
Mich wunderts / daß du kanst auch der Natur gebieten /
Dein Geist trägt Pallas-Witz / dein Leib der Venus Zier.
Und dannoch wilstu gar des Ehstands Labsal hassen /
Dein Aug erkühnt sich nie die Männer anzusehn /
Du scheinst zwar im Gemüth der Wollust Thun zu lassen /
Nur wenn du Kinder bringst / was ist dann da geschehn?
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David Schirmer
(1623-1687)
Wer GOtt in dem Hertzen trägt/
Und in
Keuschen Armen
Eine Liebste schlaffen legt/
Besser zuerwarmen/
Dann darauf mit erhöhter Hand
Ein reines Glaß ausleeret/
Der wird von keinem Unbestand/
In Traurigkeit verseeret.
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O Perle/ meiner
keuschen Seele!
Licht meiner Glut! mein Sonnenschein!
Laß mir es zu/ daß ich mich quäle/
Ich werde bald nicht bey dir seyn.
Ich werde bald/ voll Angst und Leiden/
O meine Schöne! von dir scheiden.
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Perle
keuscher Jugend/
Zierrath aller Tugend/
Soll dein Götterlicher Schein
Irrdisch seyn?
Deine Treflichkeiten
Können überstreiten/
Was des Himmels hoher Plan
Mahlen kan.
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Sie giebt mir tausend Lieblichkeiten
Aus jhrer süssen Augen-Glut.
Sie machet es auf allen Seiten
Nach einer
keuschen Liebe gut.
Wir lieben heimlich in der Stille
Ich und die schöne Purpurille.
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Sibylle Schwarz
(1621-1638)
Die Lieb' ist billich ja in allem
keusch zu schätzen /
sie ist das Guhte selbst; wer ihr sich gantz ergiebt /
der wird geliebt / und liebt / der liebt und wird geliebt /
er kan sich ewiglich mit süßer Lust ergetzen /
zu letzt entkompt er auch des Todes grimmen Netzen /
und lebt noch einst so lang / er wird gahr nicht betrübt /
weil er die Frewde hat; im fall er Lieben übt /
kan ihn das Unglück auch zu keiner Zeit verletzen /
er lebt in wahrer Ruh / in stehter Einigkeit /
darff nicht zu Felde ziehn / er führt den süßen Streit.
Wem wil dan nicht dis Tuhn / diß süße Tuhn gefallen /
das uns wie Brodt ernehrt? der muß ein Unmensch seyn /
der stirbet / weil er lebt / er ist ein Klotz und Stein /
er ist ein höltzern Bild / sein Hertz ist vohn Metallen.
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Ist Lieben
keusch? wo kompt denn Ehbruch her?
Ist Lieben guht / nichts böses drinn zu finden /
wie kann sein Feur dan so gahr viel entzünden?
Ist Lieben Lust / wer bringt dan das Beschwär?
Wer Lieben liebt / fährt auff der Wollust Meer /
und lässet sich ins Todes Netze binden /
das nicht zerreist / er lebet nuhr den Sünden /
liebt Eitelkeit / und ist der Tugend leer.
Das ewig lebt / dem stirbt er gäntzlich ab /
sieht seine Noht erst / wan er siht sein Grab.
Wer dan nuhn wird in Liebes Brunst gefunden /
der fliehe bald / und hasse / die er liebt;
ist Lieb ihm süß? so werd er drümb betrübt;
ist sie sein Brodt? so geb er sie den Hunden.
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Kaspar Stieler
(1632-1707)
Was mir an Jungfern meist beliebt
haß' ich und straff' es an der Meinen.
Das gröste/ das mich iezt betrübt/
das mir das Herze machet weinen/
ist ihrer
Keuschheit reine Zucht/
von der sie nicht wil abewanken/
diß macht mir sorgliche Gedanken.
Seht was die tolle Liebe sucht!
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Wol dehm/ der sich der Lieb' ergiebt!
der wird bekrönt mit Myrten-kränzen
geniessen dieses steten Lenzen.
Wol dehm/ der
keusch und treulich liebt!
Ihn wird mit Sieg/ Triumff und singen
der bleiche Charon überbringen.
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Die
Schein-keusche
Gaminde sieht so ernstlich auß/
sie kan für allen Junggesellen
sich so verzumfen stellen/
wenn sie ihr sprechen zu:
daß man sie vor die
keusche Dirne/
die auß Diespiters Gehirne
gebohren/ halten solt'
Ey!
keusche Pallas du/
weiß auff den Schild/ ich weiß/ er macht die Brüder starren/
macht dich und sie zu Narren.
Gaminde/ Stolze/ meinstu wol
man werd' auff deine
Keuschheit bauen?
der geile Schmukk der Pfauen
verräht dich wer du bist.
Du blössest die begriffnen Brüste/
die
keusche bergen solche Lüste
und gehn beschnürt herein.
Wo
Keuschheit in dir ist
so laß doch einen Flor nur um die Ballen spielen.
Nein/ dir gefällt das Fühlen.
Gaminde liegt zum Fenster auß
und spottet aller Jung-gesellen
die sich verliebet stellen.
Schaut/ Brüder/ in die Höh/
seht/ wie Gaminden
keusche Wangen
im rotem Feuer angegangen/
beschaut sie/ forschet nach/
ob Pallas auch so seh'
ob ihr beernst Gesicht auß roter Menje blinke:
das Aas ist roht von Schminke.
_____
Georg Rudolf Weckherlin
(1584-1653)
An die schönste und gaileste Rosina
An Schönheit kan dir keine gleichen,
An Gailheit wilt du keiner weichen,
Ach! wär dein hertz der
keuschheit Ruhm,
Gleichwie dein Leib der Schönheit Blum,
So könt dich weitter nichts bereichen.
_____
18. Jh.
Sophie Albrecht
(1757-1840)
Daß mein Busen stärker strebet,
Wenn mein Auge dich erblickt,
Deine Seele wonnig bebet,
Wenn mein Auge dich entzückt.
Daß ich dir im Arme liege,
Wenn der Stern der Liebe wacht,
Mich an deinem Busen schmiege
In der stillen Laube Nacht.
Holder, laß die Welt es wissen! -
Sei die Laube noch so dicht:
War bei unsern heißen Küssen
Gottes
keuscher Engel nicht? - -
_____
Friederike Brun
(1765-1835)
Freundschaft und Liebe
Hand in Hand und unzertrennbar wandeln
Freundschaft und reine Liebe mit einander!
Wo die Freundschaft entflieht, da senkt der
keusche
Eros die Fackel.
_____
Johann Christian Günther
(1695-1723)
Eröfne mir das Feld der Brüste,
Entschleus die wollustschwangre Schoos,
Gieb mir die schönen Lenden blos,
Bis sich des Monden Neid entrüste!
Die Nacht ist unsrer Lust bequem,
Die Sternen schimmern angenehm
Und buhlen uns nur zum Exempel;
Drum gieb mir der Verliebten Kost,
Ich schencke dir der Wollust Most
Zum Opfer in der
Keuschheit Tempel.
_____
Deiner
Keuschheit reiner Spiegel
Kriegt durch Küße keinen Schröck,
Denn sie sind ein Freundschaftssiegel
Und verlaßen keinen Fleck.
Suche deine guten Tage,
Eh die späte Nachreu klage:
Da ich suche, sind sie weg.
_____
Die Schäze deiner
keuschen Zucht
Und der noch unberührten Brüste
Sind warlich eine seltne Frucht,
Nach der ich innerlich gelüste.
Erschrick nicht vor der schnellen Hand
Und las sie in dem Busen spielen;
Ich führe dich in einen Stand,
Des Lebens Kern und Marck zu fühlen.
_____
Daß du mir als meine Braut
Auf ein
keusches Widerstreben
Seele, Geist und Brust gegeben
Und mir, was du hast, vertraut,
Ist so wenig eine Sünde
Als mein Kuß ein Judaskuß,
Ob ich gleich von meinem Kinde
Unverhoft entrinnen muß.
_____
Was vor
keusche Zärtligkeit
Sog ich aus dem lieben Munde,
Dem es etwan diese Stunde,
Aber mir zur Angst, gereut!
Was vor hiziges Entzücken
Gab nicht dort die Jahrmarcktslust,
Wo du mich mit naßen Blicken
Um das Thor verlaßen must!
_____
Christian Felix Weisse
(1726-1804)
Die Schamhaftigkeit
Wie schamhaft, o wie
keusch ist sie,
Mein Mädchen, die kleine Blondine!
Heut in Gesellschaft küsst' ich sie,
Da sprach sie mit zorniger Mine:
Geh, Unverschämter, geh! was denkt die Welt von mir?
Heut Abends noch verlang' ich Rechenschaft von dir.
Wie schamhaft, o wie
keusch ist sie,
Mein Mädchen, die kleine Blondine!
Ich kam bey Licht, und küsste sie,
Da rief sie mit drohender Mine:
Halt, Unbesonnener! der Nachbar gukt heraus!
Sie zog den Vorhang vor, ich blies die Lichter aus.
_____
19./20.
Jh.
Stine Andresen
(1849-1927)
Und wenn der Abend nieder sinkt,
Freund Hesperus am Himmel blinkt,
Hin eil' ich voll Verlangen
Zum trauten Lieb, o sel'ge Lust!
Bald ruhet sie an meiner Brust,
Von meinem Arm umfangen.
Wie dann ihr Aug' in meines glüht,
Zwei Lippen, hold und
keusch erblüht,
Sich mir entgegen neigen,
Da reißt es mich gewaltsam fort,
Vergessen hab ich jedes Wort,
Ich kann nur küssen und schweigen.
_____
Sein Liebchen steht am Gartenzaun
Mit Wangen rot, mit Augen braun,
Mit süßem,
keuschen Munde.
Drauf küßt er sie unzähl'ge Mal;
Verschwunden ist die Herzensqual,
Er wird gesund zur Stunde.
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Die Freundin und die Dämmerung
Du Vertraute meiner Räusche,
heiliger Nächte stiller Glanz,
Ganz-Verlorne, Trunken-Keusche,
die du trugest meinen Kranz,
sieh, dich muß ich jäh verlassen,
lächelnd eben noch beglückt;
will erblindend ich dich fassen
bin ich sehend schon entrückt.
Denn nach heißer nächtiger Feier
schleppt den ersten kühlen Saum
Dämmrung, schwer gewandet, neuer
Dinge kundig durch den Raum.
Und sie hält den nachtgebornen
Kelch voll dunklen Taus empor
wachen Träumern und verlornen
Kindern die sie sich erkor.
Blauer Stunden Trunkenheiten
tropfen nieder von dem Rand
die mich sanft hinausgeleiten
in ein rätselhaftes Land.
Und durchs Wolkentor des Rausches
tritt dein Dichter in das Weit
reiner Schönheit, seligen Tausches
einer höheren Wirklichkeit.
Himmel, wahre deine Sterne.
Erde, schirme deine Pracht!
Denn es greift aus Menschenferne
meine Hand in eure Nacht.
Dir, Vertraute meiner Räusche,
reiß ich nieder ihren Glanz:
kröne dich der letzte
keusche
wie der erste grüne Kranz.
_____
Ernst Blass (1890-1939)
Der helle Tag war eine schlimme Nacht,
Das wache Leben nur ein dumpfer Schlaf,
Eh' ich zum Traum von dir bin aufgewacht,
Eh' meine Näh deine Ferne traf,
Zum Traum von mir, der, lange Zeit verborgen,
Nun wie ein Held an meine Seite trat,
Nicht Gestern galt, nicht Heute, nur das Morgen
War nahe mir, geöffnet war der Pfad.
Und Liebe flocht in
keuschesten Gewinden
Unmerklich schon den bunten ewigen Kranz.
Was lang getrennt war, hoffte sich zu finden,
Und das Entzweite sah sich wieder ganz.
_____
Clemens Brentano
(1778-1842)
Die Rose blüht, ich bin die fromme Biene,
Die in der Blätter
keuschen Busen sinkt,
Und milden Tau und süßen Honig trinkt,
Doch lebt ihr Glanz und bleibet ewig grüne.
So singt mein tiefstes Freudenlied,
Ach meine Rose blüht!
_____
Carl Busse (1872-1918)
Meine Seele
Und wenn dein Blick verlangend,
Wie scheu dein Mund auch zagt,
Einst meine Seele bangend
Um ihre Tiefen fragt -
Dir ganz dann hingegeben,
Entschleiert sie sich dir:
Von meinem wilden Leben
Drang auch kein Laut zu ihr.
Von Staub wohl und Gewittern
Mocht's oft darüber wehn,
Doch kann in
keuschem Zittern
Sie rein noch vor dir stehn.
_____
Georg Busse-Palma
(1876-1915)
Durch jede Sünde mußt du mit mir gehn,
Doch wenn der Stunden Leidenschaft verglühte,
Mir
keusch und lächelnd auch ins Antlitz sehn
Und mir verzeihn in großer Kindergüte ..
So mußt du sein, die ich mir freien möcht'!
Geb's Gott, ich find' dich noch in frühen Tagen.
Denn früh schon altern die von Faust's Geschlecht,
Die so wie ich zwei Seelen in sich tragen! ..
_____
... Und bist du heute auch mein Weib,
Das eine werd' ich nie vergessen,
Daß ich den süßen,
keuschen Leib
Nicht so viel früher schon besessen!
Und bist du heut auch zehnfach schön:
Selbst wenn wir selig müd' uns küßten,
Muß meine Sehnsucht suchen gehn
Nach vierzehnjährigen Kinderbrüsten.
_____
Max Dauthendey
(1867-1918)
Wie bräutliche Hecken im Frühling
Von deinem Leib haben die Maienglocken ihren
keuschen Geruch,
Die Nachtigallen hast du heiß gemacht,
Ihr Gesang malt dein Bild.
Deine Lippen sind wie Kleeblüten klein und süß
an meinem Weg gewachsen.
Und drüber glänzt dein Haar festlich
Wie bräutliche Hecken im Frühling.
_____
Felix Dörmann (1870-1928)
Ich möchte beten,
Beten aus tiefster Seele, -
Und weiß nicht zu wem;
Denn ich glaub' es nicht,
Daß über der Sterne
Funkelndem Reigen
Ein Vater thront.
Und so sing' ich denn
Meiner Seele Jubelfanfaren,
All ihre jauchzende,
Trunkene Seligkeit
Hinaus in die Welt,
In die kalte, blütenarme Welt:
Noch kann ich lieben,
Noch kann ich lieben,
Tief und
keusch und wunschlos!
Ich möchte danken -
Und weiß nicht wem,
Ich möchte singen, weinen und beten.
_____
Mit Deiner Liebe milder Kraft
Hast Du den Bann der Leidenschaft
Zerschmettert und gebrochen.
Ein tiefes,
keusches Lieben
Ist alles, was geblieben,
Und das gilt Dir allein.
_____
Mein tiefes,
keusches Lieben
Die flammende Gier durchloht,
Die reinen Gedanken entstieben,
Und nichts ist zurück mir geblieben,
Als wollustrasende Not.
Sieh meine zuckenden Glieder, -
Des Mundes blasigen Schaum;
O neig' zu mir Dich nieder, -
Hinweg das starre Mieder,
Für meine Lippen Raum!
Hinweg von Deinen Brüsten
Das faltige Schleiergewand,
Es ringt mein ganzes Gelüsten
Nach
keuschen, ungeküßten,
Hinweg, hinweg Deine Hand!
Ich fühle mein Aug' sich verglasen,
Mein Leib verkohlt, verbrennt,
Jetzt mußt Du mit mir rasen, -
Mußt teilen meine Ekstasen,
Der Seligkeit höchsten Moment.
_____
Der Traum der
keuschen Liebe,
Längst ist er ausgeträumt,
Es tanzen und toben die Nerven,
Das Blut zum Hirne schäumt;
Es bricht sich in wilden Kaskaden
Am Herzen, verdorrt und versteint,
Das seine verbissenen Qualen
Verschüttet und ausgeweint.
Ich will meine Zähne vergraben
In Deinem knirschenden Haar,
Im Blutrausch will ich vergessen,
Daß ich ein Anderer war.
Ich weiß, Du kannst genießen,
Unfaßbar, riesenhaft stark,
Wohlan, so genieß' mich, Lucia -
Es schreit nach Fäulnis mein Mark.
_____
Sehnsucht
Ich sehne mich nach einer Traumgestalt,
Nach einem unberührten,
keuschen Wesen,
Das noch im Buch der Sünde nicht gelesen,
Das Wollust nicht einmal im Geist umkrallt.
In ihrer Seele müßte Mitleid wohnen
Mit jedem Menschen und mit jedem Tier,
Am allermeisten aber doch mit mir,
In dem das Elend und die Marter thronen.
Und wie vom übervollen Weinpokal
Die goldnen Fluten achtlos niederschießen,
Müßt' ihre Himmelsreinheit mich umfließen
Und tilgen meiner Seele Sündenqual.
_____
Gustav Falke (1853-1916)
Schamhafte Liebe
Du schläfst, und meine blöde Liebe
darf sich auch ihrem Winkel wagen
und über dich ihr zärtlich Nachtgebet
mit leisem Mund und lautem Herzschlag sagen.
Dem hellen Tag ist sie ein schreckhaft Kind
und liebt Verstecke, hüllt sich gern in Schweigen,
verschüchtert leicht, wo andre lärmend sind.
Du schläfst, und ihre stillen Sterne steigen.
Weit öffnet sich ihr Herz, und in verschämter Pracht
erglüht die
keusche Königin der Nacht.
_____
An ***
Was ich dir verdanke?
Goldenen Tag und Traum.
des Glücks eine blühende Ranke
um meinen Lebensbaum,
eine Liebe, die im Verzichten
schweren Sieg errang,
und für mein Singen und Dichten
einen reinen,
keuschen
Klang.
_____
Nie hat es
keuschere
Leidenschaft gegeben,
wenn Leidenschaft denn
keusch sein kann und ist,
die ja ihr Recht nur an sich selber mißt.
Liebe sucht Liebe, Leben will zu Leben,
und wenn es sucht und sehnt: nenn's Leidenschaft
nenn's Liebe, Mädchen,
keusch ist jede Kraft,
die Leben wirkt. Und also lieb ich dich,
und so, in
Keuschheit, will ich dich für mich.
_____
So
keusch und zärtlich, wie Geschwister lieben,
die eines Blutes gleicher Puls belebt,
so lieb ich dich und wünscht', ich wär' dein Bruder,
der seine schöne junge Schwester schützt,
Gespiel ihr und ein Freund in Lust und Leid,
und Lehrer, Rater so wie ältere Brüder
bei kleinen Schwestern gern den Vormund machen.
O reine Liebe, ohne ein Begehren,
weil sie ja alles, was sie hold beglückt,
schon von Natur fraglos zu eigen hat.
_____
Otto Erich Hartleben
(1864-1905)
Wie heimlich dann im Bett an deiner Brust!
Aus Morgenträumen Arm in Arm erwacht,
bestaunen wir den lustigen Sonnenstrahl,
der keck zu solchen Heimlichkeiten drang.
Behaglich recken wir die schlafgestärkten
und schon von neuer Lust durchbebten Glieder,
und selig lächelnd schauen wir uns stumm
in Augen, die der Schlaf noch kaum verliess.
O meine süsse, weisse Hede, komm -
lass deine Haare fliessen! Diese Spitzen -
o lass mich - lass mich: du bist schöner so,
und freier schweifen meine Küsse - ah!
Zieh deine Hände von den Augen, Kind:
was schämst du dich? Der Sonnenstrahl ist
keusch -
_____
Dass deine Brüste hocherbaulich sind,
hat auch der Theologe tief empfunden
und will dich nun in
keuscher Liebe retten.
Du gutes Kind! Welch Seelenzwist für dich!
Ich kenne das, auch ich war einmal fromm
und hab ein schönes Mädchen retten wollen.
Du armes Kind! Heut bin ich lasterhaft,
und mich entzückt dein junger, weisser Leib
weit mehr, als deine Tugend je vermöchte.
So geh zu ihm und lass dich retten. - Nein?
Mich hast du lieb, der dich nicht anders will,
als dich die gütige Natur geschaffen? Wie?
- O Kind: du bist so lasterhaft, wie ich!
In sündigen Gluthen schlingst du deine Arme
um mich, dein Mündchen spottet zügellos
des reinen Jünglings, der dich retten möchte -
dem deine Brüste hocherbaulich sind.
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»Von meinen Brüsten leise schlich
dein Blick und stahl sich in die Nacht?
O sage, was bekümmert dich,
woher die Thräne, unbewacht?«
- Du Weib, das mir ergeben sich
und ruht in meiner Hände Haft,
o dürft ich erst ersehnen dich,
voll zagend
keuscher Leidenschaft!
Ich sehne mich nach Frühlingsthau,
zurück nach scheuem Knaben-Sinn:
- dass ich mich nicht zu sagen trau,
wovon ich heimlich selig bin.
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Sprödes,
knospenkeusches Mädchen,
könnt ich einmal noch dich küssen
scheu wie einst, da du erröthet -
hab auch selbst erröthen müssen.
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Friedrich Hebbel
(1813-1863)
Das Heiligste
Wenn zwei sich in einander still versenken,
Nicht durch ein schnödes Feuer aufgewiegelt,
Nein,
keusch in Liebe, die die Unschuld spiegelt,
Und schamhaft zitternd, während sie sich tränken;
Dann müssen beide Welten sich verschränken,
Dann wird die Tiefe der Natur entriegelt,
Und aus dem Schöpfungsborn, im Ich entsiegelt,
Springt eine Welle, die die Sterne lenken.
Was in dem Geist des Mannes, ungestaltet,
Und in der Brust des Weibes, kaum empfunden,
Als Schönstes dämmerte, das muß sich mischen;
Gott aber tut, die eben sich entfaltet,
Die lichten Bilder seiner jüngsten Stunden
Hinzu, die unverkörperten und frischen.
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Heinrich Heine (1797-1856)
Geschlossen war mein Aug, doch angeblickt
Hat meine Seel beständig dein Gesichte,
Du sahst mich an, beseligt und verzückt,
Und geisterhaft beglänzt vom Mondenlichte!
Wir sprachen nicht, jedoch mein Herz vernahm,
Was du verschwiegen dachtest im Gemüte -,
Das ausgesprochne Wort ist ohne Scham,
Das Schweigen ist der Liebe
keusche
Blüte.
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Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)
Es zieht etwas durch die Luft ...
So wie Rosenduft,
So wie Frühlingserwachen - - -
Ein verstecktes Lachen,
Ein geheimes Flüstern,
Bald
keusch - bald lüstern -
Ein lockendes Singen,
Ein Klingen
Wie von bebenden Engelsharfen ...
Auf blütenbesätem Baum
Flötet die Nachtigall
Ihr Lied im Jubelschall ...
Drunter: ein schöner Traum,
Ein seeliges Märchen:
Kost ein Pärchen.
Fest umschlungen
Sitzen die Jungen:
Die leben die erste Wonne -
Golden leuchtet die Frühlingssonne.
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Detlev von Liliencron
(1844-1909)
Mit ausgebreiteten Armen
Weltvereinsamt und verlassen,
Liebes Mädchen, sitz ich hier.
Alle Menschen muß ich hassen,
Kann mich selber nicht mehr fassen
Komm, o komm zu mir!
Blütenpracht und grüne Zweige
Und die ganze Frühlingszier
Sind mir holde Fingerzeige,
Daß ich sanft zu dir mich neige:
Komm, o komm zu mir!
Tausend zärtliche Gedanken,
Keusche Minne, Liebesgier,
Die sich ewig in mir zanken -
Hab Erbarmen mit dem Kranken:
Komm, o komm zu mir!
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Thekla Lingen (1866-1931)
Hohe Liebe
Nicht, wie die andern sollst du mich lieben,
Nicht mir zu Füssen will ich dich sehn,
Bleib mir zur Seite erhobenen Hauptes,
Dass ich an deine Schulter mich lehn'!
Nicht wie die andern zehrenden Kusses
Sollst du mir küssen Augen und Mund,
Nur meine Stirne will ich dir neigen
Zu unserer Seelen lauterem Bund.
Nur mit den Blicken sollst du umfangen,
Was ich dir gebe in meinem Blick,
Alles Begehren, alles Verlangen
Sinke zum heiligen Born zurück.
Nimmer versiegen wird dann die Quelle
Seliger Sehnsucht in unserer Brust,
Nimmer verglühen wird dann die Flamme,
Ewig geschüret in
keuscher Lust.
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Robert Prutz (1816-1872)
Du mit der schwanenweißen Brust,
Berauschend wie der Duft der Traube,
Du meine flammenheiße Lust
Und
keusch und züchtig wie die Taube;
Aus deines Auges milden Sternen,
So lockend und so fromm dabei,
Wann werd' ich je zu Ende lernen
Der Liebe süße Litanei?
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Hugo Salus (1866-1929)
Mit geschlossenen Lidern
Sonst, wenn mein Herz in Liebe sich verzehrte
Und ich die Lider schloß, ihr nah zu sein,
Sah ich die Liebste, mädchenhaft und rein,
Daß sich mein sündig Herz zur Buße kehrte.
Voll strenger Zucht erschien mir die Verklärte
So
keusch, wie treu. Bis in den Schlaf hinein
Umstrahlte mich der Liebe Heiligenschein,
Daß selbst dem Traum der
Keuschheit Engel wehrte.
Auch jetzt schließ' ich die Lider: seliges Dämmern,
Draus schlank und weiß der schönste Körper lacht!
O warmer Marmor, drin die Pulse hämmern!
Die Lider preß ich zu. O Lichtgefunkel,
Hell strahlt ihr Leib und leuchtet durch die Nacht.
Und wär' ich blind, wär' selig doch mein Dunkel ...
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Ernst Schulze (1789-1817)
O wie süß ist ein geraubter Kuß!
Wenn das Mädchen
keusche Lieb' empfindet,
Und ihr Auge leise nur verkündet:
O wie süß ist ein geraubter Kuß!
Glaube nicht, sie thu' es aus Verdruß,
Wenn sie dann sich deinem Arm entwindet;
Nein, zu süß ist ein geraubter Kuß,
Wenn das Mädchen
keusche Lieb' empfindet.
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Wie in dem Quell, den reines Silber füllt,
Das geist'ge Bild des Mondes sich entfaltet,
Und, von der Welle zartem Hauch umwaltet,
Mit hellerm Glanz aus seinem Bade quillt;
So wohnt in meinem Inneren dein Bild,
Durch Sehnsucht nicht zum Körper umgestaltet,
Nicht durch Genuß, nicht durch die Zeit veraltet,
Und in der Reinheit Silberflor gehüllt.
Die Liebe taucht's in ew'ge Morgenröthe,
Schmückt seine Stirn mit einem Strahlenkranze,
Und göttlich wird, was sonst nur irdisch war.
Der Sehnsucht leises Flehn wird zum Gebete,
Das Auge strahlt von
keuscher Andacht Glanze,
Und reiner glüht der Busen, dein Altar.
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Wer je die Macht der
keuschen Lieb' erfuhr,
Dem wird ihr Hauch im Busen ewig wohnen;
Ein Bild nur kann in einem Herzen thronen,
Die zarte Brust hegt eine Liebe nur.
Durchs ganze Leben folgt sie unsrer Spur,
Mit Dornen bald und bald mit Blüthenkronen;
Doch mag sie zürnen, mag sie lächelnd lohnen,
Ihr huldigt stets die edlere Natur.
Nie schweigt der Schmerz, den sie uns einst gegeben,
Die Freude nie, die sie uns einst gewährte;
Kurz ist die Lust, doch ewig das Gefühl.
Von Welt zu Welt mit uns emporzuschweben,
Folgt uns ihr Strahl als leuchtender Gefährte;
Ihr Seyn ist Werden, Ewigkeit ihr Ziel.
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Keusch sey des Herzens heiliges Zartgefühl
Und gebe nie dem Hohne der Welt sich hin;
Nur blenden kann des höhern Lichtes
Flamme den Thoren, doch nicht ihm leuchten.
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Kurt Tucholsky
(1890-1935)
Erst wollte ich mich dir in
Keuschheit nahn.
Die Kette schmolz.
Ich bin doch schließlich, schließlich auch ein Mann,
und nicht aus Holz.
Der Mai ist da. Der Vogel Pirol pfeift.
Es geht was um.
Und wer sich dies und wer sich das verkneift,
der ist schön dumm.
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Frank Wedekind
(1864-1918)
Die
Keuschheit
Schimmernd fülle sich der Teller,
Schimmernd bis zum Rand hinan;
Jeder spende seinen Heller
Gern dem alten Leiermann.
Manch ein Lied hab ich gesungen,
Das euch tief ins Herz gedrungen;
Doch ein Lied wie dieses hier
Hörtet ihr noch nicht von mir.
Eines Abends in der Messe
Lauscht' er hinter ihrem Pult,
Mit erzwungner Totenblässe
Bat er sie um ihre Huld.
Von Madrid bis Kopenhagen
Hat er sich herumgeschlagen,
Tausend Mädchen schon verführt,
Kujoniert und angeschmiert.
Und sie bat, daß Gott ihr helfe,
Doch sein Odem war so warm,
Und dieselbe Nacht um elfe
Lag sie schon in seinem Arm.
Weidlich hat er sie belogen,
Hat das Hemd ihr ausgezogen;
Sie ward rot für ihr Geschlecht,
Doch das war ihm grade recht.
Als sie nun die Schmach erlitten,
Ward dem Ungeheuer klar,
Daß sie engelrein von Sitten
Und ihm zu gefühlvoll war.
Freilich konnt es ihn beglücken,
Eine frische Blume pflücken;
Für sein weiteres Pläsier
Fehlte die Verderbnis ihr.
Und er war wie umgewandelt,
Als ihr nun die Liebe kam;
Hat sie so infam behandelt,
Daß sie schier verging vor Scham;
Stieß sie aus den warmen Kissen,
Hat sie nackt hinausgeschmissen,
Warf ihr ihre Kleider nach,
Schloß die Tür mit einem Krach.
Auf dem Vorplatz unter Tränen
Zog sie sich die Strümpfe an,
Fluchte ihres Herzens Sehnen
Und verzieh dem rohen Mann;
Drauf ging sie in ihre Kammer,
Dort sank sie aufs Bett vor Jammer,
Schlug mit beiden Fäusten sich
Wund und weinte bitterlich.
Ist's nicht wirklich ein Entsetzen,
Daß es solche Männer gibt,
Die sich nicht mal mehr ergötzen,
Wo ein andrer kindlich liebt.
Weil sie ihre Liebe suchten
Bei den H-, den verfluchten,
Ist der Seele Klang verdumpft,
Ihr Empfinden abgestumpft.
In dem nächtlich stillen Garten
Sitzt die
keusche Maid voll Gram,
Liebelechzend zu erwarten
Den Geliebten, der nicht kam.
Ach, sie meint, er müsse kommen,
Doch die Sterne sind verglommen
Und der sanfte Mond verblich,
Ohne daß ihr Kummer wich.
Und nun ward ihr immer schlimmer,
Immer toller jeden Tag,
Und sie lief ihm auf das Zimmer,
Als er noch zu Bette lag;
Sagt ihm gleich, wozu sie käme,
Daß er sie zur Dienstmagd nehme,
Wenn sie seiner Lust zu schlecht,
Alles, alles sei ihr recht.
Aber dieser Fürchterliche
Hatte keinen Trost für sie
Als verdrehte Bibelsprüche
Voll gesalzner Ironie;
Sich an ihrer Scham zu weiden
Zwang er sie, ihn anzukleiden,
Macht sie dabei, ohne Not,
Immer wieder purpurrot.
Als den Schlips sie ihm gebunden,
Gab der Mensch ihr einen Tritt
Und ein Schimpfwort ihrer wunden
Seele auf den Heimweg mit.
Doch als sie den Hut genommen,
Spielt er plötzlich dann den Frommen,
Sah sie an und sagte: Du,
Heute abend Rendez-vous!
Und sie trat am selben Abend
Wieder in die Wohnung ein,
Einen Strauß am Busen habend,
Denn sie wollte lieblich sein.
Gleich riß er ihn ihr vom Kleide,
Überreicht' ihn voller Freude
Einer Dirne, rotgelockt,
Die geschminkt im Lehnstuhl hockt.
Drauf tät er sie zärtlich bitten,
Aufzulösen sich ihr Haar;
Jene hat's ihr abgeschnitten,
Daß sie wie ein Knabe war.
Dann mußt' sie das Kleid ablegen,
Ging einher, zum Herzbewegen:
Schuhe, Strümpfe, Höschen, Hemd,
Und der Scheitel links gekämmt.
Nun erhob sich die geschminkte,
Dekolletierte Schandperson,
Schlecht verbergend, daß sie hinkte,
Denn sie trieb es lange schon:
Komm, mein Page, und enthülle
Meiner Reize Zauberfülle
Diesem schönen jungen Herrn;
Ach, er hat mich gar zu gern!
Und sie tat es ohne Zucken,
Zog ihr selbst die Strümpfe ab,
Mußte all die Dünste schlucken,
Die das Scheusal von sich gab.
Mehrmals, bis das Werk vollendet,
Hat sie stumm den Kopf gewendet,
Hustete aus tiefster Brust,
Wurde beinah unbewußt.
Alsdann kam an ihn die Reihe,
Was ihr nicht so gräßlich war;
Leise wimmernd macht das treue
Kind ihn aller Kleidung bar;
Wollt' ihm noch die Füße küssen,
Doch er hat sich losgerissen.
Und nun gab der edle Wicht
Ihr in jede Hand ein Licht.
So mußt' sie sich aufrecht stellen,
Wo der Vorhang offen hing,
Um das Schauspiel zu erhellen,
Das vor ihr in Szene ging.
Durch die Bosheit angefeuert,
Hat er mehrmals es erneuert,
Immer tiefern Höllenschmerz
Bohrend in des Kindes Herz.
Treulich tät sich ihm vereinen
Das entmenschte Schauerweib,
Fand am Jammerblick der Kleinen
Teuflisch süßen Zeitvertreib,
Heuchelt, ihr ins Herz zu schneiden,
Außerordentliche Freuden,
Fraß mit Schluchzen und Geschrei
Einen Apfel auch dabei.
Als die Roheit sondergleichen
Keinen neuen Reiz mehr bot,
Ließ man sich die Kleider reichen,
Stellte sich dabei halb tot.
Nichts als Püffe, nichts als Tritte
Spürt das Kind bei jedem Schritte.
Drauf löscht er die Lichter aus,
Führt die Schandperson nach Haus.
Kommt zurück nach langer Pause,
Und das Mädchen ist noch da,
Denn sie wagt sich nicht nach Hause,
Weil sie so verändert sah;
Bat ihn, daß sie bleiben könnte,
Was er ihr denn auch vergönnte;
Ach, sie dachte nicht daran,
Was der Schreckensmensch ersann.
Nachdem er zu Bett gegangen,
Winkt er sie vom Diwan her,
Überreicht ihr einen langen
Scharfgeladenen Revolver.
Bittet kühl um den Gefallen,
Ihn sich vor den Kopf zu knallen,
Denn die Wirkung sei famos,
Und er sei sie endlich los.
Ohne etwas zu entgegnen,
Hob sie sich ihn an die Stirn,
Tät noch ihren Mörder segnen
Und durchschoß sich das Gehirn.
Lächelnd schmaucht er die Zigarre
Zum Entstehn der Totenstarre,
Geht dann, seiner Schandtat froh,
Nach dem Polizeibureau!
Und nun hat sie ausgelitten,
Diese Maid, die treu geliebt,
Dabei engelrein von Sitten,
Wie es keine zweite gibt.
Alle möge Gott verfluchen,
Wenn sie seine Gnade suchen,
Denn sie liebten nur das Fleisch;
Diese starb im Herzen
keusch.
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