Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Giosue
Carducci (1835-1907)
(In der Übersetzung von Paul Heyse)
Mit einem Bilde des Ariost
An Frau ***
Dies Bildniß, edle Frau, darin wir schauen
Des göttlichen Lombarden Angesicht,
Trägt es den Abglanz großer Träume nicht
Auf dieser mächt'gen Stirn, den festen Brauen?
Der Glückliche! Voll durft' er im Gedicht
Sich seine heitre, kecke Welt erbauen
Und dann nicht länger sehn die ird'schen Auen,
Ihr tristes Grün, ihr bleiches Himmelslicht.
Noch mehr beglückt, daß keine Fürstengunst,
Noch Volkesgunst, die wankelmüth'ge Dirne,
Kein theologisch Liebchen nur ihn kränzte.
Ein schöner Mund belohnte seine Kunst,
Die Gluten kühlend seiner Dichterstirne
Mit Küssen, daß sie wie ein Stern erglänzte.
(S. 96)
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Wo weilst du jetzt? Wem glänzt der schöne Strahl
Der lachend heitren Augen, du mein Leben?
Wem tönt der sanften Stimme süßes Beben,
Das aus dem Tiefsten deiner Brust sich stahl?
Ruhst du gedankenvoll im blum'gen Thal,
Wo frische Winde gaukelnd dich umschweben?
Hast du die schönen Glieder hingegeben
Der Flut, so wonnig und so wild zumal?
Ach, wo du seist, ob wollustvoll die Luft,
Ob sich die Welle mit geheimem Klingen
An deinen Nacken schmiegt, an Mund und Wangen:
's ist meine Liebe, die dich sucht und ruft,
In Allem, was du fühlst von holden Dingen,
Sich an dich drängt zu ewigem Umfangen.
(S. 98)
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übersetzt von Paul
Heyse (1830-1914)
Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang (darin: Italienisches Liederbuch)
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 4
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 1999
(Nachdruck der Ausgabe Berlin 1889)
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