Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Arturo
Colautti (1851-1914)
(In der Übersetzung von Paul Heyse)
Helena
Wie ein Altar dampft Ilion empor,
In das voll Blut Achäerrache zieht.
Priamus starb, sein frommer Sohn entflieht,
Helena blieb, die jeden Freund verlor.
Ihr grimmer Gatte stürmt vom skäischen Thor
Und ruft nach ihr, die ehrlos ihn verrieth.
Voll ist der Sieg erst, wenn auch sie verschied,
Die über Hellas so viel Weh beschwor.
Dem Windeshauch den stolzen Busen offen,
Dem Schicksal trotzend, steht die Wunderschöne
Hoch aufrecht auf dem rauchenden Felsengrund.
Der Wilde stutzt, von diesem Glanz betroffen,
Denkt nicht des Tods so vieler Hellassöhne,
Und statt des Schwerts trifft ihre Brust sein Mund.
(S. 186)
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Eva
Die du zuerst zu lügen dich erfrecht,
Geheime Wollust in der Sünde spürtest,
Und gottlos die verbotne Frucht berührtest,
Dich zeichnete der alte Seher schlecht.
Falsch ist der Bibel Wort. Erwäg' ich's recht:
Dein Liebreiz war's, mit dem du Flammen schürtest,
So weit die Erde reicht, und du verführtest,
Die schöne Schlange, deines Willens Knecht.
Nicht von dem blöden Adam stammen wir,
Den schreckt' ein Äpfelchen; nein, wir entsprossen,
Ein unstät lüsternes Geschlecht, dem Teufel.
Du hast nach allem Schönen die Begier
Uns eingeflößt, die Lust an süßen Possen,
Sodann den frevlen Hochmuth und den Zweifel.
(S. 186-187)
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übersetzt von Paul
Heyse (1830-1914)
Aus: Paul Heyse Italienische Dichter in Übersetzungen
Lyriker und Volksgesang Neue Folge
Gesammelte Werke (Gesamtausgabe)
Reihe V Band 5
George Olms Verlag Hildesheim Zürich Neu York 2002
(Nachdruck der Ausgabe Stuttgart Berlin 1905)
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