Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Angel Maria Dacarrete
(1827-1904)
(In der Übersetzung von Otto Braun)
Gefangen
Wer sich der Seele Frieden zu bewahren,
In Mädchenaugen, wie in andre, blickte,
Wer nie in holden Reizen sich verstrickte,
Hat Liebes auch und Leides nicht erfahren.
Was half's, daß ich, der sich an schönen Haaren
Und Augen nur vorübergeh'nd erquickte -
Wie manchen Pfeil der lose Gott auch schickte -
Doch stets entfloh so lockenden Gefahren?
Du hältst mich nun mit goldnem Netz umsponnen
Und führst mich, reizgeblendet, in der Irre
Durch Labyrinthe nie geahnter Wonnen.
Das wilde Herz, es ist nun taubenkirre:
Das jeder Fessel fröhlich sonst entronnen,
Hofft nun, daß diese nimmer sich entwirre.
Übersetzt von Otto
Braun (1824-1900)
Aus: Aus allerlei Tonarten
von Otto Braun
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1898
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolge (S. 40)
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Vielleicht
Bald wird es Nacht, schon düster sind die Gassen,
Ich will mich still zu ihrem Fenster schleichen;
Vielleicht daß meine Blicke sie erreichen,
Daß meine Arme liebend sie umfassen!
Und mag sie mich aus tiefster Seele hassen,
Mag Liebe nicht zur Lieb' ihr Herz erweichen,
Mag jeder Stern der Hoffnung mir erbleichen -
Ich kann von ihr, dem Engelsbild, nicht lassen.
So zieht der Mond in frommer, treuer Minne,
Ob sie auch stets das Antlitz von ihm wende,
Der Sonne nach, sie bräutlich zu umfangen.
In allem, was ich thu' und fühl' und sinne,
Ist sie des Lebens Anfang mir und Ende,
Und all mein Sein ist in ihr aufgegangen.
Übersetzt von Otto
Braun (1824-1900)
Aus: Aus allerlei Tonarten
von Otto Braun
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1898
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolge (S. 41)
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