Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: trunken / Trunkenheit
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
(keine Beispiele)
18. Jh.
Charlotte von Ahlefeld
(1781-1849)
Sonett
Als mir, von goldner Freiheit noch umfangen,
Des Daseyns Fülle blühend sich erschloß,
Da war's ein dunkles, heiliges Verlangen,
Das über mich der Sehnsucht Flammen goß.
Da blickt ich froh und kühn in die Gefilde
Der Zukunft hin, von Morgenroth beglänzt;
Das Leben schien in ungetrübter Milde
Von der Natur mir tausendfach umkränzt.
Und doch – von allen Blüthen, die es schmücken,
Von allen Freuden, die das Herz beglücken,
Verdient nur eine, daß man sie beweine.
Es ist das süße,
trunkene
Entzücken,
Das nur durch Schweigen wagt sich auszudrücken
In stummer Liebe seeligem Vereine.
_____
Susanne von Bandemer
(1751-1828)
Ich sah dich einst, und fand in deinen Blicken
Der Liebe
wonnetrunkenes
Entzücken,
Das schnell in meine Seele drang.
Dein ach! für mich beredtes Schweigen
Vermochte diesen Stolz zu beugen,
Den keine Rednerkunst bezwang.
_____
Selig! selig! die, so ganz versunken
Im Gefühl der Liebe, dir im Arme lag:
Ach, sie lauschte hoher Wonne
trunken
Auf des Herzens stärkern Schlag.
Der dir, - Holder, den ein Gott mir wählte -
Mit der reinsten Liebe sanft die Brust durchbebt,
Und mich mehr, als Amors Neuvermählte,
Zu Elysium erhebt.
_____
In einem Meer von Wonne ganz versunken,
Fühlt deine Sängerinn sich
nektartrunken,
Und zittert, ach! vom heissesten Verlangen,
Ihn zu umpfangen,
Ihn, der des Herzens schönste Wünsche stillet,
Das Ideal der Phantasie erfüllet,
Den Geist bezaubert und das Herz entglühet,
Das zu ihm fliehet.
_____
Gottfried August Bürger
(1747-1794)
Sterben wollt‘ ich im Genusse,
Wie ihn deine Lippe beut,
Sterben in dem langen Kusse
Wollustvoller
Trunkenheit!
–
Komm‘, o komm‘ und laß uns sterben!
Mir entlodert schon der Geist.
Fluch vermachet sei dem Erben,
Der uns von einander reißt!
_____
Helmina von Chézy
(1783-1856)
An Ludwig Freiherrn Rançonnet
Ein Finden ist kein Finden,
Es ist ein Wiedersehn,
Was Seelen kann verbinden,
War ewig schon geschehn,
O, hege treu den Funken,
Der deine Brust durchglüht,
Der deine Seele
trunken
Zum Flammenurquell zieht!
In Liebe nur ist Wahrheit,
In Treue nur ist Klarheit,
Ein Herz, treu, fromm und wahr
Ist Gottes Hochaltar.
_____
Johann Wolfgang von
Goethe (1749-1832)
Sie haben wegen der
Trunkenheit
Vielfältig uns verklagt
Und haben von unsrer
Trunkenheit
Lange nicht genug gesagt.
Gewöhnlich der
Betrunkenheit
Erliegt man, bis es tagt;
Doch hat mich meine
Betrunkenheit
In der Nacht umhergejagt.
Es ist die
Liebestrunkenheit,
Die mich erbärmlich plagt,
Von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag
In meinem Herzen zagt,
Dem Herzen, das in
Trunkenheit
Der Lieder schwillt und ragt,
Daß keine nüchterne
Trunkenheit
Sich gleich zu heben wagt.
Lieb-, Lied- und Weines
Trunkenheit,
Obs nachtet oder tagt,
Die göttlichste
Betrunkenheit,
Die mich entzückt und plagt.
_____
Sie war an seine Brust gesunken,
Und er, zuletzt von Wollust
trunken,
Erbat sich, Amor, Sieg von dir.
Doch schnell entriß sie sich den Armen,
Die sie umfaßten : Aus Erbarmen,
Rief sie, komm, eile weg von hier.
Bestürzt und zitternd folgt er ihr.
Da sprach sie zärtlich: Laß nicht mehr
Dich die Gelegenheit verführen;
O Freund, ich liebe dich zu sehr,
Um dich unwürdig zu verlieren.
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Ludwig Christoph Heinrich
Hölty (1748-1776)
Ein Druck der Hand, der durch das Leben schüttert,
Und eines Blickes
Trunkenheit,
Ein Feuerkuß, der von der Lippe zittert,
Giebt ihnen Engelseligkeit.
Ein Blick der Lieb', aus dem die Seele blicket,
In dem ein Engel sich verklärt,
Ein süßer Wink, den die Geliebte nicket,
Ist tausend dieser Erden werth.
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Trunken
an ihrer weißen Brust entschlummern,
Und im Traume mit ihrem Busen tändeln,
Und, bestralt vom Morgen, in ihrer Arme
Himmel erwachen!
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Ludwig Gotthard
Kosegarten (1758-1818)
Sie liebt mich,
Sie liebt mich!!
Welch Zittern ergreift mich!
Welch Sturm zerrüttet mir die fliegende Brust! -
Sie liebt mich!
Sie liebt mich!
Welch'
Trunkenheit
faßt mich,
Welch strömendes Leben, und paradiesische Lust! -
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O, wie oft, an deine Brust gesunken,
Und vom Kelch der Liebe
wonnetrunken,
Sehnt' ich mich, erst ewig dein zu seyn!
Heute, heute hab' ich dich erwunden!
Und vollendet sind der Prüfung Stunden,
Und mein Wallder ist nun ewig mein!
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Jakob Michael Reinhold
Lenz (1751-1792)
Ach tus, durchbohr mein Herz, gewiß, dann wird mir besser,
In deinen Armen will ich dann vom Leben ruhn.
Ach welche Süßigkeit! von Lieb und Wollust
trunken
Schläft dann mein mattes Haupt von seiner Unruh ein,
Auf deinen süßen Schoß verliebt herabgesunken,
Und küsset sterbend noch die Ursach seiner Pein.
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Daniel Schiebeler
(1741-1771)
Noch stets gedenk' ich jener Stunde,
Da er im dunkeln Hayn mich fand,
Und mir mit seufzervollem Munde
Die Regung seiner Brust gestand.
Zu meinen Füssen hingesunken,
Lag er, von süssem Schmerze
trunken,
Und drückt' und küßte mir die Hand.
O welche Blicke! welche Zähren!
Mein Herz vergaß der Mutter Lehren,
Und wagte keinen Widerstand.
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19./20. Jh.
Theodor Apel (1811-1867)
Vom Himmel strahlt in ungetrübter Reine
Der volle Mond durch laue Lüfte nieder,
Gewürzger Hauch entquillt Jasmin und Flieder,
Vermählend sich dem milden Silberscheine.
Die Vögel singen in dem dichten Haine
Dem kleinen Weibchen ihre Liebeslieder -
Und in der dunkeln Laube sitz' ich wieder
Mit Dir, mein Kind, im traulichen Vereine.
Du bist mir liebend an die Brust gesunken,
Und drücktest meine Hand Dir an die Wange,
Um die erhitzte langsam abzukühlen.
Ist es ein Wunder, wenn ich
wonnetrunken
Nach keinem Wort aus Deinem Mund verlange,
Versunken ganz in seligen Gefühlen?
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Elsa Asenijeff
(1867-1941)
SEINE
TRUNKENE
Wie muss sein Blick in die Augen sinken:
Wenn er seine
Trunkene
in den Armen hält!
Wie muss –, schwer von Glück – ihr Kopf in den Nacken sinken
Und taumelnd ihr Sein in seinem ertrinken,
Wenn er den schönen Mund zu ihr herniederbeugt –!
Sein weicher Bart um Hals und Kinn ihr streicht
– Blitze der Lust durch alle Nerven schiebt
Und jedem Gliede Takt und Spannung gibt.
Wenn zwischen Daumen und Fingern er
Ihr zitterndes Köpfchen stille hält!
Bis ihr Pulsschlag lockt – bis ihr Herz nur tockt;
Welt – o Welt! –:
Die Stunde des Glücks ist nah – – –!
_____
IM TÊTE-A-TÊTE, LEISE LEISE ZU SINGEN . . .
Warum sprechen?
Wo Singen soviel leichter und schöner ist?
Warum gehen?
Das müde macht,
Während Tanzen durch selige Augen
In die Herzen lacht?
Warum flehen oder trotzig sein? –
Wo Küssen so süss ist und so
trunken
macht?
_____
Hugo Ball (1886-1927)
Schöne Mondfrau, gehst du schlafen
Lächelnd und so munter,
Leise mit den Silberschafen
In die Nacht hinunter?
O und du im hellen Kleide,
Liebe Schehrazade,
Spielst du, daß die Nacht nicht leide
Deine Serenade?
Wandermüde,
wundertrunken
Komm in meine Ruhe.
Blaue, weiche Sternenfunken
Küssen deine Schuhe.
Sieh, die Nacht ist so lebendig,
Voller Duft und Gnade.
In den Bäumen eigenhändig
Spielt sie sich die Serenade.
_____
Neige dein Haupt zur Sonne,
Trunkene
Blume du,
Schmerzlich lächelnde Nonne
Fällst du dem Lichte zu.
Deine verwehenden Blätter
Streust du vor hohem Altar.
Tränen füllen die Hände,
Düfte säumen das Haar.
Daß sich in mystische Schleier
Hülle dein junges Gesicht.
Lauscht du dem Purpurregen,
Der in dein Herze bricht.
Bläue füllet die Brunnen,
Monde wiegen den Traum,
Tage und Nächte verrinnen,
Und du bemerkst es kaum.
Leise zerrinnet dein Leben
In einer liebenden Haft.
In die unendlichen Spiele
Der Sehnsucht bist du entrafft ...
_____
Rudolf G. Binding
(1867-1938)
Du Vertraute meiner Räusche,
heiliger Nächte stiller Glanz,
Ganz-Verlorne,
Trunken-Keusche,
die du trugest meinen Kranz,
sieh, dich muß ich jäh verlassen,
lächelnd eben noch beglückt;
will erblindend ich dich fassen
bin ich sehend schon entrückt.
_____
Ada Christen (1839-1901)
Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
Athmet in der
Trunkenheit
Einer Liebe, die befreit,
Die begeistert, die erhebt!
Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,
Athmet in Versunkenheit
Einer Liebe, die entweiht,
An der Schmach und Elend klebt!
_____
Felix Dörmann (1870-1928)
Auch Dich hab' ich, reinste der Frauen,
Mit Lasterbegierden entweiht.
Nicht darf ich Dein Antlitz mehr schauen
In Ewigkeit.
Mein Herz ist im Schlamme versunken,
Gespenstig flackert in mir
Nur Sehnsucht,
wahnwitztrunken,
Und kranke Gier.
Was soll mein schluchzendes Ringen,
Der Seele Verzweiflungsgebet?
Ich kann die Dämonen nicht zwingen - -
Es ist zu spät.
_____
Lichtdurchtränkt und sonnenumwoben
Erschienst Du mir
Wie eine Madonnengestalt
Des alten Venedigs.
Anmuttrunken
und schönheitsselig
Sah ich hinein
In die meerfluttiefen
Und meerflutblauen,
Leuchtenden Augen
Und sah durch sie
In eine reine, süße Kinderseele,
In die zum ersten Male
Farbenglühend
Die Liebe einzog.
_____
Und wieder umpreßt und umschnürt mich
Das grauenhaft herrliche Weib,
Es brennt und zuckt und zittert
Morphiumgesättigt ihr Leib.
Jedwede Muskelfaser
Sich zum Zerreißen dehnt,
Die schrankenlosesten Freuden
Das
trunkene
Hirn ersehnt.
_____
Liebesschauer
Liebesschauer mir im Herzen wühlen,
Deiner Schönheit blutigem Altar,
Sturmgewaltig wettert durch mein Fühlen,
Atemloser Wonnen wilde Schar.
Aus des Herzens abgrundtiefen Schachten,
Wo Gedankenfluten hoch gerollt,
Die den Weltenbau ins Wanken brachten,
Wenn empor zum Lichte sie getollt,
Quellen Lieder, Deiner Schönheit
trunken,
Sausen Flammen irrer Liebesglut,
Meine großen Ziele sind versunken,
Bleich und todesstarr mein Wille ruht;
Wehr und Waffen hat der Rost zerfressen,
Daß ich einstmals stritt, - ich weiß es kaum;
Meine Sendung hab' ich längst vergessen -
Nur für Dich hat meine Seele Raum!
_____
O laß mich, laß mich umranken
Die schmiegsam volle Gestalt,
Laß Busen mich betten an Busen
Mit stürmischer Glutengewalt.
O laß mich in
trunkener
Liebe
Durchwühlen Dein flimmerndes Haar,
Wundküssen die zuckenden Lippen,
Der Lider kühles Paar.
_____
Carl Ferdinand
Dräxler-Manfred (1806-1879)
Du fern, fern von mir, o Pein!
Ich kann es nicht länger ertragen,
Nicht länger kann ich durch Täuschung und Schein
Dieß Sehnen des Herzens vertagen.
Fern meinem glühenden Kusse, der still,
Gleich einer heiligen Opferflamme
Auf dem Altare deiner Reize brennen will;
Fern meiner Sehnsucht, die einer Venus gleich
Aus den Wellen deiner Schönheit aufgestiegen,
Sich in deinen Armen, so weiß und weich
Liebetrunken
einzuwiegen.
_____
Du weißt es, was mein Blick,
Dir
feuertrunken
sagte,
Wenn ich zu dir, mein Glück,
Ihn aufzuschlagen wagte,
Du kennst, unausgesprochen,
Des Herzens stilles Pochen,
Darin als schönstes Gut
Dein liebes Bildniß ruht.
_____
Was Heilige verehren
Und Bilder an Altären -
Jetzt ist es mir enthüllt,
Seit, Wonne meinen Blicken,
Mit
trunkenem
Entzücken
Dein Bildniß mich erfüllt.
_____
Du bist es selbst, du Süße,
Ich fühle deine Küsse,
Ich höre deinen Ton;
All Elend ist versunken,
Ich juble
wonnetrunken,
Wie einst Pygmalion.
_____
Joseph Freiherr von
Eichendorff (1788-1857)
Einen Blick nur, der mit hellen
Strahl von Herz zu Herzen spricht! -
Und durch tausend Schicksals-Wellen
Stürz ich
trunken
zu dir hin.
_____
Ludwig Eichrodt
(1827-1892)
Es ist so
gut und leicht gesagt,
Ich liebe, liebe dich,
Man hat so schnell sich eingeliebt,
So ganz herzinniglich.
Man fällt sich um den Hals und küßt,
Bis man vor Liebe
trunken
ist;
Und kann sein Glück nicht fassen,
Und will sein Glück nicht lassen.
_____
Bruno Ertler (1889-1927)
Die schöne Königin
blickt erst auf ihn, dann da und dorten hin,
das Lächeln fiel von ihrem Angesicht,
sie wollte sprechen — und doch sprach sie nicht —
Zwei dunkle Augen brannten heiß und
trunken,
und alles andre war um sie versunken. —
_____
Johann Georg Fischer
(1816-1897)
Du schweigend Wunder,
Du weißt es nicht,
Wie ich
trunken
trinke
Von deinem Licht!
Und ist es möglich,
Und bist du mein?
Wir zwei im Weiten
Allein, allein!
_____
Theodor Fontane
(1819-1898)
Ich lag zu ihren Füßen,
- O welch ein Götterlos! -
Und wiegte
wonnetrunken
Mein Haupt in ihrem Schoß.
Sie spielte mit den Händchen
In meinem dunklen Haar
Und strich es zärtlich kosend; -
Wie schön das Mädchen war!
_____
Ludwig August Frankl
(1810-1894)
Und angelehnt
An deinen Busen, deine Lippen,
Ach, wie mein Herz sich sehnt, sich sehnt,
Den Trunk der Seligkeit zu nippen.
Dann träumten wir
Von Duft und Sturm und Liebe
trunken,
Im freien Alpeneden hier
Uns schweigend an das Herz gesunken.
______
Ferdinand Freiligrath
(1810-1876)
So bin ich fromm, so bin ich stille,
So bin ich sanft, so bin ich gut!
Ich habe dich - das ist die Fülle!
Ich habe dich - mein Wünschen ruht!
Dein Arm ist meiner Unrast Wiege,
Vom Mohn der Liebe süß umglüht;
Und jeder deiner Atemzüge
Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied!
Und jeder ist für mich ein Leben! -
Ha, so zu rasten Tag für Tag!
Zu lauschen so mit sel'gem Beben
Auf unsrer Herzen Wechselschlag!
In unsrer Liebe Nacht versunken,
Sind wir entflohn aus Welt und Zeit:
Wir ruhn und träumen, wir sind
trunken
In seliger Verschollenheit!
_____
Else Galen-Gube
(1869-1922)
Flammendurchlodert, liebestoll und wild,
von Leidenschaft berauscht, die Sinne
trunken,
so bin ich dir, du mannhaft Götterbild,
zu Füßen, Herrin, Sklavin, hingesunken.
_____
Ich will mich heut in dichte Schleier hüllen
und zu dir kommen, wenn der Tag sich neigt;
auf menschenleeren, stillverschwiegnen Pfaden
geh ich zu dir, wenn alles Leben schweigt.
Ich werd im Schatten dunkler Häuser wandern,
von allen unerkannt und ungesehn,
um
liebestrunken,
wenn der Morgen dämmert,
von dir, aus deinen Armen fortzugehn.
_____
Laß
trunken
im Rausch mich am Halse dir hangen,
wir feiern die Stunde mit Weinlaub im Haar -
Kredenz mir den Becher, komm, still mein Verlangen,
und reiche die purpurne Schale mir dar!
_____
Weißt du den Weg, den Weg zurück zur Stadt?
Vor unsren Augen tanzten rote Funken - -
wir schritten beide still-verträumt und matt
durch Aecker, Wiesen hin am Waldesrain,
im Bann der Stunden, selig,
liebestrunken,
und über uns lag lichter Vollmondschein!
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Weißt du das süße Beieinandersein …. ?
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Julius Grosse (1828-1902)
Und noch einmal und inniger umschlang
Mein Arm dich, holde Seele,
wonnetrunken.
Dein Auge weinte; doch die Seele sang,
Daß zwischen uns der letzte Bann gesunken.
Aus warmer Nacht klang eine Glocke fern,
Und heimlich Grüßen kam aus allen Weiten,
Denn meinem Schwure leuchtete dein Stern -
So an dir halten will ich Ewigkeiten.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Ich wandle unter Blumen
Und blühe selber mit;
Ich wandle wie im Traume,
Und schwanke bei jedem Schritt.
O, halt mich fest, Geliebte!
Vor
Liebestrunkenheit
Fall ich dir sonst zu Füßen,
Und der Garten ist voller Leut.
_____
Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)
Orgie
Wir tappen tief durch Raps und Röhricht
Und Sumpf und Säume von wilden Wiesen
Und fallen nach Faltern und tuscheln töricht
Und narrn uns mit Mohnsam und müssen niesen.
Und wühlen uns wütend in Haufen Heues
Und juchzen und johlen wie fröhliche Fohlen
Und streifen ab unser Schwaches und Scheues
Und kreisen kreischend wie wehende Dohlen.
Spinnen kriechen uns über den Mund.
Ähren kitzeln keck unsre Nasen.
Mücken zerstechen uns Hals und Nacken.
Närrisch umbellt uns der kleine Hund.
Trunken
wälzen wir uns auf dem Rasen,
Prustend wie Pane mit blühenden Backen.
_____
Wilhelm Ritter von Hertz
(1835-1902)
Es schläft an meine Brust gesunken
Das holde, heißgeliebte Weib;
Ich schaue stumm und
formentrunken
Den jungen, hüllenlosen Leib.
Wie um den keuschen Schnee der Lenden
Der Locke dunkle Woge quillt!
Wie unter meinen leisen Händen
Der weiche Marmor athmend schwillt!
_____
Als einst ich dir eine Rose geraubt,
Wie bist du da ahnend erschrocken!
Nun schüttelt lächelnd dein
trunkenes
Haupt
Den zerknickten Kranz aus den Locken.
Wohl fühlest du scham- und wonneheiß:
Nicht fiel diese Blüthe vergebens!
Du fühlst dich ein heilig fruchtbares Reis
Am unsterblichen Baume des Lebens.
_____
Georg Heym (1887-1912)
Von Schönheit
trunken
muß ich dich genießen,
Des Wunderleibes Pracht begreifen,
Daß du und ich im Jauchzen eins verfließen,
Daß wir uns brünstig lichtwärts reifen.
_____
Arno Holz (1863-1929)
Dann
losch das Licht,
und
durch die Stille,
fiebernd, verlangend, erwartungsbang,
nur noch:
unser zitternder Herzschlag!
Trunken
... stammelnd,
meine
Lippen ... süß dein ... Aufschrei!
Seligkeit!
_____
Angelika von Hörmann
(1843-1921)
Der ganze Zauber meiner Berge liegt
Auf dir; so frei und stolz ist deine Stirne,
Brunellenbraun dein Aug', oft überfliegt
Es rosig dich, wie Alpenglüh'n die Firne.
Und wenn du sprichst! – Wie süßer Vogelsang
In's Waldesdunkel lockt, daß selbstvergessen
Der Wand'rer lauscht und folgt, bis endlich bang
Er nimmer weiß den Ausgang zu ermessen:
So folg' ich dir,
stilltrunken,
ohne Wahl
Und wie berückt von lieblichen Accorden
In deines Herzens tiefgeheimstes Thal,
Bis rings die Welt zur Fremde mir geworden.
_____
Gottfried Kinkel
(1815-1882)
Wie du an dieser Brust geruht,
In diesen Arm gesunken,
Das klopft mir noch durch's junge Blut
Und hält mich selig
trunken!
O fort dieß Blatt, ich mag es nicht,
Daß es mein Glück mir spiegelt!
Wie möcht' auch künden ein Gedicht,
Was heiß der Kuß versiegelt?
_____
Alma Johanna Koenig
(1887-1942)
So wie das Chaos vor der Schöpfung war,
war es vor dir, der du mein Schöpfer bist.
Mein Herz, das alles außer dir vergißt,
weiß nichts von Lust nunmehr, nichts von Gefahr,
und ist entsühnt, weil es dein Eigen ist.
Ich brachte gern am heiligern Altar
des Bacchus Kranz und seinen Thyrsos dar
- nie mehr von mir ersehnt, nie mehr vermißt.
Nun bin ich schon drei reiche Jahre dein
und noch ward mein Entzücken nicht gelinder,
ernüchtert nicht mein
Von-dir-trunken-sein,
dein Schenken ärmer nicht, mein Dank nicht minder.
Du führst mit Lachen unsere Ernte ein,
ich folge dir gebeugt: dein Garbenbinder.
_____
Gustav Kühne (1806-1888)
Wenn ich schlafe, wacht mein Herz;
Wenn ich wache, schläft es
trunken;
So in Freude wie im Schmerz
Bin ich ganz in Dich versunken.
_____
Detlev von Liliencron
(1844-1909)
Die erste Krähe läßt sich hören;
Leb wohl, mein Schatz, auf Wiedersehn.
Und durch die hochbeschneiten Föhren
Muß nun den Weg allein ich gehen.
Die Sonne steigt, und tausend Funken
Durchglitzern das beeiste Feld.
Von Glück und Liebe bin ich
trunken;
O Gott, wie herrlich ist die Welt!
_____
Hermann Lingg (1820-1905)
Im Anschau'n deiner Schönheit nur versunken,
Vergess' ich, daß die Welt mich höhnt und schmäht,
Ich bin zu sehr von deiner Liebe
trunken,
Als daß ich's merkte, wenn mich wer verräth.
_____
Hieronymus Lorm
(1821-1902)
Wir schwiegen auch! die Erde war verweht
Und Leid und Lust erstickt von Himmelsküssen,
Wir schwiegen; uns're Seele war Gebet.
Doch was aus Blumenkelchen wollte grüßen,
Als Ahnung durch die Aeolsharfe haucht,
Die Zweige als Geheimniß bergen müssen,
Und was als Gottesfunke still verraucht -
Uns ward es klar, als ich in Traum versunken,
Zu deinen Füßen, stumm mein Aug' getaucht
In deines Auges Gluten
liebestrunken.
_____
Wer mag erklären,
Was in den Sphären
Der Liebe haust?
Mit heißen Zähren
Von Schmerz durchbraust,
Muß sie entbehren
Und kann sich
trunken,
In Lust versunken,
Von Träumen nähren.
_____
Stephan Milow (1836-1915)
O nein! wie rasch der Traum vergeh',
Ich werde stets mich seiner freuen,
Und keine Freudenthräne je
Und keinen Jubelruf bereuen.
Das eben ist so rührend schön,
Daß wir, ob ird'schen Glücks auch
trunken,
Doch schwärmen auf zu Himmelshöhn
Und uns die ganze Welt versunken;
Daß Zwei, die fest sich an die Brust
In seliger Erfüllung drücken,
Der heißen Herzen kurze Lust
So wunderbar sich können schmücken.
_____
Noch denk' ich jenes Glücks, das ich genossen,
Als einst im Lenz, in später Abendstunde,
Gesessen wir auf weichem Wiesengrunde
Und unsre Herzen milde aufgeschlossen.
Rings war ein tiefer Zauber ausgegossen,
Ein Zittern, Rauschen, Duften in der Runde;
Die Worte starben endlich uns im Munde,
Wie unsre Blicke ineinander flossen.
Da war es mir, als ob mit ihren Sonnen
Und Sternen allen sich die Welt im Reigen
Um uns zu drehn begänne, bebend
trunken.
Und wir, gestillt, so voll der reichsten Wonnen,
Wir ruhten regungslos, in sel'gem Schweigen,
Im Mittelpunkt der Schöpfung tief versunken.
_____
Wer liebt, sei ganz in sein Gefühl versunken,
Er laß den Ruf der Welt an sich verhallen,
Dahin in stillem Jubel mag er wallen,
Im Tiefsten bergend süß den heil'gen Funken.
Er liebte schlecht, wenn er nicht, selig
trunken
Des einen Glücks nur, das ihm zugefallen,
Entflöhe scheu den andern Freuden allen:
Wer liebt, sei ganz in sein Gefühl versunken.
So bin ich dein! Was rings auch immer blühe,
Es ist mir todt und soll mich nicht erquicken;
Denn dich nur lieb' ich, dich hab' ich erkoren.
Und lügt mein Wort und wenn ich je erglühe,
Gefacht von eines fremden Augen Blicken;
So sei auf ewig, ewig mir verloren!
_____
Betty Paoli (1814-1894)
In solcher Nacht war's, wo ich,
trunken,
Zuerst an deiner Brust geglüht,
Wo deine Schwüre Gottesfunken
In's tiefste Wesen mir gesprüht,
Wo, um im Herzen mir zu liegen,
Vom ew'gen Thron herabgestiegen
Der Seligkeiten reichste Macht
In solcher Nacht.
_____
August Graf von Platen
(1796-1835)
Nicht aus Begier und aus Genuß gewoben
War unsre Liebe, nicht in Staub versunken:
Nur deiner Schönheit bebt ich
wonnetrunken,
Und gütig warst du, gleich den Engeln oben.
Du hattest mich zu dir emporgehoben,
In deinem Auge schwamm ein lichter Funken,
Der Farben schuf, den Pinsel drein zu tunken,
Den reine Dichterhände Gott geloben.
Nun, da ich fern von dir den Tag verbringe,
Erscheinst du der Bewunderung noch reiner,
Je mehr im Geist ich deinen Wert durchdringe.
Ja, immer sehnsuchtsvoller denk ich deiner,
Und legt die Welt mir auch so manche Schlinge,
Du sollst mich nie gefangen sehn in einer.
_____
Robert Prutz (1816-1872)
Die einst mir als schüchterne Knospe gelacht
Aus halb erschlossenem Laube,
Nun leuchtest du mir in üppiger Pracht,
Du reife, du goldene Traube!
Ich aber, in heiliger
Trunkenheit,
Ich halte den schäumenden Becher,
Und selbst der Wermuth vergangener Zeit
Wird Nektar dem seligen Zecher.
_____
Sei nicht so schön! Nicht diese Funken
In meine Seele schleudere du!
Die heißen Sinne machst du
trunken
Und mordest meines Herzens Ruh'!
Es träuft ein seliges Erbangen,
Es weht ein wonnevolles Weh
Vom Rosenschimmer deiner Wangen,
Von deiner Schulter duft'gem Schnee.
_____
Ernst Rauscher
(1834-1919)
Du sprichst so hold, das Wasser rauscht
Dazwischen her von fern,
Du blickst und sprichst so hold! Wie lauscht
Dir meine Seele gern!
Denn jedes Wort und jeder Blick
Aus deinem treuen Sinn
Erhöht das namenlose Glück,
Von dem ich
trunken
bin.
_____
Anna Ritter (1865-1921)
Tiefe Ruhe ringsumher!
Lastend liegt des Mittags Schweigen
Ueber all' den grünen Zweigen,
Träumend blickt der Himmel nieder
Und die Erde athmet schwer.
Und wir beide, du und ich,
All der Farbenschönheit
trunken,
Sind uns in den Arm gesunken,
Leise, wie aus weiter Ferne,
Hör' ich noch dein "Küsse mich …"
_____
Emil Rittershaus
(1834-1897)
O, wärst Du bei mir,
Mein Schätzlein schön,
Und sähst, wie herrlich
Die sonn'gen Höh'n,
Und hörtest singen
Die Vögelein:
Du stimmtest freudig
In's Lied mit ein!
Dann schaut' ich froher
Auf Strom und Feld,
Dann wär' mir schöner
Die ganze Welt!
Dann jauchzt ich
trunken
In sel'ger Lust
In Deinen Armen,
An Deiner Brust!
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"Sind sie verliebt!" so sprechen die Philister,
Die in das Leben kühl und nüchtern schauen.
Wie hass' ich sie, die Weisen, die Magister!
Nicht kalt, nicht warm, sind sie die ewig Lauen!
Laß sie die Küsse zählen, wenn sie küssen!
Laß sie die Tropfen zählen, wenn sie trinken!
Wir schwelgen selig in den Hochgenüssen,
Im Meer der Liebe
trunken
zu versinken!
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Hermann Rollett
(1819-1904)
O war das eine Seligkeit -!
Wir hielten uns umfangen,
Das Auge schwamm in
Trunkenheit,
Das Herz in Gluthverlangen.
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Adolf Friedrich von
Schack (1815-1894)
O Stunde, ewig unvergessen
Das weite Weltall mögt ihr messen,
Bis wo in Schwindel zagt der Blick,
Doch wenn zwei Wesen ihre Seelen
Im ersten heil'gen Kuß vermählen,
Wo ist ein Maß für solches Glück?
Sie beben stumm und
freudetrunken,
Die Erde scheint um sie versunken,
Hinweggeschwunden Raum und Zeit,
Und von der Welt ist nichts geblieben,
Als nur zwei Herzen, die sich lieben,
Allein in der Unendlichkeit.
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Komm, daß wir diese Stunde Arm in Arme
Zur seligsten des Lebens weihn!
Vergessen soll die Welt mit ihrem Harme
Im Vollgesang der Liebe sein!
Fernab ist die Vergangenheit versunken;
Und, ob ein Tag dereinst uns trennt,
Nicht denk' ichs, während meine Seele
trunken
Im Kuß auf deinem Munde brennt.
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Georg Scherer (1828-1909)
Ich nahe dir selig erschrocken;
O laß mich ins Antlitz dir sehn,
Und laß deine duftigen Locken
Um die heißen Schläfen mir wehn!
Dann löst, in dein Anschaun versunken,
Des Herzens Geheimnis der Mund,
Und die Lippen besiegeln
trunken
Den heiligen Liebesbund.
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René Schickele
(1883-1940)
Wenn es Abend wird
Die Engel der Liebkosung steigen nieder,
von weitem kommen deine Hände wieder,
und deine Augen sind so mild, so weit,
daß alle Dinge drin verklärt gen Himmel fahren.
Mein Zimmer ist ein Wald, der sich erinnert, wie deine Worte sangen,
im Kleinsten, das einmal deinen Atem gespürt, lebt brünstiges Verlangen,
wie Lampen gehn die Spiegel an, die schon voll Dunkel waren.
Schon rufen deine Schritte die Blumen auf im Garten,
daß ihre kleinen Seelen erschauern und im Dunkel warten.
Die Bäume werden atemlos und stehn beklommen,
die Bäche horchen auf, ein tiefer Traum belauscht dein Kommen,
am Weg, auf dem du nahst, ist Stern an Stern gereiht,
Wunderbare
Trunkenheit!
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Karl Siebel (1836-1868)
Troubadour
Nach Liebe dürstend und von Schönheit
trunken,
So bin vor dir ich sehnend hingesunken.
Du bist die Fürstin in dem Feenreiche,
Anmuthumwob'ne, Herrlich' ohne Gleiche.
Du bist die Göttin dieser schönen Erde.
O schaffe du, daß mein ein Himmel werde!
Wo du mich liebst, ist an der kleinsten Stätte
Der Sonne hohes Zelt, des Segens Bette.
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Frank Wedekind
(1864-1918)
Minona
Laß sie mich küssen, die knospende Blume, den Kelch
meiner
Trunkenheit!
Wenn meiner Lippen fiebernde Glut dir die Glieder
durchzittert hat,
Dann erst wirst du mir Weib, und ein mächtig Erinnern
Schwellt meine Segel glückseligen Inseln entgegen.
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Ernst von Wildenbruch
(1845-1909)
Küsse mich - küß mich lang und heiß,
Bis dies Herz, dies wild erregte,
Dies von Sorgen dumpf bewegte,
Wie von Lethes Fluten
trunken
Tief in deinen Schoß gesunken,
Nichts von Qual und Sorgen weiß -
Küß mich lang - küß mich heiß!
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Kathinka Zitz-Halein
(1801-1877)
Wie Mumien in Katakomben schlummern,
So schlummerte Dein Bild in meiner Brust;
Des Lebens bin ich mir erst froh bewußt,
Seitdem ich, o Geliebter! Dein mich nenne,
Seitdem ich Dir in heil'ger Liebe brenne.
Gleich Herculanum war mein Glück versunken,
Mit Schutt bedeckt; allein was ich verlor,
Das riefst Du schöner, herrlicher hervor,
Und von Entzücken ward die Seele
trunken,
Begeistert durch den heil'gen Himmelsfunken.
Du bist mir Alles, bist mir meine Welt!
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Stefan Zweig (1881-1942)
Nach Hause
Längst ist kein Lichterglanz mehr wach;
Im Nebelmeer versunken
Sind Turm und Häuser, Dach für Dach. -
Nur wir allein ziehn
sehnsuchtstrunken
Dem gold'nen Venussterne nach.
Der führt uns dunklen Wegen zu
In zärtlichem Begleiten. -
Das Herz blüht auf von Glück und Ruh ...
Das Ziel, dahin wir selig schreiten,
Wir ahnen's beide, ich und Du ...
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