Franz Marc (1880-1916)
Liebespaar
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Stichwort: zärtlich / Zärtlichkeit
16./17. Jh.
18. Jh.
19/20. Jh.
16./17. Jh.
(keine Beispiele)
18. Jh.
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Susanne von Bandemer
(1751-1828)
Der Fusstritt des Geliebten
Ha! hör' ich recht? sind dies die leisen Tritte
Des Einzigen, dem dieses Herz sich weiht? -
Er kömmt! beflügelt sind die sanften Schritte
Von Sehnsucht und von
Zärtlichkeit.
Er kömmt! ich fühl's an diesen starken Schlägen
Des armen Herzens, dem er alles ist.
Es klopft entzückt dem Augenblick entgegen,
Wo er die heisse Thräne küsst;
Die Thräne, die sich von der Wange schleichet,
Und halb beschämt auf einen Busen stiehlt,
Der, ach! von seinem holden Blick erweichet,
Nicht mehr sich unempfindlich fühlt.
Nein, mein Gefühl wird mit dem Daseyn enden;
Ich bin von neuer Lebensglut beseelt;
Und dankbar nehm' ich aus der Liebe Händen
Den Liebling, den sie mir gewählt.
_____
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Louise Brachmann
(1777-1822)
Das Eigenthum
Was Du lobst und liebst an mir,
Dank' ich's Dir denn nicht?
Alles Höh're kommt von Dir,
Meines Herzens Licht!
Leuchtend steigt die Blum' im Thal
Aus der Erde Nacht;
Dankt sie nicht dem Sonnenstrahl
Ihrer Farben Pracht?
So auch hobst Du meinen Sinn
Licht zu Dir empor,
Jede beßre Kraft darin
Rief Dein Strahl hervor.
Meines Lebens Sonn', o Du,
Meines Herzens Glück!
Was ich Edles fühl' und thu',
Strahlt von Dir zurück!
Eins nur ist, was mein gehört,
Was ich Dir geweiht,
Blume, die kein Sturm zerstört:
Meine
Zärtlichkeit.
_____
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Philippine Engelhard
(geb. Gatterer) (1756-1831)
Ich sah den Ulmbaum sich zur Rebe neigen,
Sie hülfloß blühn;
Er schloß sich an – sie schlang mit zarten Zweigen
Sich fest um ihn.
Jetzt, dacht ich, gleichen sie dem besten Paare
An
Zärtlichkeit:
So lieb ich Mylon in dem Lenz der Jahre,
Der sich so lang mir nur allein geweiht.
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Johann Wolfgang von
Goethe (1749-1832)
Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und
Zärtlichkeit für mich - ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!
_____
Soll dich kein heilig Band umgeben,
O Jüngling, schränke selbst dich ein.
Man kann in wahrer Freiheit leben
Und doch nicht ungebunden sein.
Laß nur für eine dich entzünden,
Und ist ihr Herz von Liebe voll,
So laß die
Zärtlichkeit dich binden,
Wenn dich die Pflicht nicht binden soll.
_____
Triumph der Tugend
Von stiller Wollust eingeladen
Drang in den Tempel der Dryaden
Mit seinem Mädchen Daphnis ein,
Um
zärtlich ohnbemerkt zu sein.
Des Taxus Nacht umgab den Fuß der Eichen,
Nur Vögel hüpften auf den Zweigen,
Rings um sie her lag feierliches Schweigen,
Als wären sie auf dieser Welt allein.
Sie saßen tändelnd in dem Kühlen.
Allein, dem Herzen nah, das uns so
zärtlich liebt -
Wem Amor solch ein Glücke gibt,
Wird der nicht mehr als sonsten fühlen?
Und unser Paar fing bald an mehr zu fühlen.
Des Mädchens
zärtlich Herz lag ganz in ihrem Blicke,
Halblächelnd nennt sie ihn ihr bestes größtes Glücke.
Sein Herz, von heißem Blut erfüllt,
Drückt sich an ihrs, läßt nach, drückt wieder;
Und wenn das Blut einmal von Liebe schwillt,
Reißt es gar leicht der Ehrfurcht Grenzen nieder.
Konnt Daphnis wohl dem Reiz des Busens widerstehn?
Bei jedem Kuß durchglüht ihn neues Feuer,
Bei jedem Kusse ward er freier
Und sie - und sie - ließ es geschehn.
Der Schäfer fühlt ein taumelndes Entzücken,
Und da sie schweigt, da jetzt in ihren Blicken
Anstatt der Munterkeit ein sanfter Kummer liegt,
Glaubt er sie auf dem Grad von feurigem Entzücken,
Wo man die Mädchen leicht besiegt.
Sie war an seine Brust gesunken,
Und er, zuletzt von Wollust trunken,
Erbat sich, Amor, Sieg von dir.
Doch schnell entriß sie sich den Armen,
Die sie umfaßten : Aus Erbarmen,
Rief sie, komm, eile weg von hier.
Bestürzt und zitternd folgt er ihr.
Da sprach sie
zärtlich: Laß nicht mehr
Dich die Gelegenheit verführen;
O Freund, ich liebe dich zu sehr,
Um dich unwürdig zu verlieren.
_____
-
Friedrich von Hagedorn
(1708-1754)
Die erste Liebe
O wie viel Leben, wie viel Zeit
Hab ich, als kaum beseelt, verlohren,
Eh mich die Gunst der
Zärtlichkeit
Begeistert und für dich erkohren!
Nun mich dein süßer Kuß erfreut,
O nun belebt sich meine Zeit!
Nun bin ich erst gebohren!
_____
-
Daniel Schiebeler
(1741-1771)
An Daphne
Wenn ich an deiner Seite bin,
Wie flüchtig fliehen sie dahin,
Die angenehmen Stunden!
Was sich in stillen Wünschen oft
Mein Geist gemahlt, doch nie gehofft,
Hab' ich in dir gefunden.
Wie rein, wie
zärtlich lieb' ich dich!
Dein Bild allein begeistert mich
Mit himmlischem Entzücken.
Dir eilt mein Herz beständig zu,
Nur, wo du bist, genießt es Ruh,
Es lebt von deinen Blicken.
Den Wanderer in Wüsteneyn
Kann so die Quelle nicht erfreun,
Die seine Zunge kühlet,
Als mich ein süsser Kuß von dir,
Ein Balsamtropfen, den in mir
Die ganze Seele fühlet!
Nichts ist, das meinem Glücke fehlt,
Zum Freunde hast du mich gewählt,
Ich darf dich Freundinn nennen.
O! meines Lebens Seligkeit!
Laß keinen Zufall, keine Zeit,
Dies sanfte Band zertrennen!
_____
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Christian Friedrich
Daniel Schubart (1739-1791)
Die
Zärtlichkeit
An Luise
Goldne Zierde sanfter Seelen,
Himmelsgrazie, mit dir
Will ich ewig mich vermählen;
O, wie lieblich strahlst du mir
Aus Luisens sanftem Blick
Deine Herrlichkeit zurück.
Einfalt mit dem Silberschleier,
Unschuld mit dem Rosenflor
Wandern dir in stiller Feier
Als zwei liebe Schwestern vor.
Engel Gottes freuen sich
Ueber dir, und küssen dich.
Als die Schönheit und die Güte
Einst im Garten Gottes stand,
Und der erste Vater glühte,
Da sich Eva ihm entwand;
Blicktest du das erstemal
Aus des Weibes Augenstrahl.
Göttin - doch, so schön und milde
Hat dich nie ein Aug' erkannt,
Als ich in Luisens Bilde
Dich zum erstenmal empfand.
Still und groß und himmlisch mild
Warst du in Luisens Bild.
Ihrer Augen Zährenhelle,
Ihrer Wangen Purpurschein,
Ach, in Edens lichtem Quelle
Wuschen sie die Engel rein.
Ihrer Stimme süßer Ton,
Wie ein Himmelspantalon;
Blitzt' und drang in meine Seele,
Herz und Busen wurden weit,
Und aus meiner Augenhöhle
Schimmerte die
Zärtlichkeit.
Liebeschauernd schlug mein Herz,
Bald vor Wonne, bald vor Schmerz.
Sterben möcht' ich nun vor Liebe,
Seh' ich diese Zauberin;
Aber wird ihr Auge trübe,
O, wie trübt sich dann mein Sinn!
Jeden Zug der Sympathie
Fühlt mein armes Herz durch sie.
Bruderliebe zu den Brüdern,
Mitgefühl bei jeder Noth;
Jedes Lächeln zu erwiedern;
Jede Angst bei fremdem Tod;
Demuth, Kinderfreundlichkeit
Lehrte mich die
Zärtlichkeit.
Aber nur aus deinen Blicken,
O Luise! lernt' ich sie;
Ewig soll mich nun entzücken
Diese Seelensympathie;
Diese süße
Zärtlichkeit,
Die uns Cherubsschwingen leiht.
Wenn ich rede, wenn ich schweige;
Wenn, in deinen Reiz verschwemmt,
Manche Thrän', der Liebe Zeuge,
Mir die süße Rede hemmt;
O so denke: tief, wie dich,
Rührt die
Zärtlichkeit auch mich!
_____
Liebe mich, du wirst empfinden
Wie durch
Zärtlichkeit und Treu',
Wenn zwei Seelen sich verbinden,
Himmlisch süß die Liebe sei.
O da wird uns manche Stunde
Unter Kuß und Druck entfliehn,
Wenn wir Beide Mund auf Munde
Neues Feu'r zur Liebe ziehn.
_____
-
Christian Felix Weisse
(1726-1804)
Klagen
Ach! an dem Ufer dieser Quelle
Hab' ich Damöten oft gesehn.
Wie sanft floss sie mir da, wie helle!
Und ach! wie war Damöt so schön! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig,
zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.
Fand ich sein Auge sanft geschlossen,
Wie hab' ich ihn nicht oft erschreckt,
Und ihn mit Bluhmen übergossen,
Und dann mit Küssen aufgeweckt! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig,
zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.
Oft, eh die Lerche noch erwachte,
Strich ich schon einsam durch die Au,
Und pflückte, bis sein Blick mir lachte,
Für ihn schon Veilchen voller Thau! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig,
zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.
Dann glänzte mir aus seinen Blicken
Der Liebe süsse Trunkenheit,
Und jeder Ausdruck war Entzücken,
Und jeder Kuss war Seligkeit! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig,
zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.
Einst wollt' ich zornig von ihm fliehen:
Er bat mit schönem Ungestüm,
Und eh er bat, ward ihm verziehen,
Und fast vor Lust starb ich mit ihm! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Schweig,
zärtlichstes von allen Herzen!
Du liebst ihn ja nicht mehr.
Nun scheint er Chloen nachzugehen
Und meinen Blick beschämt zu fliehn.
Nun mag er um Verzeihung flehen:
Umsonst! diess wird ihm nicht verziehn! -
Wie? seufz' ich? geb' ich deinen Schmerzen,
O Liebe, noch Gehör?
Ja,
zärtlichstes von allen Herzen,
Du liebst ihn noch zu sehr!
_____
19./20. Jh.
Charlotte von Ahlefeld
(1781-1849)
Bei Übersendung eines Vergißmeinnicht
Diese Blume, deren blaue Blüthe
Deutungsvoll der schönste Nahme schmückt,
Der als Wunsch mir längst im Herzen glühte,
Hab' ich einsam heut' im Thal gepflückt.
Süß umschwebt von Deinem theuern Bilde,
Schien sie würdig zur Gesandtin mir;
Hin in ferne, trennende Gefilde,
Bringe sie den Gruß der Freundschaft Dir.
Ehe sie Dir naht wird sie verbleichen -
Schnell verlöschet ihrer Farbe Licht,
Doch die Bitte möge Dich erreichen,
Die ihr Nahme
zärtlich zu Dir spricht.
_____
Gabriele von Baumberg
(1768-1839)
Liebe? – Liebe darf ich dir nicht schenken:
Ach! das strenge Schicksal will es nicht;
Meiden muss ich dich – dies wird dich kränken;
Aber dich vergessen werd' ich nicht; -
Ach! Die Zeit wird deine Triebe lenken,
Folge guter Jüngling deiner Pflicht,
Ewig werth macht mir dein Angedenken,
Was für mich in deinem Herzen spricht.
Ein Gefühl, geläuterter als Liebe,
Gränzenlos wie deine
Zärtlichkeit,
Freundschaft, wie vielleicht kein Mann sie beuth,
Sey Ersatz für hoffnungslose Liebe,
Sey der Dank für die besiegten Triebe,
Und der Lohn für deine Redlichkeit!
_____
Ernst Blass (1890-1939)
Offen kündend und doch schweigend,
Deine Augen sind wie Flammen.
Innig waren wir zusammen,
Ahnungsvoll und süss uns neigend.
Zärtlichkeiten, ganz geständig,
Strömten zu wie Melodein.
Sieh, es trat der Gott lebendig
Und voll Sehnsucht in dich ein.
_____
Udo Brachvogel
(1835-1913)
Schmähung
Ich zürne Dir, weil ich Dich lieben muß,
Ich schmähe Deinen Reiz, der mich vernichtet,
Den Lippen fluche ich, nach deren Kuß
In wilder Gluth sich all' mein Trachten richtet.
Du bist an meinem Himmel der Komet,
Der das entsetzte Herz in Winternächten
Um Rast und Schlaf betrügt, mein Geist vergeht
Anheimgefallen Deinen Circemächten.
Du bist mein Vampyr, nimm das Letzte mir,
(So plündern einen Bettler wohl noch Diebe),
Du bist, - o Gott! Du bist und bleibest mir
Das schöne Weib, das ich so
zärtlich liebe!
_____
Georg Busse-Palma
(1876-1915)
Nun freue ich mich meines Leibes,
Weil ihn mein Freund so
zärtlich liebt!
O köstliches Geschick des Weibes,
Das reich wird, wenn es alles gibt!
Ich streichel' glücklich meine Brüste!
Heut weiß ich, daß sie lieblich sind!
Bevor mein Freund sie selig küßte,
War ich für ihre Schönheit blind.
Ach! Alles, was ich scheu verborgen,
Ward heiß erweckt durch seinen Kuß
Und schritt in einen neuen Morgen
Wie aus dem Grab einst Lazarus!
_____
Carmen Sylva (1843-1916)
Räthsel
Im Mondenschein,
Im Rosenhain
Ein
zärtliches Viertelstündchen!
Wie macht Natur
So künstlich nur
Einfältige Rosenmündchen?
Am Waldesrain
Zu Zwein allein,
Man findet sich ohne Säumniß!
Wie macht Natur
So einfach nur
Der mächtigen Lieb Geheimniß?
Man hat am Stein
In zartem Schrein
Ein drittes dann aufgelesen -
Wie macht Natur
So vielfach nur
Die stets sich ähnlichen Wesen?
_____
Max Dauthendey
(1867-1918)
In meinem Ohr wohnt nur dein Name
Das Rot deiner Wange ist ein Bett für mein Auge,
Mein Zimmer wird feierlich von der Pracht deiner Haare,
Jede Stunde bei dir ist ein Baum voll
zärtlicher Blumen.
Wenn ich von dir singe,
Füllt der Himmel heiter meine Scheiben,
Und die Wolken ziehn zufrieden ihren Weg.
Wenn ich dich vermisse,
Zerrt mein Herz an meiner Kette.
In meinem Ohr wohnt nur dein Name,
Wie ein Vogel im Bauer.
_____
Dein Haar ist mein
zärtlichstes Kissen
Und schmückt dein Haar meine Kissen,
Wie wird die Welt mir so gut;
Deinem Haar verschrieb ich mein Blut,
Deinem Haar, das im Dunkel noch lacht,
Und das der Leidenschaft Geste
Stumm wie das Feuer nachmacht.
Dein Haar schreibt viel brennende Zeilen,
Dein Bett ist der heißeste Brief;
Dein Haar ist mein
zärtlichstes Kissen,
Auf dem meine Sehnsucht entschlief.
_____
Demeter Dudumi (um 1856)
Das Fenster vergittert,
Verriegelt die Thür,
Bin einsam, allein ich,
Im Geist doch mit dir!
Doch tröste dich, Liebchen,
Auch einsam, allein
Weiß
zärtliche Liebe
Noch glücklich zu sein!
_____
Reinhold Eichacker
(1886-1931)
Ich wette, die Nymphe hat
zärtlich gelacht,
und der Mond hat verzückte Gesichter gemacht,
als er durch die Zweige des Fliederstrauchs sah,
was unten im Moose so Süßes geschah:
in Büschen von Rüschen
ein Hälschen so fein,
zwei Halbkugeln prangend wie Marmelstein,
ein Kußfrätzchen, glühend vom seligsten Kuß —
der weicheste, zierlichste Hüftenschluß —
zwei Füßchen, zwei Kniechen, und sonst allerlei — — —
und ich nur, und ich nur —
und ich nur dabei!
Juchu! schreit die Flöte,
trata, dröhnt das Horn,
die Pauke zerpoltert die Takte im Zorn,
die Geige verhauchte — ihr
zärtlichster Schrei
schwang auf sich zum Himmel
— und mit ihm wir zwei!
_____
Gisela Etzel (1880-1918)
Ich möchte wohl solch eines reinen Knaben
Verschwendend ersten Liebesjubel haben
Und seine glückgeschwellten Lippen küssen,
Die noch von Frauenmund und -Leib nichts wissen.
Behutsam hielte ich die volle Schale
All seiner
Zärtlichkeit in scheuer Seele,
Daß nicht zu früh und nicht mit einem Male
Um seinen Reichtum ihn mein Herz bestehle.
Nur leise wollte ich von seinem Wissen,
Das unbewußt sein Sinnenfühlen leitet,
Die Schleier lösen, bis sie fallen müssen,
Und er aus Traum ins heiße Leben gleitet.
Doch dann, doch dann / ihr Ströme von Entzücken,
Wie würdet niederstürzend ihr beglücken,
Aus ewigen Quellen solche Wonnen schenken,
Daß wild zwei Seelen nur noch, ›Sterben‹ denken!
_____
Mein Tag ist so von Liebe ganz beladen,
Daß ich erschauernd wie durch Wonnen gehe,
Vor Traum nichts Wirkliches mehr sehe,
Nur selig fühle heilig starke Gnaden.
O so in lindem Regen sich zu baden
Von
Zärtlichkeiten, Tag um Tag genossen,
Und von Erinnern völlig eingeschlossen
Hinwandeln an der Liebe Lustgestaden /
Das ist ein Glück, als ob mit jungen Händen
Ein Gott vom Lebensbaum mir Früchte bricht,
Sie stumm und ragend reicht im Sonnenlicht,
Das uns mit tausend emsigen Strahlenbränden
/ Zwei fremde Blüten, die sich nie sonst fänden /
In Schicksalslaune eng zusammenflicht.
_____
Gleich Glockenläuten branden auf in mir
Die tausend Wogen deiner
Zärtlichkeiten,
Mit denen du mich gestern überschüttet.
Heut ist es Alltag, und ich gehe hin
Mit Kleidern angetan vor aller Blicken /
Und fühlte nie doch meinen Leib so nackt,
So heißbelebt und jäh durchpulst von Glück!
Wie strahlt mein Blick, der nichts als Eines sieht:
Ein Antlitz über mir, das in Verzückung
Dies hingegebne wehe Lächeln formt,
Das wilder lockt als lauter Wollustschrei.
Wie glüht mein Mund / der nichts als Eines fühlt:
Den reinen Duft von lauter roten Rosen,
Die kühlen Tau in meine Lippen pressen.
Wie lauscht mein Ohr / und hört doch nur ein Kosen,
Als rieselten aus roten Rosen Worte
Voll fremder Glut mir über Hals und Nacken.
Wie fassen meine Hände
So liebreich heute alle Dinge an,
Als glitten sie an sanft geschwelltem Bogen
Von Hüften hin, die hart in meine Lenden
Den tiefsten Rausch, den Gott uns gab, vollenden.
_____
O heilige Wollust, heilig du auf Erden!
Wer ganz in dir ist, der ist gottvollkommen,
Und übermütig wach sind seine Kräfte.
Sein Blick ist küssender Mund,
Sein küssender Mund erglühender Schoß,
Sein Lächeln sagt von allen
Zärtlichkeiten.
Sein Leib ist Glut und Glanz,
Und Glut und Glanz strömt aus von ihm,
Der mehr an Liebe trägt, als er behalten kann.
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Gustav Falke (1853-1916)
Schamhafte Liebe
Du schläfst, und meine blöde Liebe
darf sich auch ihrem Winkel wagen
und über dich ihr
zärtlich Nachtgebet
mit leisem Mund und lautem Herzschlag sagen.
Dem hellen Tag ist sie ein schreckhaft Kind
und liebt Verstecke, hüllt sich gern in Schweigen,
verschüchtert leicht, wo andre lärmend sind.
Du schläfst, und ihre stillen Sterne steigen.
Weit öffnet sich ihr Herz, und in verschämter Pracht
erglüht die keusche Königin der Nacht.
_____
Felix Grafe (1888-1942)
Menuett
Wer fühlt die Zeit mit holden Händen rühren
an seiner Seele bunten Herbst? Tritt vor,
zärtliche Anmut! In den seligen Chor
zierlichster Freude will ich dich entführen.
Getreten kaum durch die erhellten Türen,
fühlst du, was einst dein Kinderherz verlor.
Reizender Wechsel zwingt dich stark empor
zu jenem Geist, den nur Beglückte spüren.
O Herz! O Tage, rätselhaft und reich!
Wie dämpft sich klingend, was zwiespältig brannte,
zu einem Lied, im tiefsten Wesen gleich.
Und Lust, die nie dein Herz sein eigen nannte,
wird kindlich zögernd wach und atmet weich
dahingeschmiegt ins
zärtliche Andante.
_____
Nacht im Garten
Schön ist es wohl,
wenn über dem blühenden Dill
Segler ihre gestreiften Flüge ziehen,
aber tiefer zittert das Geheimnis,
wenn seine funkelnden Kreise hinflutet
zärtliches Gestirn der Liebenden
über Nachtschatten und Jasmin.
Sieh, schon zog sie herauf,
die glühende Dämmerung.
Ängstlicher schmiegst du
an den Geliebten dich an,
aufblickend mit verdunkelten Augen
in das wolkenlose Tal.
Hingezogen in schimmernde Welle
weckt dir der Hauch des Windes
Erinnerung an Gärten der Kindheit.
Wie fern dies alles, fern und hingespült
mit unsichtbaren Händen aus dem Herzen.
Freundlicher wird schon der Abend,
später Sonne errötender Hauch
führt dem Liebenden schreibende Finger.
_____
Die Liebende spricht
O bunte Lippen
zärtlicher als Flöten,
Herabgebogen wie Gebüsch zur Winterszeit!
Ihr habt mich aus dem Staub der Morgenröten
Vorausgeschleudert in die Ewigkeit.
O Druck der Finger, Druck verschlungner Hände
Auf dem erglühten Teppich meiner Haut!
Von meinen Lippen lodern goldne Brände,
Du bist der Herr. In Demut ich die Braut.
Gewicht der Welt, das wir in Einfalt trugen,
Hat sich gelöst zu leicht gefügter Last.
Das Rad des Tags fiel knirschend aus den Fugen
Und nur bei dir ist noch mein Leib zu Gast.
Umarmend faßt die Flamme unsre Glieder,
Das Nichts steht still. Die neue Welt beginnt.
Aus dürrem Strauch auftönt ein roter Flieder,
Der in den Blumenstrauß des Himmels rinnt.
Gebirge steigt, von deiner Brust entzündet,
Im Strahl der Glocken, die wir träumend sahn.
Und blau Gewölb von Engelsmund verkündet
Liegt ungebändigt vor uns aufgetan.
_____
Heinrich Heine
(1797-1856)
Geträumtes Glück
Als die junge Rose blühte
Und die Nachtigall gesungen,
Hast du mich geherzt, geküsset,
Und mit
Zärtlichkeit umschlungen.
Nun der Herbst die Ros entblättert
Und die Nachtigall vertrieben,
Bist du auch davon geflogen
Und ich bin allein geblieben.
Lang und kalt sind schon die Nächte
Sag wie lange wirst du säumen?
Soll ich immer mich begnügen
Nur vom alten Glück zu träumen?
_____
Als Sie mich umschlang mit
zärtlichem Pressen,
Da ist meine Seele gen Himmel geflogen!
Ich ließ sie fliegen, und hab unterdessen
Den Nektar von Ihren Lippen gesogen.
_____
Die blauen Frühlingsaugen
Schaun aus dem Gras hervor;
Das sind die lieben Veilchen,
Die ich zum Strauß erkor.
Ich pflücke sie und denke,
Und die Gedanken all,
Die mir im Herzen seufzen,
Singt laut die Nachtigall.
Ja, was ich denke, singt sie
Lautschmetternd, daß es schallt;
Mein
zärtliches Geheimnis
Weiß schon der ganze Wald.
_____
Du warst die Blume, du geliebtes Kind,
An deinen Küssen mußt ich dich erkennen.
So
zärtlich
keine Blumenlippen sind,
So feurig keine Blumentränen brennen!
_____
Hab ich nicht dieselben Träume
Schon geträumt von diesem Glücke?
Warens nicht dieselben Bäume,
Blumen, Küsse, Liebesblicke?
Schien der Mond nicht durch die Blätter
Unsrer Laube hier am Bache?
Hielten nicht die Marmorgötter
Vor dem Eingang stille Wache?
Ach! ich weiß, wie sich verändern
Diese allzuholden Träume,
Wie mit kalten Schneegewändern
Sich umhüllen Herz und Bäume;
Wie wir selber dann erkühlen
Und uns fliehen und vergessen,
Wir, die jetzt so
zärtlich
fühlen,
Herz an Herz so
zärtlich
pressen.
_____
Max Herrmann-Neiße
(1886-1941)
Nun kommt dir Liebkosung von fremden Händen,
Und deine Mutter sagt ein fernes Wort,
Und irgendwer liest was aus mir verhaßten Bänden,
Das führt dich von mir weit, weit von mir fort ...
Und mir verblühen alle
Zärtlichkeiten,
Die ich nicht durfte auf dein Bett dir breiten.
_____
In diesen Tagen, da ich ohne dich soll sein,
reift soviel
Zärtlichkeit und wartet dein,
und meine Liebe leuchtet wie ein Glas voll Wein,
das dir den Willkommtrunk kredenzen will
und dich an meines Gartens Grenzen still
begrüßen und ganz ohne Worte sagen:
"Kehr' wieder, bitte, bei mir ein
und laß von meinem Herzen wieder dir die Stunden schlagen!"
_____
Erlösung
Wie ich dich einst zum ersten Male sah,
seitdem wir Liebenden uns nie verließen,
bist du mir, eh sich meine Augen schließen,
noch einmal über alle Jahre nah.
Des alten Baches sanfte Wasser fließen,
und es geschieht mit mir, was einst geschah:
die Welt ist nur um deinetwillen da,
und jede Welle will dein Bild genießen.
Ich bin ein junges Grün am Uferrande
von deiner weichen
Zärtlichkeit gestreift,
noch zweifelnd, ob ich je dich wiedersehe.
Ein kleines Lächeln läßt du mir zum Pfande,
und wie mein Schreck nach deinem Schleier greift,
ist es: daß ich schon eins mit dir vergehe.
_____
Wir halten uns umschlungen. Was war, ist begraben.
Wir hören nicht, was draußen lästert und lärmt.
Je mehr der Abend sinkt, desto lieber müssen wir uns haben.
Je älter wir werden, desto
zärtlicher sind wir ineinander verschwärmt.
_____
Verlangen nach Liebe
Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
die meine welkenden Jahre verjüngt,
daß wir uns wieder dem Schwärmen ergeben,
einer im andern sich
zärtlich verjüngt,
daß wir den Frühling im Blut uns erwecken,
uns verwandeln im Liebesgespräch,
taumelnd in Küssen die Ewigkeit schmecken,
sterbend vereint sind im Abschiedsgespräch,
wieder am Morgen zum Leben erwachen,
wieder zur Liebe, zum frühen Tod,
einem Tode in kindlichem Lachen,
der nur ein Spiel ist vom wirklichen Tod,
der uns den Glanz und die Stille wird geben,
die unsre furchtsame Unrast verneint.
Laß mich noch einmal die Liebe erleben,
die meine welkenden Jahre verneint!
_____
Ich träume dir nach ...
Und immer bin ich so von dir ergriffen
im Allertiefsten und für alle Zeiten!
Du gingst ... Ich träum' dir nach ... Mir glänzt dein Gleiten
ganz nah, wie heimlich in mein Glas geschliffen.
Ich sehe dich die weißen Glieder breiten
wie Möwen ihr Gefiedert über Schiffen;
und plötzlich hab ich meinem Hund gepfiffen
und singe ihm von deinen
Zärtlichkeiten.
Von unten zuckt aus Zoten Biergekreische,
und auf der Straße fließen zwei und zwei
sich immer wieder in die fahlen Fleische.
Verfänglich hinter Fenstern schaukeln Schemen,
und Katzen schrillen Liebesraserei. -
Ich träum' dir nach ... und sink' in Chrysanthemen ...
_____
Gib uns beiden, guter Gott, dies Glück:
daß bescheiden uns das letzte Stück
meines Weges sanft wird, kummerlos!
Und ihr Herz sei mir bis in den Tod
Heimat,
Zärtlichkeit und Zebaoth!
Und mein Sterben leicht in ihrem Schoß!
_____
Lockt mich auch des Lebens Abenteuer,
fremder Frauen Duft und Rätselblick,
sehnt mein Dichterwahn sich auch nach neuer
fabelhaft vielfältiger Musik,
will ich oft der eignen Pflicht entfliehen,
jeder Form, die mich eindeutig bannt,
und im Sturm von Zaubermelodien
- nicht zu fangen - wehn von Land zu Land,
immer neu geboren, neu geborgen,
daß sich Blüte neu aus Blüte treibt,
lockt mich auch ein immer neuer Morgen:
Alles Chaos endet doch in deinen
Zärtlichkeiten, und Erfüllung bleibt
unsrer Herzen großes Sichvereinen.
_____
Engel der
Zärtlichkeit
Ich vernehme kein Echo des Ewigen mehr,
zwischen mich und den Himmel ist Wüste geweht,
aus meinen Blicken kriecht ekler Begehr
und meine Lippen geifern Pamphlet.
Durch deine Stimme nur spricht noch
des Himmels
Zärtlichkeit mit mir -
warum verschließe ich mich doch
so oft selbstmörderisch vor ihr?
Sie führt mich aus der Städte Haft
zum märchenweiten Ozean,
in des Gebirgs Mondnachbarschaft
aus schwüler Feste Fieberwahn.
Der Sternenaufgang deiner tief
enthüllten Augen hat erhellt
die Fremde mir. Lächelnd entschlief
in deinem Bild das Ährenfeld.
Entschlief ich nicht selbst durch Gebete versöhnt,
in die mich dein Herz hüllt zur ewigen Fahrt,
war doch paradiesisch mein Abschied verschönt
und durch dich hart am Abgrund vor Satan bewahrt.
_____
Für Leni
Die du mein Leben bist,
des Tages Glanz, des Abends sanfte Stille,
der Traum der Nacht, des Morgens junger Wille,
der dir ergeben ist,
auch wenn du es nicht weißt:
sein Gang durchs Feld, sein heimliches Verweilen,
auf Straßen mit den Stadtgehetzten eilen,
fern stummen Bergesgeist,
hastender Bahn entlang,
spricht er doch nur von deinen
Zärtlichkeiten
und läßt den Wind als dich neben sich schreiten,
den schmalen Felsengang,
in dem er sich entscheiden muß,
wenn an der Biegung, wo ein Mensch nur Raum hat,
dich oder sich zu opfern Angst sein Traum hat,
sterbend aufzuerstehn in deinem Kuß!
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Detlev von Liliencron
(1844-1909)
Mit ausgebreiteten Armen
Weltvereinsamt und verlassen,
Liebes Mädchen, sitz ich hier.
Alle Menschen muß ich hassen,
Kann mich selber nicht mehr fassen
Komm, o komm zu mir!
Blütenpracht und grüne Zweige
Und die ganze Frühlingszier
Sind mir holde Fingerzeige,
Daß ich sanft zu dir mich neige:
Komm, o komm zu mir!
Tausend
zärtliche Gedanken,
Keusche Minne, Liebesgier,
Die sich ewig in mir zanken -
Hab Erbarmen mit dem Kranken:
Komm, o komm zu mir!
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Hermann Löns (1866-1914)
Zärtlichkeit
Der blaue und der weiße Flieder
Umduftet unsere Laubenbucht,
Goldregen pendelt auf uns nieder
Der blütenschweren Zweige Wucht.
Viele weiße Schmetterlinge fliegen,
Der Spötter singt im Rosendorn,
Ganz langsam sich die Zweige wiegen.
Ein warmer Wind geht über das Korn.
Die Sonne spielt auf deinen Händen,
Die lässig ruhn auf deinem Kleid,
Mein Blick will sich davon nicht wenden,
Mein Herz denkt lauter
Zärtlichkeit.
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Verbotene Liebe
Weißt du wohl, als wie wir sind,
Wie das Kornfeld und der Wind,
Wie der Sturm und das wilde Meer,
Das da wallet hin und her;
Aug’ zu Auge
zärtlich spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.
Wenn die Sonne geht zur Ruh,
Denk ich dein und mein denkst du,
Und bei Mond und Sternenschein
Denk ich dein und du denkst mein;
Herz zu Herzen
zärtlich spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.
Gestern um die Mitternacht
Bin ich weinend aufgewacht,
Denn mein allerschönster Traum
War dahin, wie Wellenschaum;
Mund zu Mund im Traume spricht,
Aber uns lieben, das dürfen wir nicht.
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Christian Morgenstern
(1871-1914)
Ich küsse dich auf deine Lebenslinie,
da wo der Handschuh mir die Lücke läßt...
Ich küsse dich auf deine Lebenslinie ...
So zierlich ruht sie im gewählten Nest!
Und wie mein Mund sich
zärtlich auf sie preßt,
da segnet er fromm mit ihr gleich auch den Rest, -
dein ganzes Leben mit der lieben Linie ...
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Liebe, Liebste, in der Ferne,
wie so sehr entbehr' ich Dich!
Leuchteten mir milde Sterne,
ach, wie bald ihr Glanz erblich!
Wenn ich deine weichen Wangen
leis in meine Hände nahm,
und voll
zärtlichem Verlangen
Mund zu Mund zum Kusse kam;
wenn ich deine Schläfen rührte
durch der Haare duftig Netz,
o, wie war, was uns verführte,
beiden uns so süß Gesetz!
Und nun gehst du fern und einsam.
Ach, wie achtlos spielt das Glück!
Bringt, was einmal uns gemeinsam,
noch einmal sein Strom zurück?
Liebe, Liebste, in der Ferne,
wie so sehr entbehr' ich dich!
Leuchteten uns milde Sterne,
ach, wie schnell ihr Glanz erblich!
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Blütenduft erhasch ich und Mondenglanz,
webe draus einen schimmernden Schleier dir,
und um deine Gestalt, die keusche,
lege ich
zärtlich und leis ihn, Geliebte!
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Novalis (Friedrich von
Hardenberg) (1772-1801)
[Vergiß mein nicht!]
Vergiß mein nicht, wenn lockre kühle Erde
Dies Herz einst deckt, das
zärtlich für dich schlug.
Denk, daß es dort vollkommner lieben werde,
Als da voll Schwachheit ichs vielleicht voll Fehler trug.
Dann soll mein freier Geist oft segnend dich umschweben
Und deinem Geiste Trost und süße Ahndung geben.
Denk, daß ichs sei, wenns sanft in deiner Seele spricht;
Vergiß mein nicht! Vergiß mein nicht!
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Hermione von Preuschen
(1854-1918)
Aus dem Nest gefallen
Aus dem Nest bin ich gefallen,
gehöre nun Keinem und Allen.
Im Staube lieg ich hier -
nimm mich auf, nimm mich auf zu dir.
Will dirs ja lohnen, lohnen
mit güldenen Lebenskronen;
aller Wonnen
Zärtlichkeiten
schimmernd über dich breiten
mit meinen sehnenden Armen.
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Joachim Ringelnatz
(1883-1934)
Erinnerung an ein Erlebnis am Rhein
Ja, ja! – Ich weiß. – Du weißt. –
Vor neunundzwanzig Jahren –
Wie
zärtlich grün wir waren! –
Damals. – Wie dankbar dreist! –
Und brauchte gar nicht mal am Rhein –
Es konnte irgend anderswo,
Vor schwarzen Mauern und auf Stroh
Gewesen sein. –
Weil wir doch wir, und weil wir so –
So waren. –
Vor neunundzwanzig Jahren.
Weil man nicht suchte, was man fand. –
Nun klingt das rührsam hell
Wie »Ade, du mein lieb Heimatland«
Aus einem Karussell.
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Friedrich Rückert
(1788-1866)
Darf ich meinen Blicken traun?
Sie ist nah dran, aufzutaun.
Milder seh' ich die Gebärden,
Schmelzender die Stimme werden,
Und aus ihrem Auge bricht
Es wie Frühlingssonnenlicht.
Ja so
zärtlich wird ihr Kuß,
Daß ich schon befürchten muß,
Nächstens, will ich sie umschließen,
Wird sie mir im Arm zerfließen.
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Hugo Salus (1866-1929)
Stilles Glück
Wir sitzen am Tisch beim Lampenschein
Und sehn in dasselbe Buch hinein;
Und Wange an Wange und Hand in Hand,
Eine stille
Zärtlichkeit uns umspannt,
Ich fühle ruhig dein Herzchen pochen:
Eine Stunde schon hat keines gesprochen,
Und keins dem andern ins Auge geblickt.
Wir haben die Wünsche schlafen geschickt.
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Weh, daß ich dich treffen mußte,
Du deiner Schönheit bewußte,
Du, deiner Glieder und deines Ganges Künstlerin!
Was ich all mein Leben lang
An
Zärtlichkeit im Busen trug,
Was aus dem Knabenherzen bang
Die ersten, irren Funken schlug,
Der Jünglingsliebe süßen Trug,
Der tollen Lust Sirenensang,
Alle Sehnsucht, alle
Zärtlichkeit wecktest du,
Du Buhlerin du, kaltlockende Buhlerin,
Und darum fluche ich dir,
Darum bin ich so außer mir,
Weil du mit deiner sündigen Schönheit Macht
Mich so weit gebracht,
Daß ich, mein Leben lang in der Schönheit Bann,
Der Schönheit fluchen kann!
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Der Alternde
Ich hatte jetzt nach liebesöder Zeit,
Die mein Gemüt verdorren ließ zur Wüste,
Ein Traumerlebnis voller
Zärtlichkeit,
Die mich mit aller Glut der Jugend grüßte.
Ganz Weib, nur Weib, so standest du vor mir,
Und ich vor dir, dir wortreich Treu zu schwören:
Doch wortlos zogst du mich empor zu dir,
Um mir, ganz hingegeben, zu gehören.
O Seligkeit, mein Herz stand hell im Brand,
O Glück der
Zärtlichkeit, die nicht erkaltet!
So lieg' ich da, erwacht, dankübermannt
Und fromm die Hände auf der Brust gefaltet ...
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Richard von Schaukal
(1873-1942)
Traurige Mär
Ich gab mein Herz einem blonden Kind.
Sie nahm's und lachte.
Ich wußte nicht, wie Kinder sind,
ich freute mich und dachte:
"Nun legt sie's
zärtlich in den Schrein
und wird's verwahren."
Sie aber warf's in den Tag hinein:
der Stundenwagen fuhr polternd drein -
da ward es überfahren.
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Franz Stelzhamer
(1802-1874)
"Wo bist Du am weichsten?"
Wo Du am härtesten bist:
Am Kopf!
"Wo bist Du denn am reichsten?"
Wo Du am ärmsten bist:
Im Herzen!
"Wo bist Du denn am zähsten?"
Wo Du am brechlichsten bist:
Im Treusein!
"Was thut Dir denn am wehsten?"
Was Dir ein Spaß nur ist:
Der Zank!
"Wann ist Dein Herz am vollsten?"
Wenn Dein's am leersten ist:
Bei Dir;
Denn immer treibst Du's am tollsten,
Wie selbst Dein Ausspruch ist -
Bei - mir!
So zanken wir; doch unser Streit
Nimmt stets dasselbe Ende:
Gäh schlägt es um in
Zärtlichkeit,
Dann drücken sich zwei Hände.
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Francisca Stoecklin
(1894-1931)
An den unsterblich Geliebten
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Aber ich weiß,
Du wartest auf mich
Jetzt und immer.
Wissend und gut.
Meere sind zwischen uns und Länder und Tage.
Ich sehne mich nach dir,
Nach deinen sanften Händen,
Nach deiner frommen Schönheit,
Nach deiner klugen Güte.
O ich sehne mich nach dir.
Alles, was ich habe, will ich dir schenken,
Alles was ich denke, will ich dir denken,
Ich will dich lieben in allen Dingen,
Meine schönsten Worte will ich dir singen,
All meine Schmerzen und Sünden will ich dir weinen.
Meiner Seligkeit Sonnen werden dir scheinen.
Was ich bin, will ich dir sein.
Meine Träume sind voll deiner
Zärtlichkeit.
Mein Blut singt süß deine Unendlichkeit.
Weiße Seele
Unsterblich Geliebter.
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe,
Im Schauer meiner Ängste,
Im Lachen meines Glücks.
Du blühst sehr wunderbar
Im Gestirn meiner Liebe.
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Kurt Tucholsky
(1890-1935)
Sie, zu ihm
Ich hab dir alles hingegeben:
mich, meine Seele, Zeit und Geld.
Du bist ein Mann - du bist mein Leben,
du meine kleine Unterwelt.
Doch habe ich mein Glück gefunden,
seh ich dir manchmal ins Gesicht:
Ich kenn dich in so vielen Stunden -
nein,
zärtlich bist du nicht.
Du küßt recht gut. Auf manche Weise
zeigst du mir, was das ist: Genuß.
Du hörst gern Klatsch. Du sagst mir leise,
wann ich die Lippen nachziehn muß.
Du bleibst sogar vor andern Frauen
in gut gespieltem Gleichgewicht;
man kann dir manchmal so gar trauen ...
aber
zärtlich bist du nicht.
O wärst du
zärtlich!
Meinetwegen
kannst du sogar gefühlvoll sein.
Mensch, wie ein warmer Frühlingsregen
so hüllte
Zärtlichkeit mich ein!
Wärst du der Weiche von uns beiden,
wärst du der Dumme. Bube sticht.
Denn wer mehr liebt, der muß mehr leiden.
Nein,
zärtlich bist du nicht.
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Paul Wertheimer
(1874-1937)
Landschaft der Liebe
Morgenwind. Blaßgoldne Weiten.
Tief im Moose ruht das Kind.
Von dem Baum der
Zärtlichkeiten
Wehen weiß im Frühlingswind
Rosig zarte, leise Blüten,
Und sie hangen dir im Haar,
Und ich streife die erglühten
Lippen halb - und sonderbar
Fühl' ich heißer mich umschlossen.
Deine sanfte Lippe loht.
Auf den Mund sprang blutumflossen
Eine Blüte purpurrot ...
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Johanna Wolff (1858-1943)
Lachende Seligkeit
Ich trug in der Seele großes Weh
und hätte verdrossen geschwiegen,
da brach mich deine
Zärtlichkeit,
ich laß mich wieder wie befreit
an deinem Herzen wiegen.
Du meine Heimat, mein Paradies,
das ich voll Rosen pflanze:
Heut stichst du mir die Seele wund
und morgen brichst du einen Bund
von Blüten mir zum Kranze.
O du gesegnete Unrast du,
willst Glück wie Blumen pflücken!
Und wär deine Bosheit abgrundweit,
es soll meine lachende Seligkeit
mit Rosen sie überdrücken!
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Sidonie
Grünwald-Zerkowitz (1852-1907)
Sündige Stimmungen
Wie's der Mond da boshaft meint,
Der mir jetzt ... ins Stübchen scheint!
Zärtlich läßt er seinen Strahl
An mir hüpfen auf und nieder -
... Hüpften jetzt mir ohne Zahl
Deine Küsse um die Glieder!
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Stefan Zweig (1881-1942)
Die
Zärtlichkeiten
Ich liebe jene bangen
Zärtlichkeiten,
Die halb noch Frage sind und halb schon Anvertraun,
Weil hinter ihnen schon die wilden Stunden schreiten,
Die sich wie Pfeiler wuchtend in das Leben baun.
Ein Duft sind sie; des Blutes flüchtigste Berührung,
Ein rascher Blick, ein Lächeln, eine leise Hand -
Sie knistern schon wie rote Funken der Verführung
Und stürzen Feuergarben in der Nächte Brand.
Und sind doch seltsam süß, weil sie im Spiel gegeben
Noch sanft und absichtslos und leise nur verwirrt,
Wie Bäume, die dem Frühlingswind entgegenbeben,
Der sie in seiner harten Faust zerbrechen wird.
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