Liebespaare in der Literatur
 


John William Waterhouse (1849-1917)
Tristan und Isolde

 


Tristan und Isolde
 


Inhaltsverzeichnis:

Gottfried von Straßburg (um 1170-1215) - Tristan und Isolde
Richard Wagner (1813-1883) - Tristan und Isolde
Rudolf Baumbach (1840-1905) - Tristan und Isolde
August Graf von Platen (1796-1835) - Tristan
Julius Mosen (1803-1867) - König Mark und Isolde
Wilhelm Wackernagel (1806-1869) - Tristan und Isolde
Gerrit Engelke (1890-1918) - Tristan und Isolde
Heinrich Seidel (1842-1906) - Tristan und Isolde
Carl Philipp Conz (1762-1827) - Tristans Tod





Gottfried von Straßburg (um 1170-1215)

Tristan und Isolde
(Ausschnitte)

Die Minne

Und wieder fuhren vom Gestad
Die Kiele fröhlich ihren Pfad.
Zwei Herzen nur darinne
Die waren durch die Minne
Vom Weg gekommen und verirrt,
Und in Gedanken tief verwirrt
Quälten sie sich beide
Mit jenem lieben Leide,
Das uns mit Wundern überhäuft,
Aus dessen Honig Galle träuft,
Dessen Süße säuert,
Dessen Tau befeuert,
Und dessen Schmeicheln schmerzet,
Das jedes Herz entherzet
Und alle Welt verkehret:
Das hatte sie versehret,
Beide, Tristan und Isot.
Sie drängte eine stete Not
In wundersamer Weise:
Sie hatten auf der Reise
Nicht Ruhe mehr, nicht hier noch da,
Bis eins das andre wieder sah;
Doch sahen sich die beiden,
Das war ein neues Leiden:
Sie durften Wunsch und Willen
Nicht eins am andern stillen.
Das schuf die Fremdheit und die Scham,
Die ihnen ihre Wonne nahm.
Wenn heimlich Blick den Blick beschlich,
So färbten ihre Wangen sich
Mit gleicher Glut wie Herz und Sinn.
Minne war die Färberin:
Die deucht' es nicht damit genug,
Daß man sie nur verstohlen trug
Tief in des Herzens stillen Gründen;
Nein, auch das Antlitz sollte künden
Von ihrer siegenden Gewalt.
Die war an beiden mannigfalt:
Nicht lange blieb ihr Antlitz gleich;
Sie wurden rot und wieder bleich;
Bald glühten, bald erstarben
Der Minne flüchtge Farben.

So wurden sie es inne,
Daß etwas wie die Minne
Sie zu einander triebe.
Sie huben an, voll Liebe
Auf Schritt und Tritt sich nachzugehn,
Und ließ sich Zeit und Fug erspähn,
So standen sie sich flüstern nah.
Der Minne Jäger stellten da
Einander Netz und Stricke
Mit manchem holden Blicke,
Indes mit schlauen Fragen
Sie auf der Lauer lagen.

Isot begann nach Mädchenweise:
Sie schlich den Herzgeliebten leise
Auf einem weiten Umweg an.
Sie mahnte ihn zuerst daran,
Wie er dereinst in Todesnot
Allein in einem kleinen Boot
Geschwommen kam gen Develin,
Und wie dort ihre Mutter ihn
In Pflege nahm, bis er genas;
Und ferner, wie sie bei ihm saß
Und er die junge Schülerin
Belehrte in der Schriften Sinn,
Auch in Latein und Saitenspiel;
Dann wußte sie behutsam viel
Von seinem Heldenmut zu sagen,
Vom Drachen, den sein Arm erschlagen,
Und wie sie zweimal ihn erkannt,
Zuerst, als sie im Moor ihn fand,
Und noch einmal im Bade dort.
So gab sich Wort und Gegenwort.
Sie sprach mit weichem Munde:
Ach, da die günstge Stunde
Mir damals bot Gewalt und Fug,
Daß ich im Bad Euch nicht erschlug!
Was raubt' ich mir der Rache Lust?
Traun, hätt' ich damals auch gewußt,
Was heut ich weiß, Ihr wäret tot. -
Was quält Euch, schöne Maid Isot?
Was wisset Ihr? so fragt er leis. -
Ach, alles quält mich, was ich weiß;
Was ich nur seh', das thut mir weh:
Mich plagt der Himmel und die See;
Leib und Leben ängsten mich. -
Da stützte sie und lehnte sich
Mit einem Arme an ihn hin;
Das war der Kühnheit Anbeginn.
Der Augen helle Leuchte
Erlosch in Thränenfeuchte;
Ihr Herz begann zu quellen,
Ihr süßer Mund zu schwellen;
Ihr Haupt, das sank hernieder.
Nun wagt ihr Freund auch wieder,
Sie mit den Armen zu umfahn,
Doch ohne kecker sich zu nahn,
Als einem Fremden ist erlaubt.
Er neigt sich flüsternd auf ihr Haupt:
Ei, schöne Süße, saget mir,
Was quält Euch denn? Was klaget Ihr? -

Der Minne Federspiel Isot,
Sie sprach: Lamer ist meine Not;
Lamer beschwert mir so den Mut;
Lamer ist, was mir wehe thut. -
Sie sprach so viel das Wort Lamer,
Und Tristan forschte hin und her
Und sann mit Acht und Fleiße,
Was dieses Wörtchen heiße.
Wohl konnt' er sich entsinnen,
Amer, das heiße minnen,
Amer sei herb, la mer das Meer,
Der Deutungen ein ganzes Heer.
Da ließ er eines von den drein
Und fragte nach den andern zwein:
Er ließ beiseit' mit seinem Sinn
Die Minne, ihre Königin,
Ihren Trost und ihr Begehr,
Und sprach von bitter nur und Meer.
Versteh' ich recht, sprach er, Isot,
So schafft das Meer Euch bittre Not:
Es macht der Dunst von Meer und Wind,
Daß sie Euch beide bitter sind. -
Nein doch! Was sagt Ihr, Herr? Ach nein,
Keins von den beiden schafft mir Pein.
Mich kümmert weder Luft noch See:
Lamer alleine thut mir weh. -

Als er des Wortes Deutung fand
Und Minne klar darin erkannt,
Sprach heiß und heimlich er zu ihr:
Traun, schöne Maid, so ist auch mir;
Lamer und Ihr seid meine Not,
Ja, Herzenskönigin Isot,
Nur Ihr und Eure Minne,
Ihr habt mir meine Sinne
Verkehret und benommen.
Ich bin vom Weg gekommen
Und irre pfadlos nun umher,
Die ganze Welt ist mir zur Qual,
Und alles dünkt mich arm und schal,
Was immer mir ins Auge fällt,
Und nichts in dieser weiten Welt
Ist meinem Herzen lieb als Ihr. -
Isot sprach: Herr, so seid Ihr mir. -

Als Tristan und die Königin
Sich einig sahn in Herz und Sinn,
Da ward gestillt ihr heimlich Leid
Und offenbar zu gleicher Zeit,
Indem es nun die Fesseln brach:
Ein jedes schaute, jedes sprach
Das andre frei und kühnlich an,
Der Mann die Magd, die Magd den Mann,
Und Scheu und Bangen mußten fliehn:
Er küßte sie, sie küßte ihn
Süß und heiß von Herzensgrund.
So tauschten sie von Mund zu Mund
Der Minne ersten Trost und Dank;
Denn jedes schenkte, jedes trank
Die Süße, die vom Herzen kam,
Und wo kein Lauscher sie vernahm,
Da schlich der Tausch wie von Beginn
Sich zwischen beiden her und hin.
Das ward so heimlich angestellt,
So fein, daß niemand in der Welt
Ihrer beider Sinn durchschaute
Als sie, die einzige Vertraute,
Brangäne nur, die Weise.

Die warf die Blicke leise
Und ungesehen nach dem Paar;
Sie nahm ihr heimlich Treiben wahr
Und dachte oft beklommen:
O weh, nun seh' ich's kommen!
Bei denen hebt die Minne an. -
Nicht lange mehr, und sie begann
Den Ernst an beiden klar zu sehn
Und ihnen außen abzuspähn
Die innerlichen Schmerzen
Der liebeswunden Herzen,
Und ihre Marter that ihr leid,
Da sie die beiden allezeit
Nur träumen sah und trachten,
Nur seufzen und nur schmachten,
Erglühen und erbleichen
Und in Gedanken schleichen.
Sie dachten, ganz von Sehnsucht krank,
Nicht an Speise mehr noch Trank,
Bis so der Mangel und er Gram
Ihnen alle Kraft benahm
Und mehr und mehr Brangäne dann
Die Angst zu peinigen begann,
Es würd' ihr Ende sicherlich.
Sie dachte: Nun ermann dich,
Geh und erforsche diesen Jammer! -

Sie saß bei ihnen in der Kammer
Eines Tages still und traut.
Da hub sie an mit sanftem Laut:
Seht, hier ist niemand als wir drei.
Nun sagt mir, was habt ihr zwei?
Ich seh' zu allen Stunden
Mit Trauer euch gebunden,
Hör' Seufzer nur und Klagen. -
Ach Gute, dürft' ich's sagen,
Ich sagt's Euch gerne, sprach Tristan. -
Ja, Herr, das dürft Ihr; hebet an!
Sei's, was es wolle, sagt es mir! -
Holdselge, sprach er drauf zu ihr,
Noch wag' ich nicht zu sagen mehr,
Versichert Ihr uns nicht vorher
Mit Treuen und mit Eiden,
Daß Ihr uns Armen beiden
Gütig wollt und gnädig sein.
Wir wissen sonst nicht aus noch ein. -

Brangäne, die getreue Maid,
Gelobte da mit Wort und Eid
In Tristand Hand, ihr ganzes Leben
Nur ihrem Dienste zu ergeben.
Getreue, Gute, sprach Tristan,
Nun sehet Gott als Zeugen an
Und folget ihm und Eurem Herzen:
Bedenket unser beider Schmerzen
Und unsre angstvoll bittre Not!
Wir armen zwei, ich und Isot,
Ich weiß nicht, wie's gegangen ist,
Wir sind seit einer kurzen Frist
Von Sinne alle beide
In wundersamem Leide:
Wir lieben uns zum Sterben
Und können's nicht erwerben,
Nur einmal ganz uns zu gehören.
Denn immer kommt Ihr, uns zu stören,
Und bald, das wisset, sterben wir:
Daran ist niemand schuld als Ihr.
Unser Tod und unser Leben
Ist ganz in Eure Hand gegeben.
Hiemit ist Euch genug gesagt.
Wohlan, Brangäne, selge Magd,
Nun helfet und genadet hier
Eurer Herrin und auch mir! -

Brangäne zu Isolden sprach:
Frau, kommt Euer Ungemach,
Wie er mir sagt, von solcher Not? -
Ja, Herzensmühmchen, sprach Isot. -
Brangäne drauf: Erbarm' es Gott,
Daß so der Teufel seinen Spott
Mit uns dreien hat getrieben!
Ich seh's, kein Ausweg ist geblieben,
Und drum aus Liebe für euch beide
Muß ich thun, was mir zum Leide
Und euch zur Schande wird geschehn.
Doch eh' ich euch will sterben sehn,
Sei lieber euch der Wunsch gewährt,
Der euch so heiß am Herzen zehrt.
Um meinetwillen lasset nicht,
Was ihr um eure Ehr und Pflicht
Nicht gerne wollet lassen.
Könnt ihr euch aber fassen
Und euch enthalten dieser That,
Enthaltet euch, das ist mein Rat.
Laßt, was ihr thut, verschwiegen sein;
Die Schande bleibe bei uns drein;
Verbreitet ihr die Märe,
So geht's euch an die Ehre.
Kommt sie zu andrer Menschen Ohren,
So sind wir alle drei verloren.
Nun, schöne Herzensfrau Isot,
Ist Euer Leben, Euer Tod
Euch selbst anheimgegeben:
So lenket Tod und Leben
Nach Eurem Willen und begehr.
Ich stör' Euch fortan nimmermehr.
Laßt alle Furcht und Sorgen ruhn:
Was Euch beliebt, das mögt Ihr thun! -

Nachts, da die Schöne lag und sann
Schmachtend nach dem teuren Mann,
Da schlichen in ihr Kämmerlein
Ihr Freund und ihre Aerztin ein,
Tristan und die Minne;
Die führt mit gütgem Sinne
Ihren Kranken an der Hand
Hin, wo sie ihre Kranke fand,
Und gab sodann die kranken zwei
Eins dem andern zur Arznei.
Was konnte auch die beiden
Von ihren Leiden scheiden,
Von der gemeinsam harten Pein,
Als nur der innigste Verein
Von Leib und Seele, Herz und Sinn?
Minne, die Verstrickerin,
Die verstrickte da und wand
Zwei Herzen in ihr süßes Band
Mit also großer Meisterschaft,
Mit also wundersamer Kraft,
Daß sie in allen ihren Jahren
Nimmermehr zu lösen waren.

Wie wenig auch in meinen Tagen
Des lieben Leids ich hab' getragen,
Das uns so wohlig wehe thut,
So sagt mir ahnend doch der Mut,
Daß nun dem liebeskranken Paar
Wohl und sanft im Herzen war,
Da sie die Hut, die Pest der Minne,
Die Feindin der verliebten Sinne,
Aus ihrem Wege fortgebracht.
Ich hab' der beiden viel gedacht,
Denk' ihrer heut und alle Tage,
Und wo auf Lieb' und Liebesklage
Ich mag im Herzen achten,
Da wächst mein eignes Trachten
Und stürmt mein Heergesell, der Sinn,
Als wollt' er nach den Wolken hin.
Doch wenn ich erst ihr Glück bedenke
Und in das Wunder mich versenke,
Wie Liebe kann erfreuen,
Ist sie gepaart mit Treuen,
Denk' ich daran, so schwillt mein Herz
Berghoch und höher himmelwärts.
Doch jammert mich zur Stunde
Die Lieb' im Herzensgrunde,
Daß alles fast, was lebt und webt,
An ihr, der Minne, hängt und klebt,
Und selten doch, wer sie begehrt,
Ihr Recht, die Treue, ihr gewährt.
Wir pflegen tollen Ackerbaus:
Wir säen Bilsensamen aus
Und wollen, daß am Erntetage
Er Lilien uns und Rosen trage.
Doch wahrlich, was wir säen,
Das müssen wir auch mähen.
Wir baun die süße Minne
Mit gallenbittrem Sinne,
Mit Trug und Falschheit in der Brust
Und fordern dann von ihr die Lust
Und aller Sinne Seligkeit:
Sie aber bringt uns Herzeleid.
Wie's von uns selber ward bestellt,
Trägt Unkraut nur der Minne Feld.
Dann, wenn uns späte Reue plagt
Und uns das Gift im Herzen nagt
Und tötet uns darinne,
Dann zeihen wir's die Minne
Und säumen nicht, sie anzuklagen
Der Schuld, die wir doch selber tragen.

Wohl ist es Wahrheit, wenn man sagt:
Die edle Minne ist verjagt,
Vertrieben bis zum fernsten Ort.
Wir haben nichts mehr als das Wort;
Der Name nur ist uns geblieben,
Und der ward auch zu Tod getrieben,
So abgenutzt und abgehetzt:
Drum mußte sie vor Scham zuletzt
Des Namens müde werden.
Die Arme ist auf Erden
Sich selbst zuwider und zur Last.
Ein ehrlos ungebetner Gast,
So schleicht sie nun auf Bettel aus
Und schleppt mit sich von Haus zu Haus
Ihren buntgeflickten Pack,
Den schnöden Diebs- und Bettelsack,
Um dann für die erdarbten Brocken
Am Wege Käufer anzulocken.
O weh, so markten wir mit ihr,
Solch Unerhörtes treiben wir
Und haben gar gerechten Sinn.
Minne, die freie Königin,
Die sonst nur einem sich gesellt,
Ist käuflich jetzt für alle Welt.
So ist zur Zinsbarkeit verdammt,
Die uns als Herrin abgestammt.
Wir, die mit falschem Sinne
Verfälschen reine Minne,
Wie schwinden unsre Tage,
Daß wir der Not und Klage,
So selten liebes Ende geben!
Wie vergeuden wir das Leben
Ungeliebt und unbeglückt!
Und doch wird unser Herz entzückt
Von längst entschwunden Liebestagen:
Vernehmen wir die holden Sagen
Von treuen Herzen, die da waren
Einst vor vielen hundert Jahren,
Wie stehn wir inniglich erfreut!
Uns blühte solches Glück noch heut,
Wär' Treue nicht von uns vertrieben,
Daß niemand weiß, wo sie geblieben,
Da sie so reichlich lohnte,
Wo sie bei Liebe wohnte,
Warum dann lieben wir sie nicht?
Ein Blick aus treuer Augen Licht
Löscht hunderttausend Schmerzen
Am Leibe und im Herzen;
Ein einzger Kuß auf lieben Mund,
Der uns so recht aus tiefstem Grund,
Aus treuem Herzen käme,
Ach, was uns der benähme
Viel Sorgenpein und Herzensnot!

Ich weiß, auch Tristan und Isot,
Die ungestümen beiden,
Benahmen sich der Leiden,
Der Sehnsucht und der Trauer viel,
Da sie nun an des Wunsches Ziel
Einmütig hielten sich umfangen.
Hin war das schmachtende Verlangen,
Das die Gedanken engt und zwängt.
Wonach es die Verliebten drängt,
Das hatten beide nun genug.
Gewährt' es ihnen Zeit und Fug,
Daß sie zusammen kamen,
So gaben sie und nahmen
Mit willig treuem Sinne
Sich selber und der Minne
Holden Zins und süßen Zoll.
Solch inniglicher Freuden voll
Vertrieben sie der Reise Stunden
Und lebten, seit die Scheu entschwunden,
Ihre wonnereichste Zeit
In seliger Vertraulichkeit.
Mit Fug: Denn macht ein liebend Paar
Sich seine Liebe offenbar
Und will doch schämig und bescheiden
Sich noch verhüllen und sich meiden
Und schüchtern fremd thun in der Liebe, -
Die werden an sich selbst zum Diebe,
Da sie sich selber stehlen,
Was sie einander hehlen,
Und mischen Lieb mit Leide.
Diese Treuen beide
Verhehlten nichts mehr sich hinfort;
Sie waren stets mit That und Wort
Einander völlig hingegeben.

In solchem wonniglichen Leben
Verbrachten sie die Wasserfahrt.
Doch eins blieb ihnen nicht erspart:
Sie sahn die Zukunft finster drohn
Und fürchteten von ferne schon
Das Leid, das nachmals auch gekommen,
Das ihnen Freude viel benommen
Und sie gejagt in Schmach und Not,
Das herbe Leid, daß nun Isot
Dem Manne werden sollte,
Dem sie nicht werden wollte.
Noch andres ging durch ihren Sinn:
Isoldens Magdtum war dahin.
Doch waren diese Klagen
Vorerst noch leicht zu tragen,
Da sie noch Wunsch und Willen
So sicher konnten stillen
Nach freiestem Gelüste.

Als aber Kornwalls Küste
Dem Schiff begann zu nahen,
Und sie das Land ersahen,
Da freuten alle sich an Bord,
Und unerfreut blieb niemand dort
Als einzig Tristan und Isot:
Die beiden schuf es Angst und Not.
Wär' es nach ihrem Sinn geschehn,
Sie hätten nie mehr Land gesehn.
In Furcht um ihrer beider Ehren
Begann ihr Herz sich zu verzehren.
Sie sannen sorglich früh und spat,
Und wußten sich doch keinen Rat,
Wie an Isot der Raub der Liebe
Dem König nun verborgen bliebe.
Doch ob auch, die da minnen,
Mit kindlich blinden Sinnen
Nicht eben gut zum Raten sind,
Hier fand den besten Rat das Kind.
(S. 255-268)


Die Minnegrotte

So ritt mit den Gefährten beiden
Tristan über Wald und Heiden
Von dannen in die Einsamkeit
Wohl fast zwei Tagereisen weit.
Er wußte schon seit manchem Tag,
Daß eine Felsenhöhle lag
Im wilden Berge tief versteckt,
Die er von ungefähr entdeckt,
Da ihn dereinst beim Jagen
Sein Weg dahin getragen.
Die Riesen, die vor grauen Jahren
Zur Heidenzeit hier Herren waren,
Eh Korinäus nahm das Land,
Das nach ihm Kornwall ist genannt,
Die ließen sich die Halle baun,
Und in den wilden Felsen haun
Und bargen sich darin zu Zeiten
In ihren Liebesheimlichkeiten.
Wo solch ein Haus gefunden ward,
Da war's mit ehrnem Thor verwahrt,
Und nach der Minne war's benannt
La fossiur' a la gent amant:
Das Minnehaus im hohlen Stein,
Das mag der rechte Name sein.

Auch kündet uns die Märe,
Die Minnegrotte wäre
Weit und rund nach allen Enden,
Schneeweiß mit hohen glatten Wänden,
Und in der Höhe fügte sich
Die weite Wölbung meisterlich,
Und wo der Kuppel Krone war,
Da sah man schön und wunderbar
Kunstreichen Zierat schimmern
Und Edelsteine flimmern.
Der Estrich unten spiegelrein
Von glattem grünem Marmelstein.
Ein Bette stand inmitten
Schön aus Krystall geschnitten,
Auf schlanken Säulen, hoch und breit;
Der Göttin Minne war's geweiht,
Wie ringsherum am schmucken Rand
Mit Zeichen eingegraben stand.
Es fiel durch kleine Fensterlein
Das Tageslicht von oben ein;
So war es hell im ganzen Haus,
Und wo man einging oder aus,
Da war ein festes ehrnes Thor,
Und draußen standen hart davor
Aestereicher Linder drei
Und oben keine mehr dabei;
Doch längs dem Abhang bis ins Thal,
Da standen Bäume sonder Zahl,
Die rings den Berg erfüllten.
Und ihn in Schatten hüllten.
Waldeinwärts von dem Felsenbau
Lag eine grüne Wiesenau;
Da floß ein frischer kühler Quell
Durchleuchtend klar und sonnenhell.
Auch diesen hielten überdacht
Drei Linden, die mit voller Pracht
Die Aeste schirmend ausgespannt
Vor Regen und vor Sonnenbrand.
Bunte Blumen, grünes Gras,
Wie sich eins am andern maß
Auf dieser lichten Stätte!
Sie glänzten um die Wette
Einander an in holdem Streit.
Auch fand man da zu seiner Zeit
Der Sommervögel süß Getön,
Und dies Getöne war so schön
Und schöner dort als irgendwo.
Aug' und Ohren hatten so
Weid' und Wonne beide:
Die Augen ihre Weide,
Die Ohren ihre Wonne.
Der Schatten und die Sonne,
Die Lüfte und die Winde,
Die waren sanft und linde.
Und rings in tiefster Einsamkeit,
Wohl eine Tagereise weit,
War alles öde, wüst und wild,
Nur kahle Felsen, kein Gefild;
Wie weit das Auge mochte spähn,
Nicht Weg noch Steg war hier zu sehn.
Doch vor den wüsten Strecken
Ließ Tristan sich nicht schrecken
Noch seine Herzenskönigin:
Sie ritten durch die Wildnis hin
Und zogen in den hohlen Stein
Als ihren neuen Wohnsitz ein.

Zum Ziel gelangt, entließen dann
Die beiden ihren treuen Mann
Und hießen ihn am Hofe sagen,
Und wo man sonst ihn sollte fragen,
Daß beide, Tristan und Isot,
Mit Jammer und mit mancher Not
Wieder hin gen Irland wären,
Dort ihre Unschuld zu bewähren
Vor Land und Leuten öffentlich.
Auch war ihr Wille, daß er sich
Am Hofe niederließe,
Wie's ihn Brangäne hieße,
Und meldete mit treuem Sinn,
Daß sie der treuen Helferin,
Erprobt in allen Nöten,
Lieb und Huld entböten.
Auch sollt' er dort im stillen
Erforschen Markes Willen,
Ob er nicht einen argen Rat
Zu irgend einer argen That
Wider ihr Leben richte;
Daß er das gleich berichte.
Und scheidend mahnte ihn das Paar,
Daß er sie sorglich immerdar
In seine Obhut nähme
Und her zu ihnen käme
Mit solchen neuen Mären,
Die für sie nützlich wären,
Einmal je in zwanzig Tagen.
Was brauch' ich weiter euch zu sagen?
Er folgte treulich dem Gebot.
So waren Tristan und Isot
Beisammen nun zu Hause
In dieser wilden Klause.

Hier mag der Fürwitz manchen plagen,
Daß er mich wird verwundert fragen,
Wie sich die zwei Gefährten
In dieser Wüste nährten.
Dem bin ich gleich zu Willen,
Den Fürwitz ihm zu stillen:
Die beiden sahn einander an,
Und davon lebten Weib und Mann.
Die Ernte, die das Auge trug,
Bot ihnen Speis und Trank genug;
Da schlürften alle Sinne
Nur hohen Mut und Minne.
Die Hausgenossenschaft im Wald,
Die war um ihren Unterhalt
In gar geringen Sorgen.
Sie trugen ja verborgen
Zu allen Stunden im Gewand
Die beste Speise gleich zur Hand,
Die man auf Erden haben kann;
Die bot von selbst sich ihnen an
Und immer frisch aufs neue:
Das war die reine Treue,
Die balsamkräftge Minne,
Dem Leibe und dem Sinne
Ein innig Glück, ein guter Geist,
Die Herz und Mut mit Freuden speist;
Die war ihr bestes Labsal dort.
Ja, selten nahmen sie hinfort
Sonst einer Speise wahr als der,
Woran das Herze sein Begehr,
Das Auge seine Wonne sah
Und auch dem Leib sein Recht geschah.
So hatten beide denn genug.
Die Liebe zog mit ihrem Pflug
Vor ihnen her auf allen Schritten
Als Baumann durch der Wildnis Mitten,
Um ihnen stets aus vollen Händen
Des Lebens Ueberfluß zu spenden.

Auch schuf es ihnen wenig Pein,
Daß sie im Walde so allein
Und ohne Leute sollten leben.
Nun sagt, wen brauchten sie daneben?
Was sollt' ein dritter dort fürwahr?
Sie hatten eine grade Schar:
Sie waren eins und eins; jedoch
Hätten sie den dritten noch
In ihre grade Schar erlesen,
So wären ungrad sie gewesen
Und mit dem Ungeraden
Belästigt und beladen.
Es hatte an sich selbst das Paar
Gesellschaft eine ganze Schar,
Daß Artus, der glückselge Mann,
In seinem Hause nie gewann
Solch Festgewühl zur Freudenzeit,
Da ihnen größre Lustbarkeit
Und Wonne wär' erstanden.
Es ist in allen Landen
Nicht eine Freude zu erjagen,
Darum die zwei in jenen Tagen
Gegeben hätten im Verein
Auch nur ein gläsern Ringelein.

Was man als höchsten Wunsch im Leben
Sich mag ersinnen und erstreben
Sonst in der Erde Landen,
Das hatten sie zuhanden.
Sie hatten Hof und reiches Gut,
Darauf des Lebens Freude ruht.
Ihr stetes Ingesinde,
Das war die grüne Linde,
Der Schatten und die Sonne,
Die Wiese und der Bronne,
Gras und Blumen, Laub und Blüt,
Was Augen tröstet und Gemüt.
Ihr Hofdienst war der Vogelschall:
Die zarte reine Nachtigall,
Drossel, Amsel obendrein
Und andere Waldvögelein,
Der Zeisig, der Galander,
Die sangen miteinander
Im Wettstreit um der Herrschaft Gunst.
So freut ihr Dienst mit süßer Kunst
Die Ohren und die Sinne.
Ihr Hoffest war die Minne
In ihrer Freuden goldner Pracht;
Die führte huldvoll Tag und Nacht
Den zwein zu jeder Stunde
Artusens Tafelrunde
Mit allen Festgenossen her.
Was wünschten sie noch Nahrung mehr
Der Seele und dem Leibe?
Da war doch Mann bei Weibe,
Das liebe Weib beim lieben Mann.
Was brauchten sie? Was focht sie an?
Sie hatten, was sie sollten,
Und waren, wo sie wollten.

Nun aber bringt mit Ungebühr
Wohl mancher die Behauptung für,
Der ich nicht folge, daß hiebei
Noch andre Speise nötig sei,
Die niemand könne missen.
Je nun, ich kann's nicht wissen:
Mich dünkt es ganz genug hieran.
Erfuhr jedoch ein andrer Mann,
Daß es in diesem Leben
Soll bessre Nahrung geben,
Der sage, was er wissen mag.
Ich lebte selbst doch manchen Tag
Nach Tristans und Isoldens Weise
Und brauchte weiter keine Speise.

Nun laßt euch aber nicht verdrießen,
Wenn ich den Sinn euch will erschließen,
Mit welchem, wie ich meine,
Die Grotte im Gesteine
Entworfen war nach weisem Plan.
Sie war, wie ich euch kund gethan,
Weit und rund nach allen Enden,
Schneeweiß mit hohen, glatten Wänden.
Der Wände Rundung innen
Ist Einfalt in dem Minnen:
Die Einfalt ist der Minne eigen;
Die soll ja keinen Winkel zeigen.
Der Winkel, der im Minnen ist,
Das ist Verrat und Hinterlist.
Die Weite ist der Minne Kraft,
Die ohne Schranken wirkt und schafft.
Die Höhe ist der hohe Mut,
Der aufwärts strebt und nimmer ruht,
Bis wo der Tugenden Verein
Sich schließt und wölbt wie Stein an Stein.
Nie fehlt dort Schmuck und Schimmer:
Die Tugenden sind immer
Verherrlicht mit des Ruhmes Kranz
Und leuchten mit Juwelenglanz.
Weiß, glatt und eben war die Wand:
Daran wird Redlichkeit erkannt.
Ihr schlichtes Weiß, ihr gleicher Schein
Soll niemals bunt noch schillernd sein;
Auch soll Verdacht trotz allem Spähn
Daran nicht Thal noch Hügel sehn.
Der Estrich, der von Marmor war,
Der gleicht der Treue ganz und gar
An Grüne und an Feste;
So deut' ich ihn aufs beste:
Die sei von Farbe grün wie Gras,
Von Fläche glatt und blank wie Glas.
Und der krystallnen Minne
Prachtbette mitten inne
War so mit Recht und Fug genannt.
Dem war ihr Recht gar wohl bekannt,
Der ihr aus lauterem Krystalle
Ihr Lager schnitt in dieser Halle:
Denn Minne soll krystallenrein,
Durchsichtig und durchlauter sein.

Innen an der ehrnen Thür,
Da gingen auch zwei Riegel für,
Und eine Klinke war von innen
Mit feinen meisterlichen Sinnen
Hinausgeleitet durch die Wand,
Wo sie der kundge Tristan fand.
Die lenkte ein verborgner Knauf:
Ein Druck nur, und das Thor ging auf.
Kein Schloß, kein Schlüssel war zu sehn.
Vernehmt, wie solches zu verstehn:
Das Zeug, womit von außen her
Man eine Thüre nach Begehr
Sich öffnen oder schließen kann,
Das deutet nichts als Falschheit an.
Willst du der Minne Haus gewinnen,
Wo dir nicht Einlaß wird von innen,
Traun, das ist nicht der Minne Fug,
Das ist Gewaltthat oder Trug.
Drum legt sich auch der Minne Thor
Die ehrne Thüre schirmend vor,
Daß niemand sie gewinne
Als nur mit Huld und Minne.
Sie ist von Erze stark und fest,
Daß sich kein Werkzeug finden läßt,
Das, sei es durch Gewalt und Kraft,
Sei es durch Kunst und Meisterschaft,
Sei es durch Falschheit oder Lüge,
Sie aufzusprengen je genüge.
Auch waren die zwei Riegel,
Die beiden Minnesiegel,
Einander innen zugewandt
Zu beiden Seiten an der Wand;
Von Zedernholze war der eine,
Der andere von Elfenbeine.
Beim Zedernholz hab' ich im Sinne
Bedacht und Weisheit in der Minne
Und bei dem Elfenbeine
Die Scham, die keusche, reine,
Und diese beiden Siegel,
Der Minne reine Riegel,
Die schließen von der Minne Haus
Das Rohe, das Gemeine aus.

Der kleine Drücker war von Zinn,
Von Gold jedoch die Klinke drin.
Das Zinn, das ist der Wille,
Der trachtet in der Stille;
Das Gold zeigt die Erfüllung an.
Sein Trachten mag ein jeder Mann
Nach seinem Willen leiten,
Schmälern oder breiten,
Kürzen oder längen,
Lockern und zwängen
In jeder Weise her und hin
Mühelos wie weiches Zinn;
Das richtet keinen Schaden an.
Doch wer mit rechter Güte kann
Auf Minne wenden Sinn und Streben,
Dem öffnet sich ein selges Leben.
Fürwahr, von Zinn ein wertlos Stück,
Das führt ihn ein zu goldnem Glück.

Oben durch den ganzen Stein,
Da waren nur drei Fensterlein
Schön und heimlich eingehauen,
Dadurch die Sonne konnte schauen:
Die heißen im Gemüte
Die Demut und die Güte,
Das dritte Zucht. Zu diesen drein,
Da lacht herein der süße Schein,
Der Augen reinste Wonne:
Ehre, des Lebens Sonne;
Die gießt ihr Licht in dieses Haus
Der Erdenlust verklärend aus.

Auch das dünkt sinnig mich und fein,
Daß diese Grotte so allein
In weiter wüster Wildnis lag,
Was damit man vergleichen mag,
Daß Minne nicht mit ihren Gaben
Auf offner Straße ist zu haben,
Noch auf dem Felde liegt bereit:
Sie lauscht in wilder Einsamkeit.
Es ist ein mühevoller Pfad,
Auf dem man ihrer Klause naht.
Die Berge liegen um sie her,
In mancher Krümmung kreuz und quer
Verschlungen hin und wieder;
Die Steige auf und nieder
Sind mit Gestein uns Duldern allen
So wirr verschüttet und zerfallen,
Daß, wenn im Pfad, auf dem wir gehn,
Wir's nur mit einem Tritt versehn,
Wir aus den Irrgewinden
Uns nimmer heimwärts finden.
Doch wem sein Glück es mag verleihn,
Daß er zur Wildnis kommt hinein,
Dem wird aus seinen Mühen
Ein selger Lohn erblühen;
Der findet seines Herzens Spiel,
Und was den Ohren je gefiel,
Und was das Aug erfreuen soll,
Von all dem ist die Wildnis voll,
Und niemals möcht' er wieder fort.

Das weiß ich wohl; denn ich war dort,
Hab' auch durch wildes Waldrevier
Gespürt nach Vogel und Getier
Und Hirsch und Hinde nachgejagt,
Blieb mir auch Weidmannsheil versagt.
Ich kam zur Grotte, fand den Knauf
Und hob die goldne Klinke auf,
Trat zum krystallnen Bette hin;
Doch ruht' ich leider nie darin.
Oft haben mir ins Herz hinein
Die sonnigen frei Fensterlein
Ihren reinen Glanz gesandt.
Mir ist die Grotte wohlbekannt,
Und schon seit meinem elften Jahr,
Wenn ich auch nie in Kornwall war.

Die Hausgenossen treu und hold,
Tristan und sein Lieb Isold,
Die hatten dort in Wald und Feld
Ihre Zeit sich wohl bestellt:
Da folgte stets die holde Muße
Der holden Arbeit auf dem Fuße.
Sie waren alle Zeiten
Eins an des andern Seiten.
Sie gingen Morgens durch den Tau
Gemachsam nach der Waldesaus,
Wo sich der Blumen bunt Gewühle
Erquickte an der feuchten Kühle.
Da war in seiner frischen Zier
Der Wiesengrund ihr Lustrevier.
Dort wandelten sie her und hin
Und plauderten mit heitrem Sinn
Und lauschten auf dem Gange
Dem süßen Vogelsange.
Dann schweiften sie die Flur entlang
Hin, wo der kühle Brunnen sprang,
Und standen, zu belauschen
Sein Rieseln und sein Rauschen,
Und wo er an der Wiese Rand
Sich helle durch die Blumen wand,
Da saßen sie und sahn in Ruh
Dem Spiele seiner Wellen zu,
Und war das wieder ihre Wonne.

Wenn aber dann die lichte Sonne
Sich höher hob im Himmelsblau
Und heißer ward die Luft der Au,
So suchten sie die Linden
Mit ihren linden Winden,
Daß ihnen dort die sanfte Kühle
Wohlig Brust und Herz umspüle.
Da wurden Aug' und Sinn gestillt.
Wie war der Schatten süß und mild
Von Lindengrün und Lindenduft;
Wie hauchte die erfrischte Luft
In diesen Schatten so gelinde!
Auch war der Ruhesitz der Linde
Von Gras und Blumen weich und kühl,
Der bestgewirkte Rasenpfühl,
Den eine Linde je gewann.

Dort saßen sie und sahn sich an
Und sprachen liebverbunden
Von fernen Liebeskunden,
Von Herzen, die vor alter Zeit
Vergingen in der Liebe Leid.
Sie redeten und sagten,
Sie trauerten und klagten
Um Phyllis und ihr sehnend Weh,
Und was die arme Kanace
Ward einst von Qualen inne
Und Byblis, die aus Minne
Zu ihrem Bruder schwand dahin,
Und was der schönen Königin
Von Tyrus und Sidone,
Der sehnenden Didone,
Im Liebesjammer einst geschah.
Mit solchen Mären kürzten da
Die beiden manche Stunde.

Wenn sie mit solcher Kunde
Ersättigt hatten Herz und Sinn,
So gingen sie zur Klause hin
Und setzten dort sich wieder
Zu neuer Kurzweil nieder:
Sie ließen hell erklingen
Ihr Harfen und ihr Singen
Mit sehnlich süßer Melodie.
In holdem Wechsel mühten sie
Hand und Mund mit Spiel und Wort.
Sie harften und sie sangen dort
Klang und Sang der Minne
Und wandelten darinne
Ihr Wonnespiel, wie's eben kam.
Wenn eines da die Harfe nahm,
So war dann stets des andern Brauch,
Daß es mit sehnend sanftem Hauch
Die süße Liebesweise sang.
Da stimmte Sang und Harfenklang,
Wenn beide sich verschlangen
Und ineinander klangen,
So süß im Felsenhause,
Daß es mit Fug die Klause
Der süßen Minne war genannt,
La fossiur' a la gent amant.

Doch was in alten Mären
Man von des Hauses Ehren
Und seinen Freuden hörte sagen,
Ward erst bewährt in diesen Tagen.
Die Herrin, der es längst geweiht,
Die hat es erst in dieser Zeit
Zum wahren Lusthaus sich ersehn,
Und was zuvor darin geschehn
Von Kurzweil oder Liebesspiel,
Das reichte nicht an dieses Ziel;
Das kam fürwahr von Anbeginn
Nicht aus so reinem lautrem Sinn,
Als ihrer Freuden Quelle war.
Nie lebte je ein liebend Paar
Mit Minne schönre Stunden.
Sie übten ungebunden,
Wozu des Herzens Wunsch sie trug.

Noch gab es Zeitvertreib genug,
Den sie am Tag begannen:
Oft ritten sie von dannen
Mit ihrer Armbrust, nach Geflügel
Zu birschen über Thal und Hügel.
Sie freuten sich zu Zeiten,
Dem Rotwild nachzureiten
Mit Hudan, ihrem treuen Hund.
Dem war bis da nichts andres kund
Als laute Jagd in Feld und Wald;
Nun aber hatte Tristan bald
Ihm eingelernt, beim Birschen
Nach Rehen und nach Hirschen
Und aller Art von Wilde
Durch Wald und durch Gefilde
Zu spüren und zu jagen
Und doch nicht anzuschlagen.
So ging manch froher Tag dahin;
Doch nicht nach Beute stand ihr Sinn:
Zur Kurzweil ritt das Paar von Haus.
Mit Hund und Armbrust zog es aus
Viel mehr aus Lust am grünen Wald
Als zu des Leibes Unterhalt;
Um freudig sich zu regen,
Und nicht der Speise wegen.
Ihr ganzes Thun in dieser Zeit
War nur des Herzens Wunsch geweiht,
Und alles, was sie trieben,
Was freiestes Belieben.
(S. 362-377)

Aus: Tristan und Isolde von Gottfried von Straßburg
Neu bearbeitet von Wilhelm Hertz [1835-1902]
Dritte Auflage Stuttgart und Berlin 1901
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger

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Richard Wagner (1813-1883) - Tristan und Isolde

1. Aufzug / 5. Szene

(...)
Tristan
Vergessens güt'ger Trank,
dich
(lebhafter) trink ich sonder Wank!
(Er setzt an und trinkt.)

Isolde
Betrug auch hier!
Mein die Hälfte!
(Sie entwindet ihm den Becher.)
Verräter! Ich trink sie dir!
(Sie trinkt.
Dann wirft sie die Schale fort.
Beide, von Schauer erfaßt, blicken sich mit höchster Aufregung, doch mit starrer Haltung, unverwandt in die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz bald der Liebesglut weicht. Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhaft an das Herz und führen die Hand wieder an die Stirn. Dann suchen sie sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander.)

Isolde (mit bebender Stimme)
Tristan!

Tristan (überströmend)
Isolde!

Isolde (an seine Brust sinkend)
Treuloser Holder!

Tristan (umfaßt sie mit Glut)
Seligste Frau!
(Sie verbleiben in stummer Umarmung)

Alle Männer, Tenöre und Bässe (außen):
Heil! König Marke Heil!
(Trompeten auf dem Theater, wie vom Lande her.)
Brangäne (die, mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung versunkenen Paares zu und stürzt händeringend voll Verzweiflung in der Vordergrund):
Wehe! Weh!
Unabwendbar
ew'ge Not
für kurzen Tod!
Tör'ger Treue
trugvolles Werk
blüht nun jammernd empor!
(Tristan und Isolde fahren aus der Umarmung auf.)

Tristan (verwirrt)
Was träumte mir
von Tristans Ehre?

Isolde
Was träumte mir
von Isoldes Schmach?

Tristan
Du mir verloren?

Isolde
Du mich verstoßen?

Tristan
Trügenden Zaubers
tückische List?

Isolde
Törigen Zürnens
eitles Dräun!

Tristan
Isolde!

Isolde
Tristan!

Tristan
Süßeste Maid!

Isolde
Trautester Mann!

Beide
Wie sich die Herzen
wogend erheben!
Wie alle Sinne
wonnig erbeben!
Sehnender Minne
schwellendes Blühen,
schmachtender Liebe
seliges Glühen!
Jach in der Brust
jauchzende Lust!

Tristan
Isolde!

Isolde
Tristan!
Welten-entronnen,
du mir gewonnen!
Tristan!

Tristan
Isolde,
mir gewonnen!
Isolde!

Beide
Du mir einzig bewußt,
höchster Liebeslust!
(Die Vorhänge werden weit auseinandergerissen; das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk bedeckt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt. - Tristan und Isolde bleiben, in ihren gegenseitigen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie Vorgehenden.)
Brangäne (zu den Frauen, die auf ihren Wink aus dem Schiffsraum heraufsteigen):
Schnell, den Mantel,
den Königsschmuck!
(Zwischen Tristan und Isolde stürzend.)
Unsel'ge! Auf!
Hört, wo wir sind!
(Sie legt Isolden, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an.)

Alle Männer, Tenöre und Bässe (auf dem Schiff)
Heil! Heil! Heil!
König Marke Heil!
Heil dem König!
(3 Trompeten und Posaunen auf dem Theater, wie vom Lande her.)
Kurwenal (lebhaft herantretend)
Heil Tristan,
glücklicher Held!
Mit reichem Hofgesinde
dort auf Nachen
naht Herr Marke.
Hei, wie die Fahrt ihn freut,
daß er die Braut sich freit!

Tristan (in Verwirrung aufblickend)
Wer naht?

Kurwenal
Der König!

Tristan
Welcher König?
(Kurwenal deutet über Bord.)

Alle Männer, Tenöre und Bässe (die Hüte schwenkend)
Heil! König Marke Heil!
(Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande, bis Isolde seinen Namen ruft.)

Isolde (in Verwirrung)
Was ist, Brangäne?
Welcher Ruf?

Brangäne
Isolde! Herrin!
Fassung nur heut'!

Isolde
Wo bin ich? Leb ich?
Ha! Welcher Trank?

Brangäne (verzweiflungsvoll)
Der Liebestrank.

Isolde (starrt entsetzt auf Tristan)
Tristan!

Tristan
Isolde!

Isolde
Muß ich leben?
(Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust!)

Brangäne (zu den Frauen)
Helft der Herrin!

Tristan
O Wonne voller Tücke!
O truggeweihtes Glücke!

Alle Männer, Tenöre und Bässe (Ausbruch allgemeinen Jauchzend)
Kornwall Heil!
(Trompeten und Posaunen auf dem Theater.)
(Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Brücke ausgelegt, und die Haltung aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten.)
(Der Vorhang fällt schnell.)


2. Aufzug / 1. Szene

(...)
Isolde (zu Brangäne)
Dein Werk?
O tör'ge Magd!
Frau Minne kenntest du nicht?
Nicht ihres Zaubers Macht?
Des kühnsten Mutes
Königin?
Des Weltenwerdens
Walterin?
Leben und Tod
sind untertan ihr,
die sie webt aus Lust und Leid,
in Liebe wandelnd den Neid.
Des Todes Werk,
nahm ich's vermessen zur Hand.
Frau Minne hat es
meiner Macht entwandt.
Die Todgeweihte
nahm sie in Pfand,
faßte das Werk
in ihre Hand.
Wie sie es wendet,
wie sie es endet,
was sie mir küre,
wohin mich führe,
ihr ward ich zu eigen:
nun laß mich Gehorsam zeigen!

Brangäne
Und mußte der Minne
tückischer Trank
des Sinnes Licht dir verlöschen,
darfst du nicht sehen,
wenn ich dich warne:
nur heute hör,
o hör mein Flehen!
Der Gefahr leuchtendes Licht,
nur heute, heut'
die Fackel dort lösche nicht!

Isolde:
Die im Busen mir
die Glut entfacht,
die mir das Herze
brennen macht.
die mir als Tag
der Seele lacht,
Frau Minne will:
es werde Nacht,
daß hell sie dorten leuchte,
(während sie auf die Fackel zueilt)
wo sie dein Licht verscheuchte:
(Sie nimmt die Fackel von der Tür.)
Zur Warte du:
dort wache treu!
Die Leuchte,
und wär's meines Lebens Licht -
lachend
sie zu löschen zag ich nicht!
(Sie wirft die Fackel zur Erde, wo sie allmählich verlischt.)
(Brangäne wendet sich bestürzt ab, um auf einer äußeren Treppe die Zinne zu ersteigen, wo sie langsam verschwindet.)
(Isolde lauscht und späht, zunächst schüchtern, in einem Baumgang. Von wachsendem Verlangen bewegt, schreitet sie dem Baumgang näher und späht zuversichtlicher.)
(Sie winkt mit dem Tuche, erst seltener, dann häufiger, und endlich, in leidenschaftlicher Ungeduld, immer schneller.)
(Eine Gebärde des plötzlichen Entzückens sagt, daß sie den Freund in der Ferne gewahr geworden. Sie streckt sich höher, und um besser den Raum zu übersehen, eilt sie zur Treppe zurück, von deren oberster Stufe aus sie dem Herannahenden zuwinkt.)

2. Aufzug / 2. Szene
(Jetzt springt sie ihm entgegen.)

Tristan (stürzt herein)
Isolde!

Isolde
Tristan! Geliebter!

Tristan
Geliebte!
(Stürmische Umarmungen beider, unter denen sie in den Vordergrund gelangen.)

Isolde
Bist du mein?

Tristan
Hab ich dich wieder?

Isolde
Darf ich dich fassen?

Tristan
Kann ich mich trauen?

Isolde
Endlich! Endlich!

Tristan
An meiner Brust!

Isolde
Fühl ich dich wirklich?

Tristan
Seh ich dich selber?

Isolde
Dies deine Augen?

Tristan
Dies dein Mund?

Isolde
Hier deine Hand?

Tristan
Hier dein Herz?

Isolde
Bin ich's? Bist du's?
Halt ich dich fest?

Tristan
Bin ich's? Bist du's?
Ist es kein Trug?

Beide
Ist es kein Traum?
O Wonne der Seele,
o süße, hehrste,
kühnste, schönste,
seligste Lust!

Tristan
Ohne Gleiche!

Isolde
Überreiche!

Tristan
Überselig!

Isolde
Ewig!

Tristan
Ewig!

Isolde
Ungeahnte,
nie gekannte!

Tristan
Überschwenglich,
hoch erhabne!

Isolde
Freudejauchzen!

Beide
Himmelhöchstes
Weltentrücken!

Isolde
Mein! Tristan mein!

Tristan
Mein! Isolde mein!

Beide
Mein und dein!
Ewig!

Isolde
Tristan mein,
Isolde ewig dein! Tristan!

Tristan
Isolde mein! Isolde!

Beide
Ewig, ewig ein!

Isolde
Wie lange fern!
Wie fern so lang!

Tristan
Wie weit so nah!
So nah wie weit!

Isolde
O Freundesfeindin,
böse Ferne!
Träger Zeiten
zögernde Länge!

Tristan
O Weit' und Nähe,
hart entzweite!
Holde Nähe!
Öde Weite!

Isolde
Im Dunkel du,
im Lichte ich!

Tristan
Das Licht! Das Licht!
O dieses Licht,
wie lang verlosch es nicht!
Die Sonne sank,
der Tag verging,
doch seinen Neid
erstickt' er nicht:
sein scheuchend Zeichen
zündet er an
und steckt's an der Liebsten Türe,
daß nicht ich zu ihr führe.

Isolde
Doch der Liebsten Hand
löschte das Licht;
wess' die Magd sich wehrte,
scheut' ich mich nicht:
in Frau Minnes Macht und Schutz
bot ich dem Tage Trutz!

Tristan
Dem Tage! Dem Tage!
Dem tückischen Tage,
dem härtesten Feinde
Haß und Klage!
Wie du das Licht,
o könnt' ich die Leuchte,
der Liebe Leiden zu rächen,
dem frechen Tage verlöschen!
Gibt's eine Not,
gibt's eine Pein,
die er nicht weckt
mit seinem Schein?
Selbst in der Nacht
dämmernder Pracht
hegt ihn Liebchen am Haus,
streckt mir drohend ihn aus!

Isolde
Hegt ihn die Liebste
am eig'nen Haus,
im eig'nen Herzen
hell und kraus
hegt' ihn trotzig
einst mein Trauter:
Tristan, der mich betrog!
War's nicht der Tag,
der aus ihm log,
als er nach Irland
werbend zog,
für Marke mich zu frein,
dem Tod die Treue zu weihn?

Tristan
Der Tag! Der Tag,
der dich umgliß,
dahin, wo sie
der Sonne glich,
in höchster Ehren
Glanz und Licht
Isolden mir entrückt'!
Was mir das Auge
so entzückt',
das Herze tief
zur Erde drückt',
in lichtem Tages Schein
wie war Isolde mein?

Isolde
War sie nicht dein,
die dich erkor?
Was log der böse
Tag dir vor,
daß, die für dich beschieden,
die Traute du verrietest?

Tristan
Was dich umgliß
mit hehrster Pracht,
der Ehre Glanz,
des Ruhmes Macht,
an sie mein Herz zu hangen,
hielt mich der Wahn gefangen.
Die mit des Schimmers
hellstem Schein
mir Haupt und Scheitel
licht beschien,
der Welten-Ehren
Tages Sonne,
mit ihrer Strahlen
eitler Wonne,
durch Haupt und Scheitel
drang mir ein
bis in des Herzens
tiefsten Schrein.
Was dort in keuscher Nacht
dunkel verschlossen wacht',
was ohne Wiss' und Wahn
ich dämmernd dort empfahn:
ein Bild, das meine Augen
zu schau'n sich nicht getrauten,
von des Tages Schein betroffen
lag mir's da schimmernd offen.
Was mir so rühmlich
schien und hehr, das rühmt' ich hell
vor allem Heer;
vor allem Volke
pries ich laut
der Erde schönste
Königs-Braut.
Dem Neid, den mir
der Tag erweckt';
dem Eifer, den
mein Glücke schreckt';
der Mißgunst, die mir Ehren
und Ruhm begann zu schweren:
denen bot ich Trotz,
und treu beschloß,
um Ehr und Ruhm zu wahren,
nach Irland ich zu fahren.

Isolde
O eitler Tagesknecht!
Getäuscht von ihm,
der dich getäuscht,
wie müßt' ich liebend
um dich leiden,
den, in des Tages
falschem Prangen,
von seines Gleißens
Trug befangen,
dort, wo ihn Liebe
heiß umfaßte,
im tiefsten Herzen
hell ich haßte.
Ach, in des Herzens Grunde
wie schmerzte tief die Wunde!
Den dort ich heimlich barg,
wie dünkt' er mich so arg,
wenn in des Tages Scheine
der treu gehegte Eine
der Liebe Blicken schwand,
als Feind nur vor mir stand!
Das als Verräter
dich mir wies,
dem Licht des Tages
wollt' ich entfliehn,
dorthin in die Nacht
dich mit mir ziehn,
wo der Täuschung Ende
mein Herz mir verhieß;
wo des Trugs geahnter
Wahn zerrinne;
dort dir zu trinken
(zart)
ew'ge Minne,
mit mir dich im Verein
wollt' ich dem Tode weihn.

Tristan
In deiner Hand
den süßen Tod,
als ich ihn erkannt,
den sie mir bot;
als mir die Ahnung
hehr und gewiß
zeigte, was mir
die Sühne verhieß:
da erdämmerte mild
erhab'ner Macht
im Busen mir die Nacht;
mein Tag war da vollbracht.

Isolde
Doch ach, dich täuschte
der falsche Trank,
daß dir von neuem
die Nacht versank;
dem einzig am Tode lag,
den gab er wieder dem Tag!

Tristan
O Heil dem Tranke!
Heil seinem Saft!
Heil seines Zaubers
hehrer Kraft!
Durch des Todes Tor,
wo er mir floß,
weit und offen
er mir erschloß,
darin ich sonst nur träumend gewacht,
das Wunderreich der Nacht.
Von dem Bild in des Herzens
bergendem Schrein
scheucht' er des Tages
täuschenden Schein,
daß nachtsichtig mein Auge
wahr es zu sehen tauge.

Isolde
Doch es rächte sich
der verscheuchte Tag;
mit deinen Sünden
Rat's er pflag:
was dir gezeigt
die dämmernde Nacht,
an des Taggestirnes
Königsmacht
mußtest du's übergeben,
um einsam
in öder Pracht
schimmernd dort zu leben.
Wie ertrug ich's nur?
Wie ertrag ich's noch?

Tristan
O, nun waren wir
Nacht-Geweihte!
Der tückische Tag,
der neidbereite,
trennen konnt' uns sein Trug,
doch nicht mehr täuschen sein Lug!
Seine eitle Pracht,
seinen prahlenden Schein
verlacht, wem die Nacht
den Blick geweiht:
seines flackernden Lichts
flüchtige Blitze
blenden uns nicht mehr.
Wer des Todes Nacht
liebend erschaut,
wem sie ihr tief
Geheimnis vertraut:
des Tages Lügen,
Ruhm und Ehr,
Macht und Gewinn,
so schimmernd hehr,
wie eitler Staub der Sonnen
sind sie vor dem zersponnen!
In des Tages eitlem Wähnen
bleibt ihm ein einzig Sehnen -
das Sehnen hin
zur heil'gen Nacht,
wo urewig,
einzig wahr
Liebeswonne ihm lacht!

(Tristan zieht Isolde sanft zur Seite auf eine Blumenbank nieder, senkt sich vor ihr auf die Knie und schmiegt sein Haupt in ihren Arm.)

Beide
O sink hernieder,
Nacht der Liebe,
gib Vergessen,
daß ich lebe;
nimm mich auf
in deinen Schoß,
löse von
der Welt mich los!

Tristan
Verloschen nun
die letzte Leuchte;

Isolde
was wir dachten,
was uns deuchte;

Tristan
all Gedenken -

Isolde
all Gemahnen -

Beide
heil'ger Dämmrung
hehres Ahnen
löscht des Wähnens Graus
welterlösend aus.

Isolde
Barg im Busen
uns sich die Sonne,
leuchten lachend
Sterne der Wonne.

Tristan
Von deinem Zauber
sanft umsponnen,
vor deinen Augen
süß zerronnen;

Isolde
Herz an Herz dir,
Mund an Mund;

Tristan
eines Atems,
ein'ger Bund,

Beide
bricht mein Blick sich
wonnerblindet,
erbleicht die Welt
mit ihrem Blenden:

Isolde
die uns der Tag
trügend erhellt,

Tristan
zu täuschendem Wahn
entgegengestellt,

Beide
selbst dann
bin ich die Welt:
wonnehehrstes Weben,
liebeheiligstes Leben,
Nie-wieder-Erwachens
wahnlos
holdbewußter Wunsch.

(Tristan und Isolde versinken wie in gänzliche Entrücktheit, in der sie, Haupt an Haupt auf die Blumenbank zurückgelehnt, verweilen.)

Brangäne (von der Zinne her unsichtbar)
Einsam wachend
in der Nacht,
wem der Traum
der Liebe lacht,
hab der Einen
Ruf in acht,
die den Schläfern
Schlimmes ahnt,
bange zum
Erwachen mahnt.
Habet acht!
Habet acht!
Bald entweicht die Nacht.

Isolde (leise)
Lausch, Geliebter!

Tristan (ebenso)
Laß mich sterben!

Isolde (allmählich sich ein wenig erhebend)
Neid'sche Wache!

Tristan (zurückgelehnt bleibend)
Nie erwachen!

Isolde
Doch der Tag
muß Tristan wecken?

Tristan (ein wenig das Haupt erhebend)
Laß den Tag
dem Tode weichen!

Isolde (nicht heftig)
Tag und Tod
mit gleichen Streichen
sollten unsre
Lieb' erreichen?

Tristan (sich mehr aufrichtend)
Unsre Liebe?
Tristans Liebe?
Dein' und mein',
Isoldes Liebe?
Welches Todes Streichen
könnte je sie weichen?
Stünd' er vor mir,
der mächt'ge Tod,
wie er mir Leib
und Leben bedroht',
die ich so willig
der Liebe lasse,
wie wäre seinen Streichen
die Liebe selbst zu erreichen?
(Immer inniger mit dem Haupt sich an Isolde schmiegend.)
Stürb' ich nun ihr,
der so gern ich sterbe,
wie könnte die Liebe
mit mir sterben,
die ewig lebende
mit mir enden?
Doch stürbe nie seine Liebe,
wie stürbe dann Tristan
seiner Liebe?

Isolde
Doch unsre Liebe,
heißt sie nicht Tristan
und Isolde?
Dies süße Wörtlein: und,
was es bindet,
der Liebe Bund,
wenn Tristan stürb',
zerstört' es nicht der Tod?

Tristan
Was stürbe dem Tod,
als was uns stört,
was Tristan wehrt,
Isolde immer zu lieben,
ewig ihr nur zu leben?

Isolde
Doch dieses Wörtlein: und -
war' es zerstört,
wie anders als
mit Isoldes eig'nem Leben
wär' Tristan der Tod gegeben?
(Tristan zieht, mit bedeutungsvoller Gebärde, Isolde sanft an sich.)

Tristan
So stürben wir,
um ungetrennt,
ewig einig
ohne End',
ohn' Erwachen,
ohn' Erbangen,
namenlos
in Lieb' umfangen,
ganz uns selbst gegeben,
der Liebe nur zu leben!

Isolde (wie in sinnender Entrücktheit zu ihm aufblickend)
So stürben wir
um ungetrennt -

Tristan
ewig einig,
ohne End' -

Isolde
ohn' Erwachen -

Tristan
ohn' Erbangen -

Isolde
namenlos -

Beide
in Lieb' umfangen,
ganz uns selbst gegeben,
der Liebe nur zu leben!
(Isolde neigt wie überwältigt das Haupt an seine Brust.)

Brangäne (wie vorher)
Habet acht!
Habet acht!
Schon weicht dem Tag die Nacht.

Tristan (lächelnd zu Isolde geneigt)
Soll ich lauschen?

Isolde (schwärmerisch zu Tristan aufblickend)
Laß mich sterben!

Tristan (ernster)
Muß ich wachen?

Isolde (bewegter)
Nie erwachen!

Tristan (drängender)
Soll der Tag
noch Tristan wecken?

Isolde (begeistert)
Laß den Tag
dem Tode weichen!

Tristan
Des Tages Dräuen
nun trotzten wir so?

Isolde (mit wachsender Begeisterung)
Seinem Trug ewig zu fliehn.

Tristan
Sein dämmernder Schein
verscheuchte uns nie?

Isolde (mit großer Gebärde ganz sich erhebend)
Ewig währ' uns die Nacht!
(Tristan folgt ihr, sie umfangen sich in schwärmerischer Begeisterung.)

Beide
O ew'ge Nacht,
süße Nacht!
Hehr erhabne
Liebesnacht!

Isolde
Wen du umfangen,

Tristan
wem du gelacht,

Beide:
wie wär' ohne Bangen

Isolde
aus dir er je erwacht?

Tristan
er aus dir erwacht?

Beide
Nun banne das Bangen,

Isolde
holder Tod,

Beide
sehnend verlangter
Liebestod!
In deinen Armen,
dir geweiht,
urheilig Erwarmen,
von Erwachens Not befreit!

Tristan
Wie es fassen,
wie sie lassen,
diese Wonne -

Beide
Fern der Sonne,
fern der Tage,
Trennungsklage!

Isolde
Ohne Wähnen -

Tristan
sanftes Sehnen;

Isolde
ohne Bangen -

Tristan
süß Verlangen.
Ohne Wehen -

Beide
hehr Vergehen.

Isolde
Ohne Schmachten -

Beide
hold Umnachten.

Tristan
Ohne Meiden -

Beide
ohne Scheiden,
traut allein,
ewig heim,
in unermeßnen Räumen
übersel'ges Träumen.

Isolde
Du Isolde,
Tristan ich,
nicht mehr Isolde!

Tristan
Tristan du,
ich Isolde,
nicht mehr Tristan!

Isolde
Ohne Nennen,
ohne Trennen,
neu Erkennen,
neu Entbrennen;

Tristan
Ewig! Endlos,
ewig ein-bewußt:

Isolde
Endlos
ewig ein-bewußt:

Beide
heiß erglühter Brust
höchste Liebeslust!
(Sie bleiben in verzückter Stellung.)

Aus: Richard Wagner Tristan und Isolde
Textbuch Einführung und Kommentar von Kurt Pahlen
unter Mitarbeit von Rosmarie König
Neue durchgesehene Auflage 1998
Atlantis Musikbuch Verlag
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Rudolf Baumbach (1840-1905)

Tristan und Isolde

Ein Schiff durchpflügt der Wogen Schwall,
Sie glänzen im Sonnengolde,
Herr Tristan führt nach Kornewal
Die Königsbraut Isolde.

Das Schifflein schwankt, es rauscht der Kiel,
Es wehen Isoldens Locken.
Held Tristan singt zum Saitenspiel,
Da wird ihm die Kehle trocken.

Isolde schickt um Malvasier,
Sie bringen eine Flasche.
Held Tristan holt den Pfropfenzieh'r
Bedächtig aus der Tasche.

Der Stöpsel springt, der Trank ist klar,
Sie trinken allebeide. -
Das ward dem unglücksel'gen Paar
Zu grossem Herzeleide.

Vom zauberkräftigen Minnetrank
Ihre Herzen begannen zu brennen,
Sie wurden beide minnekrank
Und konnten sich nicht mehr trennen.

Sie wurden des Kosens nimmer satt,
Sie starben an ihrem Lieben. -
Von Strassburg Meister Gottfried hat
Die Mär' ausführlich beschrieben.

Ich aber schreibe die Schlussmoral
Gewärtig eueres Dankes:
Nimm, Dürstender, nie zu leicht die Wahl
Des Labung spendenden Trankes!

Aus: Lieder eines fahrenden Gesellen
von Rudolf Baumbach
Vierte Auflage Leipzig
Verlag von A. G. Liebeskind 1882 (S. 145-146)

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August Graf von Platen (1796-1835)

Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!

Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!

Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen,
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!

Aus: August von Platen Werke in zwei Bänden
Band I Lyrik Hrsg. von Kurt Wölfel und Jürgen Link;
Band I: Nach der Ausgabe letzter Hand und der historisch-kritischen Ausgabe.
Winkler Verlag München 1982 (S. 69)
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Julius Mosen (1803-1867)

König Mark und Isolde

"Isolde, königliche Braut,
Du zögerst und bebest noch,
Sagt nicht dein eigen Herz dir laut:
Er ist mein König doch!

Rauscht mir um meine Schulter nicht
Der Sternenmantel her,
Erkennst du nicht mein Angesicht
Und die Stirne gewitterschwer?"

""Und wenn ich vor dir zitternd steh',
So bin ich so herzenskrank,
In Thränen und Jammer vergeh',
So that das der Zaubertrank.

Der Liebestrank, den mein Mütterlein
Für dich meiner Amme vertraut,
Ich habe verschüttet den goldenen Wein,
Ich unglücksel'ge Braut!

Und Tristan, der mich zu dir gebracht, -
Wir haben getrunken zugleich,
Und elend hat er uns Beide gemacht,
Vor Sehnsucht krank und bleich.

Ich armes, ich vergiftetes Weib,
Ich schling' mich um deinen Fuß,
Hin ist meine Seele, hin mein Leib,
Der sich verzehren muß.""

"Und hast du nicht den Trank bewahrt
Deinem rechten König und Herrn,
Leichsinnig verschüttet auf deiner Fahrt,
So bleibe mir ewig fern.

Ich kenne dich nicht, so schön du bist,
Aus dem Herzen reiß' ich dich aus,
Versagt sei dir zu jeder Frist
Meine Hand, mein Bett und Haus.

Thut ihr um ein härenes Gewand,
Die Locken schneidet ihr ab,
Eine Lampe gebt ihr in die Hand,
Denn dunkel ist das Grab!"

Aus: Sämmtliche Werke von Julius Mosen Erster Band
Oldenburg Verlag von Ferdinand Schmidt 1863 (S. 134-135)

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Wilhelm Wackernagel (1806-1869)

Tristan und Isolde
Bruchstücke

Das Goldhaar
Zu Tintajol unter Krone gieng
Marke der viel reiche.
"Wo find ich ein also edel Weib,
Das mir sey geleiche?"

"Wir wissen nirgend Königs Kind"
Sprachen die Vasallen;
"Der gezieme zum Schwäher euch,
Kein König ist von allen."

Herr Tristan in einem Fenster stund,
Schauend an Meeres Wogen.
Da kam über die blaue Flut
Eine Schwalbe geflogen.

Aus dem Schnabel ihr entglitt
Ein Haar in Goldes Schimmer.
"Herrinn sey, die trägt dies Haar,
Kein andere nimmer!

Diesen Goldsonnenschein
Zier unsers Landes Krone!
Wohl ihm, dem ein so holder Leib
Lohnt mit Minnelohne!

Laßt mich suchen die schöne Magd
Zu Wasser, zu Lande:
So kehrt euch Lieb und hohe Lust
Heim mit Tristande."

Bereitet ward ein Reiseschiff
Von Tristan mit Sinnen.
Suchen des Landes Königinn
Fuhr er fröhlich hinnen.


Die Brautwerbung
Isolde dachte des Spielemanns
In Herzen und in Sinne,
Von Gedanken bleich und roth
Saß die Königinne.

"Seine Farbe, wie ist sie licht!
Sein Antlitz, wie schöne!
Wie süß sein rother Mund erklingt,
Hebt er die Meistertöne!

Er richtete wohl ein Königreich
Mit gewaltiger Hande:
Nun muß er fahren irren Weg
Von Lande zu Lande.

Wie wohl ziemt ihm dies gute Schwert,
Der Helm roth von Golde!
Ach Tantris, armer Spielemann!
Ach Königskind Isolde!"

Sie prüfte mit kindlichem Spiel
Die Waffen allzumahle,
Sie wägte mit schneeweißer Hand
Das Schwert von lichtem Stahle.

"Weh! wie ward dem scharfen Schwert
Die schartige Lücke!
Weh! wie füget sich ihr wohl
Das mordliche Stücke!

Weh! so ward von diesem Stahl
Mein Oheim erschlagen!
Nach Freud ein also großes Leid
Muß ich immer klagen."

Zornig zückte sie das Schwert,
Sie schwang es in Handen,
Sie gieng, da sie im Bade fand
Tantris-Tristanden.

"So weh dir, Tristan, daß du bist!"
Rufte Isolde
"Nun geb an dir dein eigen Schwert
Rache Morolde!"

"Und hätte Morolt Rach an mir
Durch Frauenhand erworben,
Die Sonne, die von Irland geht,
Wie wär ihr Glanz erstorben!

Hätte rächend ein Frauenzorn
Mordend den Gast verderbet,
Die Lilie, die in Irland blüht,
Wie wär ihr Schein entfärbet!"

Zaudernd senkte sie das Schwert,
Tristan bat mit Sinnen;
Isolden Zucht der Zorn entwich:
Das Schwert warf sie hinnen.

"Schön Isolde, wär ich nun
Von eurer Hand erstorben,
Uebel wäre meinem Herrn
Botschaft geworden.

Frau, eurer süßen Minne gehrt
Ein Ritter viel kühne:
Frau, nehmt ihr für Moroldes Tod
Die Botschaft zur Sühne?

Frau, zu Füßen neigt sich euch
Eine Königskrone:
Frau, bietet ihr noch das Schwert
Der Botschaft zum Lohne?

Frau, nehmet zur Sühnung ihr
König Markes Minne,
Grüßt Cornwallis das reiche Land
Die Schönst als Königinne.

Euch sucht ich von Land zu Land
Auf schwebendem Kiele:
Euch dien ich nun und immerdar
Mit Schwert und Saitenspiele."


Minnezauber
Schnell trugen die Kiele hin
Die Magd und ihr Gesinde,
Den zarten Frauen thaten weh
Wasser und die Winde.

Sie waren gefahren auf öder Flut
Manche Wassermeile.
Tristan gab der Königinn
Mit Rede Kurzweile.

"Mägdlein, gebt mir eures Weins:
Mich beginnet dürsten."
Einen Becher von lauterm Glas
Brachten sie dem Fürsten.

Er bot ihn vor mit Züchten dar
Zu Isolden Hande.
Sie trank und gab ihn aber hin
Herren Tristande.

Was sehnet Herz zu Herzen sich
Den beiden all zur Stunde?
Aug in Auge was schauen sie?
Was seufzet Mund nach Munde?

Sie saßen nach der Röthe bleich
In liebem Verlangen,
Suchend und fliehend den Wechselblick
Mit freudigem Bangen.

Nun war auch Brangäne die Magd
Aber dar gekehret,
Da sie die beiden Zagenden fand,
Den Becher geleeret.

"Isolden Mutter Zauberkunst,
Die trägt welch Gewinnen!
Ach König Marke, wie gehrt dein Weib
Nach deines Neffen Minnen!

Isolden Mutter, wie galt ich dir
Huld mit übeler Treue!
Ach König Marke, nach träger Hut
Bring ich dir Leid und Reue!"

Sie nahm das Glas mit bebender Hand,
Sie trat zu Schiffes Rande.
"Schaffen solltest du Lieb und Lust,
Nun schufst du Schaden und Schande."

Klagend warf sies in die See.
"O weh mir und o Leide!
Sie haben der Minne lebenden Tod
Nun getrunken beide."


Tristans und Isolden Tod

1.
"Trinket, müder fremder Mann"
Sprach zu ihm Frau Isolde.
Da warf er in den kühlen Wein
Einen Ring von Golde.

Frau Isolde den Becher hub
Zu ihrem rothen Munde.
"Ach Himmel! meines Freundes Ring!
Wes sendet er mir Kunde?"

Heimlich trat die Königinn
Zu Herren Ganhardinen,
Lachend aus Augen freudenvoll,
Ihre Wangen schienen.

"Frau, viel böse Botschaft ists,
Die ich komme werben.
Herr Tristan liegt zu Karke siech,
Wundensiech zum Sterben."

Frau Isolde bitterlich
Weinte aus Innbrünsten.
"Ihr möget heilen euren Freund
Mit euren Meisterkünsten.

Tretet nieder in den Port,
Sitzt in meine Barke:
Von Norden wehet ein frischer Wind,
Der führet uns nach Karke.

Ihr tragt sein Leben in eurer Hand,
In eurer Augen Scheine.
Heil der Giftwunde hofft
Er von euch alleine."

Heimlich trat sie in das Schiff
Mit heilvollen Salben.
"Hüte Gott das wilde Meer
Meines Freundes halben!"

Er führte das Schiff von Tintajol
Mit Kunst und mit Fleiße.
Freudig zog er in die Luft
Schöne Segel weiße.

"Die weißen Segel künden ihm,
Ihr folget mir dannen;
Anders schwarze voller Leid
Säh er aufgespannen."

"Friste Gott zu meiner Kunst
Tristan den viel guten!"
Segelwind trugen sie
Durch die ruhigen Fluten.


2.
"Schön Isolde, mein Gemahl,"
Sprach Tristan mit Minnen
"Schauen auf das weite Meer
Tritt an die Zinnen.

Erblickst du nirgend ein Segel weiß?
Vernimmst du nirgend Ruder,
Ob von Cornwallis die Königinn
Bringe dein Bruder?"

"Nicht Segel seh ich schwarz noch weiß,
Noch hör ich Ruder klingen.
Aus stiller Welle die Fische nur
Nach Sonnenstralen springen."

"So führt mich hinnen der grimme Tod
Bei wenigen Stunden."
Er rang mit seines Siechthums Qual,
Ihn brannten die giftigen Wunden.

"Tritt an die Zinnen, mein Gemahl,
Isolde viel holde,
Ob unter weißem Segel naht
Von Cornwallis Isolde."

"Nicht Segel seh ich schwarz noch weiß,
Noch hör ich Ruder klingen.
Oede Wellen rühren nur
Die Seeschwalben mit Schwingen."

"So seh ich dich viel süßes Weib
Mit Augen nimmer wieder."
Ans Herz griff ihm der grimme Tod,
Es zuckten seine Glieder.

"Schön Isolde, mein Gemahl,
Tritt aber zu schauen,
Ob bringe dein Bruder Ganhardin
Heil und meine Frauen."

Weißhand Isolde sah an die See
Mit bitterlichem Weinen.
"Schnell wie ein Pfeil von der Senne fliegt,
Seh ich ein Schiff erscheinen."

"So nahet dem Siechthum liebes Heil,
Der meinen Leib verderbet.
Sag an das Segel, mein Gemahl,
Wie es sey gefärbet."

"Am Maste wehet ein Segel schwarz!
Sprach die Unholde.
"Uebel gilt dir deine Treu
Die blonde Isolde."

Da riß seinen jungen Leib
Das Gift im letzten Schmerze,
Die Wang erblich, das Auge brach,
Es zersprang sein Herze.

"So weh mir, weh mir weh!"
Sprach sie all mit Schrecken
"Schneeweiß ein Segel freudig weht!"
Sie mocht ihn nicht erwecken.


3.
Das Schifflein ans Gestade stieß.
"Der Glocken stilles Läuten,
Zum Münster hin der Leute Drang,
Was soll das bedeuten?"

"Herr Tristan an der Bahre liegt,
Man singt ihm die Vigilien.
Weißhand Isolde hält da Hut,
Die sie brach, der Lilien."

Die blond Isolde zum Münster wankt,
Ihr Auge nimmer weinet,
Nimmer klagt ihr bleicher Mund,
Ihr Herze war versteinet.

Die blond Isold ins Münster trat.
Da weint über der Bahre
Mit windenden Händen sein Gemahl,
Mit gerauftem Haare.

"Weich hinnen!" rufte Ganhardin
"Du hast ihn getödtet!"
Voll Scham und Scheu sie dannen schlich,
Von Thränen geröthet.

Mit brechenden Augen neigte sich
Die holde Königinne.
Herz an Herze, Mund an Mund,
Starb sie in Tristans Minne.


4.
Ein Schiff stieß an zu Tintajol,
Das floß daher von Karke;
Darinne saß mit sinkendem Haupt
Der reiche König Marke.

Heim brachten mit Herzeleid
Der König und seine Holden
Todt sein Weib und den Neffen sein,
Todt Tristan und Isolden.

"So weh euch, Vater und Mutter, weh,
Die ihr mich geboren!
Nun hat die Kron auf meinem Haupt
All ihren Glanz verloren.

Lieb Weib und lieber Neffe mein,
Weh, daß ihr gestorben!
Liebestreue bis in den Tod
Wie bist du nun verdorben!

Rede, die trug den Zauberwein,
Wie schufest du Leide!
Rosenblumen ohne Falsch,
Wie blichet ihr beide!"

Zween Särge wurden da gewürkt
Von weißem Marmelsteine,
Darin der reine Tristan lag
Und Isolde die reine.

Marke leitete sie zur Gruft
Mit Würden und mit Ehren;
Beide er neben einander schuf
Mit Klagen und mit Zähren.

Er suchte der beiden Lieben Grab
Den Abend, den Morgen;
Er lebte ihm viel leiden Tag
Mit Klagen, mit Sorgen.

Aus Tristans Grabe sprossen empor
Rosenblumen die holden;
Brennend in Liebe schauen sie
Sehnend nach Isolden.

Da huben sich zu Isolden Haupt
Grüne Weinreben,
Die voll Treue den Rosenbaum
Umranken und umweben.
(S. 33-45)

Aus: Gedichte eines fahrenden Schülers.
Herausgegeben von Wilhelm Wackernagel
Berlin Verlag von Fr. Laue 1828
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Gerrit Engelke (1890-1918)

Tristan und Isolde

Sie tranken Blut aus ihrer Schale - - -

Der Feuerfunken in sie säte,
Den sie als Herrin herbefahl,
Der aufrecht sie mit Trotz verschmähte:
Dem reichte sie den Giftpokal.

Sie reichte ihm den schweren Becher,
Er blickte kühl, blieb stumm und trank.
Ihr Arm, der herrisch gab, ward schwächer,
Als sie die Neige trank - er sank.

Ein bittres Warten beide füllte -
Sie standen atmend, blickgebannt - -
Schwand nicht der Trotz, der ihn umhüllte?
War diese Glut ihr Todesbrand?

Sie tranken Blut aus ihrer Schale,
Sie tranken rotes Liebesblut -
Da quoll aus diesem Todpokale,
Sie jäh durchströmend: Liebesflut!

Sie fielen, Mund zu Mund gefunden,
So in Umarmung ohne Wehr,
Sie sanken hin, bedrückt, gebunden
Von neuem Leben überschwer.

Sie tranken Blut aus ihrer Schale.
(S. 202)
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Heinrich Seidel (1842-1906)

Tristan und Isolde

König Marke, wie die Sage meldet,
Ließ begraben Tristan und Isolden
Zu den beiden Seiten eines Kirchleins,
Noch im Tod die Liebenden zu trennen.
Doch aus Tristans Hügel schoss ein Weinstock,
Rosen wuchsen aus Isoldens Grabe,
Strebten eilig aufwärts an den Mauern,
Trieben mächt'ge, sehnsuchtsvolle Ranken,
Spannen sich empor des Daches Flächen,
Und - ein Wunder war's - nach wenig Jahren
Rankten hoch am First schon ineinander
Unzertrennbar Rosenbusch und Rebe.
Rosen blühten leuchtend nun im Weinlaub,
Trauben hingen in den Rosenzweigen!
Dieses holde Wunder zu beschauen,
Pilgerten herbei aus weitem Umkreis
Gern die zärtlich hold verliebten Paare,
Und nachdem voll Andacht sie gestaunet,
Schauten sie sich leuchtend in die Augen,
Ihre Hände rankten ineinander,
Und sie küßten sich und sprachen gläubig:
"Stärker als der Tod ist treue Liebe !"

Aus: Gedichte von Heinrich Seidel Gesamtausgabe
Zweite Auflage (Drittes Tausend)
Stuttgart und Berlin 1913
J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger (S. 172)
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Carl Philipp Conz (1762-1827)

Tristans Tod


Krank an bitterschweren Todeswunden
Lag daheim auf seinem Bette Tristran,
Näher neigt mit jeglicher Minute
Schon dem Tode zu sein Heldenleben.
Eine Hoffnung hält noch von den Lippen
Ab des Todes Finger: seine Liebe;
Ob Isotte nicht, die Vielgeliebte
Nahen würd'? Ihr Anblick, ihrer Augen
Strahlen, ihrer Nähe Zauberkreise,
Ihrer Finger heilende Berührung,
Wunderthätig konnten sie vom Tode
Den dem Tode schon Verfallnen retten.

Kunde war ins Brittenland gegeben:
Eine segelschnelle Barke hatt' er
Hingesendet, ob Sie nicht mit Listen
Nahen könnte, wie sie oft mit Listen
Schlau getäuscht den guten König Marke.
Und der Rückkehr Zeichen sollten werden
Weisse Segel, - weisse Glückestauben!
Schwarze Segel, - schwarze Todesraben!
- Vor es Erkers Fenster stand Isottens
Namensschwester, ach! die falsch' Isotte,
Tristrans Weib, und als die Barke säumet,
Und der Todeskranke: "naht sie noch nicht,
Naht sie noch nicht?" ruft mit heischrer Zunge:
- Wo des Meeres Enden mit des Himmels
Sich vermischen, siehe! taucht' ein Segel
Jezt herauf und Schaum glänzt vor dem Ruder
Und die weisse Flagge bringt die Rettung.
Ja sie ist's, die Barke, ruft Isotte:
"Nenne schnell die Segel, nenn' in Einem
Wort mir Leben oder Tod," ruft Tristran,
Als sie will die weissen Segel nennen,
Rasch verwirrt ein Geist ihr Herz und Zunge:
Wehe! schwarze, ruft sie, seh' ich nahen.
Kaum als Er das dunkle Wort vernommen,
Decket bange Todesnacht sein Auge,
Und mit einem herzenstiefen Seufzer
Ist auf ewig hingeflohn sein Leben.
Jezt erst übermannte sie Betäubung,
Und halbtodt stürzt sie zum Todten nieder.
Schrecklich wächst die gräßliche Verwirrung,
Als im Hafen ankert jezt die Barke,
Als der Segler Hast vors Schloß herandrängt.
In der Mitte Königinn Isotte.
Wie herein sie tritt die reichen Hallen,
Und umher die sinnverstörten Diener
Scheu sie grüßen, faßt sie Todesahnung,
Und die Ahnung wird bald zur Gewißheit.
Als die Königinn heraus jezt stürzet:
"Todt! o tödte mich, die ich ihn tödtet'!
Hin ist er, durch meine Schuld gestorben."
Und nicht glauben will es noch Isotte;
Dem geliebten Leichnam doch genahet
Sieht sie, selber eine starre Leiche,
Vor der Schau, des Schreckensworts Bewährung.
Sprachlos stürzt sie nieder auf den theuren
Süßen Leichnam, sinkt auf seine Lippen,
Saugt den Tod aus seinen blassen Lippen,
Sie mit langen Thränen-Küssen drückend.
Dann erhebt sie wieder sich vom Leichnam:
"Leb' ich noch, war doch in ihm mein Leben
Einzig, Eine Seel' in zweyen Leibern!
Ungetreuer, kannst du mich verlassen
Schlage noch einmal die blauen Augen
Auf zu mir, die Liebehände reiche
Mir einmal noch, daß wir gehn zusammen,
Und vereint des Todes Hochzeit halten."
Und so sinkt sie wieder hin zum Todten,
Zu dem Herzen stürzt ihr das gepreßte
Blut, so lag sie lange; von der Leiche
Weggerissen, war - auch sie verschieden.

Eine Trauer füllt die Königshallen,
Eine Trauer füllt die Königsstadt jezt.
Todes-Töne hallen von dem Dome,
Mettgesang erklingt von den Altären
Tag und Nacht, den hingegangnen treuen
Seelen, Fried' und ew'ges Heil erflehend.
Als zwey Tage waren hingeschwunden,
Wird in langem feyerlichen Zuge
Von den Edlen seines Lands, der Priester
Schaaren und von altem Volk begleitet,
Tristrans Leib bestattet in dem Münster
St. Georgens, seines heil'gen Schützers.
Krank, von Fieberschauern wild ergriffen,
Lag die Wittwe mit verworrnem Sinne.
Todtenwache halten in des Pallasts
Unteren Gemächern um Isottens
Leiche, florumhüllte Klageweiber,
Bis der Ehgemahl sie kommt zu holen.
Aller Lauf der Freude war erstorben.
In dem einst lustklingenden Pallaste.
Die hier eingezogen, zum Pallaste
Hatt' ihn selbst, die Trauer sich erkohren.
Als nun König Marke, schnell gerufen,
Kömmt heran, die toderblich'ne Gattinn
Heim zu führen in sein Erbbegräbniß;
Als er alles, wie es sich begeben,
Ganz des Trau'rgeschickes Lauf vernommen,
Tief gerührt erseufzt er, jede Zornes-
Regung, jede Scheelsucht jezt vergessen:
"Also mußt' es enden, so sich wenden!
Und mich mußte Thorensinn verfinstern
Gegen den verhängnißvollen Becher!
Hätt' ich früher sie ihm hingegeben,
Lebten noch die beyden theuren Leben
Eins in zweyen Seelen, zweyen Leibern!
Doch vergüten will ich an den Todten,
Was ich mißgethan an den Lebend'gen.
Bleibe, wo sie starb, Isottens Leichnam!
Was das Leben, was der Tod vereinte,
Frevel wär' es, wenn ich's wollte trennen!
Da wo Tristrans Leib ruht, meines Neffen,
Vor desselben Münsteraltars Stufen
Ruh' auch meiner Gattin Leib, Isottens."
Und so hieß er einen Sarg bereiten
Aus dem köstlichsten Porphyr gehauen,
Mit der Specereyen düftereichsten
Eingebalsamt lezten sie Isotten
Mit der Königskrone, mit der goldnen,
Mit dem Königsmantel mit dem purpurn,
Reich geschmücket in des Sarges Tiefe
Und zur rechten Seite des Altares,
Wo zur Linken ward vor wenig Tagen
Tristrans Sarg versenkt in das Gewölbe,
Ward bey Requiem-Gesang, und dumpfen
Schwermuth-feyerlichen Orgeltönen
Nun versenket auch der Sarg Isottens.
Aus dem Sarge blüht' hervor ein Lilien-
Stock, ein Rosenstock aus Tristrans Sarge.
Und sie suchten sich, und schlangen, wachsend
Ueber des Altares Brüstung, beyde liebend
In einander sich, wie einst die Seelen,
Deren Leiber hier im Tode ruhten.

Aus: Taschenbuch für Damen
auf das Jahr 1821
Tübingen bey Cotta (S. 116-121)
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