Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Ernst
Moritz Arndt
(1769-1860)
Klinglieder
1.
Die Blume, die sich in der Sonne Gluthen
In süßer Lichtesliebe selig trinkt,
Weißt du, wohin ihr voller Busen winkt?
Wohin die Seelchen ihrer Blätter fluthen?
Ist's nur die Menschenbrust, die steigt und sinkt,
Sind's Menschenseelen nur, die brünstig bluten
Und sich verzehren in den Feuergluthen,
Wo Liebe Tod im Born der Liebe trinkt?
Sieh der verborgnen Seelen zarte Scheine -
Unselig, willst du ihren Sinn entblättern,
Unselig mehr, willst du dir selbst erscheinen:
Genieß des Tages Wonne, denk das Eine,
Wie Semele zerschmolz in Donnerwettern,
Wie Psyche mußte um die Fackel weinen.
(S. 236)
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2.
Das Herz will immer in die Weite dringen,
Das Sternenkind, die Seele, strebt zur Höhe,
Der Geist, der Flieger, stürzt sich in das Jähe,
Zur dunkeln Tiefe schnellt er rasche Schwingen.
So war in meinem Busen wildes Ringen
Der Mächte, die ich nie mit Augen sehe,
Ein Fremdling war ich mir in nächster Nähe,
Mich selbst zu kennen wollte nie gelingen.
Da kommt ein himmlisch Kind mit Himmelsscheine,
Und Weite Höhe Tiefe Nähe Ferne
Sind all' in mir in Maaß und Klang verbunden,
Und Herz und Geist und Seele im Vereine
Schau'n jetzt aus mir nach Einem hellen Sterne:
Er heißt Furina und er führt die Stunden.
(S. 237)
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Klinglieder
1.
Ihr hohen Bilder, die im Herzen prangen,
Ihr bunte holde Himmelsfantasieen,
So sollt ihr nimmer mir hier unten blühen?
So bleibt ihr ewig an den Sternen hangen?
Wie liebe Arme wollen mich umfangen!
Wie süße Augen wollen für mich glühen!
Wie süße Seelen wollen in mich ziehen!
Ich darf nach Glück und Liebe nimmer langen.
Doch bleibet, Fantasieen! bleibet, Träume!
Ihr dünne Schatten, bleibt, die ewig lügen,
Doch mehr uns halten als das dicke Leben!
Unendlich sind des Geistes Aetherräume,
Und in den Höhen, wo die Vögel fliegen,
Soll meine Lieb', ein bunter Vogel, schweben.
2.
Geliebtes Eiland, mütterliche Erde,
Wo ich von siebzehn schönen Jugendlenzen
Die Bäume und die Hügel sah bekränzen,
O Rügen, Land voll lieblicher Gebärde!
Sprich, ob ich je die Taten sehen werde,
Wovon die Bilder also lieblich glänzen,
Daß ich in andern Völkern, andern Gränzen
Stets suchen muß nach Arbeit und Beschwerde?
All deine süße Schöne mußt' ich lassen,
All deine holde Stille mußt' ich fliehen,
Ich mußt' ein größres Vaterland mir suchen.
O diesen Stolz werd' ich ihn je erfassen?
Wirst du, Germanien, noch in Freiheit blühen,
Wo Sklaven stöhnen und Tyrannen fluchen?
3.
Ich lese bunte Blumen in den Hainen,
Daß ich sie fernhin meiner Liebe sende,
Gar lustig geh'n die Augen und die Hände,
Doch die Gedanken drinnen wollen weinen.
Sie sprechen: sieh an diesen süßen Kleinen
Den Anfang aller Dinge und das Ende:
Schnell kommt des schönsten Glückes Sonnenwende,
Und traurig spielst du dann mit leeren Scheinen.
Sie sprechen: Blühten wir nicht bunt wie diese
In deiner Brust voll junger Frühlingsliebe?
Sind wir dir lieb nicht, o wie lieb! gewesen?
Kein Engel treibt dich aus dem Paradiese,
Die Stunden nicht sind deiner Freuden Diebe,
Du bist es selbst, du unruhvolles Wesen.
4.
So klingst du wieder, längst verklungner Klang?
So blüht ihr wieder, längst verwelkte Rosen?
So wollt ihr, Fantasieen, mit mir kosen,
Wie mit dem Lenz der muntre Waldgesang?
Was will dies? Wandelt nicht mein Lebensgang,
Wo Furien wild in Kriegsposaunen stoßen?
Wo Männer blutig um das Schicksal loosen?
Was täuschet mich der Himmlischen Empfang?
Gewiß, ihr Holden, habt ihr euch verirrt,
Ihr sucht den Mann nicht, dem die Locken grauen,
Ihr sucht den Mann nicht mit dem finstern Blick.
Was hör' ich? Eine süße Stimme girrt -
Was ist's, das die entzückten Blicke schauen?
O bleibe, Traum! o bleibe, träumend Glück!
5.
Was klingt mir für ein süßer Wunderschall
Mit Himmelstönen tief im tiefsten Herzen,
Gleichwie die Stimme klingt der hohen Schmerzen,
Die ewig liebekranke Nachtigall?
Was blüht ihr, längstvergangne Wonnen, all
Und zündet mir die Brust mit Himmelsschmerzen?
Und laßt die finstern Geister in mir scherzen?
O das ist Liebe, das ist Liebesschall!
O bliebst du ewig, süßer Wunderschall!
O würd' ich selber ganz zur Philomele
Und klänge mich in Liebesklagen todt!
Denn wer die Liebe hat, der hat das All,
Die Liebe ist der Seelen große Seele,
Der Götter Leben und der Götter Tod.
6.
Was ächzest du, o Seele, Turteltaube
Des Himmels? warum sehnest du dich hinnen
Dahin, wo Engelherzen liebend sinnen
Das Wohl und Weh der Pilger hier im Staube?
Sei fröhlich! Hoffnung wandelt ja und Glaube
So lieb mit dir im Wähnen und im Minnen
Und weiße Lilien, rothe Rosen spinnen
Hienieden manchen Fleck zur Himmelslaube.
Sie girrt mir zu: Zur Stillung meiner Schmerzen
Berufe alle Blumen, alle Bäume
Und lade alle süßen Nachtigallen.
Vergebens; denn mir blüht ein Gram im Herzen,
Der Liebe heißt, der sucht die hohen Räume
Und zu den Sternen geht sein ew'ges Wallen.
7.
Woher, du süßes Schmachten, frommes Wähnen,
Die sich mit Inbrunst auf zum Himmel drängen?
Die mir die heiße Brust wie Ströme sprengen
Im Ocean von Träumen und von Thränen?
Woher, du tiefes wunderbares Sehnen
Mit Todesliebe und mit Todesklängen,
Gleich jenen wonnereichen Grabgesängen,
Womit der süße Tod erklingt in Schwänen?
O in der Töne Wollust so verklingen!
In süßen Thränen Wellen gleich verrieseln!
In süßen Träumen Geistern gleich verschweben!
O Schwäne, welche mir im Busen singen,
Ihr schmölzet wohl die Brust von harten Kieseln,
Euer Sterben gäbe wohl dem Tode Leben.
8.
Wie Millionen Tropfen in den Wogen
Des Meeres lustig durch einander fliehen,
Wie Millionen süßer Blumen blühen,
Wann milde Stralen weh'n vom Himmelsbogen,
So kommen wimmelnd Geister hergeflogen,
Die jauchzend ein in meine Seele ziehen,
Die gleich den Sternen, gleich den Blumen blühen,
Und haben bunte Farben angezogen.
O seid willkommen, Seelchen meiner Seele!
Willkommen, süße Boten meiner Kleinen!
Willkommen, bunte Vögel ihrer Minne!
O grüßet meine holde Philomele,
Die klingt so hell in meines Herzens Hainen,
Die so entzücket meine trunknen Sinne.
(S. 243-246)
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Aus: Gedichte von
Ernst Moritz Arndt
Vollständige Sammlung Zweite Auflage
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1865
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