Veronica Gambara (1485-1559)
(in der Übersetzung
von Martin Opitz)
Sonette
XVII.
Sie redet die Augen jhres Buhlen an / den sie vmbfangen
SO offt' ich ewren Glantz / jhr hellen Augen / schawe /
Bin ich in grosser Lust vertäufft so hoch vnd weit /
Daß ich mich frewen muß auch in Trübseligkeit
Vnd eusserster Fortun / in dem ich auff euch bawe.
Hergegen Schätz' ich mich für die betrübtste Frawe /
Wann jhr nicht wie zuvor geneigt vnd freundlich seyd:
Ich bin mir selber gram / mein Leben ist mir leidt /
Dieweil ich euch nicht hab' auff die ich einig trawe.
Ihr jrrdisches Gestirn' / jhr sterblichen Planeten /
Ihr meine Sonn' vnnd Mond' / jhr / die jhr mich könnt tödten/
Ohn euch ist alle Lust nichts als ein blosses Bild.
Was wundert jhr euch dann / daß ich zu euch muß eilen/
Mein bester Trost? es fleucht ein jeder für den Pfeilen
Des Todes / wider welch' jhr seyd mein starcker Schild.
(S. 704)
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XIIX.
Sie klaget vber Abwesen jhres Buhlen
WAnn die zwey Augen nicht sich eilends sehen liessen /
Die meines Hertzens Lust sind wider alles Leid /
Die mir in Angst vnd Noth verleihen Sicherheit /
So würde / förcht' ich nur / mein Leben weg gerissen.
Es werden alle Bäch' ohn einen Tropffen fliessen /
Es wird die gantze Welt zu fallen seyn bereit /
Es wird des Himmels Lauff / der Meister aller Zeit /
Wie Nebel / Wind vnd dampff sein Thun vnd Art beschliessen /
Eh' als ich ohne sie vermag allhier zu leben.
Sie sind mein Auffenthalt / in jhnen lern' ich eben
Des grossen Himmels Lauff / als eine weise Fraw.
Ihr Sternen die jhr mußt auff vnser Leben sehen /
Wird es / eh' ich zu euch verreis' / auch je geschehen /
Daß ich jhn / oder ja den letzten Tod anschaw?
(S. 705)
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XIX.
Sie redet sich selber an / als sie bey jhm wieder ausgesöhnet
DV hochgeborne Fraw / die du so reich gezieret
Bist mit des Himmels Güt' vnd Gaben mannigfalt /
Der dich verehret hat mit edeler Gestalt /
Daß seine hohe Macht recht werd' in dir gespühret /
Inkünfftig weiter nicht zu klagen dir gebühret;
Es sind hinweg gethan der Haß vnd die Gewalt /
Die zwar bißher dein Feind / doch Trost vnd Auffenthalt /
Mehr als zu lange Zeit hat wider dich geführet.
In einem Huy wird dir das Glücke gantz geneiget;
Die Sonne hat sich bloß nur darumb trüb' erzeiget /
Auff daß sie deinen Sinn recht zu erkennen krieg'.
Jetzt ist der helle Schein / das klare Licht vernewet /
Ihn hat nun gantz vnd gar der Härtigkeit gerewet:
Je grösser Vbel war / je schöner ist der Sieg.
(S. 706)
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XX.
Vber den Ort / da sie jhren Adonis zum ersten vmbfangen
IHr schönen Wasserbäch' / jhr Vfer an den flüssen /
Da sich des Himmels Lufft erzeigt sehr hell vnd klar /
Vnd fast an euch erschöpfft die Gaben gantz vnd gar /
Die ander' örter sonst sehr sparsamlich geniessen.
Wann dieses mein Sonnet so wol sich köndte schliessen /
Als es von Hertzen geht / so macht' ich offenbahr
Durch diese Reimen euch vnd ewrer Gaben Schar;
Man solte weit vnd breit hiervon zu reden wissen.
Nun aber mein Verstand des Ruhmes hohe Zinnen
Vnnd ewer rechtes Lob nicht wird ersteigen können /
So weichet vnd erliegt der viel zu enge Sinn.
Die Hand ist viel zu schwach / die Zunge steht gebunden;
Doch hab' ich grosse Frewd' vnnd Lust bey euch empfunden
Vor die wil ich hernach euch rühmen weil ich bin.
(S. 707)
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XXI.
An jhres Liebsten Augen / als sie jhn küsset
IHr Wohnhaus vnd Losier der Liebe / laßt empfinden
Mich ewren schönen Glantz / zu euch mein Firmament /
Zu euch / jhr Augen / ich mein Hertz' vnd Sinnen wend' /
Auff daß mein Finsterniß kan durch diß Liecht verschwinden.
Wann sich der helle Glantz vnd güldnen Stralen finden /
Alsbald wird meine Klag' vnd alle Noth geendt;
Mein Hertze wird so froh daß es sich selbst nicht kennt /
Kein Trawren darff bey mir zu seyn sich vnterwinden.
Von euch / jhr Quell der Lieb' / jhr meine beste Rhu /
Kömpt alle Lebenslust vnd alles Gut mir zu /
Was mir in dieser Welt verehren kan das Glücke:
Seyd derentwegen mir gewogen vnd geneigt. /
Vnd durch die Treffligkeit die sich bey euch erzeigt,
Zieht mein betrübtes Hertz aus Todesnoth zu rücke.
(S. 708)
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XXIII.
An den Westwind
DV West der auff den Lentz die Lust der Felder heget /
Den Venus ausgeschickt biß an das schwartze Meer /
Sag' hast du keinen Staub gebracht mit dir anher /
Den mein geliebter Buhl an seinen Füssen treget?
Ach hast du / wann sein Hertz' aus Liebe sich beweget /
Nicht seines Athems was gefangen ohngefehr /
Vnd jhn durch deine Lufft geraubt / als du vnd er /
Der Venus den Geruch der Liebligkeit erreget?
Viel mehr wird Spanien von mir als Rom geschätzt /
Ist es mit Blute gleich durch grimmen Krieg genetzt:
Mein Buhl ist jetzund da / so muß ich es erhöhen.
Ach Westwind / hole mir ein Stäublein dieser Stund' /
Ein eintzig Säufftzerlein aus seinem roten Mund':
Hier thue es in den Brieff darauff die Reime stehen.
(S. 709)
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XXIII.
Warumb sie nicht mehr von Buhlerey schreibe
IN vppiger Begiehr / in vnbedachtem Sinn /
Vnd zwischen furcht' vnd trost' hab' ich bisher gestrebet /
Jetzt trawrig / jetzt in Lust vnd Fröligkeit gelebet /
Weil ich des Glückes Spiel vnd Ball gewesen bin.
Bald hab' ich nur in Angst gesucht Frewd' vnd Gewinn /
Vnd in der Threnen Bach ohn' Vnterlaß geschwebet;
Bald hab' ich wiederumb an Vppigkeit geklebet:
So floß die junge Zeit gemählich von mir hin.
Nun aber ich jetzt bin auff anders was bedacht /
Sag' ich: jhr liebsten Verß / ich geb' euch gute Nacht
Ich wil mich künfftig gantz zu schweigen vnterfangen.
Doch kömpt mich bald die Lust zu schreiben wieder an/
So daß ich meine Hand nicht länger halten kan /
Wann mir das Thun einkömpt das ich zuvor begangen.
(S. 710)
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übersetzt von Martin Opitz
(1597-1639)
Aus: Martin Opitz
Gesammelte Werke Kritische Ausgabe
Hrsg. George Schulz-Behrend, Anton Hiersemann Stuttgart 1989
Band II 2. Teil
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