Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Adam Mickiewicz (1798-1855)

(In der Übersetzung von Peter Cornelius und Heinrich Nitschmann)



An Laura

Kaum sah ich Dich, so fühlt' ich Flammen sprühen;
Aus fremdem Auge schien mir's traut entgegen,
Und heimlich Roth sah Deine Wang' ich hegen
Gleich Rosen, wachgeküßt vom Tag, dem frühen.

Kaum hob Dein Sang an, fühlt' ich Thränen glühen,
Und mir dein Lied, so tief das Herz erregen,
Als tönt ihm aus der Höhe Engelsegen,
Als sollt ihm alle Seligkeit erblühen.

O laß mich, Theure, Dir im Aug' erkennen,
Ob Liebe ihre Macht an dir erprobet!
Und muß ich, wenn Geschick und Welt uns trennen,

Dich fliehn, von Gluthen hoffnungslos durchtobet:
Wer dich auch Braut hienieden möge nennen,
Im Himmel hat Dich Gott mir anverlobet.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 7)
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Nur mit mir selber kann ich Zwiesprach pflegen;
Jed' Wort zu Andern macht mein Herz erweichen;
Vor Augen flammt es mir, die Wangen bleichen;
Laut fragen Fremde meines Aussehn's wegen,

Und tiefre Sorgen hör' ich Freunde hegen.
Das quält bei Tag mich; möcht ich vor den Streichen
Der Schmerzen in's Asyl des Traums entweichen,
So seh' ich Fieberbilder wirr sich regen.

Auf raff' ich mich, und wandle, fest zu pressen
In's Hirn die Gründe, mich gekränkt zu zeigen,
So tausendmal beschworen und vergessen;

Doch seh ich Dich, so wundert mich, wie eigen
Ich ruhig bin und eiskalt und gemessen,
Um dann auf's Neu zu glühn, auf's Neu zu schweigen.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 8)
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Kein höchster Schönheitszauber ist Dir eigen;
Dein Wort ist schlicht und einfach deine Weise;
Doch fehlen nie Verehrer Deinem Kreise,
Die sich, wie einer Königin, Dir neigen.

Jüngst Abends klang im Saal Gespräch und Reigen;
Ich hörte Deinen Freundinnen zum Preise
Manch lautes Lob und zartes Scherzen leise;
Du kamst – da herrschte rings ein heil'ges Schweigen.

So wenn ein Festmahl ging zum Tanze über,
Wird's mitten oft im Wirbeln, Drängen, Rennen
Auf einmal still, und Alles staunt darüber,

Und niemand weiß der Stille Grund zu nennen.
Der Dichter spricht: "Ein Engel fliegt vorüber!"
Ein Gast, den Alles ahnt, doch Wen'ge kennen.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 9)
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Begegnung im Haine

"Du bist es, und so spät?" – "Bin irrgegangen
Im Wald beim trügerischen Mondenscheine." –
"Und hast du mein gedacht?" – "Du weißt, das eine
hält einzig all mein Denken ja gefangen!"

"Gib deine Hand! Reich mir zum Kuß die Wangen!
Du bebst! Weshalb?" – "So spät und so alleine
Schreckt mich der Wind und Uhuschrei im Haine;
Wir tun nicht recht – ich fühle solch ein Bangen!"

"Sieh meine Stirn, mein Aug'! Zeigt' das Vergehen
Je solche Stirn, hat Angst so kühn wohl je geschaut?
Gott! Ist es Schuld, wenn wir beisammen stehen?

Ich sitze weit von dir, du hörst kaum einen Laut
Von mir in unserm Spiel; denn nur als Himmelsbraut
Darf ich dich, du mein ird'scher Engel, sehen."

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 10)
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Die Frömmler schmähen uns

Die Frömmler schmähen uns; die Spötter fragen,
Wie wir, da wir so traulich uns gefunden,
Durch Jugendmut und Liebesdrang verbunden,
Die Zeit vertun mit Weinen, Seufzen, Zagen?

Ich kämpfe mit mir selbst, du willst verjagen
Die Hoffnung selbst, die lächelnd wohl auf Stunden
Die Fessel löst, mit der uns Gram umwunden;
Wir mißverstehn der eignen Herzen Schlagen.

Ist's Weh, ist's Wonne? Wo uns nichts darf trennen,
Am Hauch dir, Hand in Hand gepreßt, entbrennen,
Darf ich, Geliebte, darf ein Weh ich's nennen?

Doch wenn die Wangen glühn von Tränenfluten,
Wenn Seufzer wehend mehren nur die Gluten,
Ist's Wonne dann, wovon die Herzen bluten?

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 11)
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Morgen und Abend

Der Osten glüht im Morgensonnenscheine;
Im Westen muß des Mondes Glanz nun enden;
Der Rose Knospen sich zur Sonne wenden;
Das Veilchen steht im Tau, als ob es weine.

Ich grüße kniend Laura, die das feine
Goldhaar am Fenster teilt mit weißen Händen.
Sie fragt: Warum so trübe Blicke senden
Des Monds und Veilchens Antlitz, und das meine?

Am Abend tönt mein Lied, die Lust zu loben,
Wie nun der Mond in voller Pracht erglühe,
Wie sich das Veilchen taugestärkt erhoben,

Wie Laura schöner noch im Fenster blühe
Der Rose gleich, von Abendduft umwoben! –
Ich aber knie betrübt, wie in der Frühe.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 12)
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Resignation

Unselig ist, wen Liebe läßt verzagen,
Unsel'ger noch, wer Liebe nie erstrebet,
Doch am unseligsten, wer lieblos lebet
Und kann doch einst'ger Liebe nicht entsagen.

Will eitle Lust ihn weich in Fesseln schlagen,
Wehrt ihm Erinn'rung, die im Herzen bebet,
Und wenn ein Engel lächelnd vor ihm schwebet,
Wie dürft' er auf so heil'ge Spur sich wagen?

Getheilt in Weltverachten und Bereuen,
Flieht er die Dirne, muß die Göttin meiden,
Der Lust entsagen, von der Hoffnung scheiden;

Sein Herz, das keine Blüthen mehr erfreuen,
Gleicht einem öden Opferhain der Heiden,
Den Götter flohen, den die Menschen meiden.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 15)
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An ***

Du schaust mich an! Du seufzest! Weh' Dir, wehe!
Kennst Du das Gift nicht in dem Aug' der Schlangen?
Macht nicht ihr Athem Dir das Herz erbangen?
Flieh'! daß Dein Leben nicht in Reu' vergehe!

So fromm noch blieb ich, daß ich Dir gestehe:
Du weckst in mir unheiliges Verlangen!
O flieh', daß nicht von meinem Loos umfangen
Ich dich durch mein Verderben leiden sehe!

Ich lieb' die Lust, doch kann ich stolz entsagen;
Du bist so jung – ich alt in jungem Leben;
Dein Platz ist, wo des Frohsinns Grazien schweben,

Der meine, wo Erinnrungsmale ragen.
Blüh', junger Epheu, blüh' hinauf um Reben!
Laß ab, zu grünen über Sarkophagen!

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 16)
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Zum erstenmal kann froh ich Fesseln tragen;
Ich schau' Dich an, doch ohne Herzenskranken,
Ich denke Dein, doch frei sind die Gedanken,
Ich liebe Dich, doch ohne Gram und Zagen.

Sonst mochte Selbstsucht mir statt Glück behagen;
Sonst brachte mir den jungen Sinn zum Wanken
Ein listig Wörtchen, weißen Arm's Umranken,
Doch fühlt' in Blüthen stets den Wurm ich nagen.

Selbst als ich jener Braut geweiht mein Leben,
Wie hat mich Gluth, wie Schmerz mich da verzehret,
Wie macht noch heut ihr Name bloß mich beben!

Du hast nur Glück und Frieden mir bescheeret!
Ich preise Gott, der Dich mir hat gegeben,
Und Dich, mein Lieb, die Gott mich preisen lehret.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 17)
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Mein Lieb! Ich zittre! Wonniglich umhegte
Uns höchste Liebeslust, doch ach! mir grauet,
Daß alles Glück in Thränen Dir zerthauet,
Dir, die schon jeder tiefste Schmerz bewegte.

Ist's Deine Schuld, daß mich zu Lieb' erregte,
Was Dir von Lippen lacht, vom Auge blauet,
Daß Du zu sehr der eignen Kraft vertrauet,
Daß Gott solch' Glüh'n in unsre Seele legte?

Und sah'n wir Tage, Wochen nicht vergehen,
Umweht von Einsamkeit, der lockend süßen,
Und kämpften, stolz, im Kampfe zu bestehen?

Nun knie' ich weinend zu des Altars Füßen!
Nicht mag Verzeih'n ich meiner Schuld erflehen!
O lasse Gott nur Dich nicht dafür büßen!

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 18)
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Guten Morgen

Guten Morgen! – Halb in Edenhainen
Schwebt ihr Geist, und in den Lilienwangen
Blieb er halb zurück, wie Sonnenprangen
Zwischen Wolken und dem Blau, dem reinen.

Guten Morgen! – Strahlen durch die feinen
Seidnen Wimpern schon in's Aug' ihr drangen;
Mücklein neckend auf dem Mund sich schwangen;
Guten Morgen! Lieb' und Sonne scheinen!

Hatte Dir ersonnen süß'res Ständchen!
Doch Du schliefst so süß! Nun laß dich fragen:
Wachst du fröhlich auf und ohne Klagen?

Guten Morgen! Reich' zum Kuß Dein Händchen!
Ich soll gehn? – So schlüpf in Dein Gewändchen!
Laß Dir draußen Guten Morgen sagen!

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 19)
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Gute Nacht

Gute Nacht! Nun laß die blauen Schwingen
sanft um Dich den Gott des Traumes schmiegen!
Gute Nacht! Die Thränen laß versiegen!
Gute Nacht! Laß Ruh' den Schmerz bezwingen!

Gute Nacht! Laß noch im Ohr Dir klingen
Liebesworte, Dich in Schlaf zu wiegen.
Eh' die Sinne ganz im Traum entfliegen,
Laß mein Bild den letzten Gruß Dir bringen!

Gute Nacht! Den Blick noch einmal wende!
Gib die Wange! Gute Nacht! Laß führen
Dich zu Bett! Gib noch zum Kuß die Hände!

Gute Nacht! Du fliehst? Du sperrst die Thüren?
Gute Nacht denn! geh doch, eh' wir's spüren,
Sonst mit "Gute Nacht" die Nacht zu Ende!

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 20)
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Guten Abend

Guten Abend! Schönster Gruß von allen!
Gute Nacht nicht, muß mein Aug' dich meiden,
Guten Tag nicht, darf sich's wieder weiden,
Will so schön, als "Guten Abend!" schallen.

Wenn des Abends dunkle Schatten fallen,
Glüht Dir's kühner in den Augen beiden,
Und so stumm Du sonst und so bescheiden,
Fühl' ich freier Deinen Athem wallen.

"Guten Morgen!" laß Beglückte scherzen,
Die der Tag vereint zu Lust und Plagen;
"Gute Nacht!" verlösche mild die Kerzen,

Wenn der Lieb' Entzücken hell darf tagen;
Aber heimlich still verliebte Herzen
Laß sich traulich "Guten Abend" sagen!

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 21)
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Abschied – An D. D.

Verschmähst du mich? So müßt' ich dir entsagen?
Nie warst du mein! – Thust Du's der Sitte wegen?
Du liebst ja Andre! – Fehlt's an goldnem Regen?
Das störte sonst nicht unsres Glücks Behagen!

Und hat mein Herz Dir Gold nicht eingetragen,
Bracht' ich Dir keinen edler'n Lohn entgegen,
Dir opfernd meines Lebens Glück und Segen?
Warum verschmähst du mich? Vergebnes Fragen!

Heut lernt' ich neue Habsucht an Dir kennen:
Loblieder willst Du, willst von mir sie haben,
Und weiter dann mein holdes Lieb Dich nennen.

Doch weiht' ich Dir der keuschen Muse Gaben,
Müßt' ich vor ihr in ew'ger Scham entbrennen;
Dein Name sei in diesem Lied begraben.

Übersetzt von Peter Cornelius (1824-1874)

Aus: Adam Mickiewicz Die Sonette
Deutsch von Peter Cornelius
Leipzig Reclam 1868 (S. 24)
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An ...

Ich möchte das Band von Golde sein,
Das dein Haupt umgibt mit strahlendem Schein.
Ich möchte sein das wallende Kleid,
Das deinem Busen die Hülle leiht:

Daran zu lauschen süß erregt,
Ob mir dein Herz erwidernd schlägt,
Dem Busen, den dein Hauch belebt,
Zu folgen, wie er sich senkt und hebt.

Ich möchte sein der beflügelte Wind,
Der die frischen Blumen umkost so lind;
Zwar alle die Blumen, sie lockten mich nicht,
Nur die Rosen auf deinem Angesicht.

Vielleicht, daß Gott barmherzig und mild
Dereinst mein heißes Sehnen stillt,
Daß in des Glückes sonnigem Schein
Mein Sein ganz aufgeht in deinem Sein.

Übersetzt von Heinrich Nitschmann (1826-1905)

Aus: Der polnische Parnaß
Ausgewählte Dichtungen der Polen
Übersetzt von Heinrich Nitschmann
Nebst einem Abriß der polnischen Literaturgeschichte
und biographischen Nachrichten
Vierte sehr vermehrte Auflage
Leipzig F. A. Brockhaus 1875
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