Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Luis de Camoes (1524-1579)

(In der Übersetzung von Wilhelm Storck und Ludwig von Arentsschildt)



Ohne Dich

Der sanfte Reiz der Berggeländ' und Auen,
Der laubigen Kastanien Schattenkühle,
Der laut'ren Bächlein murmelndes Gewühle,
Verscheuchend Sorg' und Leid von Stirn und Brauen;

Des Meeres dumpf Geroll, die fremden Gauen,
Der Sonne Niedergang am fernen Bühle,
Der Herden Heimzug nach des Tages Schwüle,
Der Wolken hold Gewirr im Abendgrauen;

Kurz, alles was Natur zu wonn'gem Schauer
Für Seel' und Sinn so mannigfach ergossen:
Wo Du mir fehlst, erregt es Gram und Schmerzen;

Dir fern – betracht' ich's lässig und verdrossen;
Dir fern – erweckt mir allezeit im Herzen
Gröss'rer Genuß alleinzig gröss're Trauer.

übersetzt von Wilhelm Storck (1829-1905)

Aus: Aus Portugal und Brasilien (1250-1890)
Ausgewählte Gedichte verdeutscht von Wilhelm Storck
Münster i. W. 1892 (S. 105)

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Sonette

1.
(Unerwartet)

Es ordnet flink das süße Vögelein
Mit zartem Schnabel seine bunten Schwingen,
Vom Blütenzweig die hellen Töne klingen,
Wild, regellos, im goldnen Sonnenschein.

Ein Jäger wandelt durch den Forst allein,
Müd von des Waidwerks heiterem Gelingen;
Läßt ihm durchs Herz des Pfeiles Spitze dringen,
Bereitet ihm das Nest still, kalt und klein.

So ward mein Herz vom süßen Leid getroffen,
Da es am frohsten in der Brust mir spielte,
Obschon es längst verdammt war vom Geschicke.

Aus deinem Aug, so klar, so groß und offen,
Versteckt der Schütz nach meinem Busen zielte,
Der ich geblendet war von deinem Blicke.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 3)

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2.
(Ihr Bild)

Das blonde Haar in wellenweichem Glanze,
Zusammen bald von schöner Hand gebunden,
Bald frei, vom duftgen Rosenkranz durchwunden,
Umgiebt das Antlitz, wie mit einem Kranze.

Ihr Augen, die ihr strahlt in reinem Glanze,
Hellflammend wie die Sonn' in Morgenstunden,
Die ihr das Herz, die Seele mir entwunden, -
Gut, daß die Ferne mich vor euch verschanze!

O, süßes Lächeln, das du wirst geboren,
Inmitten weißer Perlen und Korallen,
O, daß dein Echo kläng in meinen Ohren!

Wenn der Gedanke schon das Herz umstrickte,
Die Reize, die die Phantasie beschworen,
Wenn ich dich säh? – o daß ich dich erblickte.


übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 4)

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3.
(Höchstes Leid)

Was ists, was diese Welt mir könnte geben,
Daß ihr mein Herz in Liebe sollte schlagen?
Nur Ekel sah ich, Haß und Sünde ragen,
Und wie der Tod entkeimet allem Streben;

Doch sättigt nie das Leben je das Leben:
Den größten Schmerz, weiß ich, kann man ertragen,
Und giebts ein tiefres Weh – die schwersten Klagen
Hab ich gehört – ich trag es ohne Beben.

Es wollt der Tod mich jedem Leid entheben,
Das je mich treffen könnte; als entsagen
Ich jener mußt, hab ich die Furcht verloren.

Lieblosigkeit allein sah ich im Leben,
Im Tod den Schmerz, der übrig ist zu tragen,
Für dies allein, so scheints, bin ich geboren.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 5)

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4.
(Bitte)

Du meine Seele, die so früh geschieden
Aus diesem Leben, das dir nicht gefallen,
Jetzt ruhst du ewig in des Himmels Hallen,
Indeß ich leb im stäten Schmerz hienieden.

Wenn dort noch ist Gedächtniß dir beschieden,
Zu dir hinauf der Erde Klagen schallen,
O denk der Lieb, die dir einst wol gefallen,
Die du in meinen Blicken nicht vermieden.

Und wenn du glaubst, daß Etwas mög verdienen
Der Schmerz, mit dem mich dein Verlust umwoben,
Die Qual, der keine Hülfe ist erschienen:

So bitte Gott, der dich so früh nach oben
Entführte, daß ich dort dir möge dienen,
So schnell wie er dich hier dem Blick enthoben.


übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 6)

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5.
(Warnung)

In dir seh ich den Lenz, den blütenvollen,
Den jugendschönen, glänzend aufgegangen,
Denn deinen Lippen, deinen weichen Wangen
Ist Ros' an Ros und Nelk' an Nelk' entquollen.

So herrlich hat Natur dich schmücken wollen,
Mit ihrer schönsten Farben reichstem Prangen,
Daß Berg und Wald erfüllt ein heiß Verlangen,
In Liebesweh des Flusses Wellen rollen:

Doch willst du nicht, daß wer dich liebt, die Blüten
Abpflücken dürfe, sich zum Kranz zu flechten,
Wirst bald du sehn wie flüchtig sie verglühten:

Denn wenig hilft es, daß der Lieb die echten
Lustblümelein in deinem Antlitz blühten,
Trägst du im Geist des Unkrauts Wust, des schlechten.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 7)

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6.
(Erinnerung)

Wenn des Abends ist die Sonn hinab gegangen,
Die Welt erfüllt des Zwielichts heilges Schweigen,
Geh ich den Wald entlang, umrauscht von Zweigen,
Und denk der süßen Feindin mit Verlangen.

Hier seh ich wehn der goldnen Locken Schlangen,
Dort auf die Hand das schöne Haupt sie neigen,
Bald froh, bald trüb, wie ihr allein es eigen,
Jetzt ruhte sie, jetzt ist sie fort gegangen.

Hier saß ich, hier hat mich ihr Blick getroffen,
Als sie die hellen Augen aufgeschlagen,
Bald stolz und bald doch auch, als dürf ich hoffen;

Hier lachte sie und dort hört ich sie klagen:
Und solchem eitlem Sinnen immer offen,
Muß ich des Lebens leeres Nichts ertragen.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 8)

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7.
(Hoffnungslos)

In dieser Glut wird sich kein Thier erheben,
Liso allein fühlt nicht den Mittag tagen;
Den Flammen, die er muß im Innern tragen,
Kann, die er liebt, allein nur Kühlung geben.

Es scheint als ob die Berge selbst erbeben
Bei seiner Qualen bangen Trauerklagen,
Doch an ein Steinherz sie vergebens schlagen,
Das einer andern Liebe ist ergeben.

Vom Wandeln in dem Dickicht ganz ermattet,
In einen Buchenstamm hat seiner Schmerzen
Die trüben Trauerworte er geschrieben:

"Hofft nicht auf Weiber, die ihr lieb einst hattet,
Denn also schuf Natur die leichten Herzen,
Daß sie im Wechsel nur beständig blieben."

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 9)

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8.
(Gelöstes Räthsel)

Auf seiner Mutter Schooß im Schlaf versunken,
Ruht Amor, und so schön, daß er erreget
Das Herz selbst, das ihn sonst schaut unbeweget,
Daß er die Mutter selbst macht liebestrunken.

Im Anschaun ist sie ganz in ihn versunken,
Der diese Welt in Leid zu stürzen pfleget;
Doch jener leis' im Traum die Lippen reget:
"Du bist es die zum Brand aufschürt den Funken."

Saliso, der im Liebesspiel erfahren,
Und der das Wesen Beider früh erkannte,
Spricht so, des Räthsels Sinn zu offenbaren:

"Ob mich des Knaben Pfeil auch oft verbrannte,
Vor dessen Gift ich nie mich konnt bewahren,
Der Mutter Schönheit tiefern Schmerz doch sandte."

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 10)

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9.
(Liebeszauber)

Der Augen zartes, sanftes Umsichschauen,
Ohn daß man sieht wohin; fast wie erzwungen
Ein lieblich Lächeln, demuthsvoll durchdrungen,
Darin man glaubt, Frohsinn versteckt zu schauen;

Schamhaftes, ruhiges Sichselbstvertrauen;
Ein Herz, vom tiefsten Frieden eng umschlungen;
Und ein Güte, die allein erklungen,
Wo wolkenlos der Seele Himmel blauen;

Und eine Sanftmuth und ein furchtsam Wagen;
Ein Bangen, ohne Schuld, ein heitres Blicken;
Ein langes und gehorsames Ertragen:

Das sind die Reize, welche mich umstricken,
Das Gift der Circe, dem die Kraft erlegen,
Deß, den verwandelt hat ihr zauberisch Nicken.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 11)

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10.
(Ferne)

Die ihr durchströmt, des Tajo weiche Wellen,
Die Wiesen, deren Grün eur Kuß erneuet,
Die Pflanzen ihr und Blüt und Blatt erfreuet,
Das Herz des Hirten machet fröhlich schwellen:

Ich weiß nicht ob ich deinen Lauf, den schnellen,
Mein süßer Strom, je wieder seh; es scheuet
Ein krankes Herz, deß Glück ist all zerstreuet,
Die Hoffnung selbst, sich dir noch zu gesellen:

Denn also hat es das Geschick beschlossen,
Daß es, in dem mir andre Sterne tagen,
Mich übergab dem Schmerze zum Genossen:

Sehnsucht nach dir, das Leid das ich muß tragen,
Um jene klagt, durch andre Lüft ergossen,
Und andre Wellen stören meine Klagen.


übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 12)

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11.
(Widerspruch)

Die Liebe ist ein unsichtbares Feuer;
Ist eine Wunde, deren Schmerz verborgen;
Zufriedenheit, die Streit gebiert und Sorgen;
Ein Schmerz, der schmerzlos schmerzet ungeheuer;

Verlangen, dem nichts ist und alles theuer;
Ein einsam in der Menge sein verborgen;
Ein Glück, das von dem Unglück stets muß borgen;
Gewinn verleihender Verlusterneuer;

Ein sich freiwilliges Gefangengeben;
Des Siegers Sieger ists ein willig Dienen;
Ist eine Treue, die den Tod uns bringet:

Doch könnte je zur Harmonie verschweben
Im Menschenherzen, da sie ist erschienen,
Die Lieb, die stets in Dissonanzen klinget?


übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 13)

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12.
(Gleiches Schicksal)

Es ist dem bunten Schmetterlinge eigen,
Daß, wo er sieht der Kerze Flamme blinken,
Er sie umkreisen muß, in sie versinken,
Bis seine Asche hüllt des Todes Schweigen:

Demselben Schicksal wird mein Loos sich neigen:
Ich eile deiner Augen Glanz zu trinken,
Die mir zum Tode um so sichrer winken,
Als ich verständig wähne mich zu zeigen.

Ich weiß wie viel die trunknen Blicke wagen,
Ich weiß wie hoch sich heben die Gedanken,
Und daß des Todes Schwingen mich umschlagen:

Doch duldet Liebe kein unsichres Schwanken,
Noch meine Seele, die den Schmerz zu tragen,
Als ihren größten Ruhm dir mögte danken.

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 14)

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13.
(Eitel)

So oft ich auf die Zeit schau, die vergangen,
Hab Reue des Geschehnen ich empfunden;
Ich sah, daß all die Zeit umsonst entschwunden,
Daß thöricht war mein Hoffen und mein Bangen.

Nach meinem Leid nur trug ich heiß Verlangen!
Was ich erreicht, schlug stets mir tiefste Wunden;
Wenn ich des Glückes wärmsten Kuß empfunden,
War auch die letzte Hoffnung schon vergangen.

Die Schlösser, die die Phantasie erhoben,
Im Augenblick, da ich den Giebel kränzte,
Sah ich sie, wie ein Morgentraum, zerstoben.

Wie manchen Trug hat diese mir gewoben!
Ein leerer Hauch ist, was so golden glänzte;
Weh dem der hofft! weh, wer vertraut auf Oben!

übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 15)

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14.
(Verwandlung)

Was lockst ihr mich, der Sehnsucht süße Lieder?
Mit welcher Hoffnung wollt ihr mich betrügen?
Vergangne Zeit wird sich zurück nicht fügen,
Und thäte sies, die Jugend kehrt nicht wieder.

Schon senkt die letzte Stunde ihr Gefieder!
Die Tage flohn in leichtbeschwingten Zügen;
Ich glaube jetzt nicht mehr an süße Lügen;
Vor einem andern Geiste sink ich nieder.

Verwandelt ist, was ehmals mich entzückte,
Ein andres worden, und in diesen Tagen,
Muß ich verdammen, was mich einst beglückte.

Es ließ das Schicksal mir der Wünsche keinen
Nach künft'gem Glück aus meines Irrthums Tagen,
Die nur nach meiner Ruhe lüstern scheinen.


übersetzt von Ludwig von Arentsschildt (1807-1883)

Aus: Völkerstimmen von L. von Arentsschildt
Portugal. Spanien. Italien. Schottland. England
Hannover 1847 (S. 16)

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