
Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: Nacht
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
Hans Aßmann Freiherr von
Abschatz (1646-1699)
Die lange
Nacht
Ihr faulen Stunden ihr / wie währet ihr so lange!
Der sonsten frühe Tag hält seinen Einzug auff /
Der Sternen muntre Schaar steht still in vollem Lauff /
Matuta lässet nach von ihrem schnellen Gange.
O Himmel / der mit sich die Himmels-Lichter ziehet /
O Kreiß / der sonst den Weg weist andern Kreißen an /
Was hat mein Unschuld doch zuwider dir gethan /
Daß man zur Plage mir dich also langsam siehet.
Minuten sind mir Tag / und Stunden sind mir Jahre /
Der Zeit geschwinde Füß und Flügel sind von Bley.
Ich glaube daß die
Nacht der Zimber kürzer sey /
Und ich für meinem Tod ihr Ende nicht erfahre.
Penelope beschwert von vieler Freyer Menge /
Löst auff den Abend auff / was sie den Tag gemacht:
Ich schwere / Phöbus geht zurücke bey der
Nacht /
Damit er seinen Weg und meine Pein verlänge.
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Wie lange wilt du noch mit deinen Sternen prangen?
Wie lange soll mir noch der Mond verdrüßlich seyn?
Zeuch / bitt ich / braune
Nacht den tuncklen Schatten ein:
Mich könt / und wärestu ein Jahr / nicht mehr verlangen.
Die / welche meinen Geist vor langer Zeit gefangen /
Die / welche mehr bezwingt / um Hülff und Trost zu schreyn /
Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein
Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen.
Hat sie nicht gestern mir beym Scheiden zugesagt
Mit ihrer Marmol-Hand / so bald es wieder tagt?
So soll ich meinen Wunsch von ihr erfüllet finden?
Doch / was verlier ich Zeit? Du weist von Gnade nicht:
Nacht / ich geh ungesäumt zu meiner Roselinden:
Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht.
_____
Anonyme Barockdichter
Nacht-lied
Ihr stillen lüffte dieser
nacht /
Mit denen ich zum öfftern schwatze /
Fangt auff den thon den meine rede macht /
Und tragt ihn hin nach jenem platze /
Da wo mein engel liegt
Und in der hut der schönsten Amoretten
Auff schwanen-brust und feder-betten
Wird eingewiegt.
Eilt hin und seht an meiner statt
Das grab der edlen schönheit stehen /
Was zeit und glück mir abgesaget hat /
Das könt ihr unverwehrt durchwehen /
Ihr solt der spiegel seyn /
Darinnen ich diß himmels-bild betrachte /
Was ich verehr und göttlich achte /
Wist ihr allein.
Ich weiß / daß dort der höchste preiß
Der schönheit ausgekramet lieget /
Dran die natur mit ihrem grösten fleiß
Ein wunder an das andre füget.
Wer doch so seelig wär /
Daß nur ein blick so kühn / so hoch dürfft steigen /
Solt er auch gleich sich wieder neigen
Zur wiederkehr.
Sind gleich die augen zugethan;
Die sonnen sind nur untergangen /
Um wenn der tag wird wieder brechen an /
Mit mehrer glut und glanz zu prangen.
Die schönheit wird bey
nacht
Verstohlen / (und wär es gleich nicht ihr wille)
Viel sichrer und mit mehrer stille /
Als tags betracht.
Des munds rubin bleibt ohne licht
Und in dem schlaff gleich hoch geröthet;
Doch dienet er zum küssen jetzo nicht.
Wer schläfft / der scheinet halb getödtet.
Drum kan die seele nicht
Zum küssen sich auff ihre lippen setzen /
Und jene seele recht ergetzen /
Die küsse bricht.
Schlaff sanffte / göttin / in der pracht
Der wunder deines leibes gaben /
Der kühlen lufft in dieser stillen
nacht
Sey die verwundrung eingegraben /
Die aus dem herzen quillt /
Das sich verwirrt in deiner schönheit netze
Und ganz mit liebe deiner schätze
Ist angefüllt.
_____
Auff schwarze augen
Schwarze augen sind der zunder /
Der mich noch zu asche macht.
Dieses sind die stärckste blitzen /
Die aus schwarzen wolcken gehn.
Was sie kan noch mehr erhöhn /
Ist / daß sie / gleich einem wunder /
Sonnen sind und doch auch
nacht.
Schwarze augen sind der zunder /
Der mich noch zu asche macht.
_____
An die
nacht
Komm schwarze
nacht! umbhülle mich mit schatten
Dein flor beziehe meines purpurs glanz /
Weil sich mit mir will eine sonne gatten /
Vor deren licht erbleicht der sternen kranz /
Laß deinen teppich meine brust bedecken /
Und meinen sieg in dein gezelt verstecken.
Verbirg in dir den raub geheimer liebe /
Dein dunckel-seyn umbschliesse meine brust;
Ihr wolcken! eilt und macht den himmel trübe /
Befördert mir doch meine himmels-lust /
Umbstricket mich geliebte finsternissen
Daß nichts von mir des hofes augen wissen.
Komm Engelsbild! komm laß dich bald umbfangen /
Dein lippen-Julep kühle meinen brand /
Mein herze lechst mit feurigem verlangen /
Biß deine kühlung ihm wird zugesand;
Komm zeuge; daß entzünden und selbst brennen /
Des himmels wahrer vorschmack sey zu nennen.
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Er klaget der
nacht sein leiden
Du verborgne stille
nacht!
Die den himmel schrecklich macht /
Und ihr wolcken-klüffte!
Höret meinen überdruß /
Den ich hier verbergen muß /
In die finstern lüffte;
Ziehrt gleich keiner sternen-licht
Eure dunckle decken;
Mein gemüte läst sich nicht
Durch die
nacht erschrecken.
Schwärzt sich gleich das wolcken-dach /
Stürmt der himmel tausendfach /
Nichts soll mich verstöhren /
Daß ich nicht der seelen quahl /
Meinen jammer allzumahl
Solte lassen hören;
Meine schmerzen haben schon
Alles überstiegen /
Auch des schärffsten donners-thon /
Können sie besiegen.
Mein gemüte liegt verhüllt /
Und mein herz ist angefüllt
Mit verborgnen pfeilen;
Dieser wunden herbe noth
Weiß kein ander / als der tod /
Recht und wohl zu heilen;
Es verstört der sorgen
nacht
Meine freuden-lieder /
Und der strengen liebe macht
Schlägt den geist darnieder.
Weg betrübter lauten-klang /
Was bemüht sich dein gesang
Meinen schmerz zu mehren?
Mein gemüthe / das sich kränckt /
Liegt vorhin in schmerz gesenckt;
Laß dich nicht mehr hören /
Nichts wird meiner matten brust
Lieblich vorgesungen /
Denn die seiten meiner lust
Sind schon abgesprungen.
Doch was füll' ich diese bahn /
Meinen mund / die wangen / an
Mit viel thränen-güssen;
Die verborgne liebes-pein
Heist mich zwar verliebet seyn /
Aber nicht genüssen:
Dieser schmerz will mir itzund
Alle krafft verderben /
Und befiehlet / daß mein mund
Schweigen muß und sterben.
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Paul Fleming (1609-1640)
An die
Nacht, als er bei ihr wachete
Wie aber eilst du so, du meiner Schmerzen Rast?
Deucht michs doch, daß ich kaum auf eine Viertelstunde
allhier gesessen bin bei diesem Rosenmunde,
der meinen machet blaß; so merk' ich, daß du fast
dich an die Hälfte schon von uns entzogen hast.
Kehr um und halte Fuß und gib uns Zeit zum Bunde,
den wir hier richten auf von ganzem Herzensgrunde,
kehr' um und sei bei uns ein nicht so kurzer Gast.
Dein Sohn, der sanfte Schlaf, schleicht durch das stille Haus
und streut die leise Saat der Träume häufig aus,
darmit du länger kanst bei unsrer Lust verweilen.
Verhüll' uns in ein Tuch, bis daß das dunkle Licht
des halben Morgens ihr durch deine Kleider bricht,
denn ist es Zeit, daß wir mit dir von hinnen eilen.
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Martin Opitz (1597-1639)
Jetzund kömpt die
Nacht herbey /
Vieh vnd Menschen werden frey /
Die gewüntschte Ruh geht an;
Meine Sorge kömpt heran.
Schöne gläntzt der Mondenschein;
Vnd die güldnen Sternelein;
Froh ist alles weit vnd breit /
Ich nur bin in Trawrigkeit.
Zweene mangeln vberall
An der schönen Sternen Zahl;
Diese Sternen die ich meyn'
Ist der Liebsten Augenschein.
Nach dem Monden frag' ich nicht /
Tunckel ist der Sternen Liecht;
Weil sich von mir weggewendt
Asteris / mein Firmament.
Wann sich aber neigt zu mir /
Dieser meiner Sonnen Ziehr /
Acht' ich es das beste seyn /
Das kein Stern noch Monde schein.
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18. Jh.
Johann Wolfgang von
Goethe (1749-1832)
Die schöne
Nacht
Nun verlaß ich diese Hütte,
Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Schritte
Durch den öden, finstern Wald.
Luna bricht durch Busch und Eichen,
Zephyr meldet ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.
Wie ergötz ich mich im Kühlen
Dieser schönen
Sommernacht!
O wie still ist hier zu fühlen,
Was die Seele glücklich macht!
Läßt sich kaum die Wonne fassen;
Und doch wollt ich, Himmel, dir
Tausend solcher
Nächte lassen,
Gäb mein Mädchen eine mir.
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Philine
Singet nicht in Trauertönen
Von der Einsamkeit der
Nacht;
Nein, sie ist, o holde Schönen,
Zur Geselligkeit gemacht.
Wie das Weib dem Mann gegeben
Als die schönste Hälfte war,
Ist die
Nacht das halbe Leben,
Und die schönste Hälfte zwar.
Könnt ihr euch des Tages freuen,
Der nur Freuden unterbricht?
Er ist gut, sich zu zerstreuen,
Zu was anderm taugt er nicht.
Aber wenn in nächtger Stunde
Süßer Lampe Dämmrung fließt,
Und vom Mund zum nahen Munde
Scherz und Liebe sich ergießt;
Wenn der rasche lose Knabe,
Der sonst wild und feurig eilt,
Oft bei einer kleinen Gabe
Unter leichten Spielen weilt;
Wenn die Nachtigall Verliebten
Liebevoll ein Liedchen singt,
Das Gefangnen und Betrübten
Nur wie Ach und Wehe klingt:
Mit wie leichtem Herzensregen
Horchet ihr der Glocke nicht,
Die mit zwölf bedächtgen Schlägen
Ruh und Sicherheit verspricht!
Darum an dem langen Tage
Merke dir es, liebe Brust:
Jeder Tag hat seine Plage,
Und die
Nacht hat ihre Lust.
_____
Zünde mir Licht an, Knabe! -
»Noch ist es hell. Ihr verzehret
Öl und Docht nur umsonst. Schließet die Läden doch nicht!
Hinter die Häuser entwich, nicht hinter den Berg, uns die Sonne!
Ein halb Stündchen noch währts bis zum Geläute der
Nacht.«-
Unglückseliger! geh und gehorch! Mein Mädchen erwart ich.
Tröste mich, Lämpchen, indes, lieblicher Bote der
Nacht!
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Agnes Gräfin zu Stolberg
(1761-1788)
Sie an Ihn. Auf einer Herbstreise
Der Abend sinkt,
Kein Sternlein blinkt,
Am Himmel winkt
Der Mond uns nicht
Mit mildem Licht.
Die
Nacht ist kalt;
Der Hohlweg schallt;
Es saust der Wald,
Es rauscht der Bach
Mir Schauer nach.
Ich schließe mich
Gar ängstiglich,
Mein Freund an dich;
O küsse du
Ins Herz mir Ruh'!
So wall' ich gern,
Von allen fern,
Auch ohne Stern:
Wenn nur bei
Nacht
Die Liebe wacht.
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19./20. Jh.
Alexis Adolphi
(1815-1874)
Die Liebe wacht
In dunkler
Nacht
Bin ich der Jugend Pfade einst gegangen;
Irrlichter viel umhüpften und umschlangen
Mit wirrem Spiel des Thales glatten Steg,
Und keine Leuchte schien auf meinen Weg.
Da schlug in's Herz durch irre Einsamkeiten
Der Rettungsruf mir wie aus Himmelsweiten:
In dunkler
Nacht
Die Liebe wacht!
In dunkler
Nacht
Ist mir der Ernst des Mannes dann gekommen;
Doch zur Gefährtin hatt' ich sie genommen,
Die meinem Leben war der milde Stern.
Nun zog ich mutig auch in schwanke Fern',
Ich wußte ja, daß mir ein Trost beschieden,
Daß in der Heimat süßgeschloss'nem Frieden
In dunkler
Nacht
Die Liebe wacht!
In dunkler
Nacht
Hab' ich sie jetzt in's dunkle Grab gebettet.
Was hab' ich nun für's Leben mir gerettet?
Mein Stern erlosch - giebt's keine Leuchte mehr?
Aus Himmelsweiten wieder hoch und hehr
Ruft Trost und Rettung da die ew'ge Gnade:
Sind noch so einsam finster Deine Pfade,
In dunkler
Nacht
Die Liebe wacht!
_____
Theodor Apel (1811-1867)
Die Sterne leuchten durch die
Nacht
Die Sterne leuchten durch die
Nacht
In weiten, stillen Raum,
Nur mich, der ich an Dich gedacht,
Beglückt kein sanfter Traum.
Du liegst wol jetzt in tiefer Ruh,
In süßem Traum versenkt,
Und freundlich schwebt deß Bild Dir zu
Dem Du Dein Herz geschenkt.
Auch ich, der ich Dir ferne bin,
War einst Dir werth und lieb,
Und Deine Liebe schwand dahin,
Wie treu ich Dir auch blieb.
Doch treu bin ich Dir noch vereint
Zu meiner eig'nen Qual,
Und wenn Dein liebes Bild erscheint,
Grüß' ich es tausendmal!
_____
Die dunkle
Nacht mit ihrer sanften Kühle
Ist auf die matte Flur herabgesunken,
Und dürstend wird der feuchte Thau getrunken
Von welken Blättern nach des Tages Schwüle.
Eintönig hallt aus sumpfgem Wiesenpfühle
Der Frösche Schrein und Klageruf der Unken,
Und durch die Blumen ziehn, wie Feuerfunken
Glühwürmchen hin im lustigen Gewühle.
Da fängt sich eines in den dunkeln Haaren;
Mein Mädchen lacht - ich muß mich schnell bemühen,
Viel andre Sternchen noch hinzuzufügen.
Nun läuft sie an den Bach, den ruhig klaren,
Sie sieht ihr Haupt im Strahlenkranze glühen,
Und jubelt auf vor innigem Vergnügen.
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Wilhelm Arent (1864-?)
Gluth
So schwül, so warm der Mainacht Gluth!
O hab' Erbarmen, junges Blut!
Löse dein Mieder diese
Nacht.
Enthüll' der Glieder schneeige Pracht!
Laß mich der Lüste Kampf besiegeln
Auf deiner Brüste Wonnehügeln!
_____
Elsa Asenijeff
(1867-1941)
ZAUBERHAFTE
MONDNACHT
Ich steh an den Balkon gelehnt,
Es ist so tiefe, tiefe
Nacht – – –
Ich kann nicht ruhn – – –
So hab ich dich noch nie gesehnt –!
War ich das Mondlicht doch,
Das über deinem Körper spielt,
Und sich an deinem Mund verfängt,
– In deinem Barte zitternd wühlt,
Und zart an deinen Händen hängt.
Es leuchtet Liebe die lichte Welt!
Alle Blätter haben sich aufgestellt
Und sehen träumend die blaue
Nacht –
Die Amsel ist nach bangem Sinnen stumm –
– Alle Blumen lächeln und fürchten sich
Und wissen doch nicht warum, – – –
O fühlst du nichts?
Die Sehnsucht steht an deiner Tür
Und reckt die Brüste
Und spannt die Arme weit
Und glüht nach deiner Seligkeit – – –
O wärst du hier!
_____
KÖNIGIN DER LIEBE
Mein wildes Blut hat nun geboten:
Die
Nacht ist gross –
Hoch vor Gesetz und Sitte steht mein Thron
Zur Freude mir, den Menschen Hohn.
Komm her! Du Erdberauschter Sohn,
Dein Frühling ist mein Schoss!
Sei namenlos –
Komm her! Die
Nacht ist gross – – – – –
_____
MONDESNACHT
Die lange
Nacht,
Die bange
Nacht,
Wachend und allein!
Und draussen blüht der Mondenschein
In lächelndem Frieden über die Welt.
Du bist noch wach,
Aus der Ferne
Strömt leises Glück
Zu mir . . . . .
O wärst du hier!
So hab ich mich noch nie gesehnt,
Flammend-Geliebter
Nach dir!
_____
Hugo Ball (1886-1927)
Schöne Mondfrau, gehst du schlafen
Lächelnd und so munter,
Leise mit den Silberschafen
In die
Nacht hinunter?
O und du im hellen Kleide,
Liebe Schehrazade,
Spielst du, daß die
Nacht nicht leide
Deine Serenade?
Wandermüde, wundertrunken
Komm in meine Ruhe.
Blaue, weiche Sternenfunken
Küssen deine Schuhe.
Sieh, die
Nacht ist so lebendig,
Voller Duft und Gnade.
In den Bäumen eigenhändig
Spielt sie sich die Serenade.
_____
Anna Behrens-Litzmann
(1850-nach 1913)
Oft geht ein Flammen durch die
Nacht
Oft geht ein Flammen durch die
Nacht,
Mit Worten kaum zu nennen —
Wie Sehnsucht dann in mir erwacht
Nach Sonne und nach Schönheitspracht,
Nach Tönen, nicht ersterbend sacht,
Nein, brausend, wie Gewittermacht —
Nach Lebensfülle, heißem Blut!
Es ist, als müßt' ich an der Glut
Der Sehnsucht schier verbrennen.
Dann heimlich zögernd kommt's heran
Aus fernen, fernen Tagen,
Was duftumwebt der Frühling spann,
Was blütenschwer der Sommer sann,
Durch Herbstlaub feuerfarben rann,
Und was der Winter feiernd dann
An goldnen Früchten, reif und schwer,
Uns noch ins Haus getragen.
Und leis erlischt der Sehnsucht Glut
Vor neuer Töne Schwingen;
Wie junges Fieber ist im Blut
Ein übermächtig Klingen.
Ich lieg' auf Rosen, atme Duft,
Ich schwimme wie in goldner Luft,
Posaunendröhnend bricht's hervor,
Als eine sich der Sterne Chor,
Und ahnungsschauernd hört mein Ohr
Schon von der Ewigkeiten Tor
Den letzten Riegel springen.
_____
Otto Julius Bierbaum
(1865-1910)
Gefunden
Laue Sommernacht; am Himmel
Stand kein Stern; im weiten Walde
Suchten wir uns tief im Dunkel,
Und wir fanden uns.
Fanden uns im weiten Walde
In der
Nacht, der sternenlosen,
Hielten staunend uns im Arme
In der dunklen
Nacht.
War nicht unser ganzes Leben
So ein Tappen, so ein Suchen?
Da: In seine Finsternisse,
Liebe, fiel Dein Licht.
_____
In einer dunklen
Nacht
Wenn dieser Körper einst zerfallen ist,
Seele, du meine Seele,
Träumst du dir einen andern Leib?
Lebst du auf einem andern Stern?
Treibst du aus deinem Drange, der die Schönheit will,
Blumen, Bäume?
Oh meine Seele, wenn du nicht vergehst,
Dann bleib bei ihr, die mir das Leben lieber macht
Als alle Schönheit.
Umblühe sie,
Umhüte sie,
Laß alle Sterne, alle Seligkeit
Und bleibe bei ihr.
Und wenn auch sie dann, wachgeküßt vom Tod,
Sich selbst in ihrer tiefsten Reinheit lebt,
Dann geh in sie und gieb dich selber hin,
Sei eins mit ihr.
Das ist die Seligkeit, die ich dir hoffe,
Meine Seele.
_____
Aus der Ferne in der
Nacht
Wenn im braunen Hafen
Alle Schiffe schlafen,
Wach ich auf zu dir.
Stille in der Runde,
Heilig diese Stunde,
Denn sie bringt dich, atemhaltend, mir.
Stehst in Mondeshelle
Wartend an der Schwelle,
Und ich fühle dich;
Komm', daß ich dich halte,
Deine Seele walte
Ueber meinen Träumen mütterlich.
_____
Nachtgang
Wir gingen durch die dunkle, milde
Nacht,
Dein Arm in meinem,
Dein Auge in meinem;
Der Mond goß silbernes Licht
Ueber dein Angesicht;
Wie auf Goldgrund ruhte dein schönes Haupt,
Und du erschienst mir wie eine Heilige: mild,
Mild und groß und seelenübervoll,
Gütig und rein wie die liebe Sonne.
Und in die Augen
Schwoll mir ein warmer Drang,
Wie Thränenahnung.
Fester faßt ich dich
Und küßte -
Küßte dich ganz leise, - meine Seele
Weinte.
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Traumverkündigung
Heut
Nacht, mein Lieb, da nehm ich dich
in meinen Traum.
Da ist's so licht. Und sänftiglich
selbander liegen wir wohl unter einem grünen Baum
und schauen durch das Grün das Blau.
Ach, Freundin, trau
dem Grün, dem Blau,
dem Licht, der
Nacht, dem Schläfer und dem Traum.
_____
Der Kamm
Du Bändiger der liebsten losen Flechten
den ich erwacht in meinen Kissen fand
was sprichst du tags noch von verschwiegenen Nächten,
von Glut und Kuß und aufgegebenen Rechten
die schon der graue Morgen mir entwand?
Nun wirst du gehn und wirst sie wieder zwingen
die braunen Schlangen die mit scheuer Pracht
von mir gelöst mich schmeichlerisch umspringen.
Nun wissen sie nicht mehr von all den Dingen -
Wie seltsam spricht der Tag doch von der
Nacht.
_____
Morgendliche Trennung
Dämmerung. Frühgrau. Es tropfen die Bäume.
Tief duftet die Welt von der Liebe der
Nacht.
Noch schaust du mir nach von der Pforte des Gartens.
Doch da ich mich wende verschlingt dich das Grau.
O heimliche Morgen der wahrhaft Geliebten.
O tieferer Duft deiner Liebe in mir.
Ich gehe dahin so leicht wie ein Seliger.
Mein Atem ist süß und mein Auge so weit.
Schon schweben die Adler besonnt in der Reine:
So ende denn
Nacht! so beginne denn Tag!
Ich will deine Liebe dem Morgen zutragen
und ewigen Tagen - der Liebe nicht müd.
_____
Ernst Blass (1890-1939)
An Gladys
O du, mein holder
Abendstern ...
Richard Wagner
So seltsam bin ich, der die
Nacht durchgeht,
Den schwarzen Hut auf meinem Dichterhaupt.
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Mit weichem Glücke bin ich ganz belaubt.
Es ist halb eins, das ist ja noch nicht spät ...
Laternen schlummern süß und schneebestaubt.
Ach, wenn jetzt nur kein Weib an mich gerät
Mit Worten, schnöde, roh und unerlaubt!
Die Straßen komme ich entlang geweht,
Die Lichter scheinen sanft aus mir zu saugen,
Was mich vorhin noch von den Menschen trennte;
So seltsam bin ich, der die
Nacht durchgeht ...
Freundin, wenn ich jetzt dir begegnen könnte,
Ich bin so sanft, mit meinen blauen Augen!
_____
Udo Brachvogel
(1835-1913)
Du sag'st, ich sei für Dich zu düster,
Und finster wär' ich wie die
Nacht,
Du aber sei'st der Tag, der lustig
Im Sonnenjubel scherzt und lacht.
Und wär' es so, und wär'st der Tag Du,
Und ich die
Nacht, schwarz wie der Tod:
So lass' uns in einander fließen,
Das giebt das schönste Morgenroth!
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Clemens Brentano
(1778-1842)
Liebesnacht im Haine
Um uns her der Waldnacht heilig Rauschen
Und der Büsche abendlich Gebet,
Seh' ich dich so lieblich bange lauschen
Wenn der West durch dürre Blätter weht.
Und ich bitte: Jinni holde, milde
Sieh ich dürste, sehne mich nach dir
Sinnend blickst du durch der
Nacht Gefilde
Wende deinen süßen Blick nach mir.
Ach dann wendet Jinni voll Vertrauen
Ihres Lebens liebesüßen Blick
Mir ins wonnetrunkne Aug' zu schauen
Aus des Tages stillem Grab zurück.
Und es ist so traulich dann, so stille
Wenn ihr zarter Arm mich fest umschlingt
Und ein einz'ger liebevoller Wille
Unsrer Seelen Zwillingspaar durchdringt.
Nur von unsrer Herzen lautem Pochen
Von der heil'gen Küsse leisem Tausch
Von der Seufzer Lispel unterbrochen
Ist der Geisterfeier Wechselrausch.
Auf des Äthers liebestillen Wogen
Kömmt Diane dann so sanft und mild
Auf dem lichten Wagen hergezogen
Bis ihn eine Wolke schlau verhüllt,
Und sie trinket dann an Latmus' Gipfel
Ihrer Liebe süßen Minnelohn
Ihre Küsse flüstern durch die Wipfel,
Küssend, nennst du mich Endymion.
Liest auch wohl mit züchtigem Verzagen,
Meiner Blicke heimlich stille Glut
Und es sterben alle deine Klagen
Weil die Liebe dir am Herzen ruht.
Fest umschling' ich dich von dir umschlungen
Stirbt in unsrem Arm die rege Zeit
Und es wechseln schon des Lichtes Dämmerungen
Starb schon Gestern wird schon wieder heut.
Wenn die lieben Sterne schon ermatten
Wechseln wir noch heimlich Seligkeit
Träumen in den tiefen dunklen Schatten
Flehend und gewährend Ewigkeit.
Fest an dich gebannt in dich verloren
Zähle ich an deines Herzens Schlag
Liebestammelnd jeden Schritt der Horen
Scheidend küsset uns der junge Tag.
_____
Carl Busse (1872-1918)
Nachts
Tiefstill die
Nacht. Nur manchmal, halb im Traum,
Hör' ich ein Knistern an den weiten Wänden,
Ein ruhlos Tasten hier und dort im Raum,
Als wie von feinen, schlanken Frauenhänden.
Dann weiß ich es, was dir dein Traum gebracht:
Du suchst nach mir, du kannst mich nicht vergessen,
Du suchst und suchst die ganze lange
Nacht
Nach einem Glück, das du doch einst besessen.
_____
Lenznacht
Das war ein Frühlenz vor Zeiten,
Verschlafen und wundersacht
Flogen aus dämmernden Weiten
Die Winde durch die
Nacht.
Blau leuchtende Sterne glühten,
Und erste Liebeslust
Hob eine apfelblüten-
Rosige Mädchenbrust.
Es kam ein Strahl gezogen
In heller, blutender Pracht,
Es flüsterten und es flogen
Die Winde durch die
Nacht.
_____
Johannisnacht
Johannisnacht - hellste
Nacht,
Hast mir sehnendes Leid gebracht!
Ich sah im Dunkeln zwei Buhlen gehn,
Goldne Sterne hab' ich fallen sehn,
Und war ein Wispern in allen Landen,
Wo Gärten blühten, wo Sträucher standen,
Das war wie der heimlichste Wind so fein,
Konnt' doch der heimliche Wind nicht sein,
Lief über den Rasen wie Mädchenschuh
Und die Nachtigallen schlugen dazu ...
Da hat mich mein Herz zu früheren Tagen
Zurückgetragen,
Als über den Bergen die Feuer sich schwangen
Und die Burschen sangen.
Schmucke Dirnen, den Strauß am Mieder,
Juchten ins dämmernde Thal hernieder,
Krachten die Scheite - und Lieder und Flammen
Grüßten die Ferne und schlugen zusammen!
Und einst, in heller
Johannisnacht,
Hab' ich mit dir die Feuer entfacht!
Zuckte der Schein über Schläfen und Stirnen,
Lachten die Burschen und kreischten die Dirnen,
Bis endlich Paar um Paar sich umschlungen
Und über die lohenden Scheite gesprungen.
Erst dann, mit heimlichen Stoßgebeten,
Sind wir vor die knisternden Brände getreten.
Als ging's in ein glühendes Höllennest,
Hielt ich dich fest,
Und als ich dich über die Flammen getragen,
Es ist dir der Rauch in die Röcke geschlagen,
Hoch schrecktest du auf und sprachest den Segen,
Hast zitternd mir drüben im Arme gelegen,
So kurz wie ein Funke versprüht am Scheit
- War doch wie ein Wunder der Ewigkeit.
Johannisnacht - hellste
Nacht,
Hast mir sehnendes Leid gebracht!
Dich grüßen die Feuer mit rötlichem Rauch,
Mein zuckendes Herze - das grüßt dich auch!
Doch werden die Leuchten der bergigen Höhn
Mich nie mehr kennen, mich nie mehr sehn!
Ich will's nicht, daß man es Thränen heißt,
Wenn mir der Rauch in die Augen beißt,
Wenn das junge Volk seine Späße macht
Und zwei Buhlen sich küssen - in dieser
Nacht ...
_____
Georg Busse-Palma
(1876-1915)
Dein Mädchenzimmer
Dein Mädchenzimmer — seltsam ist die Luft,
Halbwelk im Glas verschwült der blaue Flieder.
Darüber zieht ein andrer, feinrer Duft,
Entströmt der Fülle deiner jungen Glieder.
Es liegt dein Bett noch von der
Nacht zerwühlt,
Und seine Wärme spür' ich mit den Händen —
Ach, diesen Flaum hat deine Brust gefühlt,
Hier lag dein Haupt und dorten deine Lenden!
Zerspring nicht, Herz, und klopft nicht gar so laut!
Ich werf' mich hin und deck' mit tausend Küssen
Das seel'ge Linnen, dem zur
Nacht vertraut,
Was sonst der Mond nur und mein Sehnen wissen.
Mit warmen Hüllen hüllt es nachts dich ein.
Mit heißren Hüllen soll mein Kuß dich decken.
Und diese Küsse soll'n die Stimmen sein,
Die deine Seele aus der Kindheit wecken!
Wenn du zum Schlaf die Glieder rosig dehnst,
Soll ihre Glut dir jeden Schlaf verjagen,
Bis du auch glühst und dich nach Armen sehnst,
Die dich als Weib aus heißer Taufe tragen! —
_____
Weißt du, mein Liebling ...
Weißt du, mein Liebling, was ich einmal möchte?
Ich möcht' mit dir weit in die Wälder fliehn
Und deines Haares dunkelblonde Flechte
Dort fest, ganz fest um meinen Nacken ziehn:
Daß deine Lippen, die so lieblich brennen,
Die ganze
Nacht nicht von den meinen können! —
_____
Adelbert von Chamisso
(1781-1838)
Morgentau
Wir wollten mit Kosen und Lieben
Genießen der köstlichen
Nacht.
Wo sind doch die Stunden geblieben?
Es ist ja der Hahn schon erwacht.
Die Sonne, die bringt viel Leiden,
Es weinet die scheidende
Nacht;
Ich also muß weinen und scheiden,
Es ist ja die Welt schon erwacht.
Ich wollt', es gäb' keine Sonne,
Als eben dein Auge so klar,
Wir weilten in Tag und in Wonne,
Und schliefe die Welt immerdar.
_____
Ada Christen (1839-1901)
Eine
Nacht
Ich hab' einen schönen Traum geträumt
In einer langen
Nacht;
Da warst du gut und freundlich mit mir,
Doch hat's mich traurig gemacht.
Du hieltest mich an die Brust gedrückt,
Unser Athem hat sich vereint;
Ich habe dir leise die Hände geküßt
Und leise dabei geweint.
Du legtest die Hände mir auf's Haupt
Und sahst mich forschend an;
Ich aber weinte immer fort:
Du hast mir Leides gethan.
»Und hab' ich dir auch Leides gethan,
Vergiß es nur geschwind
Und weine nicht« - so sagtest du,
»Mein armes verlorenes Kind!«
»Du sollst nicht mehr verlassen sein,
Ich will dich hegen und pflegen,
Und weil du bald stirbst, so will ich
Dich selber zur Ruhe legen.« -
Ich aber weinte immer fort
In der langen bangen
Nacht -
Und bin wieder einsam, verlassen
Am Morgen aufgewacht.
_____
Max Dauthendey
(1867-1918)
Küßte ich zur
Nacht
Ach, wie fröhlich und gesund
Mich die Liebe macht!
Bin der beste Mensch am Tag,
Küßte ich zur
Nacht.
Arbeit tut von selber gehen,
Jeder Schritt ist Dank,
Reden, die ich reden muß,
Red' ich frei und frank.
Heller wird mir jeder Tag,
Weiß, wohin man sieht,
Weiß, wenn's Abend werden will,
Wozu das geschieht.
Herrlich kommt die dunkle
Nacht,
Die den Mund mir gibt,
Der mich bis zum hellen Tag
Unter Küssen liebt.
_____
Die Sonne sank ...
Es wird so dunkel, und mir wird so bang.
Die Trennung von der Liebsten ist so lang.
Ich zittre, liege still und atme kaum, -
Ein Blitz fiel geisternd durch den Himmelsraum.
Ich bin so schreckhaft wie ein Wild im Wald.
Die Sonne sank; und kehrt sie wieder bald,
So hab' ich nur das eine stets gedacht:
Fern von der Liebsten ist es ewig
Nacht.
_____
Sanft legte dich die Liebe auf mein Bett
Sanft legte dich die Liebe auf mein Bett
In deinem schönsten Kleid aus Scham und Blöße,
Und draußen kam die
Nacht auf atemlosen Schnee,
Und auch Gottvater kam in atemloser Größe.
Mit vollem Auge hat der Gott geweint, gelacht.
Du hast dein Herz und deinen Leib
Zur Krone dieser
Nacht gemacht.
_____
Richard Dehmel
(1863-1920)
Entbietung
Schmück dir das Haar mit wildem Mohn,
die
Nacht ist da,
all ihre Sterne glühen schon.
All ihre Sterne glühn heut Dir!
du weißt es ja:
all ihre Sterne glühn in mir!
Dein Haar ist schwarz, dein Haar ist wild
und knistert unter meiner Glut;
und wenn die schwillt,
jagt sie mit Macht
die roten Blüten und dein Blut
hoch in die höchste Mitternacht.
In deinen Augen glimmt ein Licht,
so grau in grün,
wie dort die
Nacht den Stern umflicht.
Wann kommst du?! - Meine Fackeln lohn!
laß glühn, laß glühn!
schmück mir dein Haar mit wildem Mohn!
_____
Edmund Dorer (1831-1890)
Nachtgesang
Hab' dein gedacht
Die lange
Nacht.
Ein Sternlein nur
An der Himmelsflur
Glänzt noch und wacht
In stiller
Nacht.
Wie mir dein Bild
Gleich dem Stern so mild,
So freundlich lacht,
Doch bleibst du fern,
Mir gleich dem Stern
In dunkler
Nacht.
Hab' dein gedacht
Die lange
Nacht;
Bald geht wie du
Der Stern zur Ruh;
Mein Herz nur wacht
Die ganze
Nacht.
_____
Carl Ferdinand
Dräxler-Manfred (1806-1879)
Gute
Nacht
Gute
Nacht, du süßes Kind,
Mögen Engel dich behüten,
Und der Schlummer leis und lind
Seinen Segen dir entbieten.
Gute
Nacht, und träume süß
Von den Rosen, deinen Schwestern,
Die im Erdenparadies
Morgen blühen so wie gestern.
Gute
Nacht, und denke mein
Mindestens in holden Träumen,
Mochtest so im Tagesschein
Meiner zu gedenken säumen.
Gute
Nacht, und bleib mir gut,
Lächle gütig mir entgegen:
Deiner Blicke Zauber ruht
Auf mir wie ein milder Segen.
Gute
Nacht, die Äuglein zu,
Schließ die holden Blicke gerne:
Schöner, selbst in Schlafesruh,
Sind sie doch als alle Sterne.
_____
Reinhold Eichacker
(1886-1931)
Königin der
Nacht
Du wolltest nur im Dunkel mich beglücken
und mich zum König Deiner Liebe küssen,
und niemals dürfe ich im Tag Dich kennen
und niemals Deinen Stand und Namen wissen.
Blind müsse ich wie einen Traum Dich träumen
und nur dem Sang der Sinne selig lauschen,
Dein süßes Fleisch, die Wollust Deiner Glieder,
des Leibes Atem sollten mich berauschen.
Du hieltest Wort — und kamst, als aller Sterne
tagfremde Augen schlummernd sich geschlossen;
mit Deinem Schleier war ein Hauch von Rosen
in meines Zimmers Finsternis geflossen —
dann fiel das Tor ins Schloß,
und es war
Nacht . . . .!
— — — Ein Sturm zerfetzte unseres Atems Segel,
und unser Herzschlag läutete wie Glocken,
— so nahmst Du langsam meine heißen Hände
und legtest zärtlich sie in Deine Locken
und löstest sie durch mich zu weichen Wellen,
die endlos in das All des Dunkels sanken
und mir entglitten, eh ich Dich umschlungen —
— Du warst verhaucht, wie brünstige Gedanken.
. . . . . Und wieder sprach zu uns der Stunde Stille —
da hörte ich Dein Kleid zu Boden wehen,
ich trank die
Nacht in atemlosen Zügen
und meiner Augen Blindheit ward zum Flehen;
mein Blut schrie auf, wie sich die Ozeane
dem Silberlicht des Monds entgegenbäumen —
dann . . . fühlte ich Dich selbst, — wie eine Woge
aus niegekannter Lust mich überschäumen.
— Ich war ein Hauch, ein Seufzer nur geworden,
es riß mich fort, es warf mich auf und nieder . . .
. . . . — mich schlang das All — und stürzte mich zersprühend
zum Tod der Liebe tief in Deine Glieder.
So tief verfleischt war unser ganzes Leben,
daß unsere Körper sich nicht wiederkannten,
daß unserer Bisse blutberauschten Küsse
gleich heißen Wunden in uns selber brannten.
Und meine Lippen nahmen Deine Brüste
wie reife Früchte, die den Tod bereiten,
und Deine Schenkel lohten in den meinen
gleich Hexen, die durch Scheiterhaufen schreiten,
und meine Augen, die zur
Nacht erblindet,
umjauchzten Dich in ewigem Gestalten,
in meinen Armen schien ich nicht ein Leben,
nein, jedes Weib, das je gelebt, zu halten!
— Ich wußte nicht, ob Deiner Augen Gärten
das Schwarz der
Nacht, den Glanz der Sonne trugen,
ob Deine Locken lichtscheu oder golden
gleich Meeresschaum um meine Lenden schlugen.
Ich wußte nicht, ob du ein Kind des Himmels,
ob Du der Hölle teuflischstes Verlangen,
ich wußte nur, daß alle meine Sinne
sich ganz in Deiner Seligkeit gefangen.
Ich wußte nur, daß mich Frau Venus küßte,
die mir die Sehnsucht meiner Träume brachte,
ich wußte nur, daß ich auf Deinen Lippen
als Lied verklang — und als ein Gott erwachte.
— Du warst verweht, — wie Du als Traum gekommen
und tiefstem Taumel folgte kein Ernüchtern,
nun stirbt die Sehnsucht niemals meinen Augen
und meine
Nacht erstrahlt in ewigen Lichtern!
_____
Joseph Freiherr von
Eichendorff (1788-1857)
Nacht
Die Vöglein, die so fröhlich sangen,
Der Blumen bunte Pracht,
'S ist alles unter nun gegangen,
Nur das Verlangen
Der Liebe wacht.
*
Tritt nicht hinaus jetzt vor die Tür,
Die
Nacht hat eignen Sang,
Das Waldhorn ruft, als rief's nach Dir,
Betrüglich ist der irre Klang,
Endlos der Wälder Labyrinth -
Behüt' Dich Gott, Du schönes Kind!
_____
Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die
Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
_____
Beim Erwachen
An M. H.
Tiefer ins Morgenrot versinken die Sterne alle
Fern nur aus Träumen dämmert dein Bild noch vorüber,
Und weinender tauch' ich aus seliger Flut. -
Aber im Herzen tief bewahr' ich die lieben Züge,
Trage sie schweigend durch des Tages Gewühle
Bis wieder zur stillen träumenden
Nacht. -
_____
Ludwig Eichrodt
(1827-1892)
Holde
Nacht
Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort,
Die stillen Sterne warten
Auf liebende Herzen dort.
Es spielen durch die Lauben
Die Lichter des Mondenscheins,
Es flüstern durch die Trauben
Die Geister süßen Weins.
Es wispern leis und linde
Die Abendwinde, die laun,
Und durch die schlanken Gewinde
Verliebte Blumen schaun.
Vom Hügel rauschet nieder
Der dunkle Kastanienwald,
Du hörset Schlummerlieder
Voll zaubrischer Gewalt.
Die Sterne des Himmels erwarten
Zwei liebende Herzen dort,
Ich weiß in grünem Garten
Den allerschönsten Ort.
_____
Gerrit Engelke
(1890-1918)
Euridyke
Orpheus! Orpheus! zerstrahle die Schatten,
Brich leuchtend zu mir!
Orpheus! mein Herz will ermatten -
Mein Herz schreit nach dir!
Orpheus!
Geliebter! Strahlender! die
Nacht, die
Nacht
Droht; finsteres Wehen!
Geliebter, ich sinke! ich sinke in
Nacht,
Ich kann dich nicht sehen -
Orpheus?
Geliebter - hörst Du mich rufen?
Die
Nacht wühlt mich zu -
O, ich kann nicht - mehr rufen -
Orpheus, wo - bist - du?
Wo - bist - -?
_____
Otto Ernst (1862-1926)
Walpurgisnacht
Zu Roß, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Wir müssen schnell von dannen,
Von dannen durch die tiefe
Nacht,
Durch Feld und Hag und Tannen!
Hinweg von unsrer Feinde Herd,
Die uns nur Fluch und Hohn beschert
Und uns ins Elend bannen.
Blick' auf, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Walpurgisnacht ist heute!
Es schwirren um den starren Berg
Gar wundersame Leute.
Es drehen sich im Hochzeitstanz
Und treiben wilden Mummenschanz
Die grauen Hexenbräute.
Fürwahr, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Sie gleichen ganz den Fratzen,
Die unser Glück vergifteten
Mit Droh'n und süßem Schwatzen.
Die Augen stierten gläsern kalt;
Die Leiber sind verschrumpft und alt;
Sie fauchen wie die Katzen.
Hinweg, mein Lieb, mein süßes Lieb!
Hier kann das Glück nicht weilen.
Umfasse du mich ohne Graun
Und laß uns fürder eilen!
Wir finden unsre Heimat doch,
Und läg' sie in der Ferne noch
Viel hundert, hundert Meilen! -
O sieh, mein Lieb, mein süßes Lieb,
Zerflattert sind die Sorgen!
Da steigt die Sonne rot empor,
Die sich so lang verborgen.
Was ferne glüht in stiller Pracht
Und was so hell in uns erwacht:
Das ist der Maienmorgen!
_____
Nächtliche Wanderung
Ich schreite einsam durch den Wald,
Die
Nacht webt schwarz um düstre Tannen;
Vor meinem Geist steht Weh und Lust
Der langen Jahre, die verrannen.
Hat mehr des Leides, mehr der Lust
Mich angefaßt im Weltgetriebe? -
Ob allem, was verweht, vergeht,
Stand ewig leuchtend deine Liebe!
Auch heute, da durch
Nacht und Graun
Mein müder Fuß zum Ziele schreitet,
Fühl ich so tief, wie mich dein Geist
In dieser Einsamkeit begleitet.
_____
Bruno Ertler (1889-1927)
Nächtlicher Gang
Still ist die
Nacht, die toten Gassen schweigen
und einsam hallt mein müder Schritt.
Die Sehnsucht kam und löst' mich aus dem Reigen
und nahm mich mit.
Fern hör' ich noch die hohen Geigen sinken
zum tollen Tanz,
die Menschen lachen, und die Becher klingen
beim Mummenschanz. — —
Die
Nacht ist still; es jauchzen tausend Lieder
im Herzen mir —
und doch mir eins und immer eines wieder:
Das Lied von dir. —
_____
Gisela Etzel (1880-1918)
Und immer wieder dieser eine Traum,
Da fest und süß dein Mund den meinen findet,
Und Seligkeit / entrückt von Zeit und Raum!
Nach solcher
Nacht ist dann der Tag so voll
Wie Beere, die sich schwer dem Stiel entwindet,
Wie Samenkapsel, die zerplatzen soll.
Und dieses Tages äußres Leben geht
Wie hinter Schleiern sacht zum Abend nieder;
Nur Eines ist, das klar und leuchtend steht:
Dein Bild aus jenem tieflebendigen Traum!
Wachsehnsucht bringt es mir aus Schatten wieder
Und hält es / weit entrückt von Zeit und Raum.
_____
Wenn ich in glühender
Nacht
Selig geweint und gelacht,
Lieb ich den Morgen so sehr,
Dem ich entgegengewacht.
Über die Himmel so sacht
Streckt er die Fühler mir her,
Leuchtet mir kühn ins Gesicht /
Sucht wohl, und findet doch nicht,
Lider, die müde und schwer.
Und wie er flimmert und sticht
Und mich beschüttet mit Licht,
Hält mich das Lager nicht mehr;
Spring ich empor aus der Glut,
Gebe dem Tag mich in Hut,
Schreite so heiter einher!
Der mir zur Seite geruht,
Liebster, nun schlummere gut,
Siehe, ich liebe dich sehr!
Der du in seliger
Nacht,
Himmel mit mir durchwacht,
Träume zu neuer Begehr;
Denn nach verschwendeter Pracht
Bettet der Tag sich in
Nacht,
Flutet wie stürmendes Meer
Neues Entzücken daher . . .
_____
Gustav Falke (1853-1916)
Schamhafte Liebe
Du schläfst, und meine blöde Liebe
darf sich auch ihrem Winkel wagen
und über dich ihr zärtlich Nachtgebet
mit leisem Mund und lautem Herzschlag sagen.
Dem hellen Tag ist sie ein schreckhaft Kind
und liebt Verstecke, hüllt sich gern in Schweigen,
verschüchtert leicht, wo andre lärmend sind.
Du schläfst, und ihre stillen Sterne steigen.
Weit öffnet sich ihr Herz, und in verschämter Pracht
erglüht die keusche Königin der
Nacht.
_____
Sonnenaufgang
Tage, die ich ohne dich verbracht,
waren Tage nicht, sie waren
Nacht,
nun von deiner Rückkehr mir ward Kunde,
warte ich auf meine Morgenstunde.
Wenn das Licht sich aus dem Dunkel hebt,
alles Leben ihm entgegen bebt,
klingt, wie von verborgenen Zaubersaiten,
hell ein Klang durch alle Welt und Weiten.
Ein um dich verträumtes Leben harrt
deiner wundertätigen Gegenwart.
Komm! Es will mit lautem Liebessingen
selig seinen Morgengruß dir bringen.
_____
August Heinrich Hoffmann
von Fallersleben (1798-1874)
Wenn alles schläft in stiller
Nacht,
Die Liebe wacht.
Sie wandelt leise von Haus zu Haus
Und teilt die schönsten Gaben aus;
Sie bringet Trost für altes Leid,
Bringt neue Lust und Fröhlichkeit. -
Laß, Liebe, deine Gabe mich sein,
Flicht mich in deine Träume mit ein,
Daß die, nach der mein Herz verlanget
Und sehnsuchtglühend banget,
Im Traume mich sieht
Und hört mein Lied.
_____
Karoline von Fidler
(1801-1874)
Nacht
Streife über meine Saiten
Feuchter Hauch der stillen
Nacht,
Laß die Töne schwellend gleiten,
Wo der Liebe Sehnen wacht;
Hebe leicht wie Blüthenflocken
Mir die losgebund'nen Locken,
Daß sich rein das sanfte Licht
In des Auges Thräne bricht.
Oeffnet euch verborg'ne Pforten,
Heil'ge Schauer weht mich an!
Daß gewiegt auf Engelsworten
Meine Seele schlummern kann,
Daß begraben unter Düften,
Von des Mondes thau'gen Lüften
Aufgelöst, mein Herz vergißt,
Daß es Tag gewesen ist.
Ach aus tausend Götteraugen
Strömt der Blicke Himmelslust,
Und sie durstig einzusaugen
Thut sich auf die heiße Brust;
Ew'ge Liebesarme breiten
Sich in ungemess'ne Weiten,
Durch den festverschloss'nen Mund
Wird der Geist dem Geiste kund.
_____
Johann Georg Fischer
(1816-1897)
Stern und Sonne dürfen's wissen
Mußt bei mir bleiben die ganze
Nacht,
Der einzige Mond und ein Sternlein wacht,
Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?
Was thut's, wenn sie sehn, was auf Erden geschieht?
Mußt bei mir bleiben die ganze
Nacht,
Und wenn es der ganze Himmel sieht.
Was thut's, wenn sie weiß, was auf Erden geschieht,
Wenn's am andern Morgen die Sonne sieht,
Daß du bei mir blieben die ganze
Nacht?
_____
Cäsar Flaischlen
(1864-1920)
Gute
Nacht
. . .
Gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein,
wir wollen für heut uns verleidet sein!
So sonntagschön, so sommerklar,
so rosenrot der Tag auch war,
die Glocken läuten schon den Abend ein . .
gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein!
Gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein . .
der Mond guckt über den Hexenstein,
und in der Stadt und Bahn-entlang
da gehn bereits die Lichter an,
und die Wiesen drüben nebeln sich ein ..
gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein!
Gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein . .
ich bringe dich noch bis zum Waldhorn hinein
und geh dann über die Kuckuckshöh,
wo ich dein Licht im Fenster seh,
und singe mir, bis ich selber daheim:
Gute
Nacht, meinsein Herzliebstelein!
_____
Else Galen-Gube
(1869-1922)
Sturmnacht
Der Sturmwind singt sein Werbelied
vor meinem Kammerfenster;
die
Nacht ist dunkel, die
Nacht ist still,
die Schatten stehn wie Gespenster.
Die
Nacht ist einsam, die
Nacht ist lang,
mein Sehnen nach dir ist so wild …
Ich seh an die Scheiben des Fensters gepreßt
dein geisterhaft blasses Bild.
Die
Nacht ist verschwiegen, die
Nacht ist stumm;
komm zu mir zur Kammer herein,
und fülle den kleinen dunklen Raum
mit all deinem Sonnenschein.
_____
Zwei
Nächte
Hab ihn genommen an meine Brust,
ihn zu erwecken zu neuer Lust ……
Geküßt auf den kalten, bleichen Mund,
geküßt, bis mir meine Lippen wund!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
In seiner letzten, der Todesnacht,
hab jäh ich gedacht
an eine andre, die erste
Nacht.
Heut kalt der Liebste und damals so heiß,
im Haar trug ich Schleier und Myrtenreis,
sie hüllten zwei selige Menschen ein,
die wollten beide nur eins noch sein ……
Warum hieltst du nicht Wort? Warum tauschtest du heut
mit dem Hochzeitsgewand das Totenkleid?
Und es kommt noch so manche, lange
Nacht - -
meine Liebe, die ist nun aufgewacht!
Du hast sie mit deinen Küssen geweckt,
du hast sie aus ihrer Ruhe geschreckt,
du hast sie hungern und dürsten gemacht
nach den Seligkeiten der Frühlingsnacht!
Da liegst du – tot - -
und in mir loht
weiter und weiter der heischende Brand,
und bald – dann kommt der Frühling ins Land,
und kein Mund, der mir rot die Lippen küßt,
wenn die spähende Sonne ging zur Rüst.
Liebster, Geliebter! - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
In deiner letzten, der
Todesnacht,
hab jäh ich gedacht
an eine andre, die erste
Nacht. - -
_____
In einsamer
Nacht
Jetzt ruht sie aus im Schoß der dunklen
Nacht,
das bleiche Haupt im weißen Pfühl gebettet,
so jung an einen Toten angekettet.
Ich weiß, was sie so arm, so elend macht:
Das wilde Blut tobt heiß in ihren Adern
und doch, sie kann nicht mit dem Schicksal hadern.
Sie hat ihn ja geleert bis auf den Grund
den Zaubertrank aus goldnem Freudenbecher,
ein lebensdurstger, nimmersatter Zecher. - - -
Wie lächelte doch sonst der rote Mund,
der heut so fest geschlossen durch den Jammer!
Sie ist allein – allein in ihrer Kammer.
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Der Mond steigt auf; ein voller Silberschein
fällt auf die blonde, bleiche Frau hernieder,
auf Hals und Arm, - es leuchten ihre Glieder
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
für wen, für wen -? Und weinend schläft sie ein.
_____
Allerseelennacht
Nun schlinge den Arm um den Nacken mir wild,
wie einst du um mich geworben;
ich fürchte mich nicht vor des Traumes Gebild,
für die Welt sind wir beide gestorben.
Leg deine Lippen ganz heimlich und traut
auf meine, die glühenden, roten
und küsse mich bis der Morgen graut ……
Heut
Nacht ist ja frei für die Toten!
Heut bist du mein eine ganze
Nacht,
heut gibt es kein Scheiden, kein Sterben;
du darfst bei funkelnder Sternenpracht,
Glückseliger, um mich werben! …
Mein Atem fliegt, in den Pulsen jagt
ein drängendes Klopfen und Hämmern.
Genieße - - -! In einer Stunde tagt
Im Osten das Morgendämmern.
In einer Stunde erschöpfen wir rein,
was es an Glück kann geben -
Wir brauchen die einzige Stunde allein,
und die Menschen, sie brauchen ein Leben.
_____
Gute
Nacht, Liebster!
Ruhig lagst du auf den weichen Kissen,
als der Tod dich, Liebster, mir entrissen;
um mich her ward plötzlich finstre
Nacht.
Blumen bracht ich dir und meine Tränen,
und mit unermeßlich heißem Sehnen
hielt ich dir die letzte Totenwacht.
Küßte deine Lippen, deine kalten,
hab in meinen Armen dich gehalten,
bis die Sonne glühend aufgewacht.
Ach, der Sonne noch so licht Gefunkel
hellt nicht auf der Seele tiefes Dunkel -
Gute
Nacht, du Liebster, gute
Nacht!
_____
Julius Grosse (1828-1902)
Lied
Kein Stern ist in Wolken zu sehen,
Alle Sterne trag' ich in mir.
Kein Laut durch die Oede will wehen,
Alle Hymnen tönen in mir.
Nur
Nacht und Winter draußen,
Schauernd, unheimlich und wüst,
Doch
Nacht und Winter schwanden,
Seit ich den Mund dir geküßt.
_____
Sidonie
Grünwald-Zerkowitz (1852-1907)
O Du gute
Nacht!
Ich küsse Deiner Hülle Saum,
O
Nacht, die vor die Seele mild
Mir zaubert im barmherz'gen Traum
Des fernen Liebchens lichtes Bild!
Wie süß wär' ach das Sterben mir,
Könnt' in die Ewigkeit ich gehn
Im Hoffen: wie im Traume hier
Mein Lieb im Jenseit auch zu sehn!
_____
Robert Hamerling
(1830-1889)
Nacht und Morgen
Weicht ihr, trübe Stunden?
Weichst du, lange
Nacht,
Leidvoll überwunden,
Thränenvoll durchwacht?
Matter seh' ich scheinen
Mondes Zauberlicht,
Das mit Sehnsuchtspeinen
Nacht für
Nacht mein Herz umflicht.
Morgendlich die Winde
Von den Bergen weh'n.
Gruß dem holden Kinde
Hinter jenen Höh'n!
Licht ist mir ihr Bildniß,
Das wie Sonnengold
Durch des Herzens Wildniß
Seine Flammenströme rollt.
Freundlich weckt der Morgen
Holde Sangeslust.
Knospen sind die Sorgen,
Keimend in der Brust:
Mitternächtlich nieder
Thränen auf sie thau'n,
Und als holde Lieder
Geh'n sie auf im Morgengrau'n.
_____
Otto Erich Hartleben
(1864-1905)
Morgenklagen
Ach! Der grösste meiner Herrn Collegen,
Goethe schon hat dieses Leid empfunden -
O du loses, leidigliebes Mädchen!
Durch zwei Treppen waren wir geschieden,
kurze Treppen, und die nicht mal knarrten -
O du loses, leidigliebes Mädchen!
Hattst es unter Küssen mir geschworen:
diese
Nacht! Ich bebte vor Entzücken -
O du loses, leidigliebes Mädchen!
Lauschend harrt ich dein auf Nummro Neunzehn,
doch du schliefst auf Nummro Neunundzwanzig -
O du loses, leidigliebes Mädchen!
_____
Walter Hasenclever
(1890-1940)
Den Jammer einer leeren Zeit
Streich mir aus meinem Haar,
Und etwas Güte und Frömmigkeit
Küsse mir in mein Haar,
Und etwas weiche, milde
Nacht
Gib mir in Deinem Schoß,
Dann regnet, was so traurig macht,
Leise von uns los.
_____
Friedrich Hebbel
(1813-1863)
Ich und du
Wir träumten von einander
Und sind davon erwacht,
Wir leben, um uns zu lieben,
Und sinken zurück in die
Nacht.
Du tratst aus meinem Traume,
Aus deinem trat ich hervor,
Wir sterben, wenn sich eines
Im andern ganz verlor.
Auf einer Lilie zittern
Zwei Tropfen, rein und rund,
Zerfließen in eins und rollen
Hinab in des Kelches Grund.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Hast du die Lippen mir wund geküßt,
So küsse sie wieder heil,
Und wenn du bis Abend nicht fertig bist,
So hat es auch keine Eil.
Du hast ja noch die ganze
Nacht,
Du Herzallerliebste mein!
Man kann in solch einer ganzen
Nacht
Viel küssen und selig sein.
_____
Schon mit ihren schlimmsten Schatten
Schleicht die böse
Nacht heran;
Unsre Seelen sie ermatten,
Gähnend schauen wir uns an.
Du wirst alt und ich noch älter,
Unser Frühling ist verblüht.
Du wirst kalt und ich noch kälter,
Wie der Winter näher zieht.
Ach, das Ende ist so trübe!
Nach der holden Liebesnot
Kommen Nöten ohne Liebe,
Nach dem Leben kommt der Tod.
_____
Wo ich bin, mich rings umdunkelt
Finsternis, so dumpf und dicht,
Seit mir nicht mehr leuchtend funkelt,
Liebste, deiner Augen Licht.
Mir erloschen ist der süßen
Liebessterne goldne Pracht,
Abgrund gähnt zu meinen Füßen -
Nimm mich auf, uralte
Nacht!
_____
Georg Heym (1887-1912)
Die ganze
Nacht ...
Die ganze
Nacht,
Die ich verwacht,
Ein Brunnen rann,
Ein Vogel sang,
Und dann und wann
Im stillen Raum
Der Nachtwind klang
Im hohen Baum.
Die ganze
Nacht,
Die ich verwacht,
Dein Bild mir stand
Vor Augen tief
Und unverwandt,
Bis fern am Saum
Die
Nacht entschlief
Und kam der Traum.
_____
Paul Heyse (1830-1914)
Siesta
Lieb, o lieb war die
Nacht
Mitten am hellen Tag,
Als wir die Läden geschlossen,
Als durch die schützenden Sprossen
Goldige Dämmerung brach.
Kühl, o kühl war der Saal,
Drinnen die Welt uns verging,
Da wir in seligem Schmachten
Wandelten, flüsterten, lachten,
Bis uns der Schlummer umfing.
Süß, o süß war der Traum,
Herz am Herzen geträumt!
Über uns schwebend im Kreise
Flattert’ ein Schmetterling leise,
Dunkel die Schwingen umsäumt.
_____
Stimme der
Nacht
Nur eine Wachtel schlug im Feld,
Da ich vorüberging,
Nur eine leise Glocke rief,
Die hoch im Turme hing.
Verhallt die wirre Menschenlust,
Der wunde Menschenschrei.
So still der Wald! Es rauscht der Fluß
Mit Murmelklang vorbei.
Ein lautlos feuchter Uferwind
Entfacht dein Blut mit Macht,
Und die verlorne Liebe ruft
Beweglich durch die
Nacht.
_____
Sophie Hoechstetter
(1873-1943)
Liebesnacht
Uns leuchtete noch keine
Nacht so tief
Wie dieses Sommers schwere Liebesnacht,
Da dir dein Herz erwacht, die dir mein Herz gebracht
Die uns zum Leben rief —
Spürst du — fern sinkt das letzte Schweigen,
Fern klingt der Reigen
Verdämmernder Lieder der Einsamkeiten
Gieb mir die Hand,
Erobererland
Liegt viel noch in uns beiden.
Ich fühle, wie Mund und Hände mir begnadet sind
Ich fühle, wie dein Blut zum Herzen rinnt —
Fühlst du die
Nacht? Noch keine war so still —
— So still, als seien alle Tränen ausgeweint
So still, als trüge sie Tod und Unsterblichkeit vereint —
Wie diese, die uns zu den Göttern führen will.
_____
Edmund Hoefer (1819-1882)
Die
Nacht hält Hof. Heut wird das Fest begangen,
Wie's nie so reich, so prächtig nie entglommen,
Nie kam der Mond so stolz daher geschwommen,
Nie mochten also je die Sterne prangen;
Die Blumen alle stehn mit süßem Bangen,
Die Nachtigallen schlagen lustbeklommen, -
Und allen Gästen spricht ihr froh Willkommen
Die milde
Nacht, die Herrin huldumfangen.
Da steh' ich nun und schaue mit Entzücken
In dies allmächt'ge ewig gleiche Regen,
Das sich so neu erschlossen meinen Blicken.
Denn jezt erst glaub' und fühl' ich's allerwegen,
Wie tausend Siegel auf die Sinne drücken,
Bis unser Herz erweckt der Liebe Segen.
_____
Erwartung
Wie der Park so still, wie die Luft so lau!
Wie die Sterne blitzen von himmlischer Au'!
Und die Blüthen und Blätter wispern so viel,
Thauwürmchen leuchten im Moose kühl,
Es flüstert der See mit silbernem Klang.
Mein Herze lauscht:
Der See nur rauscht.
O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang'!
O du
Nacht, o du
Nacht, wo ich sehnend geharrt,
Wo das liebende Aug' in das Dunkel gestarrt!
Wenn es huschend und weiß durch die Büsche sich schmiegt
Und athemlos lächelnd im Arme mir liegt,
An der Brust mir verbirgt sich die schämige Wang' -
Mein Herze lauscht:
Der Busch nur rauscht.
O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang!
O du
Nacht, o du
Nacht, von Gewährung umkränzt,
Wo im flüsternden Dunkel die Liebe nur glänzt!
O du Küssen und Kosen gedankenberaubt,
Wo die Bäume mit Blüthen bestreu'n uns das Haupt,
Wo die Blüthe der Liebe dem Herzen entsprang!
Mein Herze lauscht:
Die Blüthe rauscht.
O mein Lieb, o mein Lieb, was säumst du so lang!
O mein Lieb, o mein Lieb, was säumest du fern!
O erstrale durch's Dunkel mein schimmernder Stern!
Es errauschet der Park, es errauschet die Flut,
O sie locken und locken mit heimlicher Glut!
Und es locken die Sterne verschwiegen und blank -
Mein Herze lauscht:
Es rauscht! Es rauscht!
O mein Lieb, o mein Lieb, ich harrte so lang'!
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Mia Holm (1845-1912)
Stehe still, du süsse
Nacht
Lieblich warst du schon am Morgen
Und zu Mittag, süsse Maid,
Doch am holdesten und schönsten
Bist du jetzt, zur Abendzeit.
Einen Kranz von Mondenstrahlen
Trägt dein sonnengoldnes Haar,
Und in weisse Schleier hüllet
Dich der Nebel wunderbar.
Kranz und Schleier, liebes Mädchen,
Das ist bräutlich holde Tracht.
Nebel, Mondschein, zaubert weiter,
Stehe still, du süsse
Nacht!
_____
In schimmernder
Nacht
Die Flügel
Und Füsse
Der seligen Engel
Durchrauschen
So leise
Die schimmernde
Nacht.
Es huschen,
Es flattern,
Es tanzen die Träume
Und füllen
Mit Lachen
Die schlafende Welt.
Nun kommst du,
Mein Mädchen,
Es lockte der Vogel,
Der nächtlich
Nur singet,
Für mich dich herab.
Gegrüsset,
Mein Mädchen
In schimmernder Schöne,
Wie passest
Du lieblich
Zum Leben der
Nacht.
Du bist wie
Die Blume,
Die zärtlicher duftet
Und still sich
Entfaltet
Im Hauche der
Nacht.
Es blicken
Die Sterne,
Die Augen der Götter,
Nicht neidisch,
Nur freundlich
Auf menschliche Liebe.
So öffne
Den Kelch mir
Und dufte mir Liebe
Und ruh mir
Am Herzen
In schimmernder
Nacht.
_____
Angelika von Hörmann
(1843-1921)
In dunkler
Nacht
Da zähl' ich die Schätze, die mir eigen,
Wie möcht' ich all' ihre Pracht
So gern dir zeigen!
Da hol' ich aus des Herzens Grund
Ohn' alle Scheue
Die Liebe und Treue
Und werfe mit selig lachendem Mund
Die ganze bunte funkelnde Zier
Zu Füßen dir.
Doch nahst du am Tag,
Wenn hell und nüchtern alle Räume, -
Verwandelt mit einem Schlag
Ist, was ich träume.
So werthlos scheint mein Heiligthum,
Die Farbe verblichen,
Der Glanz entwichen …..
Mit zagem Finger wend' ich es um
Und schließ' es seufzend wieder ein
In den Herzensschrein.
_____
O bleib bei mir in dieser schönen
Nacht!
Ringsum ist's still, kein Laut im Wald zu hören,
Nur da und dort durchbricht des Mondes Pracht
Verstohlen das Gezweig der dunkeln Föhren.
Schon rauscht das dürre Laub bei jedem Tritt,
Eins von den Zeichen, die den Herbst bekunden,
Schon hab' ich heute, als ich suchend schritt,
Nicht wilde Rosen mehr zum Strauß gefunden.
Und täglich sinkt der Nebel mehr in's Thal,
Das Feld, der Wald wird langsam sich entkleiden,
O bleib bei mir, ach nur dies eine Mal,
Noch eh' der Sommer und die Blumen scheiden!
_____
Arno Holz (1863-1929)
TIEFE
MAINACHT
So
süß ... wob ... die
Nacht!
Unter
den dunkelen Kastanien ... gegen die mondhelle Wand,
lehntest
du
mit geschlossenen ... Augen im Schatten.
Wir ... küßten uns ... nicht.
Unser Schweigen
sagte ... uns ... alles.
_____
Hans Hopfen (1835-1904)
Wenn du verraten mich am Tage,
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Was kommst du weinend dann, o sage,
Im Traume zu mir jede
Nacht?
Was streichst du mit den kleinen Händen
Mir durch das Haar wie dazumal,
Als deiner Augen süßes Blenden
Mein Herz, mein Glück, mein Leben stahl?
Wenn's wahr, was deine Briefe stammeln,
Daß du mich lassen kannst und mußt,
Warum auf's Haupt mir Dornen sammeln,
Und Kohlen auf die wunde Brust?
Laß mich in meinem Gram versinken!
Laß mich in meinem Schmerz vergehn!
Laß ab an's Ufer mir zu winken,
Wo meiner Hoffnung Gräber stehn!
Und doch, wenn dieses Scheinbild's Flehen
Herüberschwebt in meinen Traum,
Dünkt mich's wie goldner Schleier Wehen
Und meine Sehnsucht zwing' ich kaum.
Dann hör' ich wie aus feuchten Kissen
Ein bitter weinend Nachtgebet
Von sehnsuchtsvollem Gram zerrissen
Nach meiner Ferne wandern geht;
Dann kommt das Licht der alten Zeiten
Und fließt um dich wie Glorienschein,
Wie Glockentöne klingt's von Weiten
Und in mein Herz zieht Frieden ein.
Wenn du verraten mich am Tage
Und wenn du nimmer mein gedacht,
Wie käm dein Denken dann, o sage,
Dein Sehnen zu mir jede
Nacht?
_____
Felix Hübel (1874-1922)
NUN kommt die
Nacht und winselt wie ein Tier,
das keine Ruhestätte finden kann.
Und niemand kommt und streichelt es zur Ruh.
Aus dunklen Winkeln springt der Wahnsinn auf
und lacht und läuft in irrem Lauf
und kommt zu mir.
Und ich bin wie die
Nacht — —
und wie ein Tier — — —
und niemand kommt — — —
_____
Ludwig Jacobowski
(1868-1900)
In der
Nacht
Ein Schatten gleitet durch die
Nacht
Bis an mein Bett und horcht und horcht.
Ein leises Rascheln von Battist,
Dann halbes Atmen sacht und süß.
Ich seh dich nicht, doch fühl ich dich,
Den Leib im kühlen Nachtgewande,
Das Köpfchen mit dem schweren Haar,
Du Süße, du mein junges Weib.
Und beugt sich langsam zu mir her,
Als wär's ein Kinderstreich zur
Nacht.
Ein Hauch von Kuß auf beide Augen
Und sanfter noch auf meinen Mund.
Hoch will ich heben Hand und Arm,
Den jungen Nacken zu umwinden,
Die Lippen wölben wie zum Kuß,
Um ihre Lippen sanft zu fangen,
Die sel'gen Augen heimlich öffnen,
Um ihren lieben Blick zu trinken ...
Ich kann es nicht. Gefaltet ruh'n
Die Hände hinterm müden Scheitel,
Die Lippe bebt im Atem kaum,
Und schwer geschlossen bleibt der Blick.
Nur leis, wie Hauch der Juninacht,
Fließt unbegrenzte Zärtlichkeit
Aus ihrer Augen holder Nähe
Durch tausend Adern mir ins Herz.
So lieg ich da. So läg ich gern
Die armen Nächte meines Lebens,
Und käm das Sterben so zur
Nacht,
Es träf mich wehrlos und beglückt.
_____
Wilhelm Jordan
(1819-1904)
Nachtgesicht
Allabendlich vor Schlafengehn
Muß ich der Liebsten Bild besehn.
Dem sag ich leise gute
Nacht
Und frag es: hast du mein gedacht?
Und lösch' ich dann der Lampe Licht
So taucht dein holdes Angesicht
Hervor aus finsterm Hintergrund
Wie aus Gewölk des Mondes Rund.
Da lächelst du so liebevoll
Und winkst mir daß ich folgen soll;
Du reichst mir helfend deine Hand,
Schlägst auch um mich ein Lichtgewand.
Wir halten innig uns umfaßt
Und schweben, frei der Erdenlast,
Bis in ein Land voll Sonnenschein –
Da bin ich dein, da bist du mein.
Doch ach, dies Land ist nur ein Wahn
Und wachend find ich nie die Bahn.
Mein Glück hat nicht im Leben Raum,
Es ist und bleibt ein schöner Traum.
_____
Eleonore Kalkowska
(1883-1937)
Präludium
So wie die
Nacht sich zu dem Abend neigt,
So wirst du dich heut Abend zu mir neigen,
Und wie der Abend ihr entgegensteigt,
Aufflammend seine tiefste Glut zu zeigen,
Wird meine Seele zu dir aufwärts steigen.
Wenn uns umwallt das dunkle, weiche Schweigen,
Der Sommerwind nur leise Lieder geigt
Dem huschenden und zagen Blätterreigen,
Wirst du dich flüsternd zu mir nieder neigen —
So wie die
Nacht sich zu dem Abend neigt.
Wenn müde Vögel lasten auf den Zweigen,
Die blütenschwer zur Erde sich gebeugt,
Wird sich dein Mund, der tief verheißend schweigt,
Gleich einer Blume geben mir zu eigen ...
So wie die
Nacht sich zu dem Abend neigt.
_____
Eduard Kauffer
(1824-1874)
Ich saß mit ihr am Wiesengrund -
Ich saß mit ihr am Wiesengrund
Dort unter der blühenden Linde,
Ich küßte Wange, Stirn und Mund
Dem lieblichen, lachenden Kinde.
Auf Blumen schwamm die Welle der
Nacht
Mit leisem Flüstern und Rauschen ...
Wir tauschten Wort um Wort so sacht,
Als könnte die
Nacht uns belauschen.
Die
Nacht ist verschwiegen, sie plaudert nicht aus
Drum kos'ten so selig wir Beide,
Bis die erste Lerche zum Wolkenhaus
Sich erhob von der schlummernden Haide.
Und als ich zum Abschied sie umschlang
Am Wiesengrund unter der Linde,
Wie wurde so roth, so roth die Wang'
Dem lieblichen, lachenden Kinde!
_____
Die
Nacht,
die leuchtende
Frühlingsnacht
-
Die
Nacht, die leuchtende
Frühlingsnacht,
Hängt träumend über der Haide ...
Der Mond wirft über die Blüthen sacht
Ein Netz von goldener Seide.
Das Veilchen duftet, die Nachtigall singt
Ihr Lied von Lieb' und Harme
Und um die erschrockenen Bäume schlingt
Der Wind die kosenden Arme.
Die
Nacht, die leuchtende Frühlingsnacht,
Hängt träumend über der Haide ...
Wir küssen, von Rosen überdacht,
Die sehn uns mit heimlichem Neide.
Die Rose liebt, weil sie lieben muß;
Wir aber lieben mit Wissen,
Und tauschen in Freiheit Kuß um Kuß
Auf der Blumen schwellenden Kissen.
Die Lippe brennt, das Auge lacht
Durch Thränen vor seligem Leide
Und die
Nacht, die leuchtende
Frühlingsnacht,
Hängt träumend über der Haide.
_____
Justinus Kerner
(1786-1862)
In der
Mondnacht
Laß dich belauschen,
Du stille
Nacht!
Nur Wasser rauschen,
Nur Liebe wacht.
Vom Walde drüben
Tönt süßer Schall,
Es singt von Lieben
Die Nachtigall.
Der Vogel schweiget,
Der Mond entwich,
Zur Blume neiget
Die Blume sich.
Der Liebe Fülle
Durchströmt die Flur,
In
Nacht und Stille
Sinkt die Natur.
_____
Hedwig Kiesekamp
(Ps. L. Rafael) (1844-1919)
In der
Nacht
Wann ich auf dem weichen Pfühle
Ruhe sanft, in stiller
Nacht,
Regt in mir sich eine heimlich
Wunderbare, süße Macht.
Webet aus dem tiefen Schweigen,
Aus des Mondes mildem Glüh'n,
Aus des Herzens heißem Sehnen
Eine Brücke, frei und kühn!
Wölbt sie über Flur und Anger
Bis in's Kämmerlein zu dir.
Führet auf dem luft'gen Pfade
Treu dich eilend her zu mir!
Breitet wundersame Wonnen
Um uns her, mit Göttermacht!
Und mit ihren dunkeln Schwingen
Decket unsern Kuß die
Nacht.
_____
Klabund (Alfred Henschke)
(1890-1928)
NACHTS
Ich bin erwacht in weißer
Nacht,
Der weiße Mond, der weiße Schnee,
Und habe sacht an dich gedacht,
Du Höllenkind, du Himmelsfee.
In welchem Traum, in welchem Raum,
Schwebst du wohl jetzt, du Herzliche,
Und führst im Zaum am Erdensaum
Die Seele, ach, die schmerzliche -?
_____
Louise Koch-Schicht
(1873-1927)
Vorfrühlingsnacht
Wir gingen durch die lenzmilde
Nacht
in der ein Ahnen lag
vom Keimen und Blühen
und Sonnenfrüchten — —
Kühl gabst du mir die Hand
zum Abschied.
Keimen und Blühen
und Sonnenfrüchte! — — —
_____
Winternacht
Ich bin geschritten durch Nacht und Graus,
die Sehnsucht zog mich an starken Tauen,
und stand nun zitternd vor deinem Haus,
um zu zwei Fenstern emporzuschauen.
Die
Nacht war worden kalt und klar
und hart, von glitzerndem Eis behangen —
und war so aller Hoffnung bar,
wie deine Fenster frostbefangen . . .
_____
Alma Johanna Koenig
(1887-1942)
Alle Tag
Alle Tag, alle Tag sterb ich tausendfaltig
gekreuzigte Tode um dich.
Alle
Nacht, alle
Nacht küßt du zaubergewaltig
erneutes Leben in mich ...
Alle Tag, alle Tag möcht ich Meere durchqueren
damit ich erlöst von dir wär.
Alle
Nacht, alle
Nacht müßt ich wiederkehren
auch über das weiteste Meer ...
Alle Tag, alle Tag muß ich fröstelnd denken:
"Im Tod, da gehört er nur mir."
Alle
Nacht, alle
Nacht möcht ich Länder verschenken
für ein liebes Wort von dir ...
_____
Gertrud Kolmar
(1894-1943)
Wunschlied
Du solltest zu mir kommen in der langen
Nacht.
Sie hätt aus Silberseide dir ein Bett gemacht.
Drum solltest du bei mir schlafen die ganze lange
Nacht;
Mein kleines dunkles Auge war ein tiefer, tiefer Schacht.
Mein Auge war ein Brunnen, im Grunde Geisterlicht,
Da schautest du unter der Wirklichkeit allen Glückes Gesicht.
Träume blieben in Stunden stehn und sahn dich an: Es ist wahr.
Sehnsucht würf den Flügelhut aus ihrem brennenden Haar.
Alles was süß ist und warm ist, leis deine Lider nur streift,
Hätt
Nacht in roter gespaltener Frucht für deine Lippen gereift.
Meine Locken wären feines braunes Gras und Kraut,
Aus den Halmen sprängen Blüten, wie du sie nie geschaut.
Blüten von so fremdem Duft, Blüten von so seltnem Schein
Schüteten mit unaufhörlich sachtem Rieseln ganz dich ein.
Aber meine Arme kröchen, listigen Schlangen gleich,
Durch den Blumenwald zu dir, schön und schwellend, bunt und weich.
In schillernde Schlingen verstrickt, in Blütenwehe verschneit -
Könntest du noch erwachen vor lauter Seligkeit?
_____
Märchen
Ich hab vor deinem Hause still gestanden
In einer
Nacht.
Und hatte ganz dich lieb und ohne Maßen;
Ich wies zu dir den Sternen goldne Straßen
Und habe selig stumm gelacht.
Ob meinem losen Haar hob ich die Arme
Wie Zweige, schlank und rund.
Da stürzte Regen in das Mainachtschweigen
Und rief sich zage Blüten aus den Zweigen,
Und jede war ein blasser Mund.
Du aber kamst nicht.
So streute ich mit lächelndem Verschwenden
Dem Mond die Blumen her.
Und spürte Treiben herber, dunkler Kräfte,
Mir ward die Frucht voll süßer, süßer Säfte;
Schon fiel sie, duftend, weich und schwer.
Du aber kamst nicht.
Eishagel tanzte höhnend auf den Steinen.
Da klaffte schwarz ein Schacht.
Drein ließ ich die zerbrochnen Arme hangen. -
Geblüht und Frucht getragen - und vergangen
In einer
Nacht.
_____
Verwandlungen
Ich will die
Nacht um mich ziehn als ein warmes Tuch
Mit ihrem weißen Stern, mit ihrem grauen Fluch,
Mit ihrem wehenden Zipfel, der die Tagkrähen scheucht,
Mit ihren Nebelfransen, von einsamen Teichen feucht.
Ich hing im Gebälke starr als eine Fledermaus,
Ich lasse mich fallen in Luft und fahre nun aus.
Mann, ich träumte dein Blut, ich beiße dich wund,
Kralle mich in dein Haar und sauge an deinem Mund.
Über den stumpfen Türmen sind Himmelswipfel schwarz.
Aus ihren kahlen Stämmen sickert gläsernes Harz
Zu unsichtbaren Kelch ein wie Oportowein.
In meinen braunen Augen bleibt der Widerschein.
Mit meinen goldbraunen Augen will ich fangen gehn,
Fangen den Fisch in Graben, die zwischen Häusern stehn,
Fangen den Fisch der Meere : und Meer ist ein weiter Platz
Mit zecknickten Masten, versunkenem Silberschatz.
Die schweren Schiffsglocken läuten aus dem Algenwald.
Unter den Schiffsfiguren starrt eine Kindergestalt,
In Händen die Limone und an der Stirn ein Licht.
Zwischen uns fahren die Wasser ; ich behalte dich nicht.
Hinter erfrorener Scheibe glühn Lampen bunt und heiß,
Tauchen blanke Löffel in Schalen, buntes Eis ;
Ich locke mit roten Früchten, draus meine Lippen gemacht,
Und bin eine kleine Speise in einem Becher von
Nacht.
_____
Theodor Körner
(1791-1813)
In der
Nacht
Ich bin dir nah, nur eine dünne Mauer
Trennt mich von dir.
Du träumst wohl schon im sanften Schlummerschauer,
Vielleicht von mir.
Auf diesem Pfühl, der oft in heil'ge Weihe
Dich eingewiegt,
Ruht jetzt dies Herz, das dir voll Mut und Treue
Entgegenfliegt.
Mir ist's, als blühten aller Sehnsucht Keime
Melodisch auf,
Als fliegen geisterflüsternd deine Träume
Zu mir herauf.
Ich fühle plötzlich in den dunklen Locken
Ein leises Wehn;
Die Ahnung ruft, die vollen Adern stocken,
Die Pulse stehn. -
Es war dein Geist, und heilig auf der Wange
Fühlt' ich den Kuß;
An deiner Lippen küssendem Gesange
Kannt' ich den Gruß.
Es war dein Geist! Es war der Hauch der Liebe!
Hast mein gedacht!
O, daß sie ewig, ewig, ewig bliebe
Die schöne
Nacht!
_____
August Kopisch
(1799-1853)
Ständchen am Vesuv
Unruhige du, du rufst mir "ruhe!" zu:
Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
Ach Gott, ach Gott, wie ist die
Nacht so lang!
Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
Emporgewirbelt von erneutem Drang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die
Nacht so lang!
Ein Ameisenhaufen bin ich, den gestört
Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt!
Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die
Nacht so lang!
Ich bin die Wachtel, über Meer verirrt,
Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die
Nacht so lang!
_____
Lieblich bist du
Nacht, wenn man die Bürde
Schwerer Arbeit müde hingeworfen,
Nun die Glieder streckt zum Schlummer.
Aber schöner als das schönste Schöne,
Und als alles Süße dreimal süßer
Bist du
Nacht wenn ich nach vielen Küssen
Dicht umwebt von deinem weichen Schleier
An dem Busen der Geliebten ruhe;
Noch umfaßt von ihr, den Zauber-Athem
Trinke mit des Schlummers tiefen Zügen.
Bessres haben nicht die sel'gen Götter!
_____
Nikolaus Lenau
(1802-1850)
In der
Nacht
Alles schläft, und über's Gefild der Ruhe
Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens
Genius; sanft schimmert vom Weltendom die
Lampe des Mondes.
Sieh! den ernsten Zügen des Gott's entringet
Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben
In des Schlafes süßer Umarmung ihrer
Qualen vergessen.
Hüll' in deine Schatten mich tief, geliebte
Linde, daß die kummergebleichte Wange,
Und die bange Thräne sein holdes Lächeln
Nimmer verscheuche!
Ach, schon dreimal sank dir die Blüth, o Linde,
Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde
Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein
Sanftes Gesäusel
Durch dein mondversilbertes Laub uns Hoffnung
In die Seele goß, daß wir einst uns wieder
Finden; - dreimal welkte der Halm am Grabe
Meines Geliebten!
_____
Der schwere Abend
Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.
So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die
Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Thränen nur gemacht.
Und als ich mußte scheiden
Und gute
Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.
_____
Nächtliche Wanderung
Die
Nacht ist finster, schwül und bang,
Der Wind im Walde tost;
Ich wandre fort die
Nacht entlang,
Und finde keinen Trost.
Und mir zur Seite, engelmild,
Und, ach, so schmerzlich traut,
Zieht mein Geleite hin, das Bild
Von meiner todten Braut.
Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
Was mich ihr süßer Mund
So zärtlich bat und feierlich
In ihrer Sterbestund':
"Bezwinge fromm die Todeslust,
"Die dir im Auge starrt,
"Wenn man mich bald von deiner Brust
"Fortreisset und verscharrt!"
Da unten braust der wilde Bach,
Führt reichen, frischen Tod,
Die Wogen rufen laut mir nach:
"Komm, komm, und trinke Tod!"
Das klingt so lieblich wie Musik,
Wird wo ein Paar getraut;
Doch zieht vom Sprunge mich zurück
Das Wort der todten Braut.
Stets finstrer wird der Wolkendrang,
Der Sturm im Walde brüllt,
Und ferne hebt sich Donnerklang,
Der immer stärker schwillt.
O schlängle dich, du Wetterstrahl,
Herab, ein Faden mir,
Der aus dem Labyrinth der Qual
Hinaus mich führt zu ihr!
_____
Detlev von Liliencron
(1844-1909)
Liebesnacht
Nun lös ich sanft die lieben Hände,
Die du mir um den Hals gelegt,
Daß ich in deinen Augen finde,
Was dir das kleine Herz bewegt.
O sieh die
Nacht, die wundervolle;
In ferne Länder zog der Tag.
Der Birke Zischellaub verstummte,
Sie horcht dem Nachtigallenschlag.
Der weiße Schlehdorn uns zu Häupten,
Es ist die liebste Blüte mir;
Trenn ab ein Zweiglein, eh wir scheiden,
Zu dein und meines Hutes Zier.
Laß, Mädchen, uns die
Nacht genießen!
Allein gehört sie mir und dir.
Die Blüte will ich aufbewahren
An diese Frühlingsstunde hier.
_____
Thekla Lingen (1866-1931)
Rosen
Ach, gestern hat er mir Rosen gebracht,
Sie haben geduftet die ganze
Nacht,
Für ihn geworben, der meiner denkt -
Da hab' ich den Traum der
Nacht ihm geschenkt.
Und heute geh' ich und lächle stumm,
Trag' seine Rosen mit mir herum
Und warte und lausche, und geht die Thür,
So zittert mein Herz: ach, käm er zu mir!
Und küsse die Rosen, die er gebracht,
Und gehe und suche den Traum der
Nacht ...
_____
Die Geigen sangen die ganze
Nacht,
Wir haben bei froher Tafel gelacht.
Ich sass glückselig neben dir,
Dein Blick wie Sonne über mir.
Da hat dein Fuss sich scheu verirrt,
Ich war erschrocken, jäh verwirrt.
Ich schloss die Augen lusterstarrt,
Da dir mein Fuss zu eigen ward.
Die Geigen sangen die ganze
Nacht,
Wir beide haben nicht mehr gelacht.
Verstummt der Jubel, ich bin allein
Im dunkel-stillen Kämmerlein,
Und träume und träume, wie es wird,
Wenn sich dein Mund so süss verirrt.
_____
Toter Wunsch
O wärst du gekommen, da sie dich rief!
Du hättest die Rose gefunden - sie schlief
Und träumte und träumte die ganze
Nacht -
O wärst du gekommen - sie wäre erwacht!
Wie wär' ihr so süss, so süss geschehn,
Und musste im eigenen Duft vergehn,
Und war doch so jung und heiss und rot -
O wärst du gekommen! ... Nun ist sie tot ...
_____
Hermann Lingg (1820-1905)
Kürzeste
Nacht
Noch sprüht des längsten Tages warme Quelle
Lebendig fort, es wagen sich verstohlen
Die Träume nur, und nur mit scheuen Sohlen
Die Sterne durch der
Nacht saphirne Schwelle.
Kaum sank der Abend in die Dämmerwelle,
Da sucht ihn schon der Abend einzuholen,
Kaum öffnen ihren Kelch die Nachtviolen,
Da hebt die Sonnenblume sich zur Helle.
In Furcht, daß sich schon hell die Berge schmücken,
Singt schöner jetzt aus thaugenetzter Kehle
Die Nachtigall ihr klagendes Entzücken;
In Furcht, daß bald das süße Dunkel fehle,
Eilt Liebe heißer Brust an Brust zu drücken,
Und tauscht im Kusse lechzend Seel' um Seele.
_____
Feodor Löwe (1816-1890)
In tiefer
Nacht, vor deinem Haus
Stand ich in stiller Lust;
Scharf war die Luft, den Mantel schlug
Ich um die heiße Brust.
Ich schaute sinnend, unverwandt
Nach deinem Fenster hin;
Mit mir des Mondes lichter Strahl,
Der in die Scheiben schien.
Wie neid' ich doch den Strahl, der jetzt
Die Lippen dir umfließt,
Wie sehr den mohnbekränzten Gott,
Der deine Augen schließt.
O sanfter Strahl, der du herauf
Aus kaum bewegter Fluth
Die duftge Lotosblume lockst,
Die in der Tiefe ruht.
Auch Liebchens Busen ist ein See.
In seiner Wellen Schaum
Liegt, wie die Lotosblume still,
Verborgen tief ein Traum.
Lockt ihn herauf und zeige ihr,
Wie in der kalten
Nacht,
Von Frost umstarrt, in Liebesglut
Ihr Freund so einsam wacht.
_____
O forsche nicht dem Grame nach,
Der dumpf auf meiner Seele brütet!
Leg' deine Hand, sanft auf mein Haupt,
Und jeder Sturm hat ausgewüthet.
Dann aus geriß'nen Wolken schaut
Des Mondes Halbscheid ruhig nieder;
In meinem Innern ist es
Nacht -
Doch eine stille
Nacht ist wieder.
_____
Hermann Löns (1866-1914)
Die
Nacht ist still ...
Die
Nacht ist still, ich stehe am Fenster,
Am Monde vorüber die Wolken fliehn,
Mit leisem Singen oben, hoch oben,
Den Augen nicht sichtbar, die Singschwäne ziehn.
Das klingt und singt durch die nächtliche Stille
Das singt und klingt und klingt und singt
So sehnsuchtsvoll nach jenem Lande,
Dem Lande, das ihnen als Heimat winkt.
Meine Gedanken, die wandern wie Schwäne
Hell und schimmernd dahin durch die
Nacht
Und singen Lieder in deine Träume,
Du schläfst, und dein roter Mund, der lacht.
_____
Es singt der Star ...
Es singt der Star, die Sonne lacht,
Im Blütenschmuck die Bäume stehn,
Ein Tag ist hin und eine
Nacht,
Seitdem ich dich nicht hab’ gesehn.
Der Himmel ist so hoch und blau,
Die Erde trägt ihr Hochzeitskleid,
Ich sehe alles grau in grau,
Mich friert in meiner Einsamkeit.
Mich friert in meiner schwarzen
Nacht,
Ich habe keinen Sonnenschein,
Wann geht die Sonne auf voll Pracht,
Wann wirst du wieder bei mir sein?
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Abendlied
Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.
Jedwede
Nacht, jedwede
Nacht,
Hat mir im Traume dein Bild zugelacht,
Kam dann der Tag, kam dann der Tag,
Wieder alleine ich lag.
Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt,
Aber mein Herz ist noch immer nicht kalt,
Schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald,
Doch bis zuletzt es noch hallt:
Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.
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Ernst Wilhelm Lotz
(1890-1914)
Sterne der
Nacht ...
Sterne der
Nacht, ihr leuchtet so schön!
Mild und klar strahlt ihr des Frühlings
Volle Sehnsucht mir ins Blut. -
Wie die Augen der Geliebten
Leuchten in der
Nacht -:
In der Liebesnacht.
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Das war in der
Nacht ...
Das war in der
Nacht:
Die
Nacht duftete von Opferbränden,
Die hatte jemand der Liebesgöttin dargebracht:
Mit zitternden Händen
Hatte er von Sehnsucht ein Feuer angefacht;
Die Flammen knisterten, die Funken sprühten
In gotthohe Ferne -:
Du sahst, wie sie droben glühten:
Liebessterne.
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Meine Arme breiten sich ...
Meine Arme breiten sich,
Meine Pupillen weiten sich:
Die Liebe hat mich heut
Nacht
Mit pulsenden Fingern berührt,
Da bin ich aufgewacht
Und habe allen Zauber der Liebe gespürt.
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Nachtgesang
Sieh, die Treppen des Gebirges
Kam die
Nacht heraufgestiegen,
Und sie pflückte alle Abendrosen ab.
Sieh, die Treppen des Gebirges
Kam der Mond heraufgestiegen,
Und er pflanzte
Stille weiße Lilien ein.
Wie sie zitternd Blüten treiben
Hoch und leuchtend in die
Nacht.
Hör, die Treppen meines Hauses
Sehnsucht kommt heraufgestiegen,
Und sie pflückt mir meine roten Rosen ab.
Mädchen, kämst du wie ein Vollmond
Still herauf auf meiner Treppe,
In die Brust mir
Deiner Brüste Lilien pflanzend,
Daß sie große Blumen tragen
Weiß und traumhaft in die
Nacht.
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Selma Meerbaum-Eisinger
(1924-1942)
Ich bin die
Nacht
Ich bin die
Nacht. Meine Schleier sind
viel weicher als der weiße Tod.
Ich nehme jedes heiße Weh
mit in mein kühles, schwarzes Boot.
Mein Geliebter ist der lange Weg.
Wir sind vermählt auf immerdar.
Ich liebe ihn, und ihn bedeckt
mein seidenweiches, schwarzes Haar.
Mein Kuß ist süß wie Fliederduft -
der Wanderer weiß es genau...
Wenn er in meine Arme sinkt,
vergißt er jede heiße Frau.
Meine Hände sind so schmal und weiß,
daß sie ein jedes Fieber kühlen,
und jede Stirn, die sie berührt,
muß leise lächeln, wider Willen.
Ich bin die
Nacht. Meine Schleier sind
viel weicher als der weiße Tod.
Ich nehme jedes heiße Weh
mit in mein kühles, schwarzes Boot.
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Emerenz Meier (1874-1928)
Gute
Nacht
Gute
Nacht, gute
Nacht, die Glocke klingt, -
Schlaf wohl und träume schön.
Im Gebüsch am Hang die Grille singt
Und die Burschen auf den Höhn.
Gute
Nacht, - wenn du träumst, so sei's von mir,
Mein Herz, doch Liebes nur!
Gute
Nacht, im Traum begegn' ich dir,
Leicht find ich deine Spur.
Gute
Nacht, gute
Nacht, auf Wiedersehn!
Im Traume suche mich.
O möchte dir Wacht ein Engel stehn!
Mein Herz, Gott segne dich!
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Christian Morgenstern
(1871-1914)
Den langen Tag bin ich dir fern gewesen,
bis nun beim abendlichen Licht
dir wiederum mein ganzes Wesen
wie eine Knospe auseinanderbricht
und Dir erduftet, Dir erblühet,
als seiner Sonne, die ihm frommt.
Des Tags Gestirn hat mir umsonst geglühet;
nun kommt die
Nacht, und meine Sonne kommt.
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Es ist
Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.
Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.
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Ich wache noch in später
Nacht und sinne,
wie ich dir etwas Liebes sagen möchte,
daß ich dir einen Kranz von Worten flöchte,
daraus du würdest meiner Sehnsucht inne,
die mich nach deiner Gegenwart erfüllet,
als wär' ich nur bei Dir gewahrt vor Sorgen,
als lebt' ich nur in Deinem Blick geborgen,
dem teuren Blick, der mich in Liebe hüllet.
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In stillster
Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde
kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
Aus allen Tiefen, allen Höhn
umschwoll es mich wie klagendes Getön,
wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.
In stillster
Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde
da hab ich mich für alle Zeit
aus heilig heitrem Herzensgrunde
der Schönheit Sonnenreligion geweiht.
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Leise Lieder...
Leise Lieder sing ich dir bei
Nacht,
Lieder, die kein sterblich Ohr vernimmt,
noch ein Stern, der etwa spähend wacht,
noch der Mond, der still im Äther schwimmt;
denen niemand als das eigne Herz,
das sie träumt, in tiefer Wehmut lauscht,
und an denen niemand als der Schmerz,
der sie zeugt, sich kummervoll berauscht.
Leise Lieder sing ich dir bei
Nacht,
dir, in deren Aug mein Sinn versank,
und aus dessen tiefem, dunklen Schacht
meine Seele ewige Sehnsucht trank.
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Abschied
Weißt, was mir träumte?
Wir nahmen Abschied
fürs Leben.
Deine Arme
umschlangen mich
und deine Lippen brannten
und bebten...
Brannten und bebten Verheißung
Einer
Nacht,
einer chaotischen
Nacht...
Irgendwo ...
Irgendwann ...
Vielleicht nicht einmal
auf dieser Erde ...
Auf einem Stern vielleicht,
da Unschuld noch
in innerster Freiheit
nimmt und gibt
wie es sie drängt.
Und ich zog dich
enger an mich
und küßte dich inniger.
Dann endlich
löstest du langsam
die lieben Arme
und schürztest dein Haar
in den strengen Knoten zurück
Ich legte den Mantel dir
um die Schultern.
Die Tür fiel zu.
Und drunten im Schnee
lief eine schmale Spur
magdlicher Stapfen
hinaus,
weit, weit
in die mondhelle,
einsame
Nacht.
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Eduard Mörike (1804-1875)
Peregrina
Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
Ist wie von innerm Gold ein Widerschein;
Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,
Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn.
In diese
Nacht des Blickes mich zu tauchen,
Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
Reichst lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!
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An Luise
Ists möglich, ferne von der Süßen
So fort zu leben, so verbannt?
Nur über Berg und Tal zu grüßen,
Und nicht ein Blick, nicht eine Hand?
Da ist es wahrlich oft ein Jammer
So manchen lieben, langen Tag,
Bis mir bei
Nacht auf meiner Kammer
Einmal ihr Geist erscheinen mag.
Sie setzt sich lächelnd zu mir nieder,
Es brennt ein ruhig Licht dabei,
Sie sagt mir alte gute Worte wieder
Und sagt mir, daß sie meine sei.
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Leben und Tod
Sucht das Leben wohl den Tod?
Oder sucht der Tod das Leben?
Können Morgenröte und das Abendrot
Sich auf halbem Weg die Hände geben?
Die stille
Nacht tritt mitten ein,
Die sich der Liebenden erbarme!
Sie winkt: es flüstert: »Amen!« - Mein und dein!
Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
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Begegnung
Was doch heut
nacht ein Sturm gewesen,
Bis erst der Morgen sich geregt!
Wie hat der ungebetne Besen
Kamin und Gassen ausgefegt!
Da kommt ein Mädchen schon die Straßen,
Das halb verschüchtert um sich sieht;
Wie Rosen, die der Wind zerblasen,
So unstet ihr Gesichtchen glüht.
Ein schöner Bursch tritt ihr entgegen,
Er will ihr voll Entzücken nahn:
Wie sehn sich freudig und verlegen
Die ungewohnten Schelme an!
Er scheint zu fragen, ob das Liebchen
Die Zöpfe schon zurecht gemacht,
Die heute
Nacht im offnen Stübchen
Ein Sturm in Unordnung gebracht.
Der Bursche träumt noch von den Küssen,
Die ihm das süße Kind getauscht,
Er steht, von Anmut hingerissen,
Derweil sie um die Ecke rauscht.
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Erich Mühsam (1878-1934)
Nacht
Leis' verhallen ferne Geigenklänge,
und ein Köter bläfft gedämpft dazu.
Milde warnt der Vollmond durch die Scheiben -
sieht, wie wir uns lieben - ich und du.
Ach, er gönnt uns unser junges Treiben
und schickt alles, was uns stört, zur Ruh.
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Fleischeslust
Küsse mich! Gib mir die lüsternen Lippen,
himmlische, wilde Hetäre!
Glaubst du, daß sich an unsern Gerippen
Gottes Liebe bewähre?
Glaubst du, es könnte zu ewiger Gnade
jemals die Seele schreiten,
stählt sich der Leib nicht im zeitlichen Bade
ewiger Seligkeiten?
Liebet einander! der Herr hat's geboten.
Tu seinen Willen, du Fromme!
Liebe für Liebende! Tod für die Toten!
Wirf ab deine Hüllen - und komme!
Küsse mich! Eine
Nacht soll uns schaffen
ewigen Himmels Beglücktsein.
In meine Arme! - Laß' Nonnen und Pfaffen
Gott lästernd keusch und verrückt sein!
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Clara Müller-Jahnke
(1860-1905)
Helle
Nächte
Siehst du, wie tief schon die Sonne steht
und wie so rot ihr Licht?!
Ob sie in funkelnden Wassern zergeht,
uns beiden stirbt sie nicht.
Uns leuchtet die
Nacht, die niedersinkt
und ladet zum letzten Genuß - -
und unsre lebendige Seele ertrinkt
jauchzend im Schöpferkuß!
Du und ich, wir beide
träumen in trunkner
Nacht.
Von verblaßter Seide
sind wir überdacht.
Ein Flimmern wie vom Tage
fließt um den schwarzen Tann -
eine blasse süße Sage
sieht uns lachend an.
Sie singt: »wenn zwei sich finden,
die sich von je gehört,
ein Leuchten soll es künden,
das keine
Nacht zerstört.
Ein Singen soll es sagen,
das nicht im Sturme zerrinnt« -
und in den Syringenhagen
säuselt Mittsommerwind.
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Wolfgang Müller von
Königswinter (1816-1873)
Ueber
Nacht
Wie hat noch gestern in fröhlichem Schein
Der Himmel gefunkelt, die Erde gelacht!
Ueber
Nacht da brach ein Frost herein,
Hat Himmel und Erde düster gemacht.
Ueber
Nacht, über
Nacht,
Wer hat es gedacht?
Hat Himmel und Erde düster gemacht.
An der Linde gestern nannt' ich sie mein,
Wir ruhten umschlungen, vom Baum überdacht!
Ueber
Nacht da brach ein Frost herein,
Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.
Ueber
Nacht, über
Nacht,
Wer hat es gedacht?
Heut' hab' ich die Stunden mit Warten verbracht.
Ich gab ihr gestern die Rose rein,
Sie ward von Düften und Farben entfacht;
Ueber
Nacht da brach ein Frost herein,
Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.
Ueber
Nacht, über
Nacht,
Wer hat es gedacht?
Heut' find' ich Dornen statt blühender Pracht.
O gestern die Schwüre: du mein, ich dein!
Ich glaubt' an der Treue ewige Macht!
Ueber
Nacht da brach ein Frost herein,
Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
Ueber
Nacht, über
Nacht,
Wer hat es gedacht?
Vorbei! - O nimm dich vor Liebe in Acht!
_____
In der
Nacht
In der
Nacht, in der
Nacht - wie so süß es sich lauscht,
Wo die Linden duften, der Springquell rauscht,
Wenn drüben im Hause die Thüre klirrt,
Und ein Licht durch die mächtigen Fenster irrt!
Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
In der
Nacht, in der
Nacht!
In der
Nacht, in der
Nacht - und es schallet ein Tritt,
Und es rauschet ein Kleid und das Herz schlägt mit!
O Bangen, Verlangen, o ängstliche Lust!
Wir fliegen und liegen uns Brust an Brust!
Und im Garten da flötet die Nachtigall sacht,
In der
Nacht, in der
Nacht!
In der
Nacht, in der
Nacht - und Mund an Mund
Und Herz an Herz! du selige Stund'!
Und das Flüstern und Kosen! - Ich dein, du mein!
Bis der Osten sich röthet, da flieht sie hinein.
Und im Garten, da flötet die Nachtigall sacht,
In der
Nacht, in der
Nacht!
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Wilhelmine Mylius (um
1846)
Wunsch und Gruß
Wenn immer doch Mondschein blieb'!
Ich blickte all' Abend so gerne
In den Mond und die goldenen Sterne,
Und dächte dabei in die Ferne:
Gut'
Nacht, gut'
Nacht, mein Lieb! -
Wenn immer doch Mondschein blieb'!
Und somm'rige Abendmilde!
Und im Herzen die schönen Gebilde!
Wie froh grüß' ich über Gefilde:
Gut'
Nacht, gut'
Nacht, mein Lieb! -
Wenn immer doch Mondschein blieb'!
Wie flimmert's am Himmelsraume,
Wie zittert's im Wasserschaume,
Wie lispelt's so halb noch im Traume:
Gut'
Nacht, gut'
Nacht, mein Lieb! -
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Anton Noder (Ps. A. de
Nora) (1864-1936)
Träume
Schön wie Dein Lächeln kam die
Nacht
Mit Flügeln, weich wie Deine Wangen
Und schwebte an mein Lager sacht
Und hielt mich, süß wie Du, umfangen.
Und sah mir schweigend ins Gesicht
Mit Augen dunkel wie die Deinen,
Und ließ der Träume mildes Licht
In meine müde Seele scheinen.
Und meine Seele schloß sich zu
Wie eine Ros' im Mondesschimmer -
Ob es die
Nacht war oder Du,
Die mich geküßt - ich weiß es nimmer ...
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Hermann Oelschläger
(1839-1908)
Denkst du noch jener
Nacht?
Denkst du noch jener
Nacht? Im Spätherbst war es schon,
Die Rose war verglüht, die Schwalbe war entflohn
Nach einer Heimat warm und milde;
Sogar das ernste Kind, die Aster, lag im Staub
Und nur die Dahlie noch, des Herbstes letzter Raub,
Stand einsam prangend im Gefilde.
Mit allem Schmucke ging zu Ende jäh das Jahr
Und dennoch floß die Luft so weich, so wunderbar
Und warm vom blätterleeren Hügel,
Als hab' zum zweitenmal ein Lenz verheißungsvoll
Zur Erde sich verirrt, die neu erblühen soll
Im vollen Weh'n thauschwerer Flügel.
Denkst du noch jener
Nacht? Ein Meer von Sternen floß
Bewegt am Himmel hin; aufblitzend, zitternd goß
Der Glanz sich auf die Erde nieder.
In blauer Wölbung lag der Himmel ausgespannt,
Dem Silberschilde gleich, den eines Riesen Hand
Ausstreckt zum Schutz der müden Glieder.
Viel tausend Lichtern gleich und wechselvollen Scheins
Zog Stern um Stern dahin und wieder doch in Eins
Schlug all die Strahlensaat zusammen.
Und um uns tiefe
Nacht, als sei die Erde nichts
Als nur der dunkle Grund von jenem Meer des Lichts,
Das oben wogt in ew'gen Flammen.
Da plötzlich zuckt's im Ost empor am Tannenhag,
Ein Silberstreif erglüht, als käme schon der Tag,
Als wollt' das Licht das Licht verdrängen.
Und herrlich steigt es auf - so zieht ein König ein -
Und ungehemmt ergoß der reiche Vollmondschein
Sich zu den waldbekränzten Hängen -
Und sank ins Thal. Doch dort, wie hinter einem Flor,
Hob sich in Duft gehüllt die alte Stadt empor
Mit Giebeln, Mauern, Thurm und Zinnen.
Der Brücke stolzes Joch schien in die Luft gebaut,
Nur an die Pfeiler schlug mit geisterhaftem Laut
Des Stromes unablässig Rinnen.
Ein holdes Spiel begann. Denn auf den Wellen war
Ein Glitzern, Funkeln, Sprüh'n, als ob der Sterne Schaar
Hinabgetaucht sei in die Fluthen;
Und aus den Häuserreih'n den Strand entlang durchbrach
Manch grelles Licht die
Nacht und auf den Wassern lag
Der Wiederschein der rothen Gluten.
Und feiernd schlief die Welt; kein Hauch schlug an das Ohr,
Tiefschweigend lag die Flur, die sich zuletzt verlor
In graue, dämmerhafte Fernen,
Bis plötzlich in das Lied, das rauschend kam vom Strom,
Einfiel ein ernster Klang hoch von Sankt Peters Dom,
Ein Nachtgruß zu den bleichen Sternen.
Hinzitterte der Schall - denkst du noch jener
Nacht?
Den zagen Druck der Hand erwiedertest du sacht,
Von holder Röthe übergossen.
Und all der Zauber rings, so wundersam und weich,
Und all der Märchenduft kam doch nicht jenem gleich,
Den deine Liebe mir erschlossen.
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Betty Paoli (1814-1894)
In solcher
Nacht
Es winkt der Mond aus blauen Fernen
Hernieder seinen Geistergruß,
Die Erde schickt den Himmelssternen
In duft'gen Seufzern Kuß auf Kuß.
In solcher
Nacht war's, wo die Hülle
Mir von dem jungen Auge fiel,
Wo ich der Liebeswonnen Fülle
Zuerst geträumt als Lebensziel,
Wo ein gestaltlos heißes Ahnen,
Tief mit geheimnißreichen Mahnen,
Die Seele mir zuerst durchfacht
In solcher
Nacht.
In solcher
Nacht war's, wo ich, trunken,
Zuerst an deiner Brust geglüht,
Wo deine Schwüre Gottesfunken
In's tiefste Wesen mir gesprüht,
Wo, um im Herzen mir zu liegen,
Vom ew'gen Thron herabgestiegen
Der Seligkeiten reichste Macht
In solcher
Nacht.
In solcher
Nacht ist's nun, daß, trübe
Mein Geist der Schätze all gedenkt,
Des Glück's, des Hoffens und der Liebe,
Die längst ins Meer der Zeit versenkt.
Was ich geahnt, was ich empfunden,
Was ich besaß, es ist verschwunden
Bis auf den Schmerz, der einsam wacht
In solcher
Nacht.
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Erscheinung
So hab' ich wieder dich gesehen
So ernst, so wahrhaft und so mild,
Daß aus dem Grabe zu erstehen
Mir schien vergangner Zeiten Bild.
O theurer Schatten todter Liebe!
O geisterhafte Traumgestalt,
Die durch der jetz'gen Stunden Trübe
Versöhnungsmild, vermittelnd strahlt!
Weil nächt'ges Dunkel, nächt'ges Schweigen
Der Schmerz in meine Brust gebracht,
Seh' ich dich still zu mir dich neigen;
Denn Geister wandeln nur bei
Nacht.
So mag die
Nacht denn ewig währen,
Die sehnsuchtsvoll mein Wunsch erkürt,
Weil sie dem Blick voll Glut und Zähren
Doch Deinen Geist vorüberführt.
So mag die
Nacht denn ewig dauern.
Da doch hinfür kein Erdentag
Aus Deinen tiefen Todesschauern
Zum Leben dich erwecken mag!
Wie sollt' ich vor dem Tag nicht beben?
Er weckte nicht mein todtes Glück
Und scheuchte selbst sein Traumesleben
In's kalte, dunkle Grab zurück.
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Ludwig Pfau (1821-1894)
Gute
Nacht
Die Erde schloß die Augen zu,
Die Sterne halten Wacht,
Und alle Thäler stehn voll Ruh -
Mein Liebchen, gute
Nacht!
Die Wasser rauschen fort von hier,
Die Lüfte ziehn mit Macht;
Sie bringen meine Grüße dir:
Mein Liebchen, gute
Nacht!
Schlaf süß und wohl, mein fernes Kind!
Auf deinem Kissen wacht,
Auf deine Augen sinket lind
Des Liebsten gute
Nacht.
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Ständchen
Mein Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die
Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.
Es kommt aus Kelch und Dolde
Ein Duft dir zugefacht:
Schlaf wohl! Du Wunderholde,
Du Holde!
Du Glut der kühlen
Nacht.
Und zarte Liebestöne
Umschweben dich sanft und sacht:
Schlaf wohl! Du Wunderschöne,
Du Schöne!
Du Herz der stillen
Nacht.
Und Sterne mit mildem Scheine,
Sie winken von hoher Wacht:
Schlaf wohl! Du Wunderreine,
Du Reine!
Du Trost der dunkeln
Nacht.
Du Lieb! all ihre Grüße
Schickt dir die Frühlingsnacht:
Schlaf wohl! Du Wundersüße,
Du Süße!
Gehüllt in deine Pracht.
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Hermione von Preuschen
(1854-1918)
Nachtlieder
I.
Sterbeglöckchen
Die Gletscherwelt
versank im Nebelmeer,
Dunst hüllt die Sterne, und ein kühler Hauch
vom Fenster weht, - doch Herz an Herzen ruhend,
flammt es wie Feuer heiß von Mund zu Mund
und Glutenströme wogen zwischen uns,
von schwülem Heliotropenduft durchtränkt.
Aus unsern Seelen tönt ins tiefe Schweigen
ein Wundersang, - das hohe Lied der Liebe.
Doch jählings schreckst du auf mit irrem Ruf:
"das Sterbeglöckchen, hörst dus, hörst dus gellen?"
Schrill klingt es in die
Nacht, so hart und grell.
Vom Fenster weht es kälter und es rieselt
ein Schauer eisig über unsere Glieder.
II.
Adam und Eva
Und wieder war es
Nacht, die Firnenhäupter
erloschen nach dem Brand des Alpenglühens,
schienen nur matt noch in das All zu strahlen,
ins dunkle All, wie mit Opalgefunkel.
Am Herzen lag ich dir in Wonneschauern.
Vergessend alles, eins das andere fühlend,
durchglühts uns siedend bis zum letzten Nerv.
Da huscht es wie ein Schatten über dich
und deine lichte Stirn erlischt in
Nacht.
Und draußen war es, als wenn Geisterhand
das weiße Leuchten von den Firnen streifte,
sie ragten starr und tot.
Am Fenster standest du, von höherer Macht
emporgezogen sacht aus meinen Armen.
Magnetisch aber zog es dir mich nach,
denn deine Arme griffen in das Dunkel
und suchten mich und fanden mich und enger
und immer enger standen wir umschlungen.
Wir fühltens wie von wilden Wellen kreisen
in unserem Blut.
Wohl eine Stunde standen wir im Bann
von rätseltiefer Elemente Macht.
Mir kams zu Sinn, - das erste Menschenpaar,
Adam und Eva vor dem Sündenfall -
da riß ich mich zerbrochen von dir los.
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Hoch über uns
Könnt ich bei dir, von deinem Arm umschlungen,
dir ganz die deinerfüllte Seele zeigen,
und dann, erlöst, wenn Gram und Leid bezwungen,
hinüberdämmern in das große Schweigen.
Nacht um uns her, - dein Blick wie Wetterleuchten
in meine Augen grell herüberzündend,
mit vollem Liebestrank die Lippen feuchten,
das tiefste Menschensein erschöpfend saugen.
Und dann … von Wunder still zu Wunder gleite
leise mein Ich, - vom Dunkel in das Dunkel,
das letzte Wissen: - endlich dir zur Seite,
hoch über uns der Venus Sterngefunkel.
_____
In der
Nacht
Von meinem Bette fahr' ich oft empor,
Aufschreckend jäh' aus fieberirrem Traume,
Weil es mir däucht, es dräng' aus weitem Raume
Ein zages, scheues Klopfen an mein Ohr;
Du ständest draussen
Im Windessausen,
Du trätest licht aus tiefster
Nacht hervor.
Mit dir zurück
Kehrte mein Glück
Und mit Dir jede höchste Erdenwonne.
Dann lehn' ich wachend, einsam in den Kissen,
Um mich das öde Dunkel ohne Stern,
Und lausche athemlos, ob nicht von fern
Auf's Neu' Dein Pochen tönt in Finsternissen.
Mich äfften Träume,
Sie werden Schäume;
Vor meiner Thür kein Klopfen tönt an's Ohr.
Nie kommt zurück
Mit Dir das Glück
Und nie und nimmer kost' ich Erdenwonne.
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Wie ein assyrischer König
Wie ein assyrischer König
kamst du in purpurner
Nacht,
schmiegtest die bräunlichen Glieder
zärtlich an Lilienpracht.
Deine metallische Stimme
rief mich ins Leben zurück,
wie ein assyrischer König
kommst du und zwingst mich ins Glück.
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Robert Prutz (1816-1872)
Nachts
Löscht, o löscht, ihr Himmelslichter,
Die ihr wandelt durch die
Nacht,
Schließ' in deinen Arm mich dichter,
Liebste du, in Zauberpracht:
Daß ein seliges Vergessen
Mir die heißen Schläfen kühlt,
Alles, was ich sonst besessen,
Weit mir aus der Seele spült.
Nur ein einz'ger Stern soll leuchten,
Mächtig wie der Sonne Glühn;
Deine Augen sind's, die feuchten,
Die in holden Flammen sprühn!
Und wenn sich die Lider neigen,
Leis von Schlummer übermannt,
Sagt dein Kuß mir noch mit Schweigen,
Was der Mund nur halb gestand!
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Bei der
Nacht
Warum duften doch die Rosen
So viel schöner bei der
Nacht?
Warum schmecken doch die Küsse
So viel süßer bei der
Nacht?
Wenn durch braune Dämmerungen
Hell der Liebsten Auge lacht,
Und wie eines Schwanes Fittich
Leuchtet ihrer Glieder Pracht.
Ja, der Tag gehört den Menschen,
Aber Gottes ist die
Nacht!
Klar und mild, wie Auge Gottes,
Tausend Sterne sind erwacht;
Durch die Thäler, durch die Höhen
Weht's wie Mailuft mild und sacht,
Und den Saum von seinem Kleide
Hörst du rauschen durch die
Nacht.
Was die Seele dir belastet,
Was dein Auge weinen macht,
Leg' es ab denn, müder Wandrer,
In den frommen Schoß der
Nacht.
Knospen werden sich erschließen,
Früchte reifen über
Nacht,
Und die Thränen sind getrocknet,
Ehe du noch aufgewacht.
Darum duften auch die Rosen
So viel schöner bei der
Nacht,
Darum schmecken auch die Küsse
So viel süßer bei der
Nacht:
Wenn durch braune Dämmerungen
Hell der Liebsten Auge lacht,
Und du fühlst an ihren Küssen:
Gott und deine Liebe wacht.
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Robert Reinick
(1805-1852)
Komm in die stille
Nacht!
Ständchen
Komm in die stille
Nacht! -
Liebchen, was zögerst du?
Sonne ging längst zur Ruh',
Welt schloß die Augen zu,
Rings nur einzig die Liebe wacht!
Liebchen, was zögerst du?
Schon sind die Sterne hell,
Schon ist der Mond zur Stell',
Eilen so schnell, so schnell!
Liebchen, mein Liebchen! drum eil' auch du!
Sonne ging längst zur Ruh'! -
Traust wohl dem Schimmer nicht,
Der durch die Blüthen bricht?
Treu ist des Mondes Licht.
Liebchen, mein Liebchen, was fürchtest du?
Welt schloß die Augen zu!
Blumen und Blüthenbaum
Schlummern in süßem Traum,
Erde, sie athmet kaum,
Liebe nur schaut den Liebenden zu! -
Einzig die Liebe wacht,
Ruft dich allüberall;
Höre die Nachtigall,
Hör' meiner Stimme Schall,
Liebchen, o komm in die stille
Nacht!
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Der Himmel im Thale
Der Himmel da oben, der freut mich sehr,
Möcht' wohl einmal hinauf;
Doch schloß kein Engel mir bisher
Dazu die Pforten auf.
So sucht' ich denn auf Erden hier
Mit offner Thür einen andern dafür,
Das ist im Thal das Försterhaus,
Da geh' ich täglich ein und aus.
Du Himmel im Thal,
Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!
Der Himmel da oben, der ist zwar schön,
Doch glänzt er fast zu hell,
Und wenn die Sonne muß untergehn,
Kommt schwarz die
Nacht zur Stell'.
Zu dunkel ist mir die schwarze
Nacht,
Die grüne
Nacht, das ist eine Pracht!
Die Waldesnacht, das ist meine Freud',
Da bin ich genesen von allem Leid!
In grüner
Nacht
Du Himmel im Thal,
Sei gegrüßt, sei gegrüßt viel tausendmal!
Am Himmel da oben flimmern zwar
Viel Sterne licht und schön;
Mein Himmel da unten hat auch ein Paar,
Tief dunkel anzusehn,
Doch wenn sie blinken in grüner
Nacht,
Der Sonne Pracht nicht heller lacht;
Und blinken sie einem in's Herz hinein,
Da kann man fürwahr schon selig sein.
Ihr dunkeln Stern'
In grüner
Nacht,
Du Himmel im Thal,
Seid gegrüßt, seid gegrüßt viel tausendmal!
_____
In dem Himmel ruht die Erde
Ständchen
In dem Himmel ruht die Erde,
Mond und Sterne halten Wacht,
Auf der Erd' ein kleiner Garten
Schlummert in der Blumen Pracht. -
Gute
Nacht, gute
Nacht!
In dem Garten steht ein Häuschen,
Still von Linden überdacht;
Vor dem kleinen Erkerfenster
Hält ein Vogel singend Wacht. -
Gute
Nacht, gute
Nacht!
In dem Erker schläft ein Mädchen,
Träumet von der Blumen Pracht;
Ihr im Herzen ruht der Himmel,
Drin die Engel halten Wacht. -
Gute
Nacht, gute
Nacht!
_____
Sommernacht
Der laute Tag ist fortgezogen,
Es kommt die stille
Nacht herauf,
Und an dem weiten Himmelsbogen
Da gehen tausend Sterne auf,
Und wo sich Erd' und Himmel einen
In einem lichten Nebelband,
Beginnt der helle Mond zu scheinen
Mit mildem Glanz in's dunkle Land.
Da geht durch alle Welt ein Grüßen
Und schwebet hin von Land zu Land;
Das ist ein leises Liebesküssen,
Das Herz dem Herzen zugesandt,
Das im Gebete aufwärts steiget,
Wie gute Engel, leicht beschwingt,
Das sich zum fernen Liebsten neiget
Und süße Schlummerlieder singt.
Und wie es durch die Lande dringet,
Da möchte Alles Bote sein;
Ein Vogel es dem andern singet,
Und alle Bäume rauschen drein;
Und durch den Himmel geht ein Winken
Und auf der Erde nah und fern,
Die Ströme heben an zu blinken,
Und Stern verkündet es dem Stern.
O
Nacht, wo solche Geister wallen
Im Mondenschein, auf lauer Luft!
O
Nacht, wo solche Stimmen schallen
Durch lauter reinen Blüthenduft!
O
Sommernacht, so reich an Frieden,
So reich an stiller Himmelsruh':
Wie weit zwei Herzen auch geschieden,
Du führest sie einander zu!
_____
Anton Renk (1871-1906)
Dann kam die fliederduftdurchströmte
Nacht
Und um die Lilien die Falter flogen
Und über uns der große Sternenbogen
Ließ niederträufen seiner Lichter Pracht,
Und es erklang das älteste der Lieder:
"Ich liebe dich" .. "Und ich .. ich lieb' dich wieder."
Ein stiller Kuß, so heilig wie Gebet,
Das feierlich durch alle Himmel weht,
Bei dessen Kommen sich die Engel neigen,
Und Gott sich hebt von seines Thrones Pracht
Und spricht: Es sind zwei Seelen sich zu eigen,
Es ist der Liebe Weltgesetz vollbracht.
_____
Weißt du? – Nach jenem Sonnwendtage
Die Blütenpracht am Waldesrand,
Der jungen Herzen schöne Frage?
Wir gingen beide Hand in Hand -
Und wie in einer Frühlingssage
Voll Glück und Glanz das ganze Land.
Der Mond versilberte die Erlen,
Es fing ein großes Leuchten an -
Die heilige
Nacht! – Wie helle Perlen
Die Sterne von dem Himmel sah'n.
Und Feuer flammten, regungslose,
Herab vom dunkeln Felsenknauf.
Am Busch der wilden Heckenrose
Die Funkenkäfer flogen auf.
Und weißt du, was ich leise sagte,
Du blondes Kind? – Ich hab dich gern.
Und weißt du, was ich leise fragte?
Ich fragte: Willst du einen Stern?
Dann hab' ich aus der hellen
Sonnwendnacht
Auf meiner Hand ein Sternlein dir gebracht.
_____
Rainer Maria Rilke
(1875-1926)
Wenn die
Nacht sinkt...
Rings lag schon die
Nacht so barmherzig und mild,
des Tages Getön war verklungen:
wir gingen selbander durchs weite Gefild
und hielten uns selig umschlungen.
Da war es durchs Herze so jauchzend und wild
und doch so besel'gend gedrungen ....
Doch nun - längst entschwunden das liebliche Bild, -
die Saite, die volle, zersprungen .....
Doch immer noch steht es mit himmlischer Macht
in hoffender Brust mir geschrieben;
das Feuer wird mächtig aufs neue entfacht,
vom Sturme der Weihe getrieben.
Und wenn - so wie damals - die liebliche
Nacht
sich senkt von den Bergen dort drüben,
da glänzet im Aug eine Träne mir sacht
und ich träume - vom Lieben, vom Lieben!
_____
Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Ich habe an deiner Brüste Altar
Die
Nacht bei dir durchsonnen.
Ich träumte unendliche Wonnen
Im Zauberdufte aus deinem Haar.
Den Blütenstaub der Jugend am Leib,
Lagst du mit fiebernder Stirne
Als Fremde bei mir – – eine Dirne,
Und warst ein halberblühtes Weib.
Und Tränen sah ich, so heimatfremd,
So sündenschön verrinnen.
Sie netzten ein schneeiges Linnen.
Das glich einem Totenhemd.
_____
Ein
Liebesnacht-Wörtchen
Ja – – ja! – – ja!! – – ja!!! – –
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist
Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein Röschen
Mitgebracht.
_____
Anna Ritter (1865-1921)
Das hat die
Sommernacht gethan
Die
Nacht ist keines Menschen Freund -
Was flüsterst du von Treue?
Der Mond verblaßt, der Morgen graut ...
Am Bette sitzt die Reue.
Die Reue ist ein häßlich Weib
Und möcht' mich wohl verderben -
Reiß mir das Herz nicht aus dem Leib,
Ich will ja noch nicht sterben.
Mein Blut ist heiß, dein Mund so süß ...
O Gott, wie kannst du küssen!
Das hat die
Sommernacht gethan,
Daß wir versinken müssen.
_____
Du und ich
Du und ich … und über uns Beiden die
Nacht!
Neige die Stirn, damit ich dich küssend umfange.
Neige das Ohr – ich raune dir Süßes hinein,
Wonne und Weh, so wie's mir emporblüht im Herzen. -
Du und ich … Es ward uns nichts Andres bescheert
Als dieses Glück, das wir der Sonne verbergen.
Sieh, schon senkt sich abwärts der einsame Pfad -
Selige Lust steht lächelnd im Thale des Todes.
_____
Heilige Stunde
Ich denk so oft an jene
Nacht,
Da's über uns herniederbrach,
So athemraubend, riesengroß,
Daß keiner von uns Beiden sprach.
Wir maßen uns, wie Feinde thun,
Es war ein Ringen bis aufs Blut
Und dann hat doch, besiegt und still,
Mein Haupt an deiner Brust geruht.
Es war kein Jubel zwischen uns,
Nur ein verhalten, wortlos Flehn:
"Gott, laß uns rein und stark und groß
Aus dieser Stunde Thoren gehn."
_____
Ballnacht
Ich hab' getanzt! Von einem Arm zum andern
Warf mich des Tanzes ungestüme Lust,
Die ganze
Nacht.
Und dennoch war's ein wohlbehütet Wandern,
Denn heimlich und mir selber unbewusst
Hast du gewacht,
Daß mir das Treiben nicht den Sinn verwirrte,
Wie eine Mutter trugst du die Gedanken
Still in dein Haus,
Daß auch nicht einer sich von dir verirrte;
Da ruhten sie, in all dem bunten Schwanken,
Sich selig aus.
Nun, da es Morgen ist und alle Leute
Verdrossen aus verwachten Augen sehen
Und müde sind,
Geh' ich umher in einer stillen Freude,
Als sei mir wunder was zur
Nacht geschehen -
Recht wie ein Kind.
_____
In verschwiegener
Nacht
In verschwiegener
Nacht
Hab' ich deiner gedacht
Und mit sehnendem Gruß
Dich gegrüßet.
Hab' geweint und gelacht
In der heimlichen
Nacht
Und mit seligem Kuß
Dich geküsset.
Als das Morgenlicht kam
Und die Träume mir nahm,
Hab' ich einsam die Wonne
Gebüßet.
_____
Sehnsucht nach dem Geliebten
Um dich hab ich die ganze
Nacht
In Weh durchweint, in Noth durchwacht,
Um dich begrüßt mit heißem Schlag
Mein Herz den grauen Wintertag -
Ach, wirst du kommen, Liebster mein,
Die Sonne dieses Tags zu sein?
Das Leben rinnt uns durch die Hand,
Ist jeder Tag ein Körnlein Sand,
Das häuft sich an und lastet schwer,
Darunter blüht kein Hoffen mehr -
O komm, so lang der Sonnenschein
Uns noch umleuchtet, Liebster mein!
_____
Emil Rittershaus (1834-1897)
Nach der
Nacht
Es rauscht der Wald in leisem Psalme,
Wenn Morgenroth die Wipfel säumt,
Und es erzählen sich die Halme,
Was sie in dunkler
Nacht geträumt.
Wenn kaum der letzte Stern verschwunden,
Dann jubeln Vöglein fern und nah,
Daß nach den sonnenlosen Stunden
Auf's Neu' der Glanz des Morgens da. -
Ich aber möchte gern verzichten
Auf Morgenglanz und Sonnenpracht,
Und gäbe gern den Tag, den lichten,
Für eine süße Stund' der
Nacht!
_____
Im Mai
Im schönen Mai, im schönen Mai
Der Vöglein Lieder schallen.
O Zeit der Lust und Blüthenpracht!
Es klingt die
Nacht, die ganze
Nacht,
Das Lied der Nachtigallen!
Im Liebesmai, im Liebesmai
Durchzieht die Brust ein Klingen,
Ein Frühling licht im Herzen lacht.
Ich möcht' die
Nacht, die ganze
Nacht,
Von sel'ger Liebe singen!
Doch, wär ich wie die Nachtigall
In grünen Waldesräumen,
Ich hätt' kein einzig' Lied erdacht!
Ich wollt' die
Nacht, die ganze
Nacht
Im Arm der Liebe träumen!
_____
Hermann Rollett
(1819-1904)
In der Wehmuth
Nacht
Glühtest in der Wehmuth
Nacht
Mir als helle Leuchte,
Trocknetest mit Liebesmacht
Mir das Aug', das feuchte.
Und als in des Kampfes Schmerz
All mein Lenz verglühte,
Fielst du mir an's bange Herz
Licht als Frühlingsblüthe.
_____
In strahlender Früh'
Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh'!
Wie hast du geruht die vergangene
Nacht?
O höre, mir war's, als ob hell mich umglüh'
Ein Traum mit unendlicher Zaubermacht!
Mir war es, als ruhte ein Auge auf mir -
Ein Aug' mit unsäglich liebendem Blick,
Und der Blick, o der war, als wär' er von dir,
Verkündend mein überselig Geschick.
Mir war es, als läg' meine zitternde Hand
An einem erbebenden Herzen fest,
Und es war mir im Traum, als ob deine Hand
Die meine dir zitternd an's Herz gepreßt.
Mir war es, als ging' ein seliger Hauch
Aus in rosiger Reinheit erglühendem Mund,
Und es war mir, als wär's dein Athem auch
Der ein Wort mir geflüstert aus Herzensgrund.
Mir war's, als durchzuckte die Lippen mir
Ein Strahl, von ewiger Lieb' entzückt,
Und mir war es im Traum, als ob ich dir
Den Kuß der Lieb' auf die Lippen gedrückt.
Es war mir, als ob eine Rose erblüh' -!
Ich weiß nicht, ob ich geträumt, ob gewacht; -
Gott grüß' dich, mein Lieb', in strahlender Früh' -
Wie hast du geruht die vergangene
Nacht?!
_____
Otto Roquette (1824-1896)
O laß dich halten, goldne Stunde!
O laß dich halten, goldne Stunde,
Die nie so schön sich wieder beut!
Schau, wie die
Mondnacht in die Runde
All ihre weißen Rosen streut.
Des Tages Stimmen fern verhallten,
Nicht Worte stören, nicht Gesang
Des stillsten Glückes innig Walten,
Nach dem die ganze Seele drang.
So Brust an Brust, so ganz mein eigen,
So halt ich dich, geliebtes Bild!
Es rauscht die
Nacht, die Lippen schweigen,
Und Seele tief in Seele quillt.
Ich bin dein Glück, du meine Wonne,
Ich bin dein Leben, du mein Licht;
Was soll uns Tag, was soll uns Sonne?
Du schöne
Nacht, entflieh uns nicht!
_____
Friedrich Rückert
(1788-1866)
Als ich die Augen schloß,
Sich Schlaf auf mich ergoß,
Da kam dein Augenpaar
Und sah mich an so klar.
Es sah mich an so tief;
Ich schaut' hinein, und schlief.
Es ging ein süßer Schmerz
Mir mitten durch das Herz.
Mich schaut' ich ganz hinein,
In Duft zerfloß der Schein,
Da fühl' ich deinen Hauch
An meinen Wangen auch.
Ich streckte meinen Arm,
Am Busen war mir's warm,
Als lägest du daran;
Wie durft' ich dich umfahn!
Wie ich dich an mich zog,
Wie ich dich in mich sog!
O warst du fern mir da?
So nah' warst du mir ja.
Trug dich der Traum zu mir?
Trug mich der Traum zu dir?
Wir haben diese
Nacht
Beisammen zugebracht.
_____
Wann still die
Nacht auf dunkeln Pfaden schreitet,
Die unterm Mantel trägt die goldnen Sterne,
Und im Gewölk gleich heimlicher Laterne
Der Mond sein wachsend Silberlicht bereitet;
Denk' ich, und meines Auges Thräne gleitet,
Zurück in jener
Nächte schöne Ferne,
Wo er mit seinem lieberglühten Kerne
Auf meinen Liebesgängen mich geleitet.
Wozu, o Mond, mit deinem Strahlenschimmer
Hat dich ein Gott in Lüften aufgehangen,
Als daß die Lieb' in deinem Licht soll wallen?
Die Liebe wallt in deinem Lichte nimmer,
Der Docht in deiner Lamp' ist ausgegangen,
Und deine Scherben laß vom Himmel fallen.
_____
Lessie Sachs (1897-1942)
Föhn in der
Nacht
Es hat ein Föhn sich aufgemacht,
Der heult um's Haus,
Und singt und geigt,
Und weht und schweigt;
Es stürmt die ganze
Nacht.
Es hat ein Schmerz sich aufgemacht,
Der traf mein Herz.
Wo kam er her?
Ich weiss nicht mehr.
Ich bin davon erwacht.
Es hat ein Mann sich aufgemacht.
Ich weiss nicht wo;
Ich weiss nicht wann;
Er kam nie an. -
Ich warte in der
Nacht.
Es hat ein Traum sich aufgemacht,
Der zog vorbei,
Entstand, entwich ...
Und zögernd schlich
Vorüber diese
Nacht.
_____
Vor uns steht die
Nacht
Seit langer Zeit schon suchst Du meine Nähe,
Noch unbewusst und zögernd, wie ich sehe.
Doch näher kommst Du, näher ... bleibe still;
Ich höre Dich. .. da ist ein retardierendes Moment,
Das wie ein ganz verhaltenes piano noch uns trennt,
Sei still ... ich höre Dich, weil ich das will.
Die sanfte Anmut unsrer Zärtlichkeiten,
Die Wort und Blick, und Blick und Wort begleiten,
Solange nichts geschieht, und nichts geschah,
Die untergründig noch, verdeckt, verschwiegen und verhüllt, -
Sind so von werbender und suggestiver Kraft erfüllt,
Dass Du mir schon sehr nah, - gefährlich nah.
Du kommst mir näher, näher ... und die Stunden
Sind abendlich, - doch schon der
Nacht verbunden.
Die
Nacht steigt auf. Crescendo! - Gib nun acht,
Die
Nacht kommt näher, näher kommt die
Nacht. - Elementar
Erwacht die Leidenschaft, gebieterisch und wunderbar,
Apassionata! - Vor uns steht die
Nacht.
_____
Heilige
Nacht
Eis und Kälte kommen wieder,
Und die matte Sonne malt
Blaue Schatten in den Schnee,
Der im zarten Glanz erstrahlt;
Früh senkt sich die
Nacht hernieder.
Vieles müssen wir ertragen. -
In den Wäldern weht ein Wind ...
Still rührt uns ein Zauber an,
Von Maria mit dem Kind,
Wie ein Klang aus fernen Tagen.
Vieles haben wir verloren.
Sei nur still; ein Hauch, ein Traum,
Steigt empor und fängt Dein Herz.
Sanft erklingt ein Wort im Raum:
Diese
Nacht ist auserkoren.
Vieles müssen wir entbehren.
In den Wäldern braust ein Sturm ...
Heilig ist die
Nacht. - Sei still. -
Denn nun läuten hoch vom Turm
Alle Glocken, Gott zu Ehren.
_____
Hugo Salus (1866-1929)
Nachtliedchen
Ich hätte doch heut in der
Nacht,
Aus dem Traume erwacht,
Das kleine Liedchen aufschreiben sollen!
Die
Nacht war selber wie ein Gedicht,
Sie sah mir so innig ins Angesicht,
Daß über die Lider die Tränen mir quollen.
Und dazu sang eine Nachtigall
Mit süßem Schall
Im Garten. Nie wollt' ich's den Dichtern glauben,
Wie süß eine Nachtigall singen kann,
Wie hold ihr Schluchzen erklingen kann
Aus den blühenden, duftenden Taxuslauben!
Und da fiel mir ein ganz kleines Liedchen ein:
Der Mondenschein
War drin und der Sang der Nachtigallen.
Doch war mir so hell und so glücklich zu Sinn,
Und so schrieb ich mein kleines
Nachtlied nicht hin;
Und nun wird es Tag und es ist mir entfallen ...
_____
Stille der
Nacht
Die
Nacht hat tausend Ohren
Und allen sage ich,
Ganz in die
Nacht verloren:
"O Liebste, liebst du mich?"
Die
Nacht hat tausend Ohren.
Du
Nacht, du heiligstille,
Geheimnisvolle
Nacht,
Durch deines Schweigens Fülle,
Ist sie vielleicht erwacht!
Du
Nacht, du heiligstille!
Du
Nacht, was sagt dein Rauschen?
Gib Antwort, hört sie mich?
Andächtig will ich lauschen,
Voll Sehnsucht frag' ich dich,
Du
Nacht, was sagt dein Rauschen?
_____
Max Schaffrath
(1813-1877)
Nächtliche Zusammenkunft
Sie schlichen verstohlen zusammen
In sternenloser
Nacht,
Sie kosten so süß, so traulich
Und glaubten sich unbewacht.
Sie hielten sich liebumfangen,
Eins lag an des Andern Brust;
Sie weinten und wollten sterben
In der lang verwehrten Lust.
Und mögt ihr das Ende wissen,
Das Ende von dieser Stund'?
Er liegt verblutend am Boden,
Sie jammert in Thurmes Grund.
_____
Die
Nacht
Ein stilles Wunder ist die
Nacht,
Der reinen, tiefen Liebe Bild;
Gleich ihr verschwiegen, reich und mild
Und von geheimnißvoller Macht.
Sie faßt dich ganz und schließt die Welt
Vor den erregten Sinnen zu,
Daß ungestört in milder Ruh
Das Herz in sich die Einkehr hält.
Wie wird die Seele leicht und weit!
Von jeder Erdenschlacke rein
Nimmt sie den Himmel in sich ein
Und fühlt in sich Unendlichkeit.
_____
Leopold Schefer
(1784-1862)
Nacht
Wenn ich Nachts an der Brust der Geliebten
Selig-ermüdet ruhe, berauscht
Und gestärkt von dem Kelche der Liebe,
Und die feiernde duftige
Nacht
Ihrer hehren goldnen Gestirne
Einem Reigen nach dem andern,
Immer glänzender, goldener Jeden,
Leis herauf vor meinen erstaunten
Augen und langsam vorüber führt —
Weine ich auf der Brust der Entschlafnen:
Die Erde, die wunderbar alte,
Schwebend mit Meeren und Inseln und Bergen,
Mit ihren Todten und heiligen Trümmern,
Jetzt erleuchtet, jetzt düster, im Himmel
Wie ein Lotus unsterblich dahinschwimmt,
Und wie gefangene Bienen im Mohnhaupt
Wir in den schwimmenden Zaubergärten —
Weine ich, bis die erschrocken Erwachte
Zärtlich mich in den Schlummer gekoset —
Träume ich, bis die Gestirne gesunken
Oder zerglänzt in die Morgenröthe,
Bis sie, mich küssend, von mir geschlichen
Und aus dem rosigen Frühlingsgefild
Voller Thau und Glanz und Gesang
Ihres Jünglinges Haar mit frischen
Veilchen bekränzt, die Morgensonne
Ihr und der Erde mich wiedergegeben —
Und ich ihr wieder am Busen weine!
_____
Die Königin der
Nacht
Geliebte! Wie du mir am Tage
So tiefe Ruhe gönnst! Wie leichbedacht,
Wie glanzumhüllt,
Wie reizversteckt
Dein stilles Bild
Mich kaum erweckt,
Und leis verschwebt in heller Erdenpracht!
Zwar hold und lieb, und schön und gut,
Erregst du mir nicht Sinn und Blut —
Mir selbst zu leben hab' ich Muth!
Doch, holde Zauberin, o sage,
Wie gehst du hell mir auf, beginnt die
Nacht!
Wie reizerfüllt,
Wie süßentdeckt
Dein leuchtend Bild
Mir Gluth erweckt!
Wie du nun ausübst alle Tagesmacht!
Umglänzt von Luna's Silberschein,
Ach, ist nichts Andres mehr noch mein —
Du lebst mir nur, ich bin noch dein!
So steht verschlossen über Tage
Der Blumen Mond: die Königin der
Nacht!
Ihr Rosenmund,
Ihr Aug' erwacht,
Ihr Kelch wird kund
In holder
Nacht,
Wenn keinen Reiz die Sonne mehr bewacht;
Ihr duftig Herz, von Gluth durchfacht,
Geht auf, und steht voll Himmelspracht
Im schönsten Flor um
Mitternacht!
_____
Hans Schmidt-Kestner
(1892-1915)
Mondnacht
Wenn wir durch die Dünen gehn,
Liebste mein,
Sterne schon am Himmel stehn, -
Mondenschein, -
Rauscht leise nur das Meer,
Trägt uns alte Lieder her.
Und die Lieder seltsam klingen,
Liebste, du,
Nixen, glaube ich, sie singen,
Hör' nur zu! -
Ach wie ist die
Nacht so still,
Alles nur noch schlafen will.
Unsre Hände haben sich verschlungen,
Liebste, wie?
Eben Seufzer sind zu mir gedrungen,
Hörst du sie?
Kleine, hast wohl nicht gedacht,
Wie verräterisch die
Nacht!
Unsre Lippen werden sich nun finden.
Liebste, ja,
Deiner Liebe Tiefen zu ergründen,
Bin ich nah!
Sieh, da taucht der Mond ins Meer! -
Stille, Dunkel rings umher .....
_____
Emil Prinz von
Schönaich-Carolath (1852-1908)
Mein Leben war ein schwerer Streit,
Mein Herz ward leer und hart gemacht,
Irrend und krank, vom Frieden weit; -
Rings war es
Nacht
und tiefe
Nacht.
Doch als sie sprach: "Ich liebe dich,"
Und sie in meinem Arme lag,
Da war's, als ob ein Schleier wich, -
Es wurde Tag und lichter Tag.
_____
Karl Siebel (1836-1868)
Es schien ein Stern
Es schien ein Stern in meine dunkle
Nacht
Und sieh: ein Heer von Sternen war erwacht;
Ein Frühlingsleben und ein Wonnesprühn
Erwachte mild bei dieses Sternes Glühn.
Des Lebens Wolken zogen schwer einher,
Der eine Stern – er scheinet nimmermehr,
Und einsam träumend von geliebter Pracht,
Steh' ich ein Wandrer in der dunklen
Nacht.
O holdes Licht – geliebtes Angesicht,
Mein Sehnen, Träumen läßt dich ewig nicht,
Durch Schicksalswolken fleh' ich auf zu dir:
O holdes Licht! warum erschienst du mir?
_____
Jegor von Sivers
(1823-1879)
Der letzte Sonnenstrahl und die
Nacht
Auf der Wolke dort entschlummern
Will der letzte Sonnenstrahl,
Und heran in bitterm Kummer
Schwebt die
Nacht so bleich und fahl,
Und sie knieet händefaltend
Hin zum Untergange, kaum
Athmet sie und flehet bange,
Und berührt der Wolke Saum.
Doch den Strahl erreicht sie nimmer,
Denn er fliehet ihre Spur.
Weinend wallt die
Nacht und düster
Durch die goldbesäte Flur.
Jener Sonnenstrahl, o Mädchen,
Jener letzte, ist dein Bild,
Und die
Nacht mit stummem Beten
Ist mein Herz von Gram erfüllt.
_____
Ilse von Stach
(1879-1941)
Zeit und Weile
Alle Zeit und Weile nimmt ein Ende.
Ach, die wonnevollen Stunden gleiten
wie die bittren bald in Dunkelheiten -
so die Zeit, da deine lieben Hände
mein Geschick umspannten, ging zu Ende.
Ja, die erdenschönste
Nacht von allen
unaufhaltsam ist sie doch gleich denen,
die da ziehn im Schleppgewand der Tränen,
neidisch fahlem Dämmerlicht verfallen.
Auch die erdenschönste
Nacht von allen.
Nur die Nebel, die im Tale brauen,
und die Wolken, die in schwarzen Strängen
regenschwer vom Himmel niederhängen,
zögern wohl heran das Tagesgrauen,
das kein Glücklicher begehrt zu schauen.
Nebel, Wolken, lagert breit und breiter,
zieht euch um die Berge eng und enger, -
gebt um einen Kuß und Pulsschlag länger
uns die
Nacht, die süße, zum Begleiter,
einen Atemzug, ein Lächeln weiter.
Zeit und Weile nimmt gewiß ein Ende,
denn die Stunden rollen. Schmerz der Schmerzen,
komm, und habe Raum in meinem Herzen.
Die mich hielten, die geliebten Hände
lösten sich und alles ging zu Ende.
_____
Carl Sternheim
(1878-1942)
Nacht am Krankenbett
Ich leg dir Sterne in dein Mädchenbett,
Sie werden sich an deine Reinheit schmiegen
Und lächelnd da wie bei Verwandten liegen.
Und sinke glücklich nieder im Gebet:
Du bist ein gutes Kind, dein Herz ist rein,
O dieses ganze milde Jungfrausein.
Sprüht früh herein ein geiler, heißer Schein
Und stört dir deine traumesfaule Ruh,
Dann hole ich den dichten Vorhang zu.
_____
Gute
Nacht
Du schlaf nun sanft. Und wenn der Morgen steigt,
Erfreun mich die erfrischten Frauenglieder.
Ich küss' dich dann, du giebst es herzlich wieder,
Und in mir ringt ein kleines Lied zum Licht.
Zwölf Uhr vom Turm. Und alles, alles schweigt.
Ich spiele mit Gedanken noch ein Weilchen
Und denk' mir über dies und das mein Teilchen.
- Unendlich schön dein ruhendes Gesicht.
_____
Karl Stieler (1842-1885)
Kennst du dies Leid?
Kennst du dies Leid, wenn, kaum entschlafen
Aus irrem Traum, das Herz erwacht,
Wund von den Pfeilen, die es trafen:
Kennst du die Sehnsucht in der
Nacht?
Ein Schatten kommt – du fühlst den Schimmer,
Du rufst ihn – da zerfließt er sacht.
Und bis zum Morgen schläfst du nimmer:
Kennst du die Sehnsucht in der
Nacht!?
_____
Mainacht
Der
Nacht gedenk' ich ew'ge Zeit,
Der
Nacht vom ersten Maien:
Da dich der fremde Mann gefreit,
Dich, die ich einst wollt' freien!
Es rauscht der See im Mondenschein
Und lenzgrün sind die Almen;
Doch durch mein Herz rauscht Lust und Pein,
Als sollt's mein Herz zermalmen!
Ich stieg bergan die ganze
Nacht,
Durch Blumen, durch Steingerölle …
Ich zog durch die grüne Erde hin,
Ich zog durch Himmel und Hölle!
_____
Neujahrsnacht
Neujahrsnacht war's, das alte Weh
Stieg auf in dieser
Nacht der Weihe,
Die Sterne blitzten überm Schnee,
Mich aber trieb's hinaus ins Freie.
Und durch die Gassen schlich ich sacht
Und suchte deines Hauses Schwelle,
Wie der Geächtete bei
Nacht
Die Heimat sucht, die traute Stelle.
Manch mind'rer Mann tritt stolz herfür
Und bringt dir morgen Gruß und Segen -
O laß mich
nachts vor deine Tür
Die Grüße des Verbannten legen!
_____
Theodor Storm (1817-1888)
Du Heißersehnte
Du Heißersehnte, gute
Nacht!
Der Mond allein hält draußen Wacht;
Sonst schlummert alles in den ew'gen Räumen.
Mein einsam Bette ist gemacht -
Du Heißersehnte, gute
Nacht!
Wann kommt die Zeit, um Brust an Brust zu träumen?
_____
Gedenkst du noch?
Gedenkst du noch, wenn in der
Frühlingsnacht
Aus unserm Kammerfenster wir hernieder
Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll
Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder?
Der Sternenhimmel über uns so weit,
Und du so jung; unmerklich geht die Zeit.
Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei
Scholl klar herüber von dem Meeresstrande;
Und über unsrer Bäume Wipfel sahn
Wir schweigend in die dämmerigen Lande.
Nun wird es wieder Frühling um uns her,
Nur eine Heimat haben wir nicht mehr.
Nun horch ich oft, schlaflos in tiefer
Nacht,
Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.
Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,
Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!
Nach drüben ist sein Auge stets gewandt:
Doch eines blieb - wir gehen Hand in Hand.
_____
Nachts
Schon
Mitternacht! Mein Kopf ist wüst -
Zu Bett! Ich habe lang gewacht;
Doch ob das Aug sich müde schließt,
Wann kennt das Herz wohl Tag und
Nacht?
Das Herz, das Herz hat nimmer Ruh,
Das fliegt zu dir durch Zeit und Raum,
Im Traum mein süßes Leben du,
Im Leben du mein süßer Traum!
_____
Zur
Nacht
Vorbei der Tag! Nun laß mich unverstellt
Genießen dieser Stunde vollen Frieden!
Nun sind wir unser; von der frechen Welt
Hat endlich uns die heilige
Nacht geschieden.
Laß einmal noch, eh sich dein Auge schließt,
Der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden;
Noch einmal, eh im Traum sie sich vergißt,
Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!
Was gibt es mehr! Der stille Knabe winkt
Zu seinem Strande lockender und lieber;
Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt,
Trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber.
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Abends
Warum duften die Levkojen soviel schöner bei der
Nacht?
Warum brennen deine Lippen soviel röter bei der
Nacht?
Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht auferwacht,
Diese brennend roten Lippen dir zu küssen bei der
Nacht?
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Nachts
Wie sanft die
Nacht dich zwingt zur Ruh,
Stiller werden des Herzens Schläge;
Die lieben Augen fallen dir zu,
Heimlich nur ist die Sehnsucht rege.
Halbe Worte von süßem Bedeuten
Träumerisch über die Lippen gleiten.
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Paul Wertheimer
(1874-1937)
Sommernacht
Uns einte nicht des Priesters Hand
Mit Chören, feierlichen Flammen.
Nur ein Marienfaden band
Uns leicht und sommerlich zusammen.
Uns hat die
Sommernacht
getraut
Im blauen Dom voll Weihrauchkerzen -
Du Sternenkind, du Windesbraut,
Das war ein Neigen, Herz zu Herzen.
Die
Nacht
frug priesterlich und groß:
Wollt ihr euch froh der Liebe spenden?
Ein Raunen rings. Ich hielt dein Los
In meinen bebend trunknen Händen.
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Die erste
Nacht
So aber träumt' ich meine erste
Nacht
Mit dir, mein ernstes Kind, trägslav'schen Blutes,
Traurig das Aug' wie deines Volks Musik,
Das mir zuerst, im Traum der siebzehn Jahre,
Und ohne Wort, im demutsüßen Neigen,
Die blasse Blüte seines Leibes bot:
Um unser Lager sollte glühn die Pracht
Erlesner Kunst, die ferne, wunderbare,
Und über uns, da sollten sich verzweigen
Viel heiße Rosen, Rosen blutigrot.
Du solltest weiß auf lichter Decke liegen,
Das schwarze Haar tief in das Blau gebettet,
In matte Seiden solltest du dich schmiegen,
Die blassen Perlen um den Hals gekettet,
Und über Teppiche hin sollten gleiten
Die schweren Seufzer unsrer Zärtlichkeiten.
Dies kam nicht so: ein ängstlich enges Zimmer,
Da ich des Lebens Schleier dir enthülle,
Umflackert nur von einer Kerze Flimmer,
Und nirgendwo des reichen Daseins Fülle.
Doch ich bin stärker als die Kümmernisse
Des engen Seins, das uns in Not gezwungen:
Hin durch die schwarzen, schweren Finsternisse
Halt' ich Entferntes zärtlich nah umschlungen.
Ich greife mit dem Arm ins Ungewisse
Und reiße einen Sternenbund hernieder
Auf dieses armen Betts durchwühlte Kissen,
Die weißen Anemonen und Narzissen
Auf deine sinkend hingegebnen Glieder.
Die Sterne tanzen um mich rot im Kreis.
Doch meine Seele, die ist todestraurig,
Weil sie nicht Antwort auf dein Stammeln weiß,
Auf dieses irre Betteln, Beten, Bitten.
So kühl und wissendreif ist meine Seele. - -
Nun gleitet sie tief in der Erde Grund, Inmitten
Von einem schwarzen See, an Klippen schaurig,
Brech' ich ein Reis der dunklen Asphodele
Und kränze dir dein Haar ... Du aber, still,
Beschloßnen Blicks, erduldest wildes Leid ...
Plötzlich ein schweres Atmen, röchelnd, schrill,
Dein Seufzen weht zu mir .. so weit .. so weit ..
Und in die Sterne, jagend um das Kissen,
Dein irrer Ruf: Gib! Gib mich frei!
Ich press' den Mund dir zu mit wirren Küssen ...
Da - - in die Finsternis - - bricht jäh - -
dein Schrei - -
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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Liebespost
In der Mondesnacht, in der stillen
Nacht,
Wenn da alles schläft, rings kein Auge wacht,
Da gedenk' ich süßes Mädchen dein,
Möchte ach so gerne bei dir sein.
Höre Mond mich an, stiller Wandersmann,
An ihr Fenster geh, klopfe leise an,
Schick ihr einen süßen Traum hinein,
Sage ihr, der Liebste denket dein.
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Heilung
Es liegt die
Nacht
auf Erden schwer
Mit allen ihren Schauern;
Mein Herz ist dunkel, kalt und leer,
In mir ist nichts als Trauern.
Steh auf, du Himmelssonnenlicht,
Zünd' an die warmen Kerzen!
Geh auf, du Engelangesicht,
In meinem müden Herzen.
Hauch' ab die kalte
Erdennacht
Mit deinem Flammenmunde!
Lacht in das Herz mir, Augen, lacht!
Daß ich, daß ich gesunde!
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August Wolf (1816-1861)
Liebesdämmerung
Ach Geliebte!
Durch die
Nacht,
Mit ihres Athems warmer Luft,
Mit ihrer Blumen süßem Duft
Tönen mir Lieder,
Süße, glühende,
Halb vernehmlich.
In dem Nebel der Düfte der
Nacht
Kommen mir Gestalten,
Schwebend in Mondenglanz
Und Sternenschimmer,
Neigen sich schweigend,
Himmlischer Anmuth voll,
Wie in Verlangen
Liebend mir zu.
Bei der Stille der
Nacht,
Wenn der Abendwind schon schläft
Im dunkeln Busch,
Und die Nachtigall schweigt
Und der Gedanke;
Bei der Stille der
Nacht
Fühl' ich wie Hauch fast
Leise den warmen,
Süß schauernden
Druck einer Hand.
In der Nacht, in der
Nacht,
Wann der Schlummer kommt,
Eben das Auge mir schließen will,
Naht mir
Von himmlischen Lippen
Liebeswarm
Ein Kuß. -
Deine Stimme,
Deine Gestalt,
Dein Druck der Hand,
Dein Kuß.
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Serenade
Liebchen, welche
Nacht
ist heute!
Welch ein Duften aus den Zweigen,
Welch ein Taumeln, welches Flüstern,
Welches ahnungsvolle Schweigen!
Diese
Nacht
voll Glanz und Wärme
Ist zum Schlafen nicht gemacht,
Ja, ich fühl's durch alle Glieder,
Dieß ist eine
Liebesnacht.
Und durch Haine und durch Wiesen,
Ueber Gräben, über Hecken
Bin ich eilends hergeflogen,
Dich, mein Liebchen, zu erwecken.
Und ich sing' vor Deinem Fenster,
Bis Du wieder aufgewacht,
Daß Du nicht verschläfst, versäumest,
Nicht verträumst die
Liebesnacht.
Komm herab, Du wirst es fühlen,
Diese Lust, sie wird Dich's lehren,
Hör' umher dieß leise, heiße
Liebesflüstern Dich beschwören.
Ja, des Haines Götter seh' ich
Lauschen auf und haben Acht,
Aus dem dunklen Laube laden
Sie zu duft'ger
Liebesnacht.
Glück! Von Deinem Fenster seh' ich's
Weiß und schimmernd niederwinken,
Komm, o komm! Laß mich nicht einsam
In dem Rausche untersinken!
Heute giebt's ein hohes Fest noch,
Ich bin da und Du erwacht,
Heute noch durchlebst, durchschwärmst Du
Selig eine
Liebesnacht.
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Johanna Wolff (1858-1943)
Sommernacht
Klee und Nachtviolen duften
süß bedrängend durch das Dunkel.
O wie lieb ich diese Düfte
und wie lieb ich diese
Nacht!
Und mein Ruder gleitet leise
durch die Wellen mondumflimmert.
O wie lieb ich diese Wellen
und wie lieb ich diesen Glanz!
Wenn aus dunkelblauen Tiefen
mit den Lüften, mit den Düften
ein Vergessen und Verlieren
mich umdämmert weich und sacht
und mein Nachen lautlos gleitet
durch die
Nacht.
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Stefan Zweig (1881-1942)
In tiefer
Nacht
So mitternächtig alle Gassen,
Die silberblank der Mond durchzieht
So blaß und stumm die Häusermassen ...
Hinauf zu schlummernden Gelassen
Klingt sonnetrunken noch mein Lied.
Die Straßen sind so traumesselig
Und sprechen leis mein Lied zurück.
Und lauter, voller wirds allmählich
Und bald erdröhnt es hell und fröhlich
Das Lied von meiner Liebe Glück.
Es dringt durch dunkle Fensterläden
So leise trägts der laue Wind.
In tiefem Traum umfängt es jeden
Mit seinen feinen, feinen Fäden
Die Mutter Sehnsucht um uns spinnt,
Daß sich die Mädchenherzen dehnen
Im dunklen Banne seiner Macht,
Und immer heißer wird ihr Sehnen,
Und glühend rinnen brennende Tränen
Hinein in die stumme, verschwiegene
Nacht.
Doch mein Lied und ich, wir schreiten
Immer nur weiter, immer nur zu
In die silberblinkenden Weiten
Hin zu den blendendsten Seligkeiten
Hin zu Dir, oh Geliebte Du ...
_____
Junge Glut
Tiefe
Nacht.
-
Aus sinneheißem Traum bin ich erwacht.
Ich träumte von schimmernder Glieder Pracht
Von Frauen, die mit liebesfrohen und verständnisstillen
Verschwiegnen Blicken Wunsch und Sucht erfüllen,
Ich träumte von glühenden brennenden Küssen
Von trunkener Geigen laut jubelndem Klang,
Von wilden, berauschenden Glutgenüssen
Von Mädchen, die ich als Sieger bezwang ...
Und jede Sehnsucht fand im Traum ihr Ende
Doch nun bin ich erwacht!
Allein! . . . . . . Allein!! . . . . .
... Und sinnetrunken tappen meine Hände
In schweigende Dunkelheiten hinein
Hinein in die leere, nichtssagende
Nacht!
...
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Erfüllung
Uns will der lange Sommertag nicht enden,
Wir schreiten immer tiefer in den Park hinein,
Und frohen Herzens, mit verschlungnen Händen
Begrüßen wir den Tagestod und senden
Die haßerfüllten Blicke in den Abendschein.
Wir hassen seine grellen Sonnenstrahlen,
Wir lieben nur die liebesdunkle
Nacht,
Da rauscht der Springbrunn in den Porphyrschalen
Und raunt ein Lied von unsern Sehnsuchtsqualen,
Und wie die späte Liebe dann erwacht.
Und ringsum in den abendwinddurchwehten
Tannwipfeln rauscht der duftgeschwellte Klang,
Und zittert wieder aus den mondlichtübersäten
In warmen Duft gebetteten Geranienbeeten
Und weckt in uns den wundersamen Drang ...
Auf allen Wegen träumt das große Schweigen,
Das Mondlicht sickert silbern durch's Geäst,
Die Sehnsucht spielt auf zaubersüßen Geigen ...
Da, unter schattenschweren, dunklen Zweigen
Erblüht nun unsrer Jugend heil'ges Fest.
Und sorgsam webt der Abend dichte Schleier ...
Im fernen Äther ist ein Sternenreich erblüht,
Und glitzernd ruht sein Bild im friedesstillen Weiher.
Der Park ist aufgeblüht ... Zu unsrer Liebesfeier
Singt er der Klänge und der Düfte schönstes Lied.
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Die
Nacht
der Gnaden
Ein Reigen
Sonette
I.
Ein schwarzer Flor umkränzte die Gelände.
Wie Boote segelten am Himmelsmeer
Die letzten lauen Abendwolken her
Und gossen Schattenschleier um die Wände.
Das Zimmer dunkelte. Die heißen Hände
Der beiden lagen willenlos und schwer
In ihrem Schoß und suchten sich nicht mehr.
Die leeren Worte waren längst zu Ende.
Sie bebten beide. Und ein Schweigen kam
Mit banger Schwüle. Er hielt sie umfangen
Und flehte ohne Wort: "Sei mein! Sei mein!"
Sie zitterte. Die Blüte junger Scham
Wuchs purpurn über ihre blassen Wangen,
Und Tränen stammelten: "Es darf nicht sein."
II.
Da ließ er sie: "Ich will dich nicht betören.
Sei du nur mein, wenn du es längst schon bist.
Nicht eine Gabe sollst du mir gewähren,
Gib mir nur das, was lang mein eigen ist.
Sei mein, so wie sich mit den Sternenchören
Der Himmel flutend in die
Nacht
ergießt,
Und Seligkeiten werden uns gehören,
Durch die der Strom der Ewigkeiten fließt.
Willst du den Kelch der Sünde nicht nur nippen
Und ganz dein Sein an eine
Nacht
verschwenden,
So wird bis an die Grenze deiner Tage
Ein Leuchten sprühn von ungeahnten Bränden
Aus dieser
Nacht!"
- Wie eine bange Klage
Umfing ein zartes Lächeln ihre Lippen:
III.
"Was alle andern Schmach und Sünde nennen,
Wär mir ein Pfad zu lichten Seligkeiten,
Wenn nur auf meinem Mund, dem schmerzgeweihten,
Die roten Male deiner Küsse brennen.
Doch du bist Horcher in die Ewigkeiten,
Von denen mich die dunklen Wolken trennen.
Mich ließ nur Sehnsucht meine Jugend kennen
Und nicht die Träume, die zum Lichte leiten.
Drum will ich mich nicht deinem Willen senken,
Ob auch ein jeder Puls in meinen Gliedern
Mit seiner Sehnsucht dir schon angehört.
Ich bin zu arm, dir Liebe zu erwidern,
Und bin zu stolz, um Armut zu verschenken,
Denn sieh: Ich weiß, ich bin nicht deiner wert!"
IV.
Da sprach er sanft - und wie von Orgeldröhnen
War seine Stimme wundersam bewegt -:
"Wer so wie du den Glanz der Güte trägt,
Ist auserwählt, ein Leben licht zu krönen.
Oh fühlst du nicht, wie in verwandten Tönen
In uns der rasche Takt des Blutes schlägt
Und wilde Flamme in der Tiefe regt,
Um sich in unserm Einklang zu versöhnen?
Ich glüh in dir, du glühst in meinem Leben,
Zu neuer Einheit drängt dein junger Schoß
Und will den Ewigkeiten sich vermählen.
Sei mein! Erst wenn uns übermächtig groß
Die Schauer eigner Schöpfungslust durchbeben,
Rauscht eine Welt in unsern freien Seelen."
V.
So sprach er glühend. Und sie beide standen
Im Bann des Blutes, wortlos wie verzagte
Verlorne Pilger nah den lichten Landen,
Wo schon das Frührot der Erfüllung tagte.
Dann kam ein Seufzen ... als ob Weinen klagte ...
Ein Knistern wie von sinkenden Gewanden ...
Ein banger Ruf ... Und als sein Auge fragte,
Ob sie der Sehnsucht wildes Wort verstanden,
Ward jählings Glanz in seinen Blick getragen,
Wie Glanz von Firnen ... Aus dem Dunkel blühte
Gleich einer Lilie schlank und nackt ihr Leib.
Da schwieg sein Herz. Er wußte nicht zu sagen,
Wie ein Gebet durchdrang ihn ihre Güte,
Und diese
Nacht
ward sie ihm Gott und Weib.
VI.
Ihm aber war in dieser
Nacht
der Gnaden,
Als fühlte er die Welt zum erstenmal.
Er sah die Sterne auf beglänzten Pfaden
Wie Boten wandeln durch den Himmelssaal,
Sah weit das Leuchten über den Gestaden,
Der Morgenröte purpurblassen Strahl,
Fühlte die Winde, wie sie duftbeladen
Sich wiegten in den Wipfeln ohne Zahl,
Sah Frucht und Blüte über den Geländen
Und Saat und Segen. Erst in dieser
Nacht
Ward ihm das Wunder aller Schöpfung wahr.
Und wie ein Kind, das in die Welt erwacht,
Nahm er aus diesen milden Frauenhänden
Die neue Pracht, die längst sein eigen war.
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