Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: Tod
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
Hans Aßmann Freiherr von
Abschatz (1646-1699)
Ach!
Du fragst / was sagen will diß Ach!
Das ich bey deiner Ankunfft sprach?
Es sprach: Ach! seht die holden Wangen /
Seht die beliebte Fillis an;
Da kommt auff Rosen-voller Bahn
Mein
Tod / mein süsser
Tod / gegangen.
_____
Könte man für Liebe sterben / wär ich längstens kalt und
todt /
Solte sie ein Feuer heissen / wär ich längstens Asch und Koth:
Doch ist sie kein
Tod zu nennen / woher fühl ich solche Schmerzen?
Und ist sie kein brennend Feuer / was kocht so in meinem Herzen?
_____
Mein Leben ist / wenn ich bey ihr kan leben /
Mein
Tod / wenn ich muß ihre gegend fliehn.
Wilt du auff mein Verhalten Achtung geben /
So kanst du leicht daraus ein Urtheil ziehn /
Daß ich dein eigen bin.
_____
An ihre Augen
Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
Ihr meine Lust und süsse Pein /
Was netzet ihr die trüben Wangen /
Was sagt mir euer blasser Schein?
Habt ihr mein Herze nicht empfangen?
Was fodert / was verlangt ihr mehr?
Ihr Augen / die ich lieb und ehr /
Ihr sehet meine Schmerzen an /
Und kennt die Menge meiner Plagen:
Wofern ich euch vergnügen kan /
Will ich mit Lust den
Tod ertragen.
Was fodert / was verlangt ihr mehr?
_____
Nach aller meiner Pein / nach aller meiner Noth /
Dadurch ich nur verbittert deine Sinnen /
Hab ich gelernt die Kunst dich zu gewinnen /
Fillis / ich geh' in
Tod.
Fillis / thu ich zuviel / wenn ich mich untersteh /
Daß ich dir recht gethan / für aller Welt zu sagen:
Ein Augenblick kan mich und dich vertragen:
Ich geh in
Tod: Ade!
_____
Die krancke Fillis
Ach Amor / soll ich dir nicht klagen meine Noth!
Ich seh die Fillis hier in meinen Armen liegen;
Die matte Seele will dem siechen Leib‘ entfliegen;
Stirbt sie / so ist dein Ruhm und meine Freude
todt.
Ach / schick ihr kühle Lufft mit deinen Flügeln zu /
Laß deine zarte Sehn ihr kranckes Haubt umschlüssen /
Gib deinen Köcher her zu legen unters Küssen /
Damit ihr Leib erhöht kan nehmen seine Ruh.
Verwechsle mit Betrug dem
Tode seinen Pfeil /
Daß sie dein heilsam Gold empfind in ihrem Herzen /
Wenn ihr sein rauher Stahl soll bringen
Todes-Schmerzen /
So machest du (in ihr und mir) zwey Herzen heil.
_____
Ich bringe wieder her und über mein Verhoffen
In diß betrübte Land der siechen Glieder Last /
Den
Tod / den ich gesucht / hab ich nicht angetroffen /
Ich habe mir umsonst zum Sterben Mutt gefast;
Weil ich / mein süsser
Tod / von dir entfernt gewesen /
So hab ich nicht gekönnt noch sterben noch genesen.
Das macht dein edles Bild / in meine Brust gepräget /
Das ich in deine Hand zu lieffern schuldig bin.
Schau deinen Knecht / der sich zu deinen Füssen leget:
Nimm diesen edlen Schatz samt meinem Herzen hin.
Ich sterbe wohl vergnügt / ich sterbe gnung beklaget /
Wenn nur dein Mund / Ade du treue Seele / saget.
_____
Die
todten Farben
Weil mich die Liebe zwingt zu gehen in den
Tod /
Soll dieser
Todten-Brieff auch
Tod und Liebe weisen
Der Veyeln Farbe zeigt die harte Liebes-Noth /
Der
Todten-Blätter / daß ich muß zum
Tode reisen.
_____
Anonyme Barockdichter
Er stirbt aus liebe
Climene, meine treue sinnen
Stehn ewig nur allein nach dir,
Laß meine seuffzer dich gewinnen,
Und rück dein auge nicht von mir,
Dein auge, das mich zwar verletzet,
Doch auch durch seinen winck ergötzet.
Ach höre meine schwere klagen,
Und dencke, bin ich gleich nicht schön,
Kan ich nichts von verdiensten sagen,
Läßt sich kein reichthum bey mir sehn;
So schau, mein unverfälscht gemüthe
Verdient vielleicht noch deine güte.
Du würdigtest mich zu entzünden,
Und reichst kein pflaster für den brand,
Wird sie mich nicht der quaal entbinden,
So reich, o
tod, mir deine hand,
Und führe meine blasse leiche,
Nach meinem wunsch, zu deinem reiche.
Denn besser ist es, bald gestorben,
Als lange mit verdruß gelebt;
Weil ich nicht deine gunst erworben,
Nach der ich doch so lang gestrebt,
So sey diß auf mein grab geschrieben:
Hieher versetzte mich mein lieben.
_____
Ihr augen fließt! beweint den nahen
tod /
Fließt / weil noch eure thränen währen /
Und sparet nicht in meiner letzten noth
Die letzten tropffen heisser zähren.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.
Mein krancker geist / der schmerzlich jenesmahl
Den grimmen liebes-pfeil empfunden /
Der stirbt anitzt in unerhörter qual /
Erleget durch des
todes wunden.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.
Eh' diese glut mich ganz zu asche macht /
Eh' angst und jammer mich aussaugen;
Eh' mich befällt des grossen
todes nacht /
So weinet noch zuvor / ihr augen.
Ihr augen fließt! das übergrossen weh
Erfordert eine thränen-see.
Doch müssen es nicht schlechte thränen seyn /
Die ihr / ihr augen / lasset fliessen;
Ihr müsset euch in dieser
todes-pein
In einen strom von blut ergiessen.
Ihr augen fließt! das übergrosse weh
Erfordert eine thränen-see.
_____
Der Venus klag um Adonis grab
Adonis grab ist hier; mehr sagt die liebe nicht /
Und Venus seel entschläft bey diesem leichen-steine.
Ach hochgeliebter leib! ach werthste
todten-beine!
Ach himmlischer Adon! mein mattes herze bricht
In lieb und thränen aus: die thränen sollen zeugen /
Daß meine liebe wird zu keinen zeiten schweigen.
Wo ist Adonis sarg? wo ist Adonis grab?
Daß Venus nicht zugleich sich auf die baare leget /
Wie wenn ein rauher wind die blumen niederschläget /
Schlägt tulp und nelck entzwey / und bricht die blumen ab.
So war mein lebens-geist von herz und seel entrissen /
Als meinen lieben schatz ein wildes schwein gebissen.
Ach ewiger verlust! unwiderrufflich fall!
Ich habe deine schoos dem himmel vorgezogen /
Holdseeliger Adon! nun seel und geist verflogen /
So stirbt die Venus auch. Ich hörte fast den schall
Und wie du mich zuletzt / mein tausend-lieb / gesegnet /
Als dir diß ungeheuer im finstern wald begegnet.
Ich ging und suchte drauf mein leben in dem häyn /
Und fand da meinen
tod / Adonis sternen-glieder
Sind durch des wildes biß besprützet hin und wieder
Vom schaum des rothen bluts. Ich bracht ihm himmel-wein
Und edlen perlen tranck / herzstärckende muscaten /
In hoffnung meinem sohn und besten schatz zu rathen;
Vergebens! ob ich schon den weichen mund geküst /
Und tausend mahl geschryn: erwache meine seele!
So regte sich kein glied / ja was ich nicht verheele /
Ich habe selbst zuletzt krafft / seel und geist vermist.
Ich werd auch nimmer schön / mein' anmuth ist gestorben /
Und mit Adonis pracht der Venus glanz verdorben.
Bedenck ich jene lust und gegenwärtig leid /
Ja wenn der himmel gleich in lauter rosen lebte /
Wenn höchst' ergötzlichkeit um meine scheitel schwebte /
So blieb ich unbewegt / biß daß die süsse zeit
Mich gab Adonis gunst / den ich verschwendrisch küste /
Sein alabaster arm umschränckte meine brüste;
So hat niemand geliebt / und niemand weiß es so /
Die seelen nur allein beschlossen was geschehen /
Der monde hat uns offt ganz holdreich zugesehen /
Er ward an meiner brust / und ich an seiner froh;
Sein mund hier mein rubin / ich schenckt ihm himmels-flüsse
Und selbte macht ich noch mit liebes-zucker süsse.
Nun seh ich nichts als noth / und dein verblichner leib /
Mein einzig liebes kind / entseelt mein kranckes herze:
Doch daß ein denckmal sey / wie hoch ich dich beschmerze /
So bau ich hier dein grab / das keine zeit zerreib' /
Und in vergessenheit die lange nächte stürtze /
Mit thränen salb ich dich statt weit-geholter würze.
Hier ist Adonis grab und auch mein heiligthum.
Ein mensch mag bahr und gruft mit göldnen ampeln zieren /
Ich göttin will um dich die stern als fackeln führen.
Und wie die leichen sonst schmückt eine schöne blum /
So soll das schöne blut in anämonen sincken /
Und bey dem rosen-lenz in purpur-kleidern blincken.
Was mehr? den leichgesang / das bittre
todten-lied
Stimmt venus ewig an / der himmel hilfft mir klagen /
Die lüfte seuftzen mit / der westenwind soll sagen /
Wie tief ich traurig sey: Ich bin nicht groß bemüht /
Um das beliebte grab viel säulen aufzuführen /
Die liebe soll es mehr mit ihren wundern zieren.
Daß Artemis ja dort des ehmann asche tranck /
Ist viel und liebes werth; Ich opffre meine seele /
Die zwar nicht sichtbar ist / der lieben grabes-höle;
Und saget nun iemand / daß Venus bleich und kranck /
Der wisse / da Adon mein trost und lieb erblichen /
Daß ich zugleich mit ihm aus der welt gewichen.
Die überschrifft wird sonst dem marmel einverleibt;
Ich will sie ins gemüth der späten nachwelt graben /
Dran soll der buler volck den schönsten spiegel haben /
Wo nicht der grosse schmerz die lieb ins elend treibt:
Hier ruht der schönheit schatz und Venus holde zierden /
Tritt nicht zu nah hinzu! der stein macht die begierden.
_____
Aus deinen augen quillt mein
todt und auch mein leben /
Du hast es beydes nun / mein licht / in deiner macht /
Dein auge stürzet mich / es kan mich auch erheben /
Es gibt mir freuden-schein und düstre schmerzen-nacht.
Ergreiffe was du wilt / ich nehm es an vor liebe /
Erhalt ich deine gunst / so bin ich höchst vergnügt /
Rührt aber auch mein
todt aus deines herzens triebe /
So hastu doch im grab auch über mich gesiegt.
_____
Das ist recht des
todes quälen /
Und die bittre sterbens-angst:
Wenn du wünscht von ganzer seelen /
Und doch nicht den wunsch erlangst /
Wenn dein treues herz begehret /
Das / woran dein leben hängt /
Und dir dieses wird verwehret /
So wird geist und seel bedrängt.
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Mach es aus / wie kanstu qvälen?
Mein himmel! ich bin lebenssatt /
Nur ein grab ist mein erwehlen /
Die freude findet keine statt /
In meinem herzen
Wohnt nichts als schmerzen /
Ach leid!
Wo ist meine schöne zeit?
Biß in
tod bin ich verliebet /
Ich schicke tausend seuffzer ab /
Auch mein schmerz der mich betrübet /
Bleibt bey mir und blüht biß ins grab /
Drum kan mein hoffen /
Nicht seyn getroffen /
Ach leid!
Wo ist meine schöne zeit?
Was ist lust? was ist vergnügen?
Was ist der rosen wunderpracht?
Schatten sinds / die leicht verfliegen /
Und sich verschleichen in die nacht /
Die rosen stechen /
Die lüste schwächen /
Ach leid!
Wo ist meine schöne zeit?
Phöbus küst den kühlen morgen /
Der abend macht die felder froh /
Mir ach! ist die lust verborgen /
Ich singe nur und klage so /
Komm mein verlangen /
Komm
tod gegangen /
Ach leid!
Wo ist meine schöne zeit?
Macht euch auff / seht an die sternen /
Ihr augen / und gesegnet sie /
Wo sie nicht mein leid entfernen /
Sagt / daß ich nach dem grabe zieh /
Drumb häufft ihr thränen /
Mein häuffig sehnen /
Ach leid!
Wo ist meine schöne zeit?
_____
Wie? zürnt Chlorinde nun um mich?
Wil mich ihr blitz
ertödten?
Dreut ihre hand mir selbst den stich?
So bin ich voller nöthen /
Ey so reisse mir der lebens-drat entzwey /
Denn
tod und leben sind mir nun einerley.
_____
Mag ein seuffzer mich begleiten /
Wenn ich sterb an deiner seiten
Ist mir auch im grabe wohl;
Laß mir deinen mund versprechen /
Wenn die matten augen brechen /
Daß ich dein auch sterben soll.
Laß auff deinen schwanen-klippen /
Auff dem scharlach deiner lippen
Nicht mein schiff zu grunde gehn;
Laß mich mit verliebten winde
Seegeln / so kan ich geschwinde
Den verlangten hafen sehn.
Will dein herze mich verlassen /
So will ich mit lust erblassen /
Und verschmachten in der brunst;
Deinen mund einmahl zu küssen /
Soll mir meinen
tod versüssen /
Sterb ich nur in deiner gunst.
_____
Johann von Besser
(1654-1729)
Sonnet
Andere klage der Venus über den
todt Adonis
Ach weh! Ach ewig weh! mein leben das ist
todt!
Die seele / meine seel / Adonis ist erblasset /
Ach! daß mich nicht zugleich des schicksals rath gefasset!
O herber sternen-schluß! O unerhörte noth!
Weg was ich sonst geliebt / weg was ich sonst gebot.
Es ist durchaus geschehn! Ich bin mir selbst verhasset
Ich ruf euch götter an / wie daß ihr mich verlasset?
Euch sag ich ruff ich an / und mir zu hohn und spott.
Verflucht sey dieses thier das meinen schatz zerritzet /
Geseegnet dieser platz / der durch sein blut besprützet /
Das grabmahl bau ich hier / das soll ihm heilig seyn /
Aus diesem rothen safft soll blühn die Anemone /
Des lenzens höchste zier und aller blumen krone /
So lange leuchten wird der göldnen sonnen schein.
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Paul Fleming (1609-1640)
An Amorn
Geh/ Amor/ fleug geschwind/ und sags ihr eilend an;
Es ist umm mich geschehn; Ich lieg' in letzten Zügen.
Das Blut ist außgedorrt: Das heisse Marck versiegen.
Ich singe selbst mein Lied/ ich
Tode naher Schwan.
Geh/ eile/ sag es jhr/ es ist umm mich gethan.
Die Wichtigkeit der Pein ist über mich gestiegen:
Das müde Herze klopfft/ ich kan nicht Odem kriegen.
Es ist mir müglich nicht/ daß ich mehr leben kan.
Jedoch/ verzeuch noch hier/ biß mein gewisser
Todt
dich fertigt bald von hier. Diß kanst du hoch bewehren,
Ich brenne liechter Loh und schwimm' in meinen Zehren.
Erzehls ihr/ was du siehst/ von meiner
Todesnoth.
Ich kan nicht
todt-arm seyn. Verschonen mich die Flammen/
So schlägt diß Thränen Meer doch über mich zusammen.
_____
Er beklaget die Unglücksseligkeit seiner Liebe
Rubelle die ist
todt. Rosille lebt nicht mehr.
Die schöne Basilen die muß ich nun verlassen.
Was ich vor liebte so/ das muß ich gleichsam hassen/
als ob mir niemahls wol von ihr gewesen wär'.
Ist/ Amor/ diß der Lohn/ daß ich dich also ehr'.
O grausamer! was Trost? was Hertze soll ich fassen?
Weh' euch/ Ihr Augen/ weh'/ ihr traurigen/ ihr nassen/
ihr weinet doch nicht gnung, und weint ihr noch so sehr.
Leander/ Pyramus/ und wer ihr andern seyd/
die ihr noch itzt beklagt der liebe Grausamkeit/
was ist doch eure Pein für meiner Angst gewesen?
Ein milder Augenblick entfreyt euch aller Noth/
Halff allen Schmertzen ab. Vor mir fleugt auch mein
Todt/
darmit ich dermahl eins ja möge nicht genesen.
_____
An Dulkamaren
WIe kan ich ohne Haß/ dich/ Dulkamara/ lieben/
du bitter-süße du? Bald bist du gar zu gut.
Bald/ wenn ein schlechter Wahn ersteiget deinen Muth/
So steht mein naher
Todt umm deiner Stirn geschrieben.
So lange hast du nun diß Spiel mit mir getrieben.
Sag'/ ob dir meine Pein denn also sanffte thut?
Ob dich mein frohseyn schmerzt; so weiß ich/ theures Blut/
daß ich bey Lust und Noth die Masse mehr muß üben.
Wer' ich/ wie du gesinnt; so könt' auch ich/ wie du/
bey gleichem Muthe seyn inzwischen Müh' und Ruh/
inzwischen Leid' und Lust bey einem Hertzen stehen.
So/ weil ich standhafft bin/ weichst du ohn unterlaß.
Wie kan es anders seyn? Ich muß zu grunde gehen/
durch dich/ gehasstes Lieb/ durch dich/ geliebter Haß.
_____
Heinsius sein Holländisches Solvi non possum, nisi
magis constringar
Wol dem, der in dem Feld' immitten unter Lanzen
und Degen, die man blößt, den trüben Tanz mag tanzen,
den Alle müssen tun, der sinkend in den Sand
den letzten Fußfall tut für Gott und vor sein Land!
Ich aber armer Mensch hab' einen Krieg gewaget,
da mir bei Furcht und Angst der
Tod
auch wird versaget.
Mein Feind, der ist mein Lieb; die mir den
Tod
antut,
die acht' ich Allem vor und bin ihr mehr als gut.
Ihr Antlitz ist ihr Schwert, die Worte sind die Klingen,
darmit sie mich verletzt, die Arme starke Schlingen,
darein sie mich verstrickt. Die Pfeile, mein Verdruß,
das sind die Augen selbst, die ich doch lieben muß.
O freundliche Gewalt, wie soll ich mich doch retten,
der ich gebunden bin mit solchen süßen Ketten?
O Feind, den ich mir such, o Leiden ohne Pein,
ich muß um los zu gehn noch mehr gebunden sein.
_____
Eben seins In poenam vivo
Ach, Jungfrau, es ist satt! Der Pfeil von deinen Augen,
der sich in mich verkroch, der wegert mir den
Tod.
Mir wäre Sterben Lust; das will ja ganz nicht taugen;
weil ich im Leben bin, so bin ich in der Not.
Dein Antlitz ist die Bank, darauf ich bin gestrecket,
da werd' ich aufgedehnt. Dein, was man himlisch nennt,
hat einmal in mein Herz' ein Feuer angestecket,
das mich entzündet stets und nimmermehr verbrennt.
_____
Auf ihr Abwesen
Ich irrte hin und her und suchte mich in mir,
und wuste dieses nicht, daß ich ganz war in dir.
Ach! tu dich mir doch auf, du Wohnhaus meiner Seelen!
Komm, Schöne, gieb mich mir, benim mir dieses Quälen!
Schau, wie er sich betrübt, mein Geist, der in dir lebt!
Tötst du den, der dich liebt? Itzt hat er ausgelebt.
Doch gieb mich nicht aus dir! Ich mag nicht in mich kehren.
Kein
Tod
hat Macht an mir, du kanst mich leben lehren.
Ich sei auch, wo ich sei, bin ich, Schatz, nicht bei dir,
so bin ich nimmermehr selbest in und bei mir.
_____
Palinode
Ich bin
tot; mein
Tod, der lebt,
und ich leb' in meinem
Tode.
Mein
Tod, der ist Palinode,
die mir so zuwider strebt.
Und sie, meine Palinode,
lebt und ist doch auch im
Tode.
O du süße Tochter du
der auch süßen Pierinnen,
du Bezwingerin der Sinnen,
die sich gönnen keiner Ruh',
Phöbus hat dir das gegeben,
daß du
Tote
bringst ins Leben!
Musik, edler Götter Gast,
gieb ihr Leben, doch ihr Leben!
So wird sie mir wieder geben
was du ihr geschenket hast.
Diß, was ihr ist und auch meine,
bleibt doch, Göttin, allzeit deine.
_____
Als er vergeblich nach ihr wartete
Und tötest du mich gleich, so bist du doch mein Freund,
ob diß Verlangen zwar, das ängstliche, das schwere,
nichts Anders bald wird tun, als was ich so begehre.
Mein Leid dringt in die Luft, kein einigs Sternlein scheint.
Der Himmel treuft mir nach, was ich ihm vorgeweint,
die Winde seufzen so, wie ich sie seufzen lehre.
Doch hab' ich keinen Sinn, der dir zuwider wäre.
Hab' ich, Trost, dich nicht lieb, so bin ich mir selbst Feind.
Hier wart' ich, teures Blut, vor deiner tauben Schwellen.
nicht hoffend, daß du itzt dich werdest noch einstellen,
nein! sondern daß mich hier der nahe
Tod
reiß' hin.
So wird es denn geschehn, daß du, wenn du zu Morgen
mich sehn wirst, daß ich kalt und ganz gestorben bin,
mit neuem Leben mich zur Strafe wirst versorgen.
_____
An ihr Herze, in ihrer Krankheit
Ach wehe dir und mir, o Brunnen meiner Zären!
die Hitze, die dich kreischt, die treibet mir den Schweiß
des kalten
Todes
aus. Mir wird für Kälte heiß
von deiner nahen Brunst, dem feurigen Beschweren.
Was kanst doch du von mir, von dir ich Rat begehren?
Dein Feuer ist mein Frost; ich werd' ein kaltes Eis,
das zu entzünden nur und nicht zu löschen weiß.
Ach wehe dir und mir, daß wir uns so gefähren!
Macht nun die Hitze Frost und löscht das Eis nicht mehr?
Ach, widrige Natur, du scherzest unsre Schmerzen!
O gar nicht gleicher
Tod
zwei gleichgesinnter Herzen!
Doch wird uns scheiden Nichts und zürnt sie noch so sehr.
Der
Tod, der macht uns gleich, wir sterben doch zusammen.
Dein Feuer nehrt mein Eis, mein Eis nehrt deine Flammen.
_____
Als er wieder mit ihr ausgesönet war
Der Nebel ist vorbei, die Sonne scheinet wieder.
Mein Lieb, das zornig war, das lacht mich freundlich an,
so daß ich von sonst Nichts als Freude sagen kan.
Ich fühle noch den
Tod
durch alle meine Glieder,
die Wangen wurden blaß, die Augen sunken nieder,
das Herze ward mir Blei. Nun denk' ich zwar daran,
doch bin ich zwiefach froh, daß dieses ist getan,
von altem Trauren matt, von neuen Freuden müder.
Der Zucker meiner Not, das Labsal meiner Pein
und was dem Kranken sonst pflegt recht gesund zu sein,
das Alles ist mir, Schatz, dein güldnes Angesichte.
O Sonne meiner Lust, schein' ewig so, wie itzt.
Du bist die süße Glut, die meinen Geist erhitzt,
von dir, Glanz, nehm' ich Schein, von dir, Licht, werd' ich lichte.
_____
Georg Greflinger (um
1620-1677)
Der Dorinden Abscheyd umb den
todten Amynthas
Hat sich Hero nicht ersäuffet
Umb Leanders süssen Kuß/
Hat sich Thisbe nicht gehäuffet
Mit dem
todten Pyramus/
O wie manche hat sein Leben
Umb der Liebsten
Todt auffgeben!
Soll sich dann Dorinde scheuen/
Auch Amynthas bleibt es wert/
Laß der Thisbe That verneuen/
Hier ist auch noch Strick und Schwert/
Hier ist auch noch so ein Feuer/
Und kein Blut mir nicht zu theuer.
Pyramus und Thisbe leben/
Weil man liebt und wieder liebt/
Wird man uns nicht auch erheben/
Weil der Titan Strahlen gibt/
Wird man nicht ein Liedlein finden
Vom Amynthas und Dorinden?
Stirb/ wir sind nicht von den letzten/
Sind auch von den ersten nicht
Die sich selbst zu Grabe setzen/
Zörne nicht du Himmelslicht
Daß ich mich durch meine Hände
Würge vor dem rechten Ende.
Ich weiß länger nicht zu leben/
Mein Amynthas ruffet mich/
Auff O Stahl den Rest zu geben/
Zage Hand was förchstu dich/
Laß durch unsre Brüstlein graben/
Der Amynthas wil es haben.
Gute Nacht du Bau der Erden/
Strenger Vater gute Nacht/
Wann es euch wird kuntig werden/
Was ich hab' an mir verbracht/
So bedenckts/ und hasst es förder/
Daß ihr unser Beyder Mörder.
Weil euch unsre Lieb im Leben
Gantz und gar zu wieder war/
Haben wir die Welt begeben/
Und sind nun im
Tod' ein Paar/
Wollet ihr auch das verdammen
Daß wir beyde
Todt/ beysammen?
Ach ich sehe meinen Lieben
Wie er mir/ doch gantz verbleicht/
Und mit hertzlichem betrüben
Seine treuen Hände reicht.
Nun/ ich komme/ wund und brünstig/
O jhr Himmel seyt mir günstig.
_____
Andreas Gryphius
(1616-1664)
An Eugenien
Was wundert ihr euch noch, ihr rose der jungfrauen!
Dass dieses spiel der zeit, die ros', in eurer hand,
Die alle rosen trotzt, so unversehns verschwand?
Eugenie! so gehts, so schwindet, was wir schauen.
So bald des
todes sens wird diesen leib abhauen,
Schau't man den hals, die stirn, die augen, dieses pfand
Der liebe, diese brust in nicht zu reinstem sand,
Und dem, der euch mit lieb itzt ehrt, wird für euch grauen.
Der seufftzer ist umsonst, nichts ist, das auf der welt,
Wie schön es immer sey, bestand und farbe hält.
Wir sind von mutterleib zum untergang erkohren.
Mag auch an schönheit was der rosen gleiche seyn,
Doch ehe sie recht blüht, verwelckt und fält sie ein;
Nicht anders gehn wir fort, so bald wir sind geboren.
_____
Alles, was die welt uns schencket,
Nimmt die welt, wenn wir hingehen;
Liebe nur bleibt ewig stehn.
Lieb' ist, die kein sterben kräncket,
Liebe bricht durch grab und
tod,
Liebe tritt mit uns für Gott.
_____
Christian Hoffmann von
Hoffmannswaldau (1616-1679)
Vergänglichkeit der schönheit
Es wird der bleiche
tod mit seiner kalten hand
Dir endlich mit der zeit umb deine brüste streichen /
Der liebliche corall der lippen wird verbleichen;
Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand /
Der augen süsser blitz / die kräffte deiner hand /
Für welchen solches fällt / die werden zeitlich weichen /
Das haar / das itzund kan des goldes glanz erreichen /
Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band.
Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden /
Die werden theils zu staub / theils nichts und nichtig werden /
Denn opfert keiner mehr der gottheit deiner pracht.
Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen /
Dein herze kan allein zu aller zeit bestehen /
Dieweil es die natur aus diamant gemacht.
_____
Wie lange soll noch meine pein /
Durch dich / o grausame Caliste /
In der verzweifflungs-öden wüste
Ein abgematter pilgrim seyn?
Die zeit verlieret jahr um jahr /
Daß ich nach meinem
tod wallfahrte /
Und auff die letztere gefahr /
Als bote / den du schickst / auff deine botschafft warte.
Zwar klag ichs nicht der höhnschen welt /
Ich stille mich mit stillem kummer:
Doch glaube daß ein ieder schlummer
Mir deinen zorn für augen stellt.
Lacht gleich die lippe manches mahl /
Nur fröhlich vor der welt zu scheinen;
Ist doch das herz ein trauer-saal /
Wo die gedancken mich als leiche schon beweinen.
Mein ganzes leben streicht dahin
In meynung bald nicht mehr zu leben:
Und was mir einen trost soll geben /
Spricht: daß ich noch mehr würdig bin.
Ich sterbe täglich ohne
todt /
Der kalte schweiß auff meinen wangen
Ist zwar ein vorbot dieser noth:
Nur daß ich noch nicht kan den letzten stoß empfangen.
Ich scheu mich für dem
tode nicht /
Nur daurt es mich dich zu verlassen
Und durch das traurige verblassen
Zu meiden deiner augen licht.
Mein leben lieb ich / weil du lebst /
Daß ich in solchem dich kan lieben /
Denn weil du meinen leib begräbst /
Ist weder lust noch scherz der aschen überblieben.
Caliste sey nicht felß und stein /
Soll ich im leben schon verderben?
Was mach ich / wann ich werde sterben?
Ists nicht genug dann
todt zu seyn?
Zweymahl zu sterben ist zu viel /
Und zwar dich ewig zu verlieren.
Ich fehl lebendig meinem ziel /
Und in dem
tode kan ich gar dich nicht berühren.
Hastu ein herz von fleisch und blut /
So hast du / als ein mensch / empfinden;
Du straffst zu hart so kleine sünden /
Da doch dein zorn was höhers thut /
Der himmel / der dir gnädig ist /
Heist dich nicht unbarmherzig bleiben:
Und weil du selbst ein sünder bist /
Muß keinen übermuth dein unmuth mit mir treiben.
Doch ist mein
tod bey dir gemacht /
Wohlan / so schick ich mich zum ende /
Und spreche / daß Calistens hände
Aus grausamkeit mich umgebracht.
Der ich im leben war zu schlecht /
Die würdigt mich doch zu verderben;
Dann mir verbleibet nur das recht:
Durch ihre grausamkeit unschuldig hin zu sterben.
Caliste noch ein einzig wort:
Man soll den sterbenden gewähren /
Was sie zu guter letzt begehren:
Vollbring in deiner schooß den mord.
Dann weil ich einmahl sterben soll /
Ist dir es gleich / wie ich verscheide /
Und ob durch pein / weh oder wohl /
Von schmerzen oder lust ich dieses urtheil leide.
_____
Ernst Christoph Homburg
(1607-1681)
Epigramma
Was die Liebe?
Ein Fewer/ sonder Fewr/ ein lebendiger
Todt/
Ein Zorn/ doch ohne Gall/ ein angenehme Noht/
Ein Klagen ausser Angst/ ein uberwundner Sieg/
Ein unbehertzter Muht/ ein Frewden-voller Krieg;
Ein Feder-leichtes Joch/ ein nimmerkranckes Leid/
Ein zweiffel-haffter Trost/ und süsse Bitterkeit/
Ein unvergiffter Gifft/ und kluge Narrethey/
Ja kürtzlich: Lieben ist nur blosse Phantasey.
_____
Auff eine Zweiffelhafftigkeit sonder Hoffnung
Ich weis nicht/ der ich bin mit Höllen-angst umbgeben/
Ob Leben/ oder
Todt/ mir mag erwünschter seyn?
Dann leb' ich/ wird zu gros/ zu kräfftig meine Pein/
Und sterb' ich/ kan ich doch nicht mehr nach dieser streben/
Nach der/ umb die ich mir erwünsche dieses Leben.
Was frommet dann der
Todt? Nur daß man büsset ein
Die Hoffnung/ die sonst viel verrichtet in gemein
Das Leben? da doch ich muß stets im
Tode schweben.
O zweiffelhaffter Stand! Ach wie ein harter Streit!
Dardurch mein Marterthumb/ und tieffes Hertze-leid
Durch Leben/ noch durch
Todt/ nicht kan zur Endschafft kommen;
Wo nicht die Sylvia mir wieder gibt das Hertz/
Entbürdet mich der Quaal/ verzuckert mir den Schmertz/
Darzu mir noch zur Zeit das Hoffen gantz benommen.
_____
An den geflügelten Cupido
Was unerschöpffte Macht pflegt an uns auszuüben
Der kleine Liebes-Gott/ der geilen Venus Sohn/
Der Erden beut er Trotz/ dem Himmel selbsten Hohn/
Wird weder durch die Zeit/ noch herben
Todt vertrieben.
Ach
Todt! ach grimmer
Todt/ was hegest du das Lieben?
Das Lieben/ das doch gibt so ungerechten Lohn/
Man muß seyn/ weis nicht was/ ja gar ein Corydon/
Erdulden Hitz und Frost/ sich Tag und Nacht betrüben.
Die Liebe bleibet stets/ sie blühet in der Noht/
Der
Todt nimt alles hin/ das Lieben aus den
Todt/
Vor ihm dis sämptlich all mit nichten kan bestehen.
Vor Lieb ist nicht befreyt der klugen Götter Zunfft/
Allhier erligt ihr Witz/ es gilt hier nicht Vernunfft/
Wer wolte/ kleiner Schalck/ doch dieses dir ansehen?
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Auff eine Liebes-Ungedult
Kom
Todt! kom süsser
Todt! Enbinde mich der Schmertzen/
Entzeuch mich Amors Grimm/ stich/ stoß mir nach dem Hertzen;
Wie aber? Wann er mich gebracht ins Grab hinein/
Wird auch die Seele dann der Flammen ledig seyn?
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An seine Julia
Weil Lufft/ Glufft/ Glut und Flut/ das grosse Haus der Erden
Vor ihrem Untergang und Fall erhalten werden;
So lange bleib' ich dir mit Gunsten beygethan/
Weil weder Grab noch
Tod uns beyde trennen kan.
Dann ob mich gleich der
Todt/ das dürre Grab/ umbgibt/
Bleibt meine Seele doch allzeit in dir verliebt.
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Christian Friedrich
Hunold (Menantes) (1681-1721)
Sie befahl ihm zu sterben
So soll ich denn mein Kind/ in dieser Glut verbrennen/
Die deiner Augen-Blitz in meiner Brust erregt?
Wohl denn/ ich bin bereit in meinen
Tod zu rennen/
Weil mir dein schönster Mund es selbsten aufferlegt.
Ja/ ja/ ich sterbe gern in diesen holden Flammen/
Weil sie vom Himmel nur und meiner Göttin stammen.
Laß mich im Sterben doch nur deine Gnad' erlangen/
Und stelle dich zur Grufft mit einen Seufftzer ein/
So will ich meinen
Tod mit höchster Lust umfangen/
Und auch im Grabe dir annoch verbunden seyn/
Es soll mein reiner Geist stets um den deinen schweben
Und so werd' ich im Sarg erst recht vergöttert leben.
Nun/ schönste/ fahre wohl/ mein Geist will schon entweichen/
Es lodert Seel' und Leib und steht in voller Glut/
Des Aetna Feuer ist der Brunst nicht zu vergleichen/
Denn was der Blitz gerührt/ lescht nichts als Milch und Blut.
Doch soll ein Phönix einst aus meiner Asche lauffen/
So gib mir deinen Schooß zu meinen Scheiterhauffen.
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Zacharias Lund
(1608-1667)
Eine Vergleichung der Liebe mit dem
Tode:
Aus einem
Frantzösischen.
Besihe das Hohelied Salomonis
cap. ult. vers. 6.
Es pflegen Lieb und
Todt umb die Mannheit zu streben:
Der
Todt bringt nur den Leib/ Amor die Seel in Noth.
So deucht mich Liebe sey viel stercker als der
Todt:
Sie herrschet uber
Todt/ ja auch wol uber Leben.
Die Liebe machet uns bald leben/ auch bald sterben:
Ihr' Härte tödtet uns/ jhr' Demuth weckt uns auff:
Schlegt
Todt einmahl herein/ man helt jhm zwar wol Kauff/
Lieb' aber macht/ daß man muß tausendmahl verderben.
Der
Todt begleitet uns nur in die Ruhe Stelle:
Die Liebe folget auch biß in die Höll' hinein.
Des
Todes dürffen wir nicht mehr denn einmahl seyn:
Die Liebe stürtzet uns zum öfftern in die Hölle.
Der
Todt/ der ferne Macht im Himmel hat verlohren/
Verübet nur auff Erd an Menschen was er kan:
Die Liebe greiffet auch nechst uns die Götter an/
Kriegt aus der Höh' jhr Krafft/ von dann sie wird gebohren.
Der
Todt benimpt uns bald die trawrige Gedancken/
Ja alles Leid vergeht/ wann wir gestorben seyn:
Die Liebe/ als der Brunn und Anfang aller Pein/
Macht uns in steter Sorg und stetem Leide wancken.
Wann es nunmehr mit uns zum schlaffen gehn ist kommen/
Dann druckt der
Todt auch wol die dunckle Augen zu:
Doch macht das blinde Kind noch grössere Unruh'/
Hat offt Vernunfft und Sinn/ Gesicht und Liecht benommen.
O Liebe/ tapffer Held/ O
Tod auch starcker Ritter:
Ihr beyden Götter jhr/ die meine Seele ehrt/
Ihr/ deren Hülff und Rath für andern sie begehrt;
Doch/ du bist gar zu süß/ du ander gar zu bitter!
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David Schirmer
(1623-1687)
Uber einen Kuß
In dem ich/ Marnia/ dir unverhofft den Kuß
aus deinem Munde nahm/ entwich mir meine Seele/
und bliebe gantz und gar in der Corallen-Höle/
so/ daß in etwas ich die Geister missen muß.
Ich starb vor Liebe hin. Es schlich sich Fuß für Fuß
das Leben von mir aus/ ümb das ich mich fast quäle/
und ieden Augenblick in der süssen Rückkunfft zehle.
Der
Tod/ der blieb in mir/ und dein gemachter Schluß.
Mein Hertze must hernach/ die Seele zuerfragen.
Indem es aber auch/ mein Lieb dich hat erblickt/
da blieb es auch in dir gefangen und bestrickt/
so/ daß ich fürter nicht von ihrer Flucht darf sagen.
Und hätt ich durch den Kuß nicht deine Seel erworben/
so wer ich gantz und gar an deiner Brust gestorben.
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An die unerträgliche Liebe
Ist denn der Himmels-Saal dein rechtes Vaterland?
Hat denn die Venus dich so/ wie man sagt/ geboren?
Ist denn der Nectar dir zu deinem Tranck erkoren?
Ist dir denn Abrosin zur Speise zu erkant?
Warümb denn wanderstu alhier durch See und Land?
Warümb hastu denn/ mich zuquälen/ dich verschworen?
Warümb denn brennestu den/ der bereit verlohren
Der Freyheit theures Gold/ mit deiner stoltzen Hand?
Warümb denn trinckstu nichts als meine nassen Thränen?
Mustu dich denn in mir an Marck und Bein gewehnen?
O wilde Grausamkeit! O Felsenharte Noth!
Vom Himmel bistu nicht auf Erden hergegangen/
Styx und sein Acheron die haben dich empfangen.
Was quälstu mich noch viel? Jetzunder bin ich
tod.
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Er betrauret Sie
Der Himmel ist mir schwartz. Die Sonne scheint nicht mehr.
Mein Lieb/ das ist nun fort/ und stehet auf der Bahre/
so/ daß ich allgemach mit ihr von hinnen fahre.
in meinem Hertzen wacht der Sorgen gantzes Heer.
Der Lippen Purpur bleicht. Die Zung ist Zucker-leer.
Die Augen sehen starr. Das Gold der frischen Jahre/
die Rosen des Gesichts/ der Fallstrick ihrer Haare
macht mir mein Leben auch im
Tode noch zu schwer.
Die Galle meiner Lust/ die Wehmuth meiner Freude/
die Wahlstat meines Thuns gibt Feuer meinem Leide.
Sie/ und zugleich ihr
Todt/ sie machen traurig mich.
O Anfang meiner Pein/ O Ende meines Lebens!
du bist nun Finsternis/ nach dir seh ich vergebens.
kom/ schau mich auch/ ich bin wie du/ mein gantzes Ich.
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Jacob Schwieger (um
1630-1664)
Sie machet lebendig
Kont' Esculapius durch zugerichte Sachen/
durch seiner Kräuter-Kunst/ ach Adelmuht mein Licht!
die schon Verstorbene vom neüen Lebend machen?
Gedenkke frei daß dihr hieran auch nichts gebricht.
Dein wegern ist mein
Tod/ dein Lieben ist mein Leben/
Ich sterbe wann du mihr entzeüchst dein Rosen Bluht:
Giebstu mihrs aber hehr/ wird mihr mein Leben geben:
mein
Tod und Leben steht bei dihr o Adelmuht.
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Sein Verlangen wirket den
Tod
Nuhn ist mihr alle Lust benommen
weil ich der Wangen Milch und Bluht
von dihr nicht einmahl kan bekommen;
Du meiner Liebe teüres Guht!
ach! ich vergehe fast vor sehnen
zerfliß auch schier in heissen Trähnen.
Mein Hertze wallet auf und nieder/
die Polß die eilt dem Ende zu/
es werden kalt die jungen Glieder/
der Leib sucht schon die Grabes Ruh
Das aber machen deine Wangen
die ich nicht sol noch muß empfangen.
Ach! Adelmuht laß dich erweichen/
gieb mihr der Wangen Rosen-Feld:
wo nicht? mus ich im Nu verbleichen
und segnen dich und dise Welt.
Ach Hertzens Seelchen laß mein flehen
dihr doch nur einß zu Hertzen gehen.
Gieb mihr der Lippen Nectar Gaben/
gieb mihr der Wangen Milch und Bluht.
Den dises alles kan mich laben
weils meinem Hertzen nütz und guht.
Was nützet dihr mein Leid und Sterben
weil du vom meinen nichts kanst erben.
Ich liebe deine grühne Jugend/
Ich liebe deinen keüschen Sinn/
Ich liebe deine Zucht und Tugend;
ja tausend-schöne Schäferinn.
Mein Leib vol Wehmuht und Betrüben/
der zeüget wie ich müsse lieben.
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Gottlieb Stolle (Leander
aus Schlesien) (1673-1744)
Sein sehen bringt ihm den
tod
Schau ich dich nicht, mein Leben!
So ist mein ende da:
Und schau ich dich, du kalte Sylvia!
So muß ich doch den geist aufgeben,
Denn deine grausamkeit erbarmt sich keiner noth.
Elender lohn, den lieb und treu verspricht!
Ich schau mein Leben oder nicht;
So küsset mich der kalte
tod.
_____
Als er sich in sie verliebet
Indem ich mein gesichte
Auf Flaviens gerolltes haar,
Und ihre schönen augen richte,
So fällt mein herz in doppelte gefahr.
Kurz: Amor will mich
töden oder fangen:
Um nun das letzte zu erlangen,
So muß ihr sauber haar ihm statt des netzes seyn.
Die augen aber sind die bogen;
Die pfeilen liefert ihm der holden blicke schein.
Jedoch wer hat sich ie dergleichen garn entzogen?
Kommt, pfeile! selbst, kommt häuffig angeflogen!
Ihr seyd doch allzusüß und schön,
Um euch aus bloser furcht des
todes zu entgehn.
_____
Als Daphne in seiner gegenwart die violine strich
Ach! warum flieh ich nicht, wenn unsre Daphne spielt?
Ich weiß doch, daß ihr spiel auf mein begräbniß zielt:
Denn ihre linden strich' und wohl-gesetzte noten
Sind freylich weiter nichts, als süsse
todes-boten.
Der bogen, den sie führt, ist Paphiens geschoß.
Läst sie, dem ansehn nach, gleich keine pfeile los;
So seh ich dennoch wohl, daß eine violine
Der schlauen Daphne mehr, als hundert köcher, diene.
Ach ja! ich fühle schon der tremulanten krafft,
Die gegen uns so viel, als scharffe pfeile, schafft:
Allein wer wolte nicht den stich des
todes fühlen,
Wenn liebes-engel uns die sterbe-lieder spielen?
_____
Als er sich von ihr solte küssen lassen
Wenn mich ein blick von dir dem blassen
tode giebt,
Was würd' ein kuß nicht auszurichten wissen!
Doch schweig, wenn Daphne dich nur liebt,
So laß, mein mund, dich immer küssen.
Denn bringt ein kuß dich um das leben,
So wird der andre doch es doppelt wieder geben.
_____
Als ihm seine Daphne gestorben
Ihr vergnügten stunden!
Wo seyd, wo seyd ihr hin?
Ach ihr bleibt verschwunden,
Nun ich verlassen bin.
Meinen Schatz, ach herbe noth!
Umfaßt der kalte
tod.
Fließt, ihr milden thränen!
Mein Schatz ist ihrer werth.
Zeigt das bange sehnen,
So mich itzund verzehrt:
Zeigt, daß meine lieb' und treu
Noch ungestorben sey.
Was mich nie betrübet,
Macht mich nun stets betrübt',
Was mich treu geliebet,
Und ich auch treu geliebt,
Stirbt dahin, und meine lust
Zugleich in meiner brust.
Flieht, ach flieht, ihr stunden!
Ich bin des lebens satt,
Weil vor meine wunden
Es hier kein pflaster hat.
Denn der trost, so mir gefällt,
Ist nicht mehr in der welt.
Daphne kommt nicht wieder,
Drum eil' ich itzt zu ihr.
Tragt, betrübte lieder!
Ihr diesen vorsatz für.
Macht, daß sie aus ihrer grufft
Dem treuen Damon rufft.
Liebste grabes-höle,
Eröffne dich vor mich!
So zieht Daphnens seele
Die meinige zu sich.
Durch den
tod kan ich allein
Bald wieder bey ihr seyn.
_____
Philipp von Zesen
(1619-1689)
Auff die Seine / da Sie verschieden
Du warst vorhin verwundt durch einen Pfeil der Liebe /
und nun hat gar gefällt der Pfeil des
Todes dich /
O Adelheit mein Schatz; Die Sterne stehen trübe:
weil du verletzet bist / so bin Ich nicht mehr Ich.
Ich steh' im Zweifel noch / weiß nicht / ob Liebe sey
Noch stärcker als der
Todt / weil er das reisst entzwey
Was treue Liebe bindet /
Daß Sie den
Todt empfindet.
_____
18. Jh.
Sophie Albrecht
(1757-1840)
Für Dich
Kennst Du das Wort, das allgewalt'ge Schwingen
Dem Geiste leiht, das schwerste zu vollbringen?
Das göttergleich, gesunknen Muth befeuert,
Und starke Kraft in schwacher Brust erneuert?
Das bittre Opfer, sonst dem Schmerz geweiht,
Für mich erhöht zur höchsten Seeligkeit?
Kennst Du das Wort, dem nie ein andres glich?
Der Liebe Losung ist's, es heißt: Für Dich!
Für Dich dem
Tode still mich hinzugeben,
Dünkt süßer mir, als ohne Dich zu leben.
Doch knüpfte auch, im innigsten Vereine,
Mein Schicksal liebevoll sich an das Deine,
So würd' ich dennoch gern von Daseyn scheiden,
Befreite Dich mein
Tod von Schmerz und Leiden,
Und selbst in banger Qual beglückte mich
Des Zauberwortes Himmelsklang: Für Dich!
_____
Ich liebe dich!
Von deinem Arm umschlungen,
Möcht ich unsterblich sein;
Von deiner Liebe Kuß durchdrungen,
Durchbebt es wonnig mein Gebein:
Ich liebe dich!
Du liebest mich!
Des
Todes kalte Stunde
Schmilzt nicht des Herzens Gluth;
Die Flammen in der Seelen Bunde
Löscht nicht der
Tod; - nicht Lethes düstre Fluth:
Du liebest mich!
_____
Lied auf dem Friedhofe
Sei leiser hier, du meines Kummers Klage,
Und flüstre nur, was mich zu Gräbern beugt;
Verzeiht – verzeiht, ihr
Todten, daß ich’s wage
Zu klagen, wo des Schmerzes Stimme schweigt.
Nichts kann der Gräber stolze Ruhe stören,
Der Friede wohnt im stillen Schattenreich;
D'rum will ich heilig eure Thäler ehren,
Denn wißt, mein Herzensfreund, wohnt unter euch.
Mein Freund, der wieder all' die süßen Bande,
Die längst die Welt von meinem Herzen riß,
Verknüpft, und mir im finstern Wechsellande
Elysiums ewig daurend Glück verhieß.
Die heiße Stirn gelehnt am kalten Steine,
Der meiner Trauer Hügel überdeckt;
Rinnt sanft, ihr Thränen! wie im Frühlingshaine
Der Morgen-Thau die junge Rose weckt.
Sie fließen nicht, dich Freien zu beklagen,
Der nicht im Kerker der Verwesung wohnt;
Dir jauchz' ich zu, dem nun nach schwülen Tagen,
Das kühle Weh'n der Himmelspalme lohnt.
Dort seh' ich dich den großen Morgen feiern,
Der nur an jenem Purpurufer tagt;
Wohin von dieses Lebens Ungeheuern,
Das Glück zu stören, kein's sich wagt.
Nur mir, der Nachgeblieb'nen, rinnt die Zähre,
Um mich Verlass'ne klagt dies Thränenlied;
Mir ist die Welt nur eine öde Leere,
Durch die der Wand'rer zu der Urne flieht.
Sie deckt mit dir auch alle bleiche Schrecken,
Die Gruft und
Tod mir einstens schaudernd gab;
Es muß die Nacht den jungen Morgen wecken,
Du starbst – und Heimath wird mir
Tod und Grab.
Umschlungen von der Hoffnung schönstem Lande
Späh' ich, ob bald der Kahn herüberschwimmt,
Der mich von der Verwesung düstr'rem Strande
Zu dir – zu dir, mein Freund, hinübernimmt.
_____
Im Sommer
Was, Rose, blühest du so schön
Und duftest mir so süße?
Was, holder Zephyr, soll dies Weh'n
Und Flüstern deiner Küsse? -
O Rose! dufte
Todten-Duft
Dem langgequälten Herzen;
Komm, rauher Nord! zerpeitsch' die Luft
Und Zephyrs kos'ges Scherzen.
Zur blassen
Todten-Krone nur
Kannst du mir, Rose, prangen;
Ihr Lüfte, heiße Thränen nur
Küßt ihr auf meine Wangen.
Weg! – fliehet zu dem falschen Mann,
Sag't ihm von meiner Treue,
Und bring't zu meinem Grabe dann
Einst Thränen seiner Reue.
_____
An den
Tod
Wenn er, hohe Freude im Geleite,
Kommt, der Tag im hellen Purpurkleide,
Und der Frühling ihm zur Seite geht, -
Wenn ihm, schwebend auf umglänzten Flügel,
Froh entgegen jauchzen Thal und Hügel
Und sein goldnes Haar der West umweht.
Wenn im Thau die ersten Rosen glänzen,
Muntre Bäche junge Veilchen kränzen,
Und die Bäume farbenprächtig blühn,
Wenn der Abend uns mit Schatten lohnet,
Wenn der Mond am stillen Himmel thronet
Und die Sterne in den Quellen glühn -
Wenn dies alles himmlisch zu verschönen,
Er – der liebste mir von Menschensöhnen
Nahet, freundlich so wie die Natur;
O dann schwindet mir, von ihm umschlungen
Und von seinem heißen Kuß durchdrungen,
Nacht und Morgen und der Glanz der Flur.
Tod! dann bist du mir der schönste Segen! -
Sehnend wallt mein Busen dir entgegen,
Komm! ruf ich, und führe mich dorthin,
Wo des Morgens Purpur nie erbleichet,
Wo den Frühling nie der Herbst erreichet,
Wo ein trüber Abend nie erschien. -
Wo am Bach die Bäume ewig blühen,
Unter Purpur-Rosen Veilchen glühen,
Wo sich Frieden ohne Trennung küßt. -
Und wo alles dieses zu verschönen,
Er – der liebste mir von Menschensöhnen
Ewig mein vor allen Engeln ist.
_____
Susanne von Bandemer
(1751-1828)
Und würde mir der
Todesengel winken,
Ich müsste noch den Kelch der Liebe trinken,
Durch ihn gestärkt, fühlt' ich ein neues Leben
Den Busen heben.
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Die Liebe kennet keine Schranken,
Im
Tode selbst wird sie nicht wanken;
Sie bleibt sich ewig einerley.
Die Zeit kann nie dies reine Feuer mindern,
Kein Mensch, kein Gott! kann ihre Allmacht hindern,
Und felsenfest ist ihre Treu.
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Die Rose
an der Brust des Geliebten
Sie blühte einst an deinem lieben Herzen
So schön, und welkte schnell dahin: -
O, wär' ich sie, die Blumenköniginn!
So stürb' ich, statt in Trennungsschmerzen,
An deinem Busen, wo sie starb,
Und durch den
Tod sich meinen Neid erwarb.
_____
Gabriele von Baumberg
(1768-1839)
Nantchens Unbussertigkeit
Ihn lieben wäre Sünde! Nein!
Das glaub' ich nimmermehr!
Doch wenn es wirklich Sünde wär',
Die Sünde könnt' ich selbst im
Tode nicht bereun.
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Joachim Christian Blum
(1739-1790)
An Phyllis
Du lässest mich in langer Marter sterben,
Bey Furcht, und Hoffnung, tausendfachen
Tod.
Grausame, willst du mein Verderben:
So gib mir plötzlich, was dein Auge droht,
In einem Blicke tausendfachen
Tod!
Willst du dieß nicht, was hindert dich, zehntausend Leben
In einem Blicke mir zu geben?
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Gottfried August Bürger
(1747-1794)
Schwanenlied
Mir thut's so weh im Herzen!
Ich bin so matt, so krank!
Ich schlafe nicht vor Schmerzen;
Mag Speise nicht und Trank;
Seh' alles sich entfärben,
Was Schönes mir geblüht!
Ach, Liebchen! will nur sterben!
Dies ist mein Schwanenlied.
Du wärst mir zwar ein Becher
Von Heilungslabsal voll. -
Nur - daß ich armer Lecher
Nicht ganz ihn trinken soll! -
O, daß du auch so Süßes,
So tausend Süßes hast! -
Und hätt' ich des Genießes,
Wann hätt' ich gnug gepraßt? -
Drum laß mich vor den Wehen
Der ungestillten Lust
Verschmelzen und vergehen,
Vergehn an deiner Brust!
Aus deinem süßen Munde
Laß saugen süßen
Tod!
Denn, Herzchen, ich gesunde
Sonst nie von meiner Not.
_____
Verlust
Wonnelohn getreuer Huldigungen,
Dem ich mehr als hundert Monden lang
Tag und Nacht, wie gegen Sturm und Drang
Der Pilot dem Hafen, nachgerungen!
Becher, allgenug für Götterzungen,
Goldnes Kleinod, bis zum Überschwang
Stündlich neu erfüllt mit Labetrank,
O wie bald hat dich das Grab verschlungen!
Nektarkelch, du warest süß genug,
Einen Strom des Lebens zu versüßen,
Sollt' er auch durch Weltenalter fließen.
Wehe mir! Seitdem du schwandest, trug
Bitterkeit mir jeder Tag im Munde.
Honig trägt nur meine
Todesstunde.
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Johann Christian Günther
(1695-1723)
AUF DEN
TOD SEINER GELIEBTEN FLAVIE
STIRBT meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, so sie gefällt, muß mich auch selber
tödten.
Die Schönheit und ihr Kind, mein Leben, sinckt ins Grab,
Das meine Lust vergräbt. Was mir der Himmel gab,
Nimm jezt die Erde hin. Der Zierrath aller Wälder
Der Ausbund aller Treu, macht der Elyser Felder
Durch seinen
Tod beglückt. Die ewig schwarze Nacht
Verhüllt mein Sonnenlicht. Was mir das Leben bracht,
Geht zu den
Todten hin. Der Augen holden Sterne
Verlieren Glanz und Schein. Die Schale liegt vom Kerne
Zusamt den Schlacken hier, und der beredte Mund
Macht durch ein stummes Wort die lezte Rede kund.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie betrift, muß mich auch selber
tödten.
Die Ohnmacht hängt mir zu. Der Parzen Urthelstab
Reißt meiner Flavie den Schönheitspurpur ab.
Die Äcker fühlen es. Die Zierligkeit der Blätter
Verläst den dürren Stamm, wie wenn ein Donnerwetter
Die grünen Äste theilt. Es seufzen Feld und Wald,
Da ein gebrochen Wort in seinen Thälern schallt
Und ihren
Tod beklagt. In den bestürzten Flüßen
Sieht man der Nymphen Schaar die Thränen häufig gießen.
Die Hügel stehn gebückt, die hohlen Gründe schreyn:
Geht meine Flavie, geht mein Vergnügen ein.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, so sie gerührt, muß mich auch selber
tödten.
Die Pallas und das Volck der Schäfer grämen sich
Um ihre Schäferin; die sie so inniglich,
So ungemein geliebt, da die zerstreuten Hirten
Die Lenden mit Napell, den Leib mit Jammer gürthen.
Das angenehme Vieh der Schaafe liegt gestreckt,
Ihr Blöcken, das dich ruft, doch aber nicht erweckt,
Betäubet fast mein Ohr. Ich selber bin verlaßen,
Ich kan vor Kummer kaum mich und mein Herze faßen,
Dem nun das Herze fehlt. Wenn meine Sehnsucht ruft:
Wo bistu, Flavie?, so hört es nur die Gruft.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, so sie gefällt, muß mich auch selber
tödten.
Zuvor versorgte Schaar, nunmehr verwaistes Vieh,
Betrübten Lämmer, klagt; mein Engel wird euch nie,
So wie zuvor geschehn, an jenen Silberbächen
Des Hungers Macht mit Klee, den Durst mit Waßer brechen
Noch, wenn der Tag sich kühlt, der Berge Schatten wächst
Und eure Müdigkeit nach ihren Ställen lechst,
Euch mit gefüllter Hand das Abendfutter reichen.
Kommt, lieben Schaafe, kommt, verlast die wilden Eichen,
Wo Schröcken und Gefahr sich mit den Wölfen paart;
Ihr seyd bey mir so gut als irgendwo verwahrt.
Ich will euch günstig seyn, ich will euch immer lieben,
In meine Hürden thun, zu meiner Heerde schieben.
Ihr sollt fast jeden Tag auf frische Triften gehn,
In Blumen, Graß und Klee bis an die Bäuche stehn.
Geht jezo, wo ihr wollt, der Weide zu genießen,
Doch hütet euch, daß ihr nicht mit den bloßen Füßen
Den werthen Berg entehrt, das Heiligthum entweiht,
Wo meiner Liebsten Gruft mir auch mein Sterben dräut
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie entseelt, muß mich auch selber
tödten.
Betrübtes Heiligthum und du bemooster Berg,
Wo meine Flavie, der Schönheit Wunderwerck,
In todte Thäler steigt, auf deinen Angstgebürgen
Wird Kummer, Angst und Leid mich endlich noch erwürgen
Und in die Erde ziehn. Dein grünes Sommerkleid
Mehrt meine Hofnung nicht; des
Todes Bitterkeit
Vergällt mir alle Lust. Bey diesem Leichensteine,
Der meiner Flavien geliebteste Gebeine
Bedeckt, doch nicht beschwert, vergeht mein Paradies.
Die, so im Leben schon mein ander Leben hies,
Zieht endlich einen Theil von meiner treuen Seele
Mit der Beständigkeit in ihre Grabeshöhle,
Die meinen Schmerzen weis und meinen Kummer kennt,
Die meine Klagen zwar gerecht und zärtlich nennt,
Nicht aber widerlegt. Bringt Blumen und Violen,
Last Narden und Jasmin aus fremden Ländern holen,
Salbt den erblasten Leib, beräuchert Gruft und Sarg
Mit Ambra und Zibeth, ja, zieht das beste Marck
Aus Perlen, Gold und Stein, belebt die kalten Glieder
Mit warmen Mumien, vielleicht erwacht sie wieder.
Doch wer im
Tode schläft, der schläft nicht eher aus,
Bis ihn der Himmel weckt und sich das Sternenhaus
Zu seinem Bette naht. Ach widriges Geschicke!
Denckt mein betrübter Sinn an die beliebten Blicke,
Die ich vor kurzer Zeit - - Schweig, die Erinnerung
Der Lust vermehrt die Last. Drum sey es auch genung
Bedacht, doch nicht beklagt, beweint, doch nicht vergeßen.
Man darf die Trübsahl nicht nach vielen Thränen meßen,
Weil oft das gröste Leid mit trocknen Dingen weint,
Ja, oft ein Donner kommt, wenn gleich die Sonne scheint
Und sich kein Regen regt. Doch ihr geweihten Hügel,
Wo meine Klagen selbst der Morgenröthe Flügel
Und Hesperus beklagt, straft meinen Vorsaz nicht,
Der seiner Flavie die lezte Treu verspricht,
Sich nun und nimmermehr von hinnen zu entfernen,
Von dieser Gruft zu gehn, bis ihn der Rath der Sternen
Zu seinem Sterne bringt, der nun verklärter strahlt
Und in der Ewigkeit die Sternenzimmer mahlt.
Du meines Lebens
Tod und du mein
todtes Leben,
Erblaste Flavie, mein Sinn bleibt dir ergeben,
Mein Wille dir geschenckt, mein Wollen zugethan;
Ach, daß ich's, wie ich will, nicht gut besingen kan,
Nicht recht beschreiben darf. Es soll gleichwohl indeßen
Dein Grabmahl, deine Gruft, von Lorbeern und Cypreßen
Erhöht und lustig stehn. Ein jährlich Trauerfest
(Wer weis, ob mich der
Tod gar lange trauen läst!)
Soll dir gewidmet seyn. Ein Kranz von Myrthenzweigen,
Den viele Tropfen Blut statt der Rubinen beugen,
Soll um den morschen Schlaf ein traurig Merckmahl ziehn,
Daß diese Blätter noch wie meine Liebe blühn,
Wie meine Treu bestehn, wie meine Flammen dauren.
Vielleichte rühret sich (der Wein kann nicht versauren,
Den uns die Hofnung schenckt,) der aufgescharrte Sand
Und macht den
Todten auch mein Opferlied bekand.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie betäubt, muß mich auch selber
tödten.
Der Kindheit Morgen warf den Zunder in die Brust,
Der nach und nach entglamm; die erste Liebeslust
War Spiel und Dockenwerck. Ich war dir schon gewogen,
Als aus den Wangen noch kein Haar die Milch gesogen.
Wir waren schwach und klein, die Liebe starck und groß
Und größer als wir selbst. Oft trug uns eine Schoos,
Oft führt' uns eine Hand, noch öfter das Verlangen.
Wie öfters hat uns nicht ein kindliches Umfangen
Die Armen schwer und blau wie selbsten laß gemacht!
Uns nahm die Wärterin, wir unsre Lust in Acht.
Wir spielten in der Zeit, wir scherzten mit den Jahren,
Sie aber auch mit uns. Ach Schmerz, den ich erfahren,
Der mir nun Schmerz gebiehrt! Auch unser Unverstand
Verstand die Liebe schon: Ein doppelt Wiegenband
Verknüpfte mich und sie. Wo sind dieselben Tage ?
Vergänglichkeit und
Tod erörtert diese Frage
Durch einen
Todtenkopf. Ach Antwort ohne Wort,
Obgleich nicht ohne Mund! Höchstangenehmer Ort,
Höchstangenehmes Feld, wo meine Heerde gieng
Und meine Ziegenschaar an jenen Klippen hing,
Wo ich und Flavie das schöne Lustgefilde
Bewundert und beschaut, wie von dem frechen Wild
Die Wälder zitterten, wenn Erd und Luft erklang,
Da meine Flavie in diese Flöthe sang.
Hier trieben wir die Zucht der Lämmer oft zusammen,
Dort sah ein Ulmenbaum die unentweihten Flammen,
Hier warf der müde Schlaf mein Haupt ihr in die Schoos,
Dort riß der Sommer uns die Oberkleider los.
In diesem jungen Heu vermieden wir das Schwizen,
Bey dieser Buche schlug ein unerhörtes Blizen
Dir den Melampus
todt, hier hub sich unser Bund
Mit unsrer Jugend an, hier ward mein Leib verwundt
Und auch dein Geist betrübt, als mir der Fuß entglitten;
Hier half die Dämmerung mir deinen Sinn erbitten,
Daß du den Hirtenstab an einen Baum gelehnt,
Die Tasche abgeschält und dich mit mir gewöhnt,
Auch ohne Federn uns ein Lager aufzubetten,
Auf dem die Glieder Ruh, die Kräfte Stärckung hätten.
Oft sah der Morgen uns und unsrer Liebe zu,
Oft gab der Abend uns und unsrer Liebe Ruh.
Bald überlegten wir die überlebten Zeiten,
Bald die zukünftigen, auf die wir uns schon freuten.
Bald schwazten wir uns viel von Hochzeitmachen vor,
Bald von Beständitgkeit; bald hielt dein kluges Ohr
An meiner Poesie, bald lechste mein Verlangen
Nach deiner Gegenwart, die, wenn du mir entgangen,
Den satten Schaafen wohl, mir aber bange that.
Wer aber schaft vorjezt dem bloßen Wüntschen Rath?
Die Zeiten sind entwischt, die Stunden sind verstrichen
Und meine Flavie zwar mit der Zeit entwichen,
Doch nicht zur Wiederkunft. Das ganz verstimmte Rohr
Und der gedämpfte Thon bringt lauter Klagen vor.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber
tödten.
Der Rosen Scharlach färbt die rothen Wangen bleich,
Die Lilgen fallen hin, die Steine werden weich,
Narcißus selber stirbt, es starret sein Gesichte,
Das ich zuvor erhizt. Die wohlgestalte Fichte
Zieht Kopf und Gipfel ein, der Hyacinth verdirbt,
Da kaum ein halbes Ach! mit seiner Zunge stirbt.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber
tödten.
Welch Schröcken, welche Pein, welch ungestümer Nord
Reißt mein Vergnügen ein, reißt meine Hofnung fort,
Die ferner nichts mehr hoft? Der Vögel süßes Singen
Wird meiner Flavie kein Morgenlied mehr bringen.
Der Sonne selber graut. Die werthe Nachtigall
Besinget meinen Schmerz, beweinet deinen Fall,
Mit dem mein Ancker fällt. Die Lüfte werden trübe,
Weil sie der Untergang von meiner keuschen Liebe
Mit Wolcken überdeckt, mit Nebel überzieht
Und in der Blüthe schon mein Wohlergehn verblüht.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, so sie verlezt, muß mich auch selber
tödten.
Klagt, lieben Vögel, klagt, weint, Blumen, Feld und Vieh,
Schreyt, Hirten, Berg und Thal, weil ihr der
Tod zu früh
Und mir zu langsam kommt. Mein bangsames Gewinsel
Vermehlet sich mit euch. Wer schaft mir Kiel und Pinsel
Der meinen Schmerzen mahlt, der meine Sehnsucht trift,
Die ohne den Kompaß und ohne Leitstern schift,
Die ohne - - doch was soll ein großes Wortgepränge?
Dem Schmerzen ist mein Herz und mir die Welt zu enge.
Ich muß, doch aber nein. Ich werde, aber was?
Ich kan, doch wie! Ich mag, wodurch? Ich will das Graß,
Ach wollen, wenn man muß, mit Blut und Thränen nezen,
Mich als ein lebend Grab zu deinem Grabe sezen,
Wo mein Gelücke schläft, wo mein Betrübnüß wacht
Und meiner Liebsten Sarg die Erde fruchtbahr macht.
Hier soll ein Tränenbach auf die Gebeine schwimmen,
In deren Asche noch die zarten Funken glimmen.
Hier soll mein Herze selbst dein bester Leichenstein,
Die Überschrift von Blut: Hier liegt mein Leben, seyn.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie erwürgt, muß mich auch selber
tödten.
Kan, schöne Flavie, dein felsenharter Sinn
Auch ohne seinen Freund aus diesem Leben ziehn?
Darf, sag ich noch einmal, dein voriges Vergnügen,
Jezt dein Verlaßener, nicht in den Armen liegen,
Die nun der
Tod umarmt? Du weist, ich war bereit,
Mit dir, Geliebteste, des Leibes Einigkeit
Und der Gemüther Band in jener Welt zu suchen;
Ich suchte diesen
Tod und muß den Schluß verfluchen,
Der mir das Leben schenckt, der mich zu
Tode quält.
Ach, daß uns nicht ein Sarg wie vor ein Sinn vermehlt!
Kan, ohne dich zu sehn, dem Auge was gefallen,
Da sich dein Auge schleust ? Kan ohne Furcht zu lallen
Des Mundes naße Pflicht bey deiner Baare thun,
Was ihm zu thun gebührt? Kan noch mein Schenckel ruhn,
Da mir dein Fuß entwischt? Die blumenvollen Wiesen,
Die ich zuvor gelobt, die ich zuvor gepriesen,
Sind mir jezund verhast. Der edelste Geruch
Riecht mir nach Überdruß. Das allerbeste Buch,
Das meiner Seelen mehr als Zuckerbrodt gewesen,
Läst mich den Leichentext aus allen Zeilen lesen:
Mein Wohlseyn ist mit ihr und sie mit ihm vorbey.
Was Wunder, wenn sich mir dein
todtes Conterfey
An allen Blättern weist, die sich vom Stamme rißen
Und also uns versagt, den Schatten zu genießen,
So daß noch jeder Ast der Liebe Bildnüß trägt,
Das mir das Herze so wie ihn der Wind bewegt.
Stirbt meine Flavie, so klagen meine Flöthen,
Der Schlag, der sie entrückt, muß mich auch selber tödten.
_____
ALS ER SICH ÜBER IHREN
TOD BEKLAGTE
BETRÜGLICHES Glücke!
Die stählerne Brücke
Der Hofnung zerfällt;
Der Becher der Freuden
Wird mir durch dies Leiden
Mit Wermuth vergällt.
Die Sonne der Tugend,
Die Blume der Jugend,
Geht unter und ein;
Der Himmel wird trübe,
Die Flammen der Liebe
Verlieren den Schein.
Der Frühling der Jahre
Erstirbt auf der Baare :
Wer wird mir den Kuß
Wie vormahls gewähren?
Ach langes Entbehren!
Ach kurzer Genuß!
Erblaste Florette,
Dein
Tod reißt die Kette
Der Eintracht entzwey;
Dein Leichenbegängnüß
Zeigt, wie das Verhängnüß
Mein Henckersknecht sey.
Bedeckt mich, ihr Berge,
Umfast mich, ihr Särge,
Versagt mir die Luft!
Mein Geist mag zerfliegen,
Des Leibes Vergnügen
Ist Moder und Gruft.
Ich sterbe vor Kummer,
Der ewige Schlummer
Entgeistert die Brust.
Ich liebte von Herzen,
Ich lebte mit Schmerzen,
Ich sterbe mit Lust.
_____
EHER
TODT ALS UNGETREU
EHER
todt als ungetreu!
Dieser Leichentext soll zeigen,
Daß ich, wenn die Wetter steigen,
Gleichwohl Leonorens sey.
Eher
todt als ungetreu!
Soll ich dich, mein Kind, nicht heben,
Halt ich alle Lust im Leben
Vor des Himmels Tyranney.
Eher
todt als ungetreu!
Was gewinnt man auf der Erden?
Hofnung, Kummer und Beschwerden
Und zulezt nur späte Reu.
Eher
todt als ungetreu!
Irrthum, Sehnsucht und Gedancken
Reißen durch der Jugend Schrancken
Unsre Freude bald vorbey.
Eher
todt als ungetreu!
Treue Liebe läst die Plagen
Böser Zeiten noch ertragen
Und erquickt in Sclaverey.
Eher
todt als ungetreu!
Du mein Schaz und ich dein Glücke,
So verlachen wir die Stricke
Der vergällten Heucheley.
Eher
todt als ungetreu!
Neid und Pöbel kan nicht faßen,
Wenn wir ihm die Güter laßen,
Wie so wohl uns beiden sey.
Eher
todt als ungetreu!
Tröste dich mit diesem Spruche,
Neh ihn auf dem Leichentuche
Neben unser Conterfey.
Eher
todt als ungetreu!
Glaube das, du treue Seele,
In der finstern Grabeshöhle
Schläft mir auch dein Schatten bey.
_____
ALS ER DER PHILLIS EINEN RING MIT EINEM
TODTENKOPFE ÜBERREICHTE
ERSCHRICK nicht vor dem Liebeszeichen,
Es träget unser künftig Bild,
Vor dem nur die allein erbleichen,
Bey welchen die Vernunft nichts gilt.
Wie schickt sich aber Eiß und Flammen?
Wie reimt sich Lieb und
Tod zusammen?
Es schickt und reimt sich gar zu schön,
Denn beide sind von gleicher Stärcke
Und spielen ihre Wunderwercke
Mit allen, die auf Erden gehn.
Ich gebe dir dies Pfand zur Lehre:
Das Gold bedeutet feste Treu,
Der Ring, daß uns die Zeit verehre,
Die Täubchen, wie vergnügt man sey;
Der Kopf erinnert dich des Lebens,
Im Grab ist aller Wuntsch vergebens,
Drum lieb und lebe, weil man kan,
Wer weis, wie bald wir wandern müßen!
Das Leben steckt im treuen Küßen,
Ach, fang den Augenblick noch an!
_____
Jakob Michael Reinhold
Lenz (1751-1792)
An **
Das dich umgiebt, belebest du;
Dein Auge gießt wie Saft der Reben
In tote Adern Geist und Leben
Und führt dem Herzen Feuer zu.
Dem Kranken läuft das Blut geschwinder;
Der alte Mann, die kleinen Kinder,
Warm von dem ungewohnten Glück,
Umhüpfen deinen frohen Blick.
O Phillis, diesen Blick umgiebt
All' alles, was man wünscht und liebt.
Ich möchte sonst kein Glück erwerben,
Als voll von diesem Blick zu sterben.
Drum flieg' ich, Räubrin meiner Ruh!
Daß mir dein Aug' den
Tod soll geben,
Dir täglich voller Sehnsucht zu,
Und täglich - schenkt es mir das Leben.
_____
Wie mach ich es? wo heb ich Berge aus
Mich ihr zu nähern? wer kommt mir zu Hülfe?
O wär ich leicht wie Zephir, wie ein Sylphe,
Ach oder dürft ich in ihr Haus
Unmerkbar leise wie die Maus!
O wär ein Zaubrer da, mich zu zerschneiden, spalten
Mich tausendartig zu gestalten:
Gönnt er mir nur das Glück, ihr Angesicht zu sehn,
In tausend
Tode wollt ich gehn.
Die schwarzen Augen, deren süßes Feuer
Zu Boden wirft, was ihnen naht, der Schleier
Des unbezwungnen Geistes, der von jedermann
Anbetung sich erzwingt, auch wer ihn hassen kann.
Das holde Mündchen, das so fein empfindet,
So zärtlich liebet, das schalkhafte Kinn
Gebildt von einer Huldgöttin.
_____
19./20. Jh.
Johanna Ambrosius
(1854-1939)
Dein Kuß
Der Kuß, der auf dem Mund dir lag,
Ich hab ihn mir genommen,
Nun jauchz' ich wie ein Vöglein froh,
Was kommen will, mag kommen!
Wem Götter bieten einen Trunk,
Der soll nicht lange zagen,
Sie könnten sonst in heil'gem Grimm
Des Glückes Glas zerschlagen.
Und sollte auch der kalte
Tod
Sich neben mich nun legen,
Die Lippe, die dein Mund berührt,
Wird lächeln ihm entgegen.
_____
Memento mori
O hätt' ich einmal dir noch können sehn
Ins braune Aug', das gleich der ew'gen Flamme
Die
todesmüde Seele mir durchhaucht. -
Aus ferner Kinderzeit
Tönt noch in meinem Ohr
Der süßen Stimme Laut,
Mit der du oft gegrüßet
Mich um die Dämmerzeit,
Wenn mit geheimen Fäden
Mein Sinnen und mein Träumen
Zu dir zog.
Wenn deine Hand so fest die meine
Preßte ans ungestüme Herz,
Wie zog in mir dann froh die Ahnung
Auf von einem hohen künft'gen Glück.
Da rief das Schicksal dich hinaus ins Leben;
Du folgtest gern und sogst
Es ein in vollen Zügen
Und hattest in des Glückes gold'ner Fülle
Nur gar zu bald vergessen,
Was weinend mir beim Scheiden
Du versprachst.
Denn ach, gar bald zogst eine andere
Blume du ans Herz,
Und jubelnd sangst du ihr dieselben
Lieder, die meine stille Kammer
Zum heil'gen Tempel einst geweiht.
Sie saß auf deinen Knie'n, aus weißer
Stirn die schwarze Seidenlocke sanft dir streichelnd,
Wie ich es oft gethan vor Jahren,
Wenn deine Sorge du mir klagtest
Und mir mit süßem Kuß
Die Worte von den Lippen nahmest. -
O hätt' ich einmal dich noch können sehn!
Wie du vom Glück umflossen
Auf der Höhe standest,
Um jäh darauf in
Todesnacht zu sinken.
Im Arm der Liebe schliefst du ein auf ewig.
So ungeahnt gleich einem Sieger,
Der vor der Heimat Schwelle
Rücklings erschlagen wird. -
Mit wie viel Thränen man
Auch deinen
Tod beweinet,
Wie dein verlassen Lieb trostlos die Hände rang,
Ich kann das alles nicht.
Ich kann nur beten, morgens, mittags, abends:
O, hätt' ich einmal dir ins Aug' noch können sehn!
_____
Achim von Arnim
(1781-1831)
Wie lebt der Kranke noch sein Leben
Dem schon der
Tod vorherverkündet,
Sie reist von hier, ich bin dem
Tod gegeben
Ein Wurm sich so schon vor dem Tritte windet,
So lauft ihr Ameisen eh sich der Feind genahet,
Ihr fürchtet euch eh ihr Verwüstung sahet.
_____
Elsa Asenijeff
(1867-1941)
DIE BLUME AN DEN FRÜHLING
Seine Stimme ist eine tiefe Macht!
Sein Blick ist weich wie die Frühlingsnacht . . .
Sein Mund, der blutrot blüht,
Hat in meinen
Tod geglüht:
Da bin ich auferstanden
Ans frohe Licht! . .
_____
SEUFZER AN DEN EINZIG-GELIEBTEN
Und ist der
Tod mir da
Fern – oder nah –
Ich will ihn lächelnd grüssen
Denn ich sterbe leicht –
Mit deinem süssen, süssen
Namen aus der Lippen
Letzten Hauch
Löscht mein schwaches Leben aus. – –
_____
HILFLOSER SCHMERZ
Sein fernes Gedenken
Hat sie verlassen –
Sie irrt so planlos durch die dunklen Gassen,
Von ratlosem Leide tief bedrängt –
Zwei finstre Gesellen
Lauern ihr auf
Und wollen ihr Fuss stellen:
Der Wahnsinn und der
Tod!
_____
Anna Behrens-Litzmann
(1850-nach 1913)
Aufschrei
Du, meines Lebens Glück und Glanz und Zier,
Du, die uns Werden und Vollenden schafft,
Du, aller Schönheit Inbegriff und Kraft,
Soll ich zugrunde gehen nun an dir?
Soll jener Hunger, den nur mein Gebot,
Mein Wille immer wieder neu bezwingt,
Daß er nicht wie ein Schrei die Nacht durchdringt,
Soll er mich schlimmer töten als der
Tod?
O Liebe du, nicht dieser Erde Kind,
Willst du dich rächen, weil wir irdisch sind
Und dennoch Erben deiner Seligkeit?
Du hängtest über dich das Netz der Zeit,
Gabst mir als Hüterin die Einsamkeit. —
Die heil'ge Flamme haben wir bewacht.
Wer hat im Sturm sie neu zur Glut entfacht?
Du lebst — und außer dir ist
Tod und Nacht.
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Die Herzen
Tot lagen zwei Königskinde
die sich zu sehr geliebt.
Da weint Hof und Gesinde.
Ein Grab man ihnen gibt.
Der König in seinem Leide
läßt hauen aus edlem Stein
seiner liebsten Augenweide
einen kühlen Totenschrein.
Er will nicht daß sie wesen,
beruft seiner Ärzte Kunst,
läßt Öle und Narden erlesen
für eine letzte Gunst:
"Tod soll sie nicht versehren,
ihr Blühen nicht vergehn." -
Da sieht man mit Messern und Scheren
sie über den Leichen stehn.
Bereit sind Öle und Narden
und Spezerei zu hauf.
Es tun von langen zarten
Schnitten die Leiber sich auf.
Die Ärzte zu
Tod erbleichen,
zu stumm für einen Schrei:
Kein Herz lag in seiner Leichen,
in ihrer lagen zwei.
_____
Zweites Sonett der Louize Labé
O braune Augen, Blicke abgewendet,
O heiße Seufzer, o vergossene Tränen,
O dunkle Nächte hingebracht in Sehnen,
O lichte Tage nutzlos hinverschwendet;
O Traurigkeit, o endloses Begehren,
O Stunden die vertan, wehes Entsetzen,
O tausend
Tode rings in tausend Netzen,
O schlimmer Qualen noch mich zu verzehren.
O Lächeln, Stirn, Haar, Hände - mich verzückend;
O Stimme, Laute, Geige - mich berückend:
So viele Flammen für ein schmelzend Weib!
Dich klag ich an, der du die Feuer fachtest,
Mit Brand und Brand mir nach dem Herzen trachtest:
Kein Funke fiel davon auf deinen Leib.
_____
Gleichung
Soll ich dann nicht mehr sein
wenn ich dir fern bin?
wirst du dann Erde sein
wenn ich ein Stern bin?
Folgst du mir nicht mehr
wenn ich entschwunden?
wenn ich entfesselt schon
bist du gebunden? -
Leben und
Tod ist nur
gleiches Berauschen.
Sterne und Erde sind
nicht mehr zu tauschen.
Sterb ich dir heute nicht
sterb ich dir morgen:
Schwebend im Gleich des All
sind wir geborgen.
_____
Nordische Kalypso
Wo sie die Liebe vergibt
und sich vergibt daß sie liebt
wird sich die Göttin ergeben -
darf ich mein Stück für sie leben.
In ihr verschwiegnes Bereich
warf mich die Welle herauf
um zu erfüllen mein Los:
Tod und Liebe sind gleich.
Tod und Liebe sind groß.
Tod und Liebe stehn auf.
Liebe gebietet dem
Tod.
_____
Ernst Blass (1890-1939)
Mein
Tod soll sanft um Innigkeiten beten
Bei manchem Menschen, dem ich nahe stand.
Nur sie wird meine Seele nie betreten.
Und ewig höhnt mich ihre schmale Hand.
Nur sie, um die ich starb, wird niemals wollen,
Daß nur mein
Tod ihr ein Erlebnis sei,
Damit im Dumpfen unter Erdenschollen
Ich noch verraten und verlassen sei.
_____
Udo Brachvogel
(1835-1913)
Leb' wohl
Leb' wohl! Im Herzen stockt das Blut,
Die Brust durchwühlet
Todesqual;
Bald Eis auf Eis, bald Gluth auf Gluth
Ruht Mund auf Mund - zum letzten Mal.
Was ineinander sich gerafft,
Reißt auseinander das Geschick;
Die breite
Todeswunde klafft,
Drauf heilend fällt kein Engelsblick.
Leb' wohl! Das ist das Grabgeläut,
Das jedes Glück zum Kirchhof schleift.
Jetzt lockt der
Tod, der sonst gedräut,
Zum Grabe bist Du schnell gereift.
O Fluch, der auf der Liebe ruht,
Das Märtyrkreuz ist Dein Symbol!
Aufzuckt und zischt der Seele Gluth, -
Und stirbt doch nicht im Lebewohl.
Und stirbt doch nicht! Daß sie nicht stirbt
Das ist der Fluch, das ist der Schmerz;
Das schale Leben buhlt und wirbt
Zumeist um ein gebroch'nes Herz.
Doch färbt das Alter Dich auch weiß,
Stets klingt ein Echo dumpf und hohl:
"Du warst Dein ganzes Leben Greis
Seit jenem einen Lebenwohl!"
_____
Einziges Geständniß
Es ist umsonst, ich kann das Wort nicht sprechen!
Ich sehe feindlich nur nach Dir hinüber,
Gleichgiltig scheinend wandl' ich Dir vorüber,
Mag Innen auch dabei die Seele brechen.
Wenn Deine Lippen meine Gluth verlachten!
Das ist es, was ich nimmer könnte tragen;
Ich würde selbst mir in das Antlitz schlagen,
Ich müßte selbst auf ewig mich verachten.
So schweig' ich denn; in meines Lebens Neige
Will ich des Eigenhasses Gift nicht träufen,
Nicht will ich selbst mein
Todtenmal mir häufen,
Ich seh' Dich an und sterbe, - doch ich schweige.
Die Nachtigall, die bald auf meinem Grabe
Ihr Nest erbaut in holden Frühlingstagen,
Und dies Gedicht, sie mögen Dir einst sagen,
Ob ich und wie ich Dich geliebet habe.
_____
Ahasver
Mir hat die Liebe sich in Fluch gewandt,
Da das Geschick Dein Herz mir nicht vergönnte;
Nun flehe ich mit mattgerung'ner Hand
Nur noch um ein's: daß ich Dich hassen könnte.
Wahnsinnig Fleh'n! Er lastet
todesschwer,
Und fort und fort schlepp' ich an diesem Fluche.
So sucht den
Tod der ew'ge Ahasver,
Wie ich Dich oder - Dich zu hassen suche.
_____
Und wieder wankt mir unter'm Fuße
Und biegt und bricht der schwanke Steg.
O zeigt kein Engel mir, kein Gott denn
Aus diesem Labyrinth den Weg?
Schon glaubte ich das Ziel errungen,
So schmerzlich es auch war, so schwer,
Und doch jetzt stößt es mich auf's Neue
Hinaus in's wüste Zweifel-Meer.
Unsel'ges Herz, gieb Dich zur Ruhe
Was schwelg'st Du denn in dieser Noth?
Du kannst den Zweifel nicht ertragen,
Doch die Gewißheit wird Dein
Tod.
_____
Letzter Wille
Was in Liebe ich begonnen,
Lass' in Liebe mich vollenden;
Sterbend will an Dich noch einmal
Ich mein ganzes Herz verschwenden.
Niemals fürchtete den
Tod ich,
Kann es doch nur ein Moment sein, -
Nein, ich bebte nur vor Einem:
Lebend je von Dir getrennt sein.
Wisse, daß die reine Glocke,
Schlägt sie auch ein Bub' in Scherben,
Unter vollen Klängen springet,
Und daß Schwäne singend sterben.
Und so will ich hingeh'n, - lächelnd
Streif' ich noch an Dein Gewand nur,
Doch der
Tod wird Wonnetaumel,
Schließt mein Auge Deine Hand nur!
_____
Helene Branco (Ps. Dilia
Helena) (1816-1894)
Alles in dir
Du lehrest mich die Lieder singen,
Du hauchest den Gesang mir ein,
Du leihst der Seele höhre Schwingen;
Wer giebt mir Lieder? du allein.
In dir empfind' ich nur das Leben,
Du rufst die Seele aus dem Nichts,
Du giebst mir Glauben, giebst mir Streben,
Trägst mich hinauf in's Reich des Lichts.
O sage mir, mein hoher Meister,
Was ich dir opfernd weihen mag!
Im unermessnen Reich der Geister
Zieht dir, nur dir mein Wesen nach.
Befiehl, ich gehe in's Verderben,
In Nacht und Graus und
Tod hinein;
Dir will ich tausend
Tode sterben,
Du giebst mir tausendfaches Sein.
_____
Clemens Brentano
(1778-1842)
Die Liebe fing mich ein mit ihren Netzen,
Und Hoffnung bietet mir die Freiheit an;
Ich binde mich den heiligen Gesetzen,
Und alle Pflicht erscheint ein leerer Wahn.
Es stürzen bald des alten Glaubens Götzen,
Zieht die Natur mich so mit Liebe an.
O süßer
Tod, in Liebe neu geboren,
Bin ich der Welt, doch sie mir nicht verloren.
_____
Karoline Bruch-Sinn
(1853-1911)
Ich möchte in heißem Glutverlangen
An brennenden Lippen schauernd hangen,
In lodernde Augen seh'n -
In Augen, aus welchen die Liebe spricht,
Die sehnend auch mir im Herzen glüht -
In seligen Schauern vergeh'n!
O Liebe, Du bist das Himmelreich
Und auch die flammende Hölle zugleich -
Bist Dämon und Gott allzumal -
Bist blühendes Leben und grausiger
Tod
Und nächtliches Dunkel und Morgenrot
Mit Deiner seligen Qual!
_____
Carmen Sylva (1843-1916)
Ueber die weiße Fläche
Gleitet ein
todtes Blatt,
Das der Baum ließ fallen,
Der Wind gejaget hat.
So fällt ein
todtes Herze
Herab vom Weltenbaum,
Willen- und planlos flatterts
Allein durch weiten Raum.
_____
Helmina von Chézy
(1783-1856)
Sehnsucht
Ach! hätt ich nur Worte, zu singen
Der Liebe unendliches Lied!
Ach! könnt' ich mit Flügeln mich schwingen
Zur Stelle, wo Wiedersehn blüht!
Da schau ich so träumend ins Weite,
Der Himmel ist wolkig und grau,
Ach! wär mir der Liebste zur Seite
Stünd Alles in Blüthe und Thau.
In Blicken, da blühte die Minne,
Auf Lippen, da blühte der Kuß -
Ach! wie ich so träume und sinne,
Und einsam stets einsam seyn muß!
Doch so auch, im bangenden Triebe,
Willkommen mir, himmlische Pein!
Das Leben ist
Tod ohne Liebe,
Wie möcht' ich gelassen doch seyn?
_____
Ich kenn ein' Rose wundersüß,
Die Rose ist das Paradies,
Von zarten Lippen ist's ein Kuß,
Nach dem ich ewig schmachten muß -
Du, aller Huld und Schönheit reich,
Gieb mir den Kuß, den
Tod zugleich!
_____
Einsames Weh
War Alles hin auf Erden,
War Alles öd und still,
Dacht' Weinen nur und Sterben,
Da fand ich spät noch dich.
An deinem Herzen weinen,
War da mein seelig Weh.
An deinem Busen sterben,
War da mein Hoffnungstraum.
Nun muß ich weinen, sterben,
Doch nicht an deiner Brust,
Nun ist die Thräne bitter,
Nun ist der
Tod ohne Lust!
_____
Märzen Sonne
Zu bald der Frühling kam,
Zu schnell ein Ende nahm.
Ihr zarten Blümelein,
Gelockt vom Sonnenschein,
Sterbt hin, sterbt hin!
Rasch kam der warme Hauch,
Und rasch verging er auch
Sterbt hin, sterbt hin!
Wär ich solch Blümelein,
Stürb ich am Herzen Dein,
Und haucht' am süßen Ort
Das leise Schmerzenswort:
"Nun sterb ich hin! -
Ist
Todeslust so rein,
Wie muß nicht Leben seyn,
Am Herzen Dein!"
_____
Ada Christen (1839-1901)
»Heut haben wir schönes Wetter.«
»O ja, recht schönes, mein Herr!«
Das sind so unsre Gespräche,
So kalt, so dumm, so leer.
Du streichelst mir fragend die Wange,
Du kennst das gewisse Roth;
Für dich ist's nichts als Schminke -
Für mich: in der Brust der
Tod.
_____
Todte Liebe, - kalte Asche!
Armer, längst zerstob'ner Traum -
Wie ein geisterhaftes Mahnen
Weht es durch den öden Raum!
Oft ist mir, als müßt ich hüten
Dich, wie einst, mein sterbend Kind -
Doch ein Luftzug - und die Asche
Fliegt hinaus in Nacht und Wind!
_____
Peter Cornelius
(1824-1874)
Der Sehnsucht Träne mag ich stillen
Der Sehnsucht Träne mag ich stillen,
Im Herzen bleibt die Sehnsucht doch,
Und hier im Lied, das sagt dir noch:
Die Träne floß um deinetwillen!
Ich armer Staub, ich hab' ein Sehnen
Nach dir, dem andren Häuflein Staub,
O dürft' ich einst, des
Todes Raub,
In einem Sarg mit dir mich dehnen.
Ich hab' dich nicht - o welch Entbehren!
Ich träum' dich wohl in meine Näh',
Doch mehrt das nur des Herzens Weh,
Das nach dir selber muß begehren!
Wie mühsam, schleppend ist mein Singen,
Wie halb das doch so schöne Wort,
Nur die Gedanken stürmen fort
In Liebeshast zu dir zu dringen.
Die Hoffnung, wäre Gott ein Dichter,
Wär' seine schönste Melodie,
Der Sprache schönstes Wort ist sie,
Wie Sterne hell und fast noch lichter.
Die Hoffnung, dürft' ich die nicht hegen,
Wenn böse Macht mir die entriß,
Mir wär' der schnelle
Tod gewiß,
Und
Tod wär' dann noch reicher Segen.
Denn was der Blume Luft und Licht,
Der Boden, dem sie kann entsprießen,
Der Tau, der mild sich will ergießen,
Soll sie vergehn und welken nicht,
Das bist du mir, daher die Tränen,
Die Hoffnung lächelnd mir gestillt;
Doch lächelt Hoffnung noch so mild,
Dein eigen Lachen ist mein Sehnen.
_____
Einmal noch in einem Liede singen
Einmal noch in einem Liede singen
Möcht' ich all die Herzenslust und Qual,
Und dann sterben in des Lied's Verklingen
Und noch denken: 's war das letzte Mal!
Einmal noch an deinem Kuß mich weiden,
Einmal noch an deines Auges Strahl,
Und dem
Tod, wenn sanft er trieb' zum Scheiden
Lächelnd sagen: 's war zum letztenmal!
_____
Max Dauthendey
(1867-1918)
Einst werden Sonn' und Sterne kalt
Du liegst so gut in meinem Arm,
So gut ruht nur in mir mein Herz.
Wir schweben wie das Feuer fort
Und leben nur der Küsse Leben.
Einst werden Sonn' und Sterne kalt,
Uns hat der
Tod vergessen müssen,
Und tausend, tausend Jahre alt
Leben wir noch in jungen Küssen.
_____
Weiter fällt mir mein Traum nicht ein
Du warst mir nah in meinem Traum,
Deine Stirn war weißer als dein Kleid.
Ein Kuß allein hatte zwischen uns Raum,
Mein Herz fand kaum zum Schlagen Zeit.
Ein Blick in deinen Wimpern stand,
Wie auf dem Samt ein Messer liegt,
So daß ich schön den
Tod empfand,
Der heiß mit deinen Augen siegt.
Und noch ein Blick fiel in mein Blut,
Wie eine Rose in den Wein. -
Weiter fällt mir mein Traum nicht ein,
Eh' nicht mein Mund auf deinem ruht.
_____
Im Grund deiner Augen
Im Grund deiner Augen steht meine Welt auf dem Kopf,
Dort lächle ich meinen Feinden zu und küsse dem
Tod die Finger.
Klopfe an mit dem warmen Hammer in deiner Brust,
Es ist ein Schatz in meinem Meer. Täglich ging ich hinter dir her,
Sammelte deine Worte und deine Gebärde, zog Gold darum
Und versteckte sie unter roter Erde in einem roten Meer.
_____
Edmund Dorer (1831-1890)
Gleiches
Es fliegt mit sehnendem Verlangen
Der Falter in die Glut;
Ob ihn die Flammen auch umfangen,
Er stirbt mit frohem Mut.
Der Mensch begehrt mit gleichem Triebe
Zu enden seine Not.
Und seine Sehnsucht sucht dich, Liebe,
O Liebe, süßer
Tod!
_____
Joseph Freiherr von
Eichendorff (1788-1857)
Der Schiffer
Du schönste Wunderblume süßer Frauen!
Ein Meer bist Du, wo Flut und Himmel laden,
Fröhlich zu binden von des Grüns Gestaden
Der Wünsche blüh'nde Segel voll Vertrauen.
So schiffend nun auf stillerblühten Auen
In Lockennacht, wo Blicke zaubrisch laden,
Des Mund's Korall'n in weißem Glanze baden,
Wen füllt' mit süßem Schauer nicht solch Schauen!
Viel hab' ich von Syrenen sagen hören,
Stimmen die aus dem Abgrund lockend schallen
Und Schiff und Schiffer ziehn zum kühlen
Tode.
Ich muß dem Zauber ew'ge Treue schwören,
Und Ruder, Segel lass' ich gerne fallen,
Denn schönres Leben blüht aus solchem
Tode.
_____
Gerrit Engelke
(1890-1918)
Tristan und Isolde
Sie tranken Blut aus ihrer Schale - - -
Der Feuerfunken in sie säte,
Den sie als Herrin herbefahl,
Der aufrecht sie mit Trotz verschmähte:
Dem reichte sie den Giftpokal.
Sie reichte ihm den schweren Becher,
Er blickte kühl, blieb stumm und trank.
Ihr Arm, der herrisch gab, ward schwächer,
Als sie die Neige trank - er sank.
Ein bittres Warten beide füllte -
Sie standen atmend, blickgebannt - -
Schwand nicht der Trotz, der ihn umhüllte?
War diese Glut ihr
Todesbrand?
Sie tranken Blut aus ihrer Schale,
Sie tranken rotes Liebesblut -
Da quoll aus diesem
Todpokale,
Sie jäh durchströmend: Liebesflut!
Sie fielen, Mund zu Mund gefunden,
So in Umarmung ohne Wehr,
Sie sanken hin, bedrückt, gebunden
Von neuem Leben überschwer.
Sie tranken Blut aus ihrer Schale.
_____
Bruno Ertler (1889-1927)
Liebesnacht
Es gibt keine Welt —
es gibt keinen
Tod —
kein drängendes Irren mehr
und kein Morgen-Erwarten.
Reiner Bereitschaft zuckendes, großes "Ja!"
hüllt uns in jauchzende Brände
wollender Kraft —
und der Rausch, der aus uns aufloht,
reißt mit heilig frevelnder Gebärde
den glühenden Schöpferstab
aus der Hand Gottes
und zieht einen funkelnden Bannkreis
um unser Lager.
Aufschäumende, du!
Acker von Frühlingserde
unter dem ersten Pflug!
Sieh: Meines Denkens formender Wille
ist ein schöpfendes Dich-Gestalten
aus dem Anfang der Welt —
der reißende Schlag meiner heißen Adern
tönt das Urlied vom Garten Eden in meine Schläfen:
"Zwei Menschen waren allein auf aller Erde
und waren Form.
Doch da Liebe sie überfiel,
bäumte sich ihnen Lust und Schmerz
in einem begehrend feindlich umschlingenden,
in wilder Einheit endlos verklingenden
einzigen Schrei —
und sie lebten!"
Es gibt keine Welt —
kein Morgen mehr —
keinen
Tod —
keine Frage —
nur tiefer Einheit volle Ewigkeit. —
_____
Gisela Etzel (1880-1918)
Seit ich dich liebe, habe ich ein Fühlen,
Als trüge ich mein Herz in offnen Händen,
In das nun alle Schmerzen niederfielen,
Die sich nur je bei Liebe nahe fänden.
Und tief befangen leb ich meine Tage
Und blicke strahlend auf die Schmerzen nieder,
Die ich um dich in meinem Herzen trage,
Und küsse sie und singe ihnen Lieder
Und fühle, daß ich sacht zu
Tode gehe,
Denn lange läßt sich solche Last nicht tragen:
Zu viel des Glücks, daß ich nun vor mir sehe
So ewige Lust von liebeseligen Tagen!
Ich weiß gewiß, daß solches Zudirflammen,
Wie ich jetzt fühle, nur noch Sterben kennt:
So schweres Glück fällt tief mit Leid zusammen,
Und
Tod nur ist, der beides wieder trennt.
_____
August Heinrich Hoffmann
von Fallersleben (1798-1874)
Liebesglück
In jedes Haus, wo Liebe wohnt,
Da scheint hinein auch Sonn und Mond;
Und ist es noch so ärmlich klein,
So kommt der Frühling doch hinein.
Der Frühling schmückt das kleinste Haus
Mit frischem Grün und Blumen aus,
Legt Freud in Schüssel, Schrank und Schrein,
Gießt Freud in unsre Gläser ein.
Und wenn im letzten Abendrot
An unser Häuschen klopft der Tod,
So reichen wir ihm gern die Hand,
Er führt uns in ein bessres Land.
_____
Karoline von Fidler
(1801-1874)
Liebe
Die Lieb' ist Alles! Wer zu lieben weiß,
Der kennt des Daseins einzig werthen Preis;
In ihm ist Gott - er hat das Licht, die Kraft,
Er hat den Glauben und die Wissenschaft!
Wer liebt, der lebt, und giebt des Lebens Lust
All' dem, was er umschließt mit warmer Brust;
Er theilet aus - sieht seinen Schatz nicht an,
Er weiß es, daß er endlos geben kann.
Die Liebe hat nicht Zweifel, hat nicht Noth,
Die Sünde kennt sie nicht, kennt nicht den
Tod -
Die Lieb' ist ewig! - und darum allein,
Weil ich geliebt, werd' ich unsterblich sein!
_____
Marie Laura Förster
(1817-1856)
Was wünsch' ich mir, wenn ich im Sterben liege
Und weit die Welt vor meinem Blick entsinkt,
Wenn ich der Hülle ahnend schon entfliege,
Und schon mein Geist aus Himmelsquellen trinkt,
O daß im
Tod als Leben mir geblieben
Die Macht zu lieben!
_____
Maria Clementine François
(1823-1844)
Mein Herz
Nicht immer war mein Herz so kalt und still;
Einst schlug es freudig dieser Welt entgegen.
Viel Blumen pflückte ich auf meinen Wegen;
Die schönsten aber ließ die Liebe blühn.
Und einen Göttertraum hab' ich durchträumet.
Da plötzlich ward der heit're Himmel trübe:
Verrath vergalt vertrauensvolle Liebe,
Und alle Freudengenien sah ich fliehn.
Und blutend starb die Liebe, Seufzer haben
In meinem Herzen still sie eingegraben;
Der
Todtengruft
nun gleicht seitdem mein Herz.
Und ausgetobt nun hat der wilde Schmerz.
Mit Wehmuth nur kann ich den Leichnam sehn -
Der lebend so entzückend war, so schön!
_____
Der Frühling
Was lockst du mich Frühling,
Voll Wonne und Lust?
Kannst doch mir nicht schmelzen
Das Eis in der Brust?
Was schauet ihr Blumen
So still nach mir her?
Eu'r Blühen und Duften
Mich freut es nicht mehr.
Was singet ihr, Vögel?
Ihr mehrt meine Noth!
Ihr singet von Liebe -
Mein Liebchen ist
todt.
_____
Agnes Franz (1794-1843)
Der Scheidende
Du willst es, daß ich von Dir gehe,
Und machst die Trennung mir zur Pflicht,
Doch, - ob ich fern von Dir bestehe,
Dies, Grausame, dies frägst Du nicht.
Du droh'st dem Freund, und lächelst leise,
Wenn düster er von Sterben spricht,
Und beutst ihm tröstende Beweise,
Daß Leid so leicht ein Herz nicht bricht.
Was nennst Du
Tod, was nennst Du Leben? -
Schau' auf die Blume, wie beglückt
Sich ihres Kelches Gluthen heben,
Wenn sie in's Aug' der Sonne blickt.
Zum Balsam wird des Thaues Zähre,
Zum Glanz der Staub, der sie ernährt,
Es hat die lichte Sonnensphäre
Zum Göttertraum ihr Seyn verklärt.
Da pflanzt - in ihres Glückes Fülle
Des Gärtners Hand sie in ein Land,
Wo zu der Felsen düst'rer Stille
Kein Sonnenstrahl den Weg noch fand.
Gewohnt, das süße Licht zu grüßen,
Hebt suchend sie das Haupt empor,
Doch muß sie bald den Irrthum büßen,
Kein Sonnenantlitz tritt hervor.
Kalt ist der Odem, den sie trinket,
Kalt, wie in einer Grabesnacht.
Es bleicht der Farben Glanz, es sinket
Der Zweige Kraft, der Blätter Pracht.
Nicht
Tod, nur langsames Entfärben,
Hinwelken ist's, was sie bedroht,
Ihr Leben wird ein langes Sterben,
Ein Loos, grausamer als der
Tod.
Sie lebt, - doch ohne Duft und Blüthe,
Sie lebt, - doch ohne zu erfreu'n.
Der Zweig, dem sonst die Ros' entglühte,
Wird bald als Dorn dem Wand'rer dräu'n.
Verstehst Du nun den Schmerz des Lebens,
Dem man des Daseyns Licht geraubt?
Du wehrest seiner Macht vergebens?
Kein Trostwort hebt der Blume Haupt.
Ich werde scheiden, - werde leben, -
Doch wage nie, von diesem Seyn
Den Schleier forschend aufzuheben!
Laß Gram und Thränen mir allein!
_____
Else Galen-Gube
(1869-1922)
Sonnenuntergang
Abends wenn die Sonne untergeht,
sitz ich trauernd, träumend in Gedanken
an die Stunden, die in nichts versanken,
bis die alte Zeit mir aufersteht.
Schemenhaft naht mir vergangnes Glück,
meinen Kummer täuschend zu besiegen.
Mit der Dämmrung kommt es aufgestiegen,
nur mein Liebstes bringt es nicht zurück.
Ruhelos, verzweifelt irr ich dann
durch die Zimmerflucht beim Abendscheine.
Einen Tag wie alle Tag alleine -
Komm, o komm doch, heißgeliebter Mann!
Hilf der hoffnungslosen Liebe Not,
du, mein Gott, reiß ab die Lebensstunden,
heilt so leicht doch alle Herzenswunde
handauflegend der Erlöser
Tod.
_____
Aufschrei
Du ließest hier zurück dein junges Weib,
das einen Wunsch nur hatte hier auf Erden:
Dein, dein zu sein mit Seele und mit Leib!
Was soll aus mir Verzweifelten nun werden?
Mit deinem
Tod erstarb mein Liebesglück,
und nur mein heißes Herz blieb hier zurück.
Schwül naht die lange Nacht mit ihren Träumen,
es weht ein Odem von Erinnrungsduft,
doch zwischen dir und mir gähnt deine Gruft.
Noch alles ist wie sonst in diesen Räumen;
nur eins, mein Bestes und mein Liebstes fehlt,
du, dem ich mich aus Leidenschaft vermählt. …
Hier ruhte einst dein Kopf und dort die Hände,
mein Antlitz neben dir, ganz dicht im Pfühl,
umweht von deinem Atem wonnig-schwül.
O, daß ich einmal noch dich wiederfände!
Nicht wiedersehen, nein, dich wiederhaben
und nach der Stunden Glück das Glück begraben.
_____
Zwei Nächte
Hab ihn genommen an meine Brust,
ihn zu erwecken zu neuer Lust ……
Geküßt auf den kalten, bleichen Mund,
geküßt, bis mir meine Lippen wund!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
In seiner letzten, der
Todesnacht,
hab jäh ich gedacht
an eine andre, die erste Nacht.
Heut kalt der Liebste und damals so heiß,
im Haar trug ich Schleier und Myrtenreis,
sie hüllten zwei selige Menschen ein,
die wollten beide nur eins noch sein ……
Warum hieltst du nicht Wort? Warum tauschtest du heut
mit dem Hochzeitsgewand das Totenkleid?
Und es kommt noch so manche, lange Nacht - -
meine Liebe, die ist nun aufgewacht!
Du hast sie mit deinen Küssen geweckt,
du hast sie aus ihrer Ruhe geschreckt,
du hast sie hungern und dürsten gemacht
nach den Seligkeiten der Frühlingsnacht!
Da liegst du – tot - -
und in mir loht
weiter und weiter der heischende Brand,
und bald – dann kommt der Frühling ins Land,
und kein Mund, der mir rot die Lippen küßt,
wenn die spähende Sonne ging zur Rüst.
Liebster, Geliebter! - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
In deiner letzten, der
Todesnacht,
hab jäh ich gedacht
an eine andre, die erste Nacht. - -
_____
Kein Vergessen
Nie werd ich es vergessen,
du heißgeliebter Mann,
daß still mein ganzes Leben
mit deinem
Tod verrann.
Nie mehr soll ich dir lauschen,
nie deine Augen sehn,
nie mehr wirst du mich küssen,
mein wilder Frühlingsföhn.
Nie mehr werd ich umschlingen
dich reckenhafter Mann,
der mir mit selgem Lachen
den Gürtel abgewann …
Was soll mir Jugendschönheit?
Du liegst im Heidegrab,
da werf die Lust zum Leben
und Lieben ich hinab.
_____
Schmerzhafte Liebe
Ob ich dich liebte hast du nie
mit Worten mich gefragt,
hab dirs wohl hundert-tausendfach
mit meinem Blick gesagt.
Daß ich dich liebte hast du einst
in meinem Arm gefühlt,
wenn ich im Kusse dich erstickt,
dir wild dein Haar zerwühlt.
Doch als der
Tod das Auge brach,
drin ich mein Glück gesehn,
da lernt ich erst im wilden Schmerz
die Liebe ganz verstehn.
_____
Gute Nacht, Liebster!
Ruhig lagst du auf den weichen Kissen,
als der
Tod dich, Liebster, mir entrissen;
um mich her ward plötzlich finstre Nacht.
Blumen bracht ich dir und meine Tränen,
und mit unermeßlich heißem Sehnen
hielt ich dir die letzte Totenwacht.
Küßte deine Lippen, deine kalten,
hab in meinen Armen dich gehalten,
bis die Sonne glühend aufgewacht.
Ach, der Sonne noch so licht Gefunkel
hellt nicht auf der Seele tiefes Dunkel -
Gute Nacht, du Liebster, gute Nacht!
_____
Tod
Wenn die Vergangenheit der Gruft entsteigt,
allnächtlich sich an meinen Leib zu pressen,
wenn deine Schönheit über mich sich neigt,
so heiß, als hab das Grab dich nie besessen,
dann stirbt der Einsamkeit qualvolle Not,
dann bist du mein, wie du es warst im Leben,
dann steht er machtlos da, der Schnitter
Tod,
dann ist mir Herrschaft über ihn gegeben.
_____
Abschied
Weißt du wohl, daß jeder Abschied
einer Sternstunde ähnlich?
Wenn des
Todes Hand uns streift,
fällt die Blüte von den Bäumen;
heute Nacht hats auf den Träumen
meines Frühlingsglücks gereift.
Aber wie ein Wind auch Lichter
auslöscht, weil sie klein, erbärmlich,
so entfacht der Sturm die Glut,
bis zum hellen Brand zusammen
schlagen himmelwärts die Flammen,
sieghaft, purpurrot wie Blut.
Bildnis deiner edlen Seele,
meiner abgrundtiefen Liebe
sind die Lichter sturmumloht.
Trennungsweh soll uns nicht quälen,
Liebende wie wir vermählen
sich auf Leben oder
Tod.
_____
Amara George-Kaufmann
(1835-1907)
Was sprichst Du von Trennungsleiden?
Was denkst Du an
Tod und Gruft?
Wer Düfte der Liebe sauget,
Der athmet des Lebens Luft.
Und könnte Dir sterblich dünken
Wahrhaftiger Liebe Gluth,
Sie, die so fremd dem Staube,
Im Grunde der Gottheit ruht?
Es drohe, wann sie wolle,
Die dumpfe
Todesnoth;
Ein Sein, ein Leben giebt es,
Das weiß von keinem
Tod.
_____
Theodor Robert Grosewsky
(1823-1866)
An ***
Wenn ich Dich, liebes Kind,
Irgendwo seh',
Wird mir im Herzensgrund
Immer so weh'!
Wenn ich Dich, liebes Kind,
An's Herze drück',
Bin ich so traurig stets
Ueber mein Glück!
Und küss' ich Deinen Mund,
Kirschblutigroth,
Bin ich so selig - und
Wünsche den
Tod!
Wünsch', daß ich sterben könnt'
Am Busen Dein,
Kannst ja mein Eigen für
Immer nicht sein!
Im weiten Parke steht
Glänzend Dein Schloß,
Im Wiesengrunde geht
Weidend mein Roß!
_____
Alfred Grünewald
(1884-1942)
Flüchtender Eros
Ich trage
Tod. Mein Leben brennt.
Ihr fürchtet meine Feuer.
Mein Lachen, das ihr gut erkennt,
ist blutig wie das Firmament,
wenn Nacht, das Ungeheuer,
im Niederflug die Welt entflammt.
Ich trage
Tod und ziehe
von Herz zu Herz. Ich bin verdammt.
Ich bin die Qual, der ihr entstammt.
Ich bin der Feind und fliehe.
_____
Karoline von Günderrode
(1780-1806)
Die Bande der Liebe
Ach! mein Geliebter ist
tod! er wandelt im Lande der Schatten
Sterne leuchten ihm nicht, ihm erglänzet kein Tag
Und ihm schweigt die Geschichte; das Schicksal der Zeiten
Gehet den mächtigen Gang, doch ihn erwecket es nicht;
Alles starb ihm mit ihm, mir ist er doch nicht gestorben
Denn ein ewiges Band eint mir noch immer den Freund.
Liebe heißet dies Band, das an den Tag mir geknüpft
Hat die erebische Nacht,
Tod mit dem Leben vereint.
Ja ich kenne ein Land, wo
Todte zu Lebenden reden,
Wo sie, dem Orkus entflohn, wieder sich freuen des Lichts,
Wo von Erinn'rung erweckt, sie auferstehn von den
Todten
Wo ein irdisches Licht glühet im Leichengewand.
Seliges Land der Träume! wo, mit Lebendigen,
Todte
Wandeln, im Dämmerschein, freuen des Daseyns sich noch.
Dort, in dem glücklichen Land, begegnet mir wieder der Theure,
Freuet, der Liebe, sich meiner Umarmungen noch;
Und ich hauche die Kraft der Jugend dann in den Schatten,
Daß ein lebendig Roth wieder die Wange ihm färbt,
Daß die erstarreten Pulse vom warmen Hauche sich regen,
Und der Liebe Gefühl wieder den Busen ihm hebt.
Darum fraget nicht, Gespielen! was ich so bebe?
Warum das rosigte Roth löscht ein ertödtendes Blaß?
Theil ich mein Leben doch mit unterirdischen Schatten,
Meiner Jugend Kraft schlürfen sie gierig mir aus.
_____
Adonis
Tod
1.
Die Göttin sinkt in namenlosem Leide,
Den Jäger traf des Thieres wilde Wuth;
Die Rose trinkend von des Jünglings Blut,
Glänzt ferner nicht im weißen Liljenkleide.
Das Abendroth der kurzen Liebesfreude
Blickt traurig aus der Blume dunklen Gluth;
Adonis
todt im Arm der Göttin ruht;
Das Schönste wird des kargen Hades Beute.
Verhaßt ist ihr des langen Lebens Dauer,
Das Götterlos wird ihrer Seele Trauer,
Die sehnsuchtskrank den süßen Gatten sucht.
Und still erblühet heißer Thränen Frucht;
Den stummen Schmerz verkünden Anemonen,
Den ew'gen Wunsch im Schattenreich zu wohnen.
2.
Den Liljenleib des Purpurs dunkler Schleier
Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;
Der Trauer Bild, die Anemone, blüht
So weiß als roth zur stillen
Todtenfeyer.
Erloschen ist in Ihm des Lebens Feuer,
Sein
todtes Aug' die Blume nimmer sieht. -
Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,
Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.
Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,
Durch Ihrer Töne Zauber soll gefunden. -
Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.
Und glaubig einen Tempel er sich baut,
Auf daß er pflege in dem Heiligthume
Der Sehnsucht Kind die süße Wunderblume.
3.
Adonis
Todtenfeyer
Wehe! daß der Gott
auf Erden
Sterblich mußt gebohren werden!
Alles Dasein, alles Leben
Ist mit ihm dem
Tod gegeben.
Alles wandelt und vergehet,
Morgen sinkt was heute stehet;
Was jetzt schön und herrlich steiget,
Bald sich hin zum Staube neiget;
Dauer ist nicht zu erwerben,
Wandeln ist unsterblich Sterben.
Wehe! daß der Gott auf Erden
Sterblich mußt gebohren werden!
Alle sind dem
Tod verfallen,
Sterben ist das Loos von allen.
Viele doch sind die nicht wissen,
Wie der Gott hat sterben müssen;
Blinde sind es, die nicht sehen,
Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
Nicht der Göttin Klag und Sehnen,
Ihre ungezählten Thränen,
Daß der süße Leib des Schönen
Muß dem kargen
Tode fröhnen.
Laßt die Klage uns erneuern!
Rufet zu geheimen Feyern,
Die Adonis heilig nennen,
Seine Gottheit anerkennen,
Die die Weihen sich erworben,
Denen auch der Gott gestorben.
Brecht die dunkle Anemone,
Sie, die ihre Blätterkrone
Sinnend still herunter beuget,
Leise sich zur Tiefe neiget,
Forschend ob der Gott auf Erden
Wieder soll gebohren werden!
Brechet Rosen; jede Blume
Sei verehrt im Heiligthume,
Forscht in ihren Kindermienen,
Denn es schläft der Gott in ihnen;
Uns ist er durch sie erstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
Wie sie leis hervor sich drängen,
Und des Hügels Decke sprengen,
Ringet aus des Grabes Engen
Sich empor verschloßnes Leben;
Tod den Raub muß wiedergeben,
Leben wiederkehrt zum Leben.
Also ist der Gott erstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
_____
Überall Liebe
Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?
Dabei des Lebens Blüthenkränze sehn,
Und unbekränzt daran vorüber gehn
Und muß ich traurend nicht in mir verzagen?
Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?
Soll muthig ich zum Schattenreiche gehn?
Um andre Freuden andre Götter flehn,
Nach neuen Wonnen bei den
Todten fragen?
Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,
Im Schooß der Nächte, brennt der Liebe Glut
Daß sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.
Verlohren ist wen Liebe nicht beglücket,
Und stieg er auch hinab zur styg'schen Flut,
Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.
_____
Liebe
O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage,
Siegend mit zaghaftem Bangen.
Lebendiger
Tod, im Einen sel'ges Leben
Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachten,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.
_____
Die Malabarischen Witwen
Zum
Flammentode gehn an Indusstranden
Mit dem Gemahl, in Jugendherrlichkeit,
Die Frauen, ohne Zagen, ohne Leid,
Geschmücket festlich, wie in Brautgewanden.
Die Sitte hat der Liebe Sinn verstanden,
Sie von der Trennung harter Schmach befreit
Zu ihrem Priester selbst den
Tod geweiht,
Unsterblichkeit gegeben ihren Banden.
Nicht Trennung ferner solchem Bunde droht,
Denn die vorhin entzweiten Liebesflammen
In einer schlagen brünstig sie zusammen.
Zur süßen Liebesfeyer wird der
Tod,
Vereinet die getrennten Elemente,
Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende.
_____
Robert Hamerling
(1830-1889)
Trost
Ich will mit Liedestönen
Mein sehnend Herz erheitern,
Ich will im ewig Schönen
Mein enges Sein erweitern.
Zum Trotz den
Todesgluten
Der Liebe will ich leben,
Will auf des Lebens Fluten
Wie Schwäne selig schweben.
Kann ich auch nie vergessen
Die süßen Sternenaugen,
Was sollen mir Cypressen
Statt Ros' und Lorbeer taugen?
Ich will im ewig Schönen
Mein enges Sein erweitern,
Ich will mit Liedestönen
Mein sehnend Herz erheitern.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Durch den Wald, im Mondenscheine,
Sah ich jüngst die Elfen reuten;
Ihre Hörner hört ich klingen,
Ihre Glöckchen hört ich läuten.
Ihre weißen Rößlein trugen
Güldnes Hirschgeweih und flogen
Rasch dahin, wie wilde Schwäne
Kam es durch die Luft gezogen.
Lächelnd nickte mir die Köngin,
Lächelnd, im Vorüberreuten.
Galt das meiner neuen Liebe,
Oder soll es
Tod bedeuten?
_____
Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)
Einer Liebe
Tod
Aus rohen Worten eine Dornenkrone
war alles, was ihm seine Liebe ließ;
der einst der Glücklichste den Menschen hieß,
verbarg sich einsam nun vor ihrem Hohne
und grübelte: "Wie konnte das geschehen,
und warum trifft dies Niegeglaubte ihn,
daß Freuden, deren Frühling ewig schien,
mit einem Male rettungslos vergehen?
Wo waren jene Stunden der Vertrautheit,
die gegen alle nur sie zwei verband,
wenn ihrer Lust stilles Geheimnisland
war Insel auf dem Meer herzloser Lautheit?"
Sie hatte plötzlich starr vor ihm gestanden
mit einem Blicke, so unnahbar kalt,
da war auch das Vergangne ungestalt
und Jahr um Jahr der Gnade ganz abhanden.
Was er noch sprach, versank vor ihrer fernen
Unheimlichkeit und klang ihm selbst nicht wahr.
O daß vor dieser tödlichsten Gefahr
er keine Warnung las in seinen Sternen!
Was straften sie ihn so! Er schwieg betroffen. -
Dann sah er auf und war wie sie allein
und wußte, dieses würde ewig sein
und keine neue Liebe zu erhoffen.
Da blieb Erinnerung verfallnen Glanzes
nur das, was er mit wunden Händen hielt.
Er hockt im Dunkel, hilflos stumm, und spielt
mit den Trophäen seines Dornenkranzes.
_____
Verlangen nach Liebe
Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
die meine welkenden Jahre verjüngt,
daß wir uns wieder dem Schwärmen ergeben,
einer im andern sich zärtlich verjüngt,
daß wir den Frühling im Blut uns erwecken,
uns verwandeln im Liebesgespräch,
taumelnd in Küssen die Ewigkeit schmecken,
sterbend vereint sind im Abschiedsgespräch,
wieder am Morgen zum Leben erwachen,
wieder zur Liebe, zum frühen
Tod,
einem
Tode in kindlichem Lachen,
der nur ein Spiel ist vom wirklichen
Tod,
der uns den Glanz und die Stille wird geben,
die unsre furchtsame Unrast verneint.
Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
die meine welkenden Jahre verneint!
_____
Gebet um Bürgerlichkeit
Guter Gott, laß mich geborgen sein,
ohne Spott und ohne Sorgen sein,
guten Muts in schönen Stuben ruhn!
Gib mir Lampenschein und Bücherreihn
und Kamine und ein Gärtchen klein
und am Tage ein ersprießlich Tun!
Unrast, Abenteuer-Not und Neid,
Rache, Sehnsucht nach besterntem Kleid
laß wie Blendwerk, guter Gott, vergehn!
Vor den Augen der Geliebten sei
Zwist und Zweifel im Entstehn entzwei
und ihr Mund Im-Himmel-Wiedersehn!
Gib uns beiden, guter Gott, dies Glück:
daß bescheiden uns das letzte Stück
meines Weges sanft wird, kummerlos!
Und ihr Herz sei mir bis in den
Tod
Heimat, Zärtlichkeit und Zebaoth!
Und mein Sterben leicht in ihrem Schoß!
_____
Georg Heym (1887-1912)
Stirb, und ich will dir folgen ...
Stirb, und ich will dir folgen
Ins Grab noch diese Stund,
Atmend in langem Kusse
Den
Tod an deinem Mund.
_____
Brennt eine Flamme ...
Brennt eine Flamme wohl in dem Gefäße,
Daraus die Luft man zog, und mögen Früchte reifen,
Wo Winters Stürme Nacht und Tage streifen?
Wer ist, der dies zu glauben sich vermäße?
Doch Liebe soll in Einsamkeiten blühen?
Und sich an Totenhäuser trauernd lehnen?
Die leben muß, sie kann sich
Tod nicht sehnen.
Die Fackel darf nicht wünschen, zu verglühen.
Die Ferne wär ihr
Tod. Ob ich schon zwänge
In Haft sie ein, und mit Erinnerungen
Sie fristen wollte, wär sie nicht entsprungen,
Eh noch ein Band um ihren Fuß sich schlänge?
_____
Joseph Emanuel Hilscher
(1806-1837)
Ihre Schönheit
Vergebens hab' ich Worte ausgewählt,
Um deiner Schönheit Allgewalt zu singen:
Dem frommen Eifer will es nicht gelingen,
Ich fühle, daß es mir an Ausdruck fehlt.
Denn alle Anmuth, so die Erde zählt,
Seh' ich in dir um Oberherrschaft ringen;
Und alle Reize, welche dich umschlingen,
Sind ganz von deinem schönen Geist beseelt.
O! diese Schönheit hegt des Feuers Macht:
Sie glänzet, sie erwärmet, und verzehrt
Die Schlacken jeder Seele, die ihr naht.
Nie wird sie von der Hand der Zeit zerstört,
Nie wird sie schwinden in des
Todes Nacht,
Weil sie die Quelle in dem Geiste hat.
_____
Edmund Hoefer (1819-1882)
In Liebeslust verlangen
Glückselig nach dem
Tod,
Wenn deine Lippen hangen
An Lippen lebensroth.
Wenn deine Augen sinken
In Augen tief und licht -
In solcher Lust nur trinken
Den
Tod - das kann ich nicht.
Den
Tod laß ich den Tröpfen,
Die seufzend rings ich seh',
Ich will das Leben schöpfen
Aus deiner Liebe See!
Es rauscht in meinen Adern
Mit stürmisch heißem Drang,
Ich will mit ihm nicht hadern,
Und währt' es noch so lang!
Ich will das Leben haben,
Das Leben voll und ganz!
Es soll mich selig laben
Sein reichster Blüthenkranz.
Ich will in deinen Armen
Nicht ruhen
todt und stumm,
Die Arme schling, die warmen
Ich fest um dich herum.
Ich will dein Lachen hören
Und jauchzen selbst darein,
Ich will dich lieben lehren
Und selbst dein Schüler sein.
Ich will dir sein ergeben,
Dich halten tief bewußt,
Und leben mit dir, leben!
Das heiß ich Liebeslust.
_____
Mia Holm (1845-1912)
Totenklage
Das war der
Tod, mit scharfem Schnitte
Hat er dich jäh von mir getrennt.
O wäre unser jene Sitte,
Die mit dem Mann das Weib verbrennt!
Mir graut, dich in den Sarg zu stecken
Und in der Erde dunklen Schoss,
Ich weiss, du willst die Glieder strecken
Auch noch im
Tode fessellos.
Du glaubtest nicht an Höll' und Sünden,
Du warst wie Feuer heiss und rein,
Könnt ich den Holzstoss dir entzünden
Und auch im
Tode bei dir sein!
_____
Felix Hübel (1874-1922)
NICHTS ist die Liebe, nichts als jener
Tod,
das große Sterben, das in jäher Glut
im Herbste aufflammt, gelb und purpurrot.
Lieben heißt reif sein, reif sein aber gut
zum Sterben, denn so will's der Schöpferwille.
Wenn unsre Kräfte strömend überfließen
und alle unsre Brünste sich ergießen,
sind gleich der Flamme wir, die rauschend loht
wir glühen, strahlen, flackern — und sind tot,
verzehrt von unsrer eigenen Überfülle.
_____
Maria Janitschek
(1859-1927)
Geburtstagsgruß
Heut war dein
Todestag. Ich konnt nicht beten,
ich konnt nicht weinen; müde schwieg mein Herz.
Zur Nachtzeit war ich in den Wald getreten;
starr lag er da, wie eine Welt von Erz.
Schläfst du denn, Leben? Will sich gar nichts regen?
Mich dünkt, ich selber wär vor Leid versteint.
Es meidet mich der Thränen linder Segen,
und dieser Nacht bleibt selbst ihr Thau verneint.
So still, so ernst, so bleiern! Mitternacht!
Wohin hat sich das Leben denn verkrochen?
Als ob der
Tod mit seiner schwarzen Pracht
erdrückt des Erdenherzschlags lautes Pochen.
Da ... nein, das .. ist ... o Gott, das ist ja Traum,
das muß ja Traum sein, denn die Wirklichkeit
erdichtet solche Wunderthaten kaum ...
Ein Vogel singt, um Mitternacht! .. ganz leise,
als flüstern liebe Lippen, singt er; schauernd
beugt sich mein Knie der wunderbaren Weise.
Das ist kein Vogel, was da oben singt,
das ist die fleischgewordene Erbarmung
der ewigen Liebe, die den
Tod bezwingt
und Starres weckt zu seliger Erwarmung.
Und plötzlich dünkt der Wald mich ganz erhellt,
in weißen Kränzen seh ich Wesen gleiten,
die lichten Söhne einer andern Welt,
die nach der Schwester ihre Arme breiten.
Heut ist dein
Todestag! Nun kann ich beten,
nun kann ich weinen ... Freudenthränen weinen ...
_____
Justinus Kerner
(1786-1862)
Liegt dein Herz gedrückt an meines,
Kann ich wahrlich niemals sagen:
Sind's die Wellen meines, deines,
Die in solcher Liebe schlagen?
Wollte nur, ich könnte legen
In dein Herz mein Herz, zu fühlen
Schmerz und Lust in gleichen Schlägen,
Gleiches Lieben, gleiches Zielen,
Daß, wenn Frieden meines fände,
Frieden dann auch fände deines,
Daß, wenn deins im
Tode stände,
Dann auch ständ' im
Tode meines.
_____
Würdest sterben du vor mir,
Würd' dein
Tod den
Tod mir geben,
Denn wie könnt' ich, ach! noch hier
Mit zerteiltem Herzen leben?
Wäre wie der alte Baum,
Den der wilde Sturm gespalten
Bis zur Wurzel, daß er kaum
Kann sich überm Abgrund halten.
Sinken muß er in die Kluft,
Der zerrißne, blätterlose. -
Sänke bald in deine Gruft,
Daß uns deckten gleiche Moose.
_____
In der Krankheit
An Sie
Du blickst mich an so trüb!
Was hat es denn gegeben?
Ich hatte ja so lieb
Dich durch mein ganzes Leben!
Siehst wohl den
Tod mir an,
Ach! er ist nicht mein Wille,
Ist meines Gottes Plan,
Dem muß ich folgen stille.
Muß lassen deine Hand,
Dem
Tod die meine reichen,
Der führt den Leib ins Land
Vorangegangner Leichen.
Doch meine Liebe nicht!
Zur Leiche wird nicht Liebe,
Sie bricht, ein ew'ges Licht,
Aus aller Gräber Trübe.
_____
An Sie, nach Ihrem
Tode
1.
Fort, fort sind meine
Rosen.
Fort, fort sind meine Rosen,
Fort ist mein schöner Traum.
Die wildsten Stürme tosen
In meines Gartens Raum.
Die Freunde kommen, sehen,
Wie Nacht mein Herz, mein Haus,
Und gern sie wieder gehen
Aus dieser Nacht hinaus.
Wohl möcht' ich vieles sagen,
Doch stumm, stumm muß ich sein!
Wehlaute und ihr Klagen,
Schließt fest ins Herz euch ein!
Verhalte, Aug'! die Tränen,
Verstumme, bleicher Mund!
Sprächst du, sie würden wähnen,
Dein Kopf sei nicht gesund.
2.
Klage.
Keine Muse hab' ich
mehr!
Seit sie ist von mir gegangen,
Meiner Leier Saiten sprangen,
Hab' ich keine Muse mehr.
Keinen Himmel hab' ich mehr!
Seit das Auge sie geschlossen,
Draus ein Himmel mir geflossen,
Hab' ich keinen Himmel mehr,
Hab' ich keine Erde mehr,
Irr' ich, wie vom Sturm verschlagen
Eine Möwe irrt voll Klagen
Überm bodenlosen Meer;
Über einem Meer voll Nacht,
Über einem Meer voll Kummer,
Wo nicht Ruhe ist, nicht Schlummer,
Kalte Wirklichkeit nur wacht.
Ew'ge Liebe! führe du
Fort mich aus dem Meer, dem trüben,
Auf zum Lichte meiner Lieben
Oder ew'gem Schlummer zu!
3.
Wüßt' ich, wüßt' ich,
wo sie wär'!
Wüßt' ich, wüßt' ich,
wo sie wär'!
Wär' sie in den fernsten Landen,
Löst' ich mich von allen Banden,
Schifft ich durch das weite Meer.
Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
Wäre sie auf Gletschers Höhen,
Würd' ich durch die Wolken gehen,
Wieder sie zu holen her.
Wüßt' ich, wüßt' ich, wo sie wär'!
Wäre sie in Meereshallen,
In den Gärten von Korallen,
Holt' ich sie aus tiefem Meer.
Tot, o! tot kann sie nicht sein!
Immer fühl' ich ihre Nähe;
Doch wo ist sie? sagt's! ich flehe. –
Wo sie ist, weiß Gott allein.
4.
Keine Heimat mehr!
O daß du mich
verlassen,
Du liebe, treue Hand!
Den Wanderstab zu fassen,
Bin ich nicht mehr imstand.
Nur durch die Zimmer geh' ich
Mit Füßen müd und schwer,
Die alten Wände seh' ich,
Doch keine Heimat mehr.
Geh' durch des Gartens Räume
Im Sonn- und Mondenlicht,
Seh' wohl die alten Bäume,
Die alte Heimat nicht.
Die sank, seit du verschieden,
Ins tiefe, tiefe Meer,
Hab' keinen, keinen Frieden,
Hab' keine Heimat mehr!
5.
In der Nacht.
Gern wollt' ich ja am
Tage Schmerzen leiden,
Verdorren sehen meines Lebens Baum,
O! käme nachts von meinen alten Freuden
Zu mir nur einmal noch ein schöner Traum.
Doch schlaflos blick' ich stets nach jener Stelle,
Von der mir nachts oft ihre Stimme klang,
Und war es auch nur ihres Atems Welle,
Hat mir's getönt wie leiser Engelsang.
Doch schlaflos muß ich nachts zur Stelle blicken.
Von der mir bald kein süßer Laut mehr kam,
An der ich, sie zum letztenmal zu drücken,
Die kalte Hand in meine heiße nahm.
Was hab' ich noch? Ein Auge müd und trübe,
Das dennoch sich nicht schließen kann zur Ruh',
Ein Herz, weit offen für den Schmerz der Liebe.
Komm, lieber
Tod! schließ mir die beiden zu!
6.
Verlassensein.
Wie oft hab' ich mein
Herz geleget,
Als ich noch jung war, an ihr Herz,
Als noch kein Schmerz mein Herz beweget,
Nur Liebe, Freude, muntrer Scherz.
Jetzt, wo mein Alter ist voll Kummer,
Sie tot ist, ich noch lebend bin,
Wo in den Nächten ohne Schlummer
Soll legen ich mein Herz noch hin?
Hin, wo kein Herz mir schlägt entgegen,
In tiefer Waldnacht ganz allein
Will ich mein heißes Herz nur legen
An einen kalten stummen Stein!
7.
Wie bin ich alt!
Lang lebte sie, doch
wurde sie nicht alt,
Jung blieb sie stets an Geist mir, an Gestalt,
Und jung auch ich; jung, jung mein Herze schlug,
Das ich bald siebzig Jahr' lang in mir trug,
Doch als der
Tod sie plötzlich von mir nahm,
Da fühlt' ich erst, woher die Kraft mir kam;
Von ihr kam mir der Jugend langer Halt,
Sie ging – und o mein Gott! – wie bin ich alt!
8.
Daß du von mir
gegangen.
Daß du von mir
gegangen,
Du liebes, treues Herz!
Das war nicht dein Verlangen,
Mein Schmerz war auch dein Schmerz.
Natur hat dich gerissen
Aus meinen Armen fort.
Warum? – wird diese wissen,
Hier hat der Mensch kein Wort.
9.
Die Hälfte.
Füglich nannt' ich
meine Hälfte sie, mein gutes, liebes Weib,
Fünfzig Jahre lang verwachsen mit mir ganz mit Seel' und Leib.
Nun da sie von mir gerissen, bin ich eine Halbheit nur,
Denk' nur halb, fühl' nur halb noch, lieb' nur halb noch die Natur.
Schmerzlich zieht mich's nach der Hälfte! –
Tod, end' dieser Halbheit
Pein!
Führ' mich hin, hin wo ich wieder mit ihr darf ein Ganzes sein!
10.
Sie starb.
Sie starb, mit ihr
bin ich gestorben,
Doch war mein
Tod ein
Scheintod nur.
Sie aber starb und hat erworben
Sich eine schönere Natur;
Doch ich, ich lebe, wie der lebet,
Der, vom
Scheintode aufgewacht,
Vergebens aus dem Grabe strebet
Aus einem Herzen voll von Nacht.
11.
Wie dir so mir.
Wie dir geschah, so
soll's auch mir geschehn,
Nur wo du hinkamst, will auch ich hingehn:
Ich will ins Licht nur, wirst im Licht du sein,
Bist du in Nacht, so will ich in die Nacht,
Bist du in Pein, so will ich in die Pein.
Von dir getrennt hab' ich mich nie gedacht,
Zu dir, zu dir will ich allein, allein!
12.
Wunsch.
Daß du vor mir
gestorben,
O Herz! geschah wohl nur,
Weil du dir früh erworben
Hast himmlische Natur.
Ich aber, der voll Erde,
Muß noch auf Erden sein,
Bis daß wie du ich werde
Zum Licht der Himmel rein.
Send' mir ein Zeichen nieder,
Daß ich mich täusche nicht,
Daß ich zu dir komm' wieder,
Bin licht ich wie du licht.
Doch kann mir's nicht gelingen,
Daß je dein Licht mir lacht,
Bitt' Gott: er woll' mich bringen
Doch in die stillste Nacht.
13.
Wohin ist sie
gekommen?
Wohin ist sie
gekommen?
Wer hat sie mir genommen?
Der
Tod? – wohl zum Verwesen
Der ird'schen Hülle nur?
Im Buche der Natur
Ist solches nicht zu lesen.
Drum Buch! drum Wort! gegeben
Von Gott dem Erdenleben,
Laß einzig dich mich fassen,
In dich mich gläubig sehn,
Ich fühl's in meinen Wehn:
Wer dich läßt – ist verlassen.
14.
Sie in mir.
Oft, wenn ich etwas
sprechen will,
Spricht's erst ihr Geist in mir ganz still,
Dann sprech' ich's nach mit frohem Mut,
Denn was sie sprach – war recht und gut.
15.
Recht! Recht!
"Nur recht! nur
recht!" war oft dein liebes Wort,
Recht, recht hast du gesorget immerfort,
Recht mitgeteilt, geliebet recht und echt!
O bleib in mir so lang, bis ich bin tot recht, recht!
16.
Ihr
Todestag.
Kann euch nicht den
Tag benennen, dran dem
Tode sie erlag;
Denn es ist seitdem mir jeder, jeder Tag ist
Todestag.
17.
Des Herzens
Stillstand.
Als dein Leben mit
dem meinen
Noch zerfloß, du gutes Weib!
Wie hat da mein Herz geschlagen
Jung selbst noch im alten Leib!
Seit dein Leben floh aus meinem,
O, wie schlägt mein Herz so matt!
Als wär' von ihm fortgerissen,
Was es sonst beweget hat.
Als der alten Uhr ich lauschte
Heute nächtlich an der Wand,
Leise ging sie, immer leiser,
Bis sie endlich stillestand.
Nach der Kette wollt' ich greifen,
Sie zu ziehen wieder auf,
Doch das Hauptrad war zersprungen
Und zu Ende so ihr Lauf.
_____
Alma Johanna Koenig
(1887-1942)
Alle Tag
Alle Tag, alle Tag sterb ich tausendfaltig
gekreuzigte
Tode um dich.
Alle Nacht, alle Nacht küßt du zaubergewaltig
erneutes Leben in mich ...
Alle Tag, alle Tag möcht ich Meere durchqueren
damit ich erlöst von dir wär.
Alle Nacht, alle Nacht müßt ich wiederkehren
auch über das weiteste Meer ...
Alle Tag, alle Tag muß ich fröstelnd denken:
"Im
Tod, da gehört er nur mir."
Alle Nacht, alle Nacht möcht ich Länder verschenken
für ein liebes Wort von dir ...
_____
Willst du mir
Tod, - vergiftet, Stich um Stich
langsamer Nadeln, die ins Fleisch mir dringen?
Nicht ziemt dies dir, dem Erben klarer Klingen,
nicht dem, den Männerkrieg verschont, wie dich!
Willst du mir
Tod? - Du sollst ihn offen bringen,
Flamberg in Händen, ehrlich, ritterlich.
Die Brust, an der du ruhtest, biete ich,
als kämst du, mich wie einst zur Lust zu zwingen.
Willst du mir
Tod, - was heuchelst du und lügst,
statt zu verfügen, was ich nur ersehne?
Das Schwert, mir wär es Fackel, wenn du's trügst!
Willst du mir
Tod, ich stürb ihn ohne Träne,
wenn du mich dann in deinen Mantel schlügst,
mich küssend, - noch - eh ich die Flügel dehne!
_____
Nikolaus Lenau
(1802-1850)
An der Bahre der Geliebten
Blaß und auf immer stumm, auf immer! liegst du
Hingestreckt, o Geliebte, auf der Bahre!
Deine Reize lockten den
Tod, er kam, er
Hält dich umarmet!
Einst in der Kühlung leiser Abendwinde
Saßen wir am Gemurmel eines Baches,
Und ich sprach aus zitternder Seele dir: "ich
"Liebe dich ewig!"
Aber du neigtest sinnend nach den Wellen,
Nach den flüchtigen, tief dein schönes Antlitz,
Wie ergriffen von dem Geflüster dunkler
Stimmen der Zukunft.
Schmerzlich berührt von deinem Schweigen, frug ich,
Ob vernommen das Wort du meiner Seele,
Und du nicktest hold; doch es dünkte mir dein
Nicken zu wenig. -
Glühende Thränen stürzen mir vom Auge,
Und sie pochen an deine kalte Stirne,
Ach, von der geflohen dahin das stille
Sinnen der Liebe.
Meine gebrochne Stimme ruft dir bange
Nach: "ich liebe dich ewig!" o wie selig
Wär' ich nun, antwortete meinem Schmerz dein
Leisestes Nicken!
_____
Der schwere Abend
Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.
So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Thränen nur gemacht.
Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den
Tod.
_____
Jugend und Liebe
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden.
Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,
Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten
Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.
Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?
Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,
Wir suchen immer noch den Traum zu halten,
Nur stiller sei geworden sein Empfinden.
Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;
Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,
Die nur des Blattes wonnereiches Düften.
Und dennoch an den herben
Tod des Schönen,
Im treuen Wahn, als ob es ihm noch bliebe,
Kann sich das Herz auch sterbend nicht gewöhnen.
_____
Nächtliche Wanderung
Die Nacht ist finster, schwül und bang,
Der Wind im Walde tost;
Ich wandre fort die Nacht entlang,
Und finde keinen Trost.
Und mir zur Seite, engelmild,
Und, ach, so schmerzlich traut,
Zieht mein Geleite hin, das Bild
Von meiner
todten Braut.
Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
Was mich ihr süßer Mund
So zärtlich bat und feierlich
In ihrer Sterbestund':
"Bezwinge fromm die
Todeslust,
"Die dir im Auge starrt,
"Wenn man mich bald von deiner Brust
"Fortreisset und verscharrt!"
Da unten braust der wilde Bach,
Führt reichen, frischen
Tod,
Die Wogen rufen laut mir nach:
"Komm, komm, und trinke
Tod!"
Das klingt so lieblich wie Musik,
Wird wo ein Paar getraut;
Doch zieht vom Sprunge mich zurück
Das Wort der
todten Braut.
Stets finstrer wird der Wolkendrang,
Der Sturm im Walde brüllt,
Und ferne hebt sich Donnerklang,
Der immer stärker schwillt.
O schlängle dich, du Wetterstrahl,
Herab, ein Faden mir,
Der aus dem Labyrinth der Qual
Hinaus mich führt zu ihr!
_____
Das dürre Blatt
Durchs Fenster kommt ein dürres Blatt,
Vom Wind hereingetrieben;
Dies leichte, off'ne Brieflein hat
Der
Tod an mich geschrieben.
Das dürre Blatt bewahr ich mir,
Will's in die Blätter breiten,
Die ich empfangen einst von Ihr;
Es waren schöne Zeiten!
Da draußen steht der Baum so leer;
Wie er sein Blatt im Fluge,
Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,
Trotz ihrem Namenszuge.
Der
todten Liebe Worte flehn,
Daß ich auch sie vernichte,
Wie festgehaltne Lügner stehn
Sie mir im Angesichte.
Doch will ich nicht dem holden Wahn
Den Wurf in's Feuer gönnen;
Die Worte sehn mich traurig an,
Daß sie nicht sterben können.
Ich halte fest, zu bittrer Lust,
Was all mein Glück gewesen,
In meinen schmerzlichen Verlust
Will ich zurück mich lesen.
Das dürre Blatt leg ich dazu,
Des
Todes milde Kunde,
Daß jedes Leiden findet Ruh,
Und Heilung jede Wunde.
_____
Tod und Trennung
Gottes Milde mocht' es fügen,
Liegt ein Mensch in letzten Zügen,
Stehn am Sterbepfühl die Seinen,
Daß sie müssen weinen, weinen;
Daß sie nicht vor Thränen schauen
Das unnennbar bange Grauen,
Wie der Geist verläßt die Hülle,
Letztes Zucken, tiefe Stille.
Weh dem Thränenlosen, wehe,
Der sich wagt in Sterbens Nähe,
Denn ihm kann durchs ganze Leben
Jenes Grauen heimlich beben.
Doch ein Anblick tiefrer Trauer,
Bänger als des Sterbens Schauer,
Wär' es, könnt' ein Aug es fassen,
Wie zwei Herzen sich verlassen.
_____
Laß mich ziehn!
Ich bin kein Freund von Sterbensehen;
Wenn deine Liebe soll vergehen,
So sterbe sie allein, ich will
Mit meiner seyn allein und still.
Gedächtniß weiß getreu von Jahren
Die Liebeszeichen zu bewahren;
Wenn eins dir nach dem andern weicht,
Seh' ich, wie
Tod dein Herz beschleicht.
Du merkst es nicht, viel ist geblieben;
O Gott! es war ein reiches Lieben;
Viel hat der
Tod zu knicken doch,
Bis Alles aus; er knickt es noch.
Du merkst es nicht; mein sind die Schmerzen;
Doch leichter wird es deinem Herzen,
Da du von mir dich scheidest los,
Denn Lieben ist ein banges Los.
Wie
Tod sich mag mit Liebe messen,
Bei dir, die ich nicht kann vergessen,
Will ich's nicht schau'n, wenn ich's auch seh'
Im Schmerze, daß allein ich steh'.
Gut ist's vor's Aug' die Hände schlagen.
Ist nicht ein Anblick zu ertragen;
O könnte so das Herz dem Licht
Entfliehn beim Anblick, der es bricht!
Ich glaub' es nicht, daß deiner Seele,
Der schönsten, ew'ge Liebe fehle;
Doch traur' ich, bis die Gruft mich deckt,
Daß meine Lieb' sie nicht geweckt.
_____
Das
todte Glück
Leis' umrauscht von Himmelsquellen,
Süße Sehnsucht in der Brust
Saß ich einst die mondeshellen
Nächte da in stiller Lust.
Jene Zeit wird nimmer kommen,
Himmelsquellen sind versiegt,
All mein Sehnen ist verglommen,
Und mein Glück im Grabe liegt.
Weib, du riefst in böser Stunde
Mit dem zauberischen Blick,
Mit dem wonnevollen Munde
Schmeichelnd hin zu dir mein Glück.
Und es kam ein Kind und schmiegte,
Flehend sich in deinen Arm,
Der es mild umschlang und wiegte,
Als ein weicher Mutterarm.
Nun das Kind in Traumeswonnen
Hingeschlummert, sich verlor;
Nahmst du still und kaltbesonnen
Deinen
Todesdolch hervor.
Scharf geschliffen am Gesteine
Deines Herzens war der Stahl,
Und das Kind, um das ich weine,
Athmete zum letztenmal.
Und du stießest leicht und munter
Wie ein Steinchen in den Bach,
In das Grab mein Glück hinunter,
Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.
_____
Mein Stern
Um meine wunde Brust geschlagen
Den Mantel der Melancholei,
Flog ich, vom Lebenssturm getragen,
An dir, du Herrliche, vorbei.
Vom Himmel deiner Augen stiegen
Wie Engel Thränen niederwärts
An deinen holdgerührten Zügen,
Und priesen mir dein gutes Herz.
Und alle Welten um mich schwanden,
Mein Leben starrt' in seinem Lauf,
Im süßempörten Busen standen
Die alten Götter wieder auf.
Da riß der Sturm von dir mich wieder
Hinaus in seine wüste Nacht,
Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder
Ein Stern mit ewig heller Pracht.
Denn wie, vom
Tode schon umfangen,
Der Jüngling nach der holden Braut
Die Arme streckt mit Glutverlangen,
Und sterbend ihr ins Auge schaut:
So griff nach deinem holden Bilde
Die Seele, schaut es ewig an,
Sieht nichts vom trüben Erdgefilde,
Fühlt nicht die Dornen ihrer Bahn.
Entriss' auch einst der
Tod mir strenge,
Was mir das Leben Liebes gab;
Er nehm' es hin! doch Eines ränge -
Ich ränge kühn dein Bild ihm ab.
_____
Frage nicht
Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
Ich weiß es nicht, und will nicht fragen;
Mein Herz behalte seine Kunde,
Wie tief es dein im Grunde.
O still! ich möchte sonst erschrecken,
Könnt' ich die Stelle nicht entdecken,
Die unzerstört für Gott verbliebe
Beim
Tode deiner Liebe.
_____
Karoline Leonhardt
(1811-1899)
Das
todte Herz
Mein Herz das ist
begraben
Tief und gar weit von hier!
Altes Lied
Ich höre tausend Freuden,
Ich seh' wohl tiefen Schmerz;
Fühl' selbst nicht Glück noch Leiden,
Hab' in der Brust kein Herz.
Es bot wohl süße Gaben
Das Leben einst auch mir.
Jetzt? – Ist mein Herz begraben
Tief und gar weit von hier!
Ich wollt' es einst verschenken
Und tauschen für mein Glück.
Gab Dir mein Seyn und Denken,
Doch gab'st Du mir's zurück.
Da wollt' ich's nicht mehr haben,
Und weil's nicht ist bei Dir,
So hab' ich es begraben
Tief und gar weit von hier.
_____
Thekla Lingen (1866-1931)
An den
Tod
Nun komm, du Einziger,
Grosser, Stiller -
Ich liebe dich!
Ich bange nach dir
In langen schweren,
In thränenfeuchten,
Durchweinten Nächten -
Komm, küsse mich!
Du bist der Eine,
Der mir geblieben
Von allen Wünschen,
Von allen Küssen,
Von allen schweren
Brennenden Leiden -
Komm, liebe mich!
Du bist der Eine,
Den ich ersehne -
Sieh, wie ich harre,
In bangen Schmerzen
Mich weinend winde -
Komm, küsse mich!
Komm, neig dein schönes,
Dein schwarzgelocktes,
Dein stilles Haupt.
Ich will dich umschlingen
Mit weissen Armen,
Ich will mich bergen
An deine Brust,
Ich will dir alles
Und alles geben -
Komm, liebe mich!
Nimm meinen jungen,
Von tausend Wünschen
So heiss begehrten,
Nimm meinen Leib! ...
Nimm meines Herzens
Zehrendes Sehnen,
All meine Thränen,
All mein Ringen,
All meine grosse
Unüberwundene
Lodernde Lust -
Komm, liebe mich!
Sieh, wie ich kniee
Vor deinem Willen!
Sieh, wie ich weine
In brünstigem Flehn! ...
Neige dich, neige dich,
Grosser, Stiller, -
Lass mich in deinem
Kusse vergehn! ...
_____
Sieh mich nicht an -
Sieh mich nicht an mit diesen Augen,
Sie dringen mir bis an das Mark,
Sieh mich nicht an mit diesen Augen,
Du siehst es doch, ich bin nicht stark.
Umschling mich nicht mit diesen Blicken,
Sie sind viel stärker als dein Arm,
Umschling mich nicht mit diesen Blicken,
Sie ziehn mich an dein Herz so warm.
Sprich nicht zu mir mit diesen Lippen,
Wie Wein so süss, so heiss, so rot,
Sprich nicht zu mir mit diesen Lippen,
Ich küss' dich dann, und wär's mein
Tod.
_____
Otto Heinrich Graf von
Loeben (1786-1825)
Zwei Gegner waren wider uns im Bunde,
Und dachten unsre Liebe zu vernichten;
Erst kam die Zeit, und hieß mich schnell verzichten
Auf jeden Kuß von deinem lieben Munde.
Doch als die Trennung eine tiefre Wunde
Als erst dein Aug' in mir schien anzurichten,
Da kam der
Tod dem Feinde beizupflichten,
Damit ich dich vergesse und gesunde.
Vereint euch nur, unmöglich mir zu machen
Die Wiederkehr in jene treuen Arme,
Wo ich die Zeit, wo ich den
Tod vergessen.
Was Zeit, was
Tod, das lehrt ihr mich ermessen;
Doch daß die Genien der Liebe wachen,
Lehrt mich ein Gott in meines Herzens Harme.
_____
Hermann von Loeper
(1820-1884)
Die
todte Liebe
Wenn ich voll Gram um Mitternacht
Noch wach' in meinem Kämmerlein,
Dann öffnet sich die Thüre sacht,
Die
todte Liebe tritt herein.
Sie schlägt zurück den weißen Flor,
Der ihr verhüllt das Angesicht,
Wie wenn aus dem Gewölk hervor
Sich schimmernd drängt des Mondes Licht.
Das Auge glänzt, die Wange blüht,
Zur Schulter wallt das Lockenhaar,
Der Busen wallt, die Lippe glüht,
Wie damals, als ich glücklich war.
Sie reicht mir ihre weiße Hand,
Sie lächelt hold, sie flüstert leis,
Und ach! wie einst, bin ich gebannt
In ihren süßen Zauberkreis.
Ich schließe sie in meinen Arm
Und küsse sie in trunkner Lust;
Ich hab' vergessen meinen Harm
Und schlummre ein an ihrer Brust.
Doch lange dauert nicht die Ruh;
Ich höre einen bangen Schrei,
Und seufzend flüstert sie mir zu:
Es ist vorbei! Es ist vorbei!
Des Blutes warmer Strom entquillt,
Und es erlischt der Wange Gluth;
Ein blasses kaltes Marmorbild
Verstummt an meinem Herzen ruht.
_____
Feodor Löwe (1816-1890)
Du bist nicht
todt, ruhst du im Grabe auch,
Du lebst für mich - mir bist du nicht geschieden;
Du schwebst um mich als duft'ger Frühlingshauch,
Und singst als Nachtigall der Seele Frieden.
Als schöner Stern, als flüchtig Traumgebild,
In jeder Blume blühst du mir entgegen;
Du klingst im Bache, rauschest im Gefild -
Ich fühle dich und deiner Liebe Segen.
Wir waren eins, wie Baum und Wurzel sind,
Wir sind auch eins nach deinem
Tod geblieben;
Du tief im Grabe - mich durchbraust der Wind, -
Und daß ich blühe, dank' ich deinem Lieben.
_____
Wer noch nie ein treues Herz gebrochen,
Hat die Liebe noch nicht ganz empfunden,
Kennet nicht das ruhelose Pochen
Und das Strömen ew'ger
Todeswunden.
Einen Abschied für das ganze Leben -
Wer ihn nie mit bleichem Mund gesprochen,
Ist der Qual noch nicht dahin gegeben,
Daß ein treues Herz für ihn gebrochen.
Der allein kann Herzen nur verstehen,
Der das seine konnte unterjochen;
Der mit trock'nen Augen stumm gesehen,
Wie ein treues Herz für ihn gebrochen.
_____
Alfred Meißner
(1822-1885)
Die
todte Geliebte
Die Geister alter schöner Zeit beschwören
In meiner Brust die Herrlichste der
Todten,
Und wie gewohnt im Trotze gen Despoten,
Fühl' ich mein Herz sich gegen Gott empören:
Und ihm zuruf' ich's, daß er's möge hören:
Von den Gedanken, die im Geist dir lohten,
War sie der schönste! Uns war sie geboten,
Wie durftest du das holde Bild zerstören?
Ob Sterben das Gesetz des Weltenrundes -
Was kümmert's mich! Mir bringt es nicht Versöhnung,
Ich werd' um sie doch ewig mit dir streiten.
Schon daß der kleinste Schönheitszug des Mundes
Verloren ging, ist gräßliche Verhöhnung,
Denn was so schön, ist werth Unsterblichkeiten.
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Der Seelenkranke
Ich träumte lang und war der Schmerzen Beute
Ich bin erwacht und fühle mich genesen,
Ich harre dein – wann kommst du süßes Wesen?
Schon hallt von Dom das stille Nachtgeläute.
Sieh wie mein Stübchen prangt! heut Morgens streute
Ich Bänder bunt und Blumen auserlesen
Hin auf mein Bett, wie ich gewohnt gewesen,
Wenn du verschämt versprachst: ich komme heute.
Du kommst heut nicht, und ich, ich soll dich hassen!
Du gingst von mir, weil ich ein Sohn der Noth,
Weil meine Wangen täglich mehr erblassen.
Du hast dich zwischen Spät- und Morgenroth
Von einem andern Buhlen küssen lassen
Die fremden Menschen nennen ihn: den
Tod.
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Das Gespenst im Herzen
Unselig ist, wer liebt und nie besessen,
Unsel'ger noch, wer Liebe nie empfunden,
Den aber hält das ärgste Weh umwunden,
Wer nicht mehr liebt und doch nicht kann vergessen.
Mit altem Glück und Wonnen unermessen
Vorhöhnen ihn die Geister alter Stunden,
Und er, an der Erinn'rung Rad gebunden
Muß an's verwaiste Herz die Hände pressen.
Beim Festgelag, im Lenz, bei frohem Mahle
Tritt wie ein Geist vor ihm die
todte Liebe,
Und klirrend fällt aus seiner Hand die Schale.
Er wankt hinaus ein starrer Mann der Schmerzen,
Kein Ort so grün, daß er dort heimisch bliebe -
Ach
todte Lieb' ist ein Gespenst im Herzen.
_____
Conrad Ferdinand Meyer
(1825-1898)
Die
tote Liebe
Entgegen wandeln wir
Dem Dorf im Sonnenkuß,
Fast wie das Jüngerpaar
Nach Emmaus,
Dazwischen leise
Redend schritt
Der Meister, dem sie folgten,
Und der den
Tod erlitt.
So wandelt zwischen uns
Im Abendlicht
Unsre tote Liebe,
Die leise spricht.
Sie weiß für das Geheimnis
Ein heimlich Wort,
Sie kennt der Seelen
Allertiefsten Hort.
Sie deutet und erläutert
Uns jedes Ding,
Sie sagt: So ist's gekommen.
Daß ich am Holze hing.
Ihr habet mich verleugnet
Und schlimm verhöhnt,
Ich saß im Purpur,
Blutig, dorngekrönt,
Ich habe
Tod erlitten,
Den
Tod bezwang ich bald,
Und geh in eurer Mitten
Als himmlische Gestalt -
Da ward die Weggesellin
Von uns erkannt,
Da hat uns wie den Jüngern
Das Herz gebrannt.
_____
Eduard Mörike (1804-1875)
Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
Ist wie von innerm Gold ein Widerschein;
Tief aus dem Busen scheint ers anzusaugen,
Dort mag solch Gold in heilgem Gram gedeihn.
In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen,
Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
Reichst lächelnd mir den
Tod im Kelch der Sünden!
_____
Leben und
Tod
Sucht das Leben wohl den
Tod?
Oder sucht der
Tod das Leben?
Können Morgenröte und das Abendrot
Sich auf halbem Weg die Hände geben?
Die stille Nacht tritt mitten ein,
Die sich der Liebenden erbarme!
Sie winkt: es flüstert: »Amen!« - Mein und dein!
Da fallen sie sich zitternd in die Arme.
_____
Albert Möser (1835-1900)
Wie oft rief ich den
Tod schon an mit Beben,
Mich zu befrein aus dieses Daseins Banden,
Wenn öd' und leer die Tage mir entschwanden
Und fruchtlos blieb des Busens bestes Streben.
Doch nun preis' ich auf's Neu die Lust, zu leben,
Seit dich entzückt die durstgen Blicke fanden,
Und schlimmre Pein nicht gäb's in irdschen Landen,
Als: sterbend jetzt in's Reich der Nacht entschweben.
Dein Reiz knüpft mich an's Sein mit tausend Ketten,
Und Glück heißt mir: in all der Zukunft Tagen
Mich stumm zu deinen Füßen hinzubetten,
Dich anzuschaun mit seligem Behagen
Und trunknen Sinns in klingenden Sonetten
Dir huldgend stets, wie schön du bist, zu sagen.
_____
Es gleicht mein Herz dem schlummernden Vulcane,
Tief in sich birgt es dumpfverhaltne Glut;
Wenn lang' mein Blick auf deinen Zügen ruht,
Dann glüh' ich heiß, ob's auch dein Sinn nicht ahne.
Ich hab' entsagt jedwedem Thorenwahne,
Kein irdisch Ziel erregt mir Muth und Bluth;
Gefaßt seh' ich des Schwarmes gierge Wuth,
Zu tiefst verzehrt von bittren Unmuths Zahne.
Und wollt' ich reden, würd' ich frei dir sagen:
Die arge Welt dünkt schlechter mich als Koth,
Und schreckhaft ist's, des Lebens Last zu tragen.
Die Liebe nur nenn' ich des Lebens Brod,
Dein Bild ist Leitstern meinen Erdentagen,
Doch ohne dich ist Eins nur gut: Der
Tod.
_____
Wolfgang Müller von
Königswinter (1816-1873)
Zerronnen
Was half die Glut, was half der Duft
Der Rosen und der Nelken? -
Sie mußten in der Winterlust
Verwelken, ach, verwelken! -
Was half in Lust und Strauch und Baum
Der Vögel süßes Singen?
Die Liebe mußt' ein duft'ger Traum
Verklingen, ach, verklingen! -
Der Schönheit droht
Der
Tod, der
Tod, -
Ach, alles wird er zwingen!
Was halfen nun der jungen Brust
Der Liebe helle Wonnen? -
Längst ist der Blick' und Küsse Lust
Zerronnen, ach, zerronnen! -
Was half der Wort' und Schwüre Schaum
In seligem Umschlingen?
Die Liebe mußt', ein duft'ger Traum,
Verklingen, ach, verklingen! -
Der Schönheit droht
Der
Tod, der
Tod, -
Ach, alles wird er zwingen!
_____
Todt ist mir das Glück
Herrlich, hohe Sommerzeit,
Kamst du letztes Jahr,
Da ich voller Seligkeit
Liebestrunken war.
O wie hat der Lindenduft
Süß mein Herz berauscht,
Als wir durch die Abendluft
Schwur und Kuß getauscht!
Stilles keusches Mondeslicht,
Sang der Nachtigall -
Doch ich sah und hörte nicht -
Sie - sie war mein All! -
Ach, es ging so zauberschwül
Ueber Teich und Land -
Herz und Herz - doch ein Gefühl -
Flammend wilder Brand!
Das ist noch der Park, der See,
All die alte Pracht,
Oed' die schöne Welt, o weh!
Und das Licht ist Nacht!
Herrlich, hohe Sommernacht,
Kehrtest du zurück;
Aber kalt ward mir die Maid,
Todt ist mir das Glück!
_____
Anton Noder (Ps. A. de
Nora) (1864-1936)
Der
Tod und der Frühling
Es kann nichts Schlimmres geben
Von allen Schicksalsgaben
Als, wenn sich kraftgeschwellt
Ringsum erneut das Leben,
Im Frühling zu begraben
Sein Liebstes auf der Welt.
Auf grünem Rasenkissen
Das übersät die bunte
Jungfrische Frühlingspracht,
Klafft gähnend aufgerissen
Wie eine schwere Wunde
Der schwarze Grabesschacht.
Da senken sie hinunter
Die Truhe, die Dein Lieben,
Dein ganzes Lieben barg;
Dir ist als ob sie drunter
Für immer auch begruben
Den Frühling mit dem Sarg.
Mit jeder Schaufel Erden
Wird ja hinabgenommen
Ein ganzes Blumenheer -
- Ach nächsten Frühling werden
Die Blumen wiederkommen . . .
Nie, nie Dein Liebes mehr!
_____
Hermann Oelschläger
(1839-1908)
Der Liebe Band
Das ist der Liebe Band,
Das uns umflicht:
Ein Kuß, ein Druck der Hand
Und dann Verzicht.
Ein Flammen und Erglüh'n
Wie Morgenpracht -
Dann plötzliches Versprüh'n
Und tiefe Nacht.
Ein Jauchzen himmelauf,
Dann Schmerz und Noth -
Wonne und Elend drauf
Und dann der
Tod.
_____
Nichts will ich mehr von dir verlangen,
Entsagen lernte früh mein Herz;
Das holde Band, das uns umfangen,
Zerbrachst du lächelnd, ohne Schmerz.
Du hast das Elend kaum ermessen,
Das deine Hand mir spielend bot;
So wag' ich's denn, dich zu vergessen:
Für mich sei
todt.
Es muß. Du würdest mir den Glauben
Selbst an der Sonne holden Schein,
An Luft und Licht, an Alles rauben -
Vergessen sei! Es muß so sein.
Betrog mich nicht dein frommes Blicken?
Dann trügt auch Stern und Morgenroth;
Vergessen sei! Es muß sich schicken:
Für mich sei
todt.
Oft wohl besuchst du mich in Träumen,
Dein süßer Klang bestrickt mein Ohr,
Doch fort! du darfst bei mir nicht säumen,
Elender wär' ich, denn zuvor.
Drum schone mein; das süße Sehnen
Zeugt neuen Kummer nur und Noth;
Genug ist's wahrlich nur der Thränen:
Für mich sei
todt.
Stets soll die Schönheit dich umfließen,
Die einst entzückt mein Auge trank,
Und alles Glück sollst du genießen,
Das mir mit deinem Bild versank.
Reich wie ich arm soll nie dich kränken
Ein Schmerz, wie mir dein Falsch ihn bot -
Dieß sei mein letztes Deingedenken:
Für mich sei
todt.
_____
Louise Otto (1819-1895)
Totenklage
I. Auf den Grabstein
meines Bräutigams
In meinem Herzen
steht dein Bild,
Dein Name klingt durch meine Lieder
Trotz
Tod und Trennung nah ich mild
Zu deinem Grab mich liebend wieder:
Denn zweier Seelen reine Harmonie
Trennt selbst des
Todes schriller Mißton nie.
II. Gebet am Grabe
Du gabst ihn mir - du
hast ihn mir genommen,
Du ew'ger Gott, der unser Schicksal lenkt,
Mit ihm ward mir das höchste Glück geschenkt
Und nun ist mir das tiefste Leid gekommen.
Ich frage wohl: wie soll ich noch ertragen
Das Leben, das nun öde vor mir liegt
Seit ihn des
Todes dunkle Macht besiegt
Und all umsonst mein Sehnen und mein Klagen?
Und doch - ob alle Hoffnungen versanken
Erinn'rung bleibt mir an die Seligkeit,
Die nur der Liebe süße Macht verleiht -
Und dafür muß ich selbst in Thränen danken.
_____
Betty Paoli (1814-1894)
Die beste Spende
Im kühnen Drang', den Himmel zu erzwingen,
Schwingt sich mein Herz zu dir, dem einzig Einen!
Heiß dürstet es nach ewigem Vereinen
Und weiß doch: nimmer wird es dich erringen.
O, selbst wenn deine Arme mich umschlingen,
Und uns're Augen Freudenthränen weinen,
Seh' plötzlich ich die Flammenschrift erscheinen:
»Den
Tod nur wird dir diese Liebe bringen!« -
Den
Tod? den
Tod? o selige Verheißung!
So wird der tiefe Liebesbund nur enden
Mit dieses Daseins fröhlicher Zerreißung? -
Den
Tod, den
Tod von meiner Liebe Händen!
Was hat das Leben Schön'res zu erwerben,
Als solch ein herrlich und verklärend Sterben! -
_____
August Graf von Platen
(1796-1835)
Tristan
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem
Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem
Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den
Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!
_____
Hermione von Preuschen
(1854-1918)
Mein Herz schreit laut
Ein liebeleeres Leben ist der
Tod,
mich aber treibts zum zuckend heißen Leben,
da fand ich dich – in tiefster Seelennot
und hab die ganze Seele dir gegeben.
In ihrer Heimat, neu erwacht zum Glück,
ruht endlich sie, von deinem Arm umschlossen,
und nimmer, nimmer kann sie mehr zurück,
nachdem des Lebens Fülle sie genossen:
ein ander Sein, dem Leidenschaft kein Spott,
und das noch lieben kann und kann noch hassen.
Mein Herz schreit laut nach einem Menschengott,
mein Arm will ewig, ewig ihn umfassen.
_____
In Deinen Armen
Nicht weiss ich, soll ich's Liebe nennen,
Was ich in Deinen Armen jäh empfinde.
Ein Chaos von der schwersten Stumpfheit treibt
Es mich empor zu höchster Lust Entzücken.
Nur eines bleibt, und immer fühl' ich's gleich,
Ganz gleich, beherrschend all' mein tiefstes Sein:
Könnt' ich die Lebensfülle, die sich jetzt
So heiss durch alle Adern mir ergiesst,
Könnt' ich sie nur in Dich hinüberströmen,
Gesundheitfülle Deinen Gliedern gebend
Mit meinem Athem, meiner Kraft und Jugend!
Und dann in Deinem Kusse langsam sterben,
Es wär' ein seliger
Tod!
_____
Wie ein abgestorbener Geist
Wie ein abgestorbener Geist, so schau ich
auf der Erde einziges Glück – die Liebe.
Kann sie nicht mit starkem Arm umfassen
und die Flammen meines Herzens müssen
ungenutzt verlöschen und verenden.
Hätten Weltenbrände schüren können,
Götterglück dem einen Manne geben,
der im
Tod versank und dessen Seele
bis zum letzten Hauch ich weiter suche,
denn des Lebens Leben ist die Liebe!
Wie ein abgeschiedener Geist verzehr ich
mich nach Lebensblut und Erdenwonnen!
_____
Eine hohe schimmernde Frau
Zur Nacht hatt ich einen Traum:
Eine hohe, schimmernde Frau
in goldenem Peplum,
das Strahlendiadem
auf rötlichen Locken,
nahte sich meinem Lager.
Sie hob meine Lider,
Sah mir in die Augen,
tief, tief!
Dann strich sie mir übers Herz,
flüsterte: »Armes Kind!«
und verschwand. - -
Sappho, warst du's?
Kamst du herüber
vom levkischen Felsen,
den mir die Morgensonne umstrahlt,
von dem du den
Todessprung wagtest,
um der Liebe willen!
Sappho - warst du's?
_____
Robert Prutz (1816-1872)
Liebesmacht
O wundervolle Liebesmacht,
Die alten Flammen neu entfacht,
Daß aus der Asche stumm und kalt
Dir neue Glut entgegenwallt!
Fühllos war meine Brust, wie Erz,
Gestorben wähnt ich längst mein Herz,
Einförmig rann der Tage Fluß,
Ich lebte, weil ich leben muß.
Da, wie aus Wolken dumpf und schwer
Herniederflammt ein Feuermeer,
So in die Seele mir hinein
Brach deines Auges Flammenschein.
Und wie im Lenz der Sonne Strahl
Das Leben weckt in Berg und Thal,
So sproßt aus meines Herzens Schacht
Ein neuer Mai in Blütenpracht.
Schon zittert leise durch die Brust
Ein Widerschein mir künft'ger Lust,
Schon tönen Lieder aus und ein;
Ich fühl's, noch kann ich glücklich sein.
Doch weißt du auch, daß auf den Mai
Der Sommer immer kommt herbei?
Doch ahnst du auch, o ahnst du schon,
Was diese Flammen noch uns drohn?!
Sei's - ! Ob zu Asche brennt dies Herz,
Gesegnet dennoch, süßer Schmerz!
Ja wenn die Glut mich tödten soll,
Auch solch ein
Tod ist wonnevoll!
_____
Liebe übers Grab
Ob kalt und stumm, sie leben doch,
Die wir ins stille Grab versenkt,
So lang' Ein Herz auf Erden noch
In Liebe ihrer treu gedenkt;
So lang' ihr liebes bleiches Bild
Nur Einem Auge noch erscheint,
So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
Noch Eine Thräne um sie weint.
Wie aus der Erde finsterm Schacht
Der Lenz die Blumen lockt hervor,
So schwingt sich aus des Grabes Nacht
Der Liebe Fittig kühn empor.
Und jeder Gruß und jedes Wort,
Das der geliebte Mund einst sprach,
Wie Engelstimmen, fort und fort,
Im tiefsten Herzen tönt es nach;
Und weht uns an, so süß, so still,
Gleich wie der Rose Duft im Mai,
Und wenn der Muth uns sinken will,
Die lieben
Todten stehn uns bei. –
Drum lindre, Liebe, deinen Schmerz!
Die wir ins stille Grab versenkt,
Sie sind nicht
todt, so lang' ein Herz
In Liebe ihrer treu gedenkt:
So lang' ihr liebes bleiches Bild
Nur Einem Auge noch erscheint,
So lang' in Sehnsucht, ungestillt,
Noch Eine Thräne um sie weint.
_____
Anna Ritter (1865-1921)
Todtes Glück
Als unsre Liebe noch blühend war,
Haben wir unter den Zweigen gesessen,
Hand in Hand, und die Sonne lag
Wie eine Krone über dem Tag.
Welk ist die Liebe – der Wintersturm
Pfeift mir ein trotziges Lied vom Vergessen.
Meine weinende Seele spricht:
Leiden will ich – vergessen nicht!
_____
Erstorben
Da ich an deinem Halse hing,
An dein Gesicht das meine drängte,
Dein Athem sich mit meinem mengte
Und schmerzhaft mich dein Arm umfing,
Da Mund auf Mund, und Brust an Brust
Wir mit dem eignen Blut gerungen
Und endlich uns den Sieg errungen,
War höchste Qual auch höchste Lust.
Doch nun, da jener Stunde Noth,
Und Lust verrauscht, erstickt das Sehnen,
Da endlos sich die Tage dehnen,
Nun ist mir oft, als wär ich
todt.
Nur wenn dein Schatten mich umschwebt,
Kann ich mich mühsam drauf besinnen,
Daß statt des starren Steins da drinnen
Einst sonnenfroh ein Herz gelebt.
_____
Du und ich
Du und ich … und über uns Beiden die Nacht!
Neige die Stirn, damit ich dich küssend umfange.
Neige das Ohr – ich raune dir Süßes hinein,
Wonne und Weh, so wie's mir emporblüht im Herzen. -
Du und ich … Es ward uns nichts Andres bescheert
Als dieses Glück, das wir der Sonne verbergen.
Sieh, schon senkt sich abwärts der einsame Pfad -
Selige Lust steht lächelnd im Thale des
Todes.
_____
Lichtbild
Ein lichtes Wölkchen segelt noch im Blau,
Ein friedevoller, leuchtender Gedanke,
Der in dem Kampf des Tages Sieger blieb.
So wandelst du, da mir der Abend sinkt,
In deiner Jugend ew'gem Glanz vorüber
Und schaust mich lächelnd an, mein
todtes Lieb.
_____
Das tiefe Kämmerlein
Es grub der
Tod ein Kämmerlein,
Grub's in die Erde tief,
Gar weit von Schmerz und Sonnenschein -
Mein schöner Liebster schlich hinein
Und schlief.
Ich kniee draußen ganz allein
Und klopfe an die Thür:
"Wenn du mich liebst, erbarm' dich mein
Und tritt aus deinem Kämmerlein
Herfür!"
Nichts regt sich! Nur des Käuzchens Schrein
Irrt durch die Luft so hohl!
Ein Schauer rinnt durch mein Gebein -
Wie schwarz die Nacht, wie kalt der Stein ..
"Leb wohl …"
_____
Ein Stündchen lang
Ich hab' an seiner Brust geruht,
In seinen Armen schlief ich ein,
Und kreuzt er nimmer meinen Weg -
Er war doch eine Stunde mein!
Und wenn ich dieser Stunde Glück
Mit meinem Leben zahlen müßt',
Ich ginge lächelnd in den
Tod -
Er hat mich einmal doch geküßt!
_____
Schlimme Zeichen
Im Walde, da flüstern
Die Bäume so bang
Und der Wind streicht so scheu
An den Hängen entlang,
Und die Sonne am Himmel,
Die leuchtet so roth -
O weh meiner Seele,
Mein Liebster ist
todt.
_____
Herbstgedanken
Nun hat sich Alles, was den Lenz durchstürmte,
Zu schöner, milder Ruhe abgeklärt,
Zum gold'nen Trunke ist der Saft geworden,
Der feurig in der Rebe einst gegährt.
Und wie er vor mir in dem Glase funkelt,
Kommt der Gedanke schattend über mich,
Daß Alles bald die große Nacht umdunkelt,
Und in der
Todesahnung such' ich – dich!
Der du mir Licht und Glanz des Tag's gewesen
Und dann verblichen, eh' der Abend kam,
Der du mein Blühen mit in's Grab genommen,
Lang, eh' der Herbst mit roher Faust es nahm.
Schläfst du, Geliebter? Sprengen die Posaunen
Des jüngsten Tages erst dein stilles Haus,
Schaust du schon jetzt aus sonnigen Gefilden
Nach deines Weibes Heimwegschritten aus?
Mir ist so oft, als glitte durch die Nächte
Dein heiliger, geliebter Schatten hin,
Und erst der Morgenstrahl auf meinem Kissen
Nimmt mir den Wahn, dass ich noch bei dir bin!
_____
Ich aber denke …
Sie sagen mir, du sei's geborgen nun
Vor allem Leid, ein friedvolles Ruh'n,
Ein Sonnentraum sei über dich gekommen,
Seit dir der
Tod die Bürde abgenommen,
Die Leben heißt. Du führtest, sagen sie,
Ein neues Dasein voller Harmonie,
Du wandeltest in wunderbaren Hallen,
Darin die Lieder der Erlösten schallen.
So sagen sie, und ach, viel Schön'res noch.
Ich aber denke heimlich, heimlich doch,
Daß aller Glanz, der jene Wände deckt,
Dir nicht die Erde und dein Weib versteckt,
Dein Weib, das draußen steht! Mit ihrem Trauern
Die Hallen füllt und an die ew'gen Mauern,
Die zwischen
Tod und Leben sind gethürmt,
Mit dem Verzweiflungsmuth der Sehnsucht stürmt.
_____
Todeswege
Ueber meinem Haupte deine Hände,
Deine Liebe über meinen Wegen -
Und doch führen sie der Nacht entgegen,
Und ein Grab ist unsres Wanderns Ende!
Laß uns, Liebster, in die Sonne schauen,
Goldnes Licht und Lust und Freiheit trinken
Und dann selgen Augs hinüber winken
Zu den stillen, sonnenlosen Auen.
Daß, wenn wir vom Lichte scheiden müssen,
Noch ein Traum die lange Nacht durchglühe,
Und Erinnerung das Grab umblühe
Mit dem Rosenflor von deinen Küssen.
_____
Einem
Todten
Wie dunkel ist's! Nur wenn der Sturmgott droben
Sein leuchtend Schwert nach Wolkenriesen zückt,
Erhellt sich mir der Pfad, dann schreit' ich eilend,
Ein Büchlein zitternd an die Brust gedrückt.
Gedichte sind's! Der Sehnsucht irres Stammeln,
Der Schrei der Noth, ein blasser Traum von Glück,
Gedanken, aus der Einsamkeit geboren …
In ihre Heimath trag' ich sie zurück.
Ein Garten lockt im fahlen Licht der Blitze,
Am düstern Thor das Schweigen Wache hält,
Dort opf're ich im Schatten der Cypressen,
Ein Lebender im Bann der
Todtenwelt.
Da liegt das Grab! Ein Kreuz ist drauf gebettet,
Die Lippen preß ich auf den kalten Stein
Und suche einen halbverwischten Namen -
Ach der ihn trug, vor Jahren war er mein.
Wie dunkel ist's! Nur von den Lilien windet
Ein seltsam feierlicher Glanz sich los,
Den Epheu bieg' ich schweigend auseinander
Und leg' das Buch in seinen dunk'len Schoß.
Gedichte sind's! Ein Buch wie viele and're,
Mir aber zittert jede Zeile nach,
Gedichte sind's, in banger Zeit gesungen
Von einer Seele, die in Sehnsucht brach.
_____
Waldtragödie
Zwei Bäume standen im Wald,
Umsponnen von träumendem Schweigen,
Und strebten sehnend sich zu
Mit knospenden, schwankenden Zweigen.
Sie rauschten leis in der Nacht,
Sie winkten mit blühenden Büschen
Und kamen nie doch sich nah -
Der Hohlweg lag trennend dazwischen.
Ich hab' so oft, ach, so oft,
Im Wald vor den Bäumen gestanden
Und habe der Seelen gedacht,
Die suchend, sich nimmer doch fanden.
Nun brach ein zuckender Strahl
Dem einen die schwellenden Glieder,
Da riß er kraftvoll im
Tod
Den glücklos Geliebten mit nieder.
Wie ruh'n so stille die Zwei,
Verschlungen im dämmernden Grunde -
Ein selig, hochzeitlich Lied
Klingt leis durch die blühende Runde.
_____
Friedrich von Sallet
(1812-1843)
Holdes Grab
Ich bin begraben, ach!
In süßer
Todeslust;
Mein holdes Grabgemach
Ist meines Liebchens Brust.
Und wie auf Gräbern blühen
Mairöslein, früh entsprossen,
So hat ein rosig Glühen
Die Wangen ihr umflossen.
Es keimt dies holde Blüh'n
In meines Herzens Grund,
Die Seufzer, die da glüh'n,
Hauch' ich aus ihrem Mund.
Es weht um ihre Glieder
Ein Singen und ein Klingen -
Das sind die leisen Lieder,
Die mir in ihr entspringen.
_____
Adolf Friedrich von
Schack (1815-1894)
Wunsch
Wenn uns von zitternder Wimper
Die Wonnezähre tropft,
Wenn bebend Lippe an Lippe hängt
Und Ader an Ader klopft,
Was kann uns die Erde noch bieten fortan,
Das matt nicht erbleichen muß?
Sind Ewigkeit und Himmel
Doch unser in jedem Kuß!
Nicht uns, o Herr, nach erloschner Gluth
Ein Leben öde und schaal!
Hernieder auf unser vollstes Glück
Laß zucken den Wetterstrahl,
Daß, wenn der Küsse heißester noch
Uns brennt auf der Lippen Roth,
Wir, Seele in Seele zerrinnend,
Eins werden im flammenden
Tod!
_____
Max Schaffrath
(1813-1877)
Trennung
Von dir entfernt, wie mag ich da noch leben
Im Trennungsschmerz, der meine Brust umnachtet
Und unbesiegbar jeden Trost verachtet,
Den ihm Natur, den Freundeswort ihm geben!
Doch nein, ich lebe nicht! - Ist das ein Leben,
Wenn man das Herz, das tief im Grame schmachtet
Und kalt und fühllos nicht mehr ringt und trachtet,
Kaum noch gewahrt an seines Schlages Beben?
Wohl starb ich schon! Das war mein
Todesstreit,
Als ich mich blutend deinem Kuß entwand,
Und Leib und Seele sind seitdem geschieden.
Den Leib nur schleppt' ich fort in bittrem Leid,
Die Seele blieb an deinen Blick gebannt
Und sonnt sich still in deinem Himmelsfrieden!
_____
Lieb' im Grabe
Mir träumt: ich lag im Grabe
Gar einsam manches Jahr,
Und um mich her im Kreise
Lag eine fremde Schaar.
Und dort in ferner Ecke,
Dort ruht' auch schon ihr Mann,
Der ihren süßen Leib nur
Für kurze Lust gewann.
Da bringt man neuen
Todten:
Ach Gott, wer mag das sein?
Dort in der fernen Ecke
Senkt man ihn weinend ein.
Der Grabgesang verstummte,
Die Schaufel hat vollbracht;
Ringsum ein tiefes Schweigen
Bis spät um Mitternacht.
Da horch! ein dumpfes Schollern
Um mitternächt'ge Stund'!
Es wühlet, wie der Maulwurf,
Tief durch der Erde Grund.
Es gräbt sich immer näher,
Es dringt zu mir heran -
Mich herzen weiche Arme,
Es schmiegt sich an mich an.
"Gottlob, mein Schatz, du süßer!
Nun bin ich dir vereint,
Um den ich manche Thräne
In stiller Nacht geweint!
Und jene harten Herzen,
Die dies mir angethan,
Den stillen Bund im Grabe,
Den tasten sie nicht an.
Und jener Schwur der Treue,
Den ich dem Andern gab,
Sein Zwang ist nun gebrochen;
Die Ehe löst das Grab.
Gottlob, mein Schatz, du süßer,
So bin ich endlich dein!
Was streng das Leben wehrte,
Mir soll's der
Tod verleihn!"
Ein heiß und innig Minnen
In tiefer Gruft begann;
Kuß schmolz zu neuem Kusse,
Und Thrän' in Thräne rann.
Sie hielt mich liebumfangen,
Sie schmeichelte so lind;
Ich lag an ihrem Busen
Und weinte wie ein Kind.
Wohl schwebten alle
Todten
Empor zum Mondenglanz,
Und tanzten auf den Gräbern
Den lust'gen Geistertanz.
Wir aber blieben liegen
In süßer Liebeslust;
Wir lagen Lipp' an Lippe,
Wir lagen Brust an Brust.
_____
Leopold Schefer
(1784-1862)
Friederike
Dich anschaun, ist Leben! dich missen,
todt sein!
Ach, doch wer ertrüge der Augen Schmelz, dem
Blick nicht wehrend! schauderte nicht vor deinem
Schmachtenden Munde!
Und mich reißt, mich reißt es an dich allmächtig!
Aber denk ich's nur: wie ich deine Lippen
Küßte, du mich schlängest an deinen Busen —
Hülfe ihr Götter!
Nein! drum will ich nimmer begehren, was mein
Herz ja doch nicht trüg'! O dein Aug' — entseelend —
Wend' es! deine Lippen entzieh' von meinen!
Winde die Arme
Los! denn wie an Schlangen, gebunden starr' ich!
Nur zu deinen Füßen erduld' ich's! — läg' ich
Einst in deinem Schooß — o da läg' ich selig,
Aber gestorben.
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Die
todte Geliebte
Scheinst du heut auch nur zu schlummern,
Wie, als ich dich leis beschlichen
Jüngst im schönen Maienabend-Zwielicht
Und dein lächelnd Antlitz
Mit Orangenblüthen dir bestreute,
Plötzlich deine regen Arme
Mich, den liebend über dir Gebeugten,
Fest umschlangen, ach,
Zu dir niederzogen!
Wie du, urheiliger Donner,
In ewiger Majestät
Die Wolken durchrollst!
Daß in der Schlafenden
Bekränztem Haar die Rosen schüttern!
Daß die Seele mir schaudert!
Ach, mit welchem Geist
Bin ich umgangen
So vertraut!
Zurück gewandter Arme
Steh' ich schüchternen Auges
Vor dem ruhenden Gebild,
Wie um das gefallene Meteor
Kinder stehn in scheuer Ferne.
Wie sie so schön liegt, wie im Schlaf,
Nur wie im Frühtraum — ach, das hold
Schimmernde Wangenroth
Ist nur der glänzende Abschein von Rosen im Haar;
Ruhig lieget sie da, schön und
todt!
Was dem liebenden Sinn
Ewig unmöglich erschien,
Was ich nimmer versteh, glauben nicht kann, nicht mag —
Durch glühende Thränen
Seh' ich's, das Traumbild, und in Worten
Unverstanden und hohl dröhnt's vor dem Ohr:
Sie ist
todt!
Vater, warum,
Was du mir gabst, nimmst du's zurück?
Vater? — ich kann, wenn du es bist,
Dich nicht lieben; du bist schrecklich,
Ich schaudre vor dir!
Ach so vergieb fehlendem Wort,
Denn es verwirrt folternde Angst
Ja nur um das, dem du so schön,
So klagwürdig zu sein selber gabst,
Dumpf mir den Sinn!
Was du mir gabst, nimmst du zurück!
Schweigend und unabwehrlich geschieht
Auf Erden, was dein himmlischer Will' allen verhing;
Nimmer begehr' ich es von fern aus zu spähn!
Walte du dort, Heiliger, von deinen Höhen,
Walte du dort über uns, über mich! —
Hienieden nur
An die sterbliche, mitleidende Brust
Will ich mich schmiegen, sanft an ihr weinen
Geschlossenen Aug's und so ertragen
Dein vorüberbrausend Geschick!
Aber die einzige mir noch übrige Brust, wo ich es litt
Gern all' dein vorüberbrausend Geschick —
Hier liegt sie mir kalt!
Und es schlägt in ihr kein Herz
Mehr für mich!
Fern ist der treu liebende Geist, fern entflohn,
Schwergeschlossen das sanft blinkende Aug',
Und die einst mich so süß tröstende Lippe
Schweigt so tief! grausam, so lang! —
Ach, ist dir nun deines Geliebten
Unsäglichster Schmerz
Gleichgültig so bald, so ganz!
Vertilgt aus der Brust jegliches auch noch so leise
Zagen um das erschrecklichste Geschick deines Geschlechts,
Treulose, seit dich des
Tod kaum umschlang!
Schwermüthiger, schweig!
Ehrt auch dein Herz nicht den Gehorsam der
Todten!
Darann erkenn's — daß sie dich nicht
Tröstet, daß sie kein Wort,
Keine Thräne für dich hat, den sie so
Liebte — daran, daran erkenn's:
Ja, sie ist
todt! ja, sie gehört jetzo dem Gott!
Hörst du ihn hoch donnern? Er ist's!
Ach, ich entsag' ihr, ich entsage!
Senkt sie ihm hin!
Segen und Heil! Fried' und Ruh über ihr!
Still, sie ist sein!
Lieben nur will ich sie noch auch bei ihm!
Wohl mir, und wohl, schlafendes Ohr, auch dir,
Daß du dies Liebe-schwerlästernde Wort nicht vernahmst,
Die du gefolgt, selige Jungfrau, bist dem himmlischen Beruf,
Frommen unschuldigen Gangs!
O daß ich nun ganz Einsamer auch
Durch des Lebens Unglücks-Labyrinth
Schuldlos und rein trüge mein Herz!
Bis das wohlthätige Grab —
Jeglichen gern bergend, der keinen Trost,
Keinen Rath für die Leiden mehr
Hat, die das Leben bringt —
Meinen Schmerz bald auch verbirgt,
Und mich.
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Georg Scheurlin
(1802-1872)
Seliger
Tod
In deinen Augen möcht' ich sterben,
Im Herzen dir begraben sein;
Dir gäb' ich Leib und Seel' zu erben,
Und nur die Treue bliebe mein,
Und nur das tief gehegte Wissen,
Nichts mehr zu haben für und für,
Und mein - das selige Vermissen
Der Ruhe, die versenkt in dir,
Und mein zuletzt der Blume Schmerzen,
Die still um dein Verlangen wirbt,
Und - wenn gebrochen - dir am Herzen
Den süßen
Tod der Treue stirbt.
_____
Lieb' und Leid
Was wäre Liebe sonder Leid?
Was - ohne Nacht - der Sterne Heer!
Und ohne Thränen manche Zeit,
Wie stünd' ein Auge still und leer!
Die lichte Perle nährt den
Tod,
Das Gold im Feuer wird bewährt,
Und wenn die Liebe geht in Noth,
Das ist der Schmuck, der sie verklärt.
Und wenn ein Herz in Liebe bricht,
Dann küßt ein Engel tief verhüllt -
Der stille
Tod - es auf und spricht:
So wird ein göttlich Wort erfüllt!
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Franz Stelzhamer
(1802-1874)
Einst schritt der
Todesengel -
Ich war entfernt von Ihr -
Mit hohem Ernst vorüber
Und blickte scharf nach mir.
Von seinem Aug' verwundet
Erlag ich Stund und Tag,
Wie Jeder, der's erfahren,
Wohlweislich wissen mag.
Doch Stund und Tag verrannen,
Des Blickes Mal verging,
Es zog der Baum des Lebens
Den frischen Jahresring -
Und hin zur Liebsten eilte
Ich voller Jubel dann
In Hoffnung, daß Sie juble,
Nun hört, was Sie begann!
Zu
Tod' erblassend rief Sie:
Mein Gott, Du lebest noch?
Ich hörte, daß du
todt bist,
Ach, Liebster, sei es doch!
Dann weint Sie wieder freudig
Sich beide Augen roth
Und offenbaret schluchzend
Mir Ihre Liebesnoth:
"Ich liebe dich, du wanderst
Nach Lust zu Nord und Süd;
Ich traure still und harre,
Wann du des Wanderns müd'?
Doch da ist all vergebens,
Die Wolga und der Nil,
Nicht ich und meine Ruhe,
Sind deines Trachtens Ziel.
Prairien und Savannen,
Gar californisch Erz
Und dürrer Sand der Wüste
Gilt mehr dir als ein Herz.
Ach, wärst du doch gestorben
Und lebtest still bei Gott,
Dich lieben und nicht haben -
Dein Leben ist - mein
Tod!"
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Theodor Storm (1817-1888)
Wer je gelebt in Liebesarmen
Wer je gelebt in Liebesarmen,
Der kann im Leben nie verarmen;
Und müßt er sterben fern, allein,
Er fühlte noch die sel'ge Stunde,
Wo er gelebt an ihrem Munde,
Und noch im
Tode ist sie sein.
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Adolf Strodtmann
(1828-1879)
Das war eine trübe Nacht,
Und ein Schlummer
bang und schwer!
Wie ein Kranker bin ich vom Schlaf erwacht ...
Rings sonnige Pracht! und die Erde lacht -
Doch mein Herz ist öd' und leer!
Im Garten die Nelken blühn,
Und im Feld der duftige Klee;
Die Wälder prangen in jungem Grün ...
Was schiert mich das Blühn, das Duften und Glühn?
Mein Herz ist so krank und weh!
Das macht, mein Liebchen ist
todt;
Sie starb in Jammer und Leid!
Nun sing' ich vom Früh- bis zum Abendroth:
Mein Liebchen ist
todt! - ach, schlimmer als
todt,
Verloren in Ewigkeit!
Sie nahm einen falschen Mann,
Sich selber brach sie die Treu'!
Ist Liebe Das? O nein, hör an:
In der Sünde Bann ein Traum - und dann
Ein Wachen voll Schimpf und Reu'!
Ist Liebe Das? O nein!
So schwarz ist Liebe nicht!
Mag von Schuld der Erdball umfinstert sein:
Zu der Sterne Schein doch hebt sie rein
Ihr göttliches Angesicht!
Mich aber fasst ein Graun,
Und die Hände ball' ich vor Schmerz.
Mein weißes Reh in des Jägers Klaun!
Diese Ranke vom Zaun ist stärker, traun,
Als dein thörichtes Mädchenherz!
Fahrwohl, verlorenes Lieb -
Der Giftkelch ist geleert!
Keinen Seufzer, kein Wort, keinen Gruß mir gieb!
Bist ja
todt, mein Lieb! - Was übrig blieb,
Ist keiner Thräne werth!
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Julius Sturm (1816-1896)
Liebe
Die Liebe ist der stolzeste der Triebe,
Sie kehrt den Rücken dem, der Gold ihr bot;
Und aller Triebe freister ist die Liebe,
Sie lächelt nur, wenn ihr mit Ketten droht.
Die Liebe ist der treu'ste aller Triebe,
Sie harret aus in jeder Erdennoth;
Und aller Triebe stärkster ist die Liebe,
Denn Liebe überwindet selbst den
Tod.
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Ludwig Uhland (1787-1862)
Seliger
Tod
Gestorben war ich
Vor Liebeswonne:
Begraben lag ich
In ihren Armen;
Erwecket ward ich
Von ihren Küssen;
Den Himmel sah ich
In ihren Augen.
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Paul Wertheimer
(1874-1937)
Traum vom
Tode
Und meine Augen fallen zu.
Die Seele irrt am Strande -
Und stört die Schatten aus der Ruh,
Im bleichen Nebellande.
Da ... schwer hintastend durch das Grau,
Fühl ich ein mildes Scheinen.
Das sind die Augen dein, o Frau,
Sie leuchten und sie weinen.
O Augen, die mir Tröster sind
In diesen Dunkelheiten,
Ich laß mich, ein verirrtes Kind,
Von euerm Schimmer leiten.
Sie folgten mir. Sie grüßen mich
In lächelndem Erbarmen. - -
Noch jauchzt mein Tag! Wie lieb' ich dich!
Du lebst in meinen Armen.
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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Liebe
Das ist ein glückseliges Leben
Wenn Liebe bei Liebe wohnt,
Und reicheres kann es nicht geben,
Als Liebe von Liebe belohnt.
Doch gibt es auch einsame Tränen
Von keinem gesehn und gezählt
Und heißer brennet kein Sehnen,
Als Liebe, wenn Liebe ihr fehlt.
Sie ist wie das Feuer, das große,
Das herab aus der Sonne loht:
Alles Leben trägt sie im Schoße,
Doch daneben den glühenden
Tod.
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August Wolf (1816-1861)
Liebeslied
Wär' ich der
Tod, dann würd' ich sanft Dich küssen,
Die Seele müßt' ein holder Schlaf Dir ketten,
In Träumen würdest Du entschlummern müssen,
Und wie die Liebe würd' ich süß Dich betten.
Was Dir das Leben giebt, ich kann es wissen,
Was willst Du hier mit Deinem schönen Herzen?
Es wird Dir hunderttausendfach zerrissen
Von eig'nem tiefen Leid und And'rer Schmerzen.
Und was der
Tod Dir bringt, wir wissen's nimmer.
Ob er ein bess'res Sein vermag zu geben,
Ob zur Vernichtung er Dich führt auf immer,
Ob nur zu neuem, leiddurchflocht'nem Leben?
Hier ist's gewiß und dort im Ungewissen;
Ich möchte Dich von
Tod und Leben retten:
Ich wollt', ich wär' der
Tod, ich würd' Dich küssen
Und wie die Liebe sanft und süß Dich betten.
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"Würdest, Theuere, Geliebte -"
Würdest, Theuere, Geliebte,
Du mir durch den
Tod entzogen,
Wär' ich selber nur ein
Todter,
Dem die Seele schon entflogen!
Oder ach, ich wär' ein Denkstein,
Der von Dir zurückgeblieben,
Wo, wie schön Du einst gewesen,
Noch zu lesen ständ' geschrieben.
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Heinrich Zirndorf
(1829-1893)
Dein Herz hat, ein Magnet,
Mich mächtig angezogen,
Mein Geist hat Lust und Leid
Aus deinem Blick gesogen,
Daß er besiegt gesteht:
Dein Herz ist ein Magnet.
Doch ob er auch besiegt,
Er will sich nicht ergeben
Und aus den Banden sich
Zu neuem Kampf erheben.
Doch jeder Pulsschlag fleht:
Dein Herz ist ein Magnet.
In jedem Pulse pocht
Der Zauber deiner Augen,
Sie bergen Glück und
Tod,
Ich darf den
Tod nur saugen;
Und in mir glüht's und weht:
Dein Herz ist ein Magnet.
Wie schön ist selbst der
Tod,
Von deiner Hand geboten;
Gibst du mir Liebe nicht,
So wirf mich zu den
Todten.
Mein brechend Herz gesteht:
Dein Herz ist ein Magnet.
Wie ein Magnetberg hast
Mein Leben du zerschellt,
Daß ohne Kiel und Mast
Mein Lebensschiff zerfällt,
Und laut die Sage geht:
Dein Herz ist ein Magnet.
_____
Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)
Das
todte Herz
Was ist für den, der sich um Lieb' bewarb,
Das Leben noch, wenn ihm die Liebe starb?
Was ist das Herz, in stummer Brust erstarrt,
Das hinterlistig hingemordet ward,
In dessen Wunden eine Frevlerhand,
Den Dolch mit Wollust noch herumgewandt,
An dessen Windungen im
Todeskampf,
An dessen Zuckungen im Schmerzenskrampf,
Ein Auge sich in wilder Lust ergötzt,
Ein and'res Herz gelabt sich und geletzt? -
Es ist ein Leichnam in dem Grab der Brust,
In dem es still verweset und vermodert,
Doch bleibt es seines Schmerzes sich bewußt,
Der selbst im
Tod noch in ihm glüht und lodert.
Es gleicht auch einem unerlösten Geist,
Der nächtlich seufzend um die Stätten kreist,
Wo's ihm erlaubt war, glücklich einst zu sein,
Und die es jetzt gespensterhaft durchschreitet,
Bis es dann wieder der Verdammung Pein
In grauser Höllenfeuerglut erleidet,
Durch alle Ewigkeiten fort und fort. -
Doch könnt' es wiederkehren von dem Ort,
Wo es erträgt so namenlose Plagen,
Könnt' aus dem Grab es wieder aufersteh'n,
So würd' es doch kein Friedenshauch umweh'n,
Denn alle Wundenmale würd' es tragen,
Die ihm die Hand geschlagen,
Aus welcher einst sein sehnendes Verlangen
Gehofft, des Lebens Segen zu empfangen.
Und wär' es auch erlöst aus Höllenpein,
So würd' es ja doch nie mehr fähig sein,
Noch einmal Glück im Leben zu empfinden -
Denn solche Wunden sind nicht zu verbinden,
Kein Wundenbalsam heilet je sie aus,
Drum laß das Herz in seinem stillen Haus
Gestorben sein, gestorben und begraben.
Es sollte ja hienieden,
Statt Glück und Frieden,
Nur Schmerz und Leiden haben.
Nun ruht es unter'm Leichenstein,
Der ist ein ruhig lächelndes Gesicht,
Und wer es sieht, der ahnet nicht,
Was es bedeckt an Schmerz und Pein.
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