Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Stéphane
Mallarmé (1842-1898)
(In der Übersetzung von Richard von Schaukal)
Belanglose Bittschrift
Fürstin! Das Schicksal einer Hebe zu beneiden,
die zu der Lippen Kuß auf dieser Tasse steigt,
verbrauch ich meine Glut, doch ist mein Rang bescheiden,
nackt selbst wird ein Abbé auf Sèvres nicht gezeigt.
Ich kann mich nicht in deinen bärtigen Schoßhund kleiden,
und weil auch Naschwerk, Schminke, Spieltand von mir schweigt,
doch deine Blicke mich geschloßnen Lids nicht meiden,
Du Blonde, der ein Gott als Goldhaarschmied sich neigt:
Laß mich ... von der so zahlreich himbeerfarbnes Lachen,
zu zahmer Lämmer Trupp vereint, bei allen grast,
in Wünschen weidend, blökend, wann Begierde rast,
laß mich ... daß Amor ihn auf seine Fächerschwinge
mal', wie er Flöte fingernd es zum Schlafen bringe,
Fürstin, laß mich dein Lächeln als sein Hirt bewachen!
(S. 19)
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Frau, nicht zu viel Glut auf einmal angefacht:
grausam, zerrissen oder müde gar des reinen
Purpurkleides, öffnet es die Rose, weinen
zu hören den Demant in ihres Fleisches Nacht,
nein, ohne solches Übermaß an Tau und sacht,
noch Wind, weicht schon mit ihm Gewitterhimmel, keinen,
dem schlichten wahren Tagfürtag des Fühlens einen,
ich weiß nicht welchen Raum eifrig herbeigebracht:
dünkt Dich nicht auch, sag's nur mit mir, daß jedes Jahr,
das Gnade spendend sich auf Deiner Stirn erneut,
genüge, manchem Anschein nach, und mir nun gar,
dem Fächer gleich erstaunt, der frisch im Zimmer haucht,
daß von so wenig, als es hier Erregung braucht,
belebt, uns die vorlängst eintönige Freundschaft freut?
(S. 75)
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O so lieb von fern und nah und weiß, meine Mary, so
köstlich Du, daß ich denken muß, in Träumen befangen,
an einen seltenen Balsam, den Lüge nicht habe gelangen
lassen auf Blumengerät von Kristall im Finstern wo.
Weißt Du's? Ja! Für mich ist es Jahre schon, immer schon, o,
daß mir Dein strahlendes Lächeln derselben Rose Prangen
verlängert samt ihrem schönen Sommer, der untergegangen
im Damals wie dann in den Fluten der Zukunft ebenso.
Mein Herz, das manchmal nachts darnach trachtet, sich zu erkennen
oder Dich mit dem zärtlichsten aller Worte zu nennen,
schwärmt von dem einen, das nichts als geflüstert nur Schwester Dich
heißt,
wär es, Schatz Du sehr großer und Köpfchen so kleines Du, nicht,
daß Du mich in was weit anders Lieblichem unterweist,
wie es ganz leise der Kuß nur in Dein Haar hinein spricht.
(S. 77)
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Das Haar erst seine ganze Fülle zu entfalten
Flug einer Flamme nach der Wünsche fernstem West,
das jetzt - ein Prachtgeschmeide stirbt - auf seinen alten
Herd, die von ihm gekrönte Stirn, sich niederläßt,
doch ohne Gold nun seufzen, da die so lebendige
Wolke, Feuers Glut, innen stets angefacht,
vom Anfang an allein, fortwährend, die beständige,
in dem Juwel des Augs, das wahr blickt oder lacht,
des Helden nackte Zärtlichkeit schmählich versehre,
Sie, die am Finger Feuer nicht noch Stern bewegt
und, nichts als Weib zu sein in seiner schlichten Hehre,
strahlend mit ihrem Haupt das Werk zum Ziele trägt:
Rubinen auf den Zweifel, den sie schält, zu säen,
wie eine Fackel froh ihr Schirmamt zu versehen.
(S. 101)
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Welche Seide, in Düften verjährt,
wo die Wahngebilde versiegen,
wär, Dein Wuchs dem Spiegel entstiegen,
die lockige Wolke wert!
Wenn's besinnliche Fahnen verzehrt
durchlocht da draußen zu fliegen:
mit im nackten die Blicke zu wiegen
ist Dein Haar als Genüge gewährt.
Nein! Der Mund wird nicht früher gewiß,
etwas zu kosten beim Biss,
eh Dein fürstlicher Freund nicht erzwingt,
daß der Schrei, der nach Ruhm sich entringt,
aushaucht in die stattliche Tracht,
die den Demant ersticken macht.
(S. 123)
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Übersetzt von Richard
von Schaukal (1873-1942)
Aus: Stéphane Mallarmé Gedichte
Zweisprachige Ausgabe
Deutsch von Richard von Schaukal
Mit Nachwort und Anhang
Verlag Karl Alber Freiburg im Breisgau [1947]
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