Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Adam Mickiewicz (1798-1855)

(In der Übersetzung von Carl von Blankensee)



Sonette
(in Moskau im Jahre 1826 herausgegeben)


I.
An Laura

Kaum, dass ich dich gesehen, flammt' ich von deinem Bild,
Nach altem Bündniß fragt' ich dein Aug', das unbekannte:
Und auch auf deinen Wangen das Roth erwiedernd brannte,
Wie wenn der Rose Busen der junge Tag enthüllt.

Kaum, dass ein Lied du anhubst, und meine Thräne quillt:
Die tiefergriff'ne Seele den Tönen hin sich wandte:
Mir schien's, dass sie ein Engel bei ihrem Namen nannte,
Ihr der Erlösung Stunde verkündend als erfüllt.

O Theure, lass dein Auge nicht das Bekenntniss scheu'n,
Wenn mit dem Blick, der Rede dein Herz ich nicht verfehle:
Nicht kümmert's mich, dass Menschen und Schicksal uns bedräu'n,

Dass ich dich liebend flieh'n muss und hoffnungslos mich quäle.
Mag irdisch Band dem Andern auch deine Hand verleih'n:
Bekenne nur, dass Gott mir verlobt hat deine Seele.
(S. 257-258)
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II.
Ich sprech' mit mir, mit Andern verwirrt sich mein Gedanke,
Gewaltsam schlägt das Herz mir, die Seufzer hemm' ich nicht,
Im Auge fühl' ich Funken, doch bleich wird mein Gesicht;
Laut fraget mancher Fremde, an welchem Weh' ich kranke,

Ach, oder saget leise, dass mein Verstand wohl wanke.
So quäl' ich mich die Tage; wenn dann die Nacht anbricht,
Kürzt der ersehnte Schlummer doch meine Leiden nicht:
Traumbilder, glüh'nde, schaffet mein Herz sich sonder Schranke.

Auf reiss' ich mich, enteile, präg' mir die Worte ein,
Mit welchen, Mitleidslose, ich treffen will dich schwer;
Die oftmals eingeprägten, nie fielen sie mir ein.

Doch wenn ich dich erblicke, nicht weiss ich es, woher
Auf's neu' ich ruhig werde, und kälter als der Stein? -
Auf dass auf's neu' ich flamme - und schweige wie vorher.
(S. 258-259)
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III.
Kunstlos ist deine Haltung, schlicht deiner Rede Laut,
Die Wange und das Auge, sie glänzen nicht vor vielen:
Und doch, dich sehn, dich hören lässt Jeden froh sich fühlen:
Trotz deines Hirtenkleides, die Königin man schaut.

Gestern ertönten Lieder und Unterredung laut,
Man fragte nach den Namen von deinen Mitgespielen:
Lob Einer ihnen spendet, von Andern Scherze fielen:
Du kamst - ein heilig Schweigen Niemand zu brechen traut.

So, wenn beim Mahl der Sänger zum Chor die Saiten schlug,
Wenn durch den Saal im Reihen die frohe Schaar sich wand,
Steht plötzlich sie und schweiget: verwundert jeder frug;

Doch Keiner konnte sagen, was sie für Zauber bannt.
"Ich weiss es," spricht der Dichter, "ein Engel naht' im Flug." -
Den Gast begrüssten Alle, nur er hatt' ihn erkannt.
(S. 259-260)
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IV.
Das Zusammentreffen im Hain

- Bist du es? und so spät erst? - Mich hemmten Weges Tücken,
Der dichte Wald, erhellt nur von Monds unsicher'm Schein;
Hat dich gebangt, denkst mein du? - So undankbar zu sein!
Frag', Theurer, ob was anders zu denken mir will glücken!

- Lass deinen Fuss mich küssen, lass deine Hand mich drücken:
Du zitterst? sprich, weswegen? - Weiss ich's? irr' ich im Hain,
Fürcht' ich der Blätter Rauschen, der nächt'gen Vögel Schrein;
Ach! müssen wir nicht sünd'gen, wenn Furcht uns will berücken?

- Blick' mir in's Aug', in's Antlitz; mit solchem Angesicht
Geht nimmer das Verbrechen, so schaut nicht Furcht darein.
Weil wir beisammen sitzen, Gott! soll'n wir schuldig sein?

Sitz' ich denn nicht so ferne, sprech' ich so wenig nicht,
Weil' ich bei dir nicht also, du Erdenengel mein,
Als ob dich schon umgäbe der Himmelsengel Licht?
(S. 261-262)
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V.
Scheinheil'ge uns verdammen, Leichtfert'ge uns verhöhnen:
Dass wir, wiewohl umgeben von einsamstiller Wand,
Wiewohl sie also jung noch, ich so in Lieb' entbrannt,
Ich doch die Augen senke, und sie zerfliesst in Thränen.

Ich wehre der Verlockung, sie scheucht das süsse Wähnen
Der Hoffnung selbst, stets klirrend mit jener Fesseln Band,
Mit welchen unsre Hände ein grausam Loos umwand.
Uns selber bleibt ein Räthsel der Brust geheimes Sehnen.

Ist Schmerz es? ist es Wonne? Wenn unsre Hände trennen
Nichts kann, wenn meine Lippen auf deinen Lippen brennen,
Kann ich das, o Geliebte! kann ich das Leiden nennen?

Doch wenn auf unsern Wangen die heissen Thränen beben,
Wenn unsers Lebens Reste in Seufzen sich erheben,
Kann dem ich, o Geliebte! den Namen Wonne geben?
(S. 262-263)
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VI.
Morgen und Abend

Die Sonne glänzt im Morgen aus feur'ger Wolken Glühe,
Der Mond im Abend hüllet sein bleiches Angesicht:
Die Rose kehrt die Knospen hin nach der Sonne Licht,
Das Veilchen knieet nieder, gebeugt vom Thau der Frühe.

Laura erglänzt' am Fenster: ich sank auf meine Kniee;
Und sie, indess in Zöpfe ihr golden Haar sie flicht,
"Wie blickt ihr doch so trübe am Morgen schon," sie spricht,
"Der Mond, das holde Veilchen und du, für den ich glühe?"

Zu neuen Anblicks Wonne kam ich am Abend wieder;
Der Mond auch kehrt, sein Antlitz, das volle, Glanz umgiebt:
Die thaugestärkten Blätter senkt Veilchen nicht mehr nieder.

Auf's neue stand am Fenster, die meine Seele liebt,
Noch hellern Blicks, noch schöner Gewand umfing die Glieder:
Auf's neue vor ihr knie't ich - wie Morgens so betrübt.
(S. 264-265)
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VII.
Aus dem Petrarca
Senuccio, i vo' che sappi (LXXXIX)

Jüngling, du sollst es wissen, welche Leiden
Mir zugetheilt und welch' mein Leben sei.
Noch brennt, wie sonst, mich Liebesraserei:
Laura kehrt sich zu mir; ich kann nicht scheiden.

Hier sah' ich stolz sie, hier sie ganz bescheiden;
Jetzt streng, jetzt mild; jetzt hold, jetzt mitleidsfrei;
Jetzt Würde zeigen und jetzt Tändelei;
Sanft jetzt, jetzt sich an Stolz und Unmuth weiden.

Hier sang sie süss, hier setzte sie sich nieder;
Hier sprang sie auf, hier setzt' dem Lauf sie Schranken;
Hier mit dem Blick sie mir das Herz durchstach;

Hier sagt' ein Wort, hier lächelte sie wieder;
Hier barg das Antlitz sie. - In den Gedanken
Hält mich die Herrin Liebe Nacht und Tag.
(S. 265-266)
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VIII.
An den Niemen

Strom meines Vaterlandes, o Niemen, - jene Fluthen
Wo sind sie, die ich einstmals geschöpft mit Kindeshänden:
Worauf nachher ich schiffte nach fernen Felsenwänden,
Um Kühlung mir zu suchen für meines Herzens Gluthen.

Auf ihrer Schönheit Schatten hier Laura's Blicke ruhten,
Wenn sie das Haar sich schmückte mit junger Blumen Spenden:
Hier musst' nach ihrem Bilde mein sehnend Aug' ich wenden,
Mit Zähren es verdunkelnd im Schooss der Silberfluthen.

Strom meines Vaterlandes, wo sind sie, jene Wellen,
Mit ihren Wonnen allen, mit Hoffnungen so vielen?
Wohin ist meine Kindheit mit ihren frohen Spielen?

Wohin die Gluth, die stürmisch des Jünglings Herz liess schwellen,
Wohin ist meine Laura? wohin sind die Gespielen?
Dahin! Dahin! - soll ewig denn meine Thräne quellen?
(S. 266-267)
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IX.
Der Schütze

Ich sah den jungen Schützen, wie bei des Sommers Brand
Den ganzen Tag er schweifte; am Bache blieb er stehen;
Bang schaut er in die Runde, und spricht mit Seufzers Wehen:
"Ich will sie sehn, bevor ich auf ewig flieh' dies Land!

Will sehen, ungesehen." Da vom jenseit'gen Strand
Naht hoch zu Ross ein Waldweib, Dianen gleich zu sehen:
Sie hält ihr Thier, verweilet, indess die Blicke spähen;
Ha, sicher folgt der Freund ihr von Waldes fernem Rand!

Der Schütze zieht zurück sich, erbebt, und rings umher
Die Kainsblicke sendend, hob er zu lachen an:
Griff zitternd nach der Waffe, schöpft' Athem tief und schwer:

Wich etwas, gleich als ständ' er mit der Vollziehung an,
Da sah er Staubeswolken, auf hebt er sein Gewehr,
Schlägt an: die Wolke näher - Doch Niemand kam heran.
(S. 267-268)
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X.
Der Segen
(Aus dem Petrarca XLVII.)

Gebenedei't der Tag, der Mond, das Jahr,
Die Jahreszeit, die Stunde, die Sekunden,
Das schöne Land, der Ort, wo mich gebunden,
Wo mich umstrickt der holden Augen Paar:

Gebenedei't, das ach! so süss mir war,
Das erste Bangen, dem sich Lieb' entwunden:
Der Bogen und der Pfeil, die ich empfunden,
Die Wunde, die mein Herz trifft immerdar.

Gebenedei't die Worte, die ich ihr,
Der Herrin, ihren Namen rufend, weihte;
Die Seufzer und die Thränen, die Begier:

Gebenedei't sei eine jede Seite,
Die Ruhm ihr gab, und der Gedank' in mir,
Der sie allein nur kennt, und keine Zweite.
(S. 269)
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XI.
Resignation

Unseelig, wessen Flehen Erwied'rung nicht gewann:
Unseelig, wen langweilet die liebeleere Brust;
Doch der erst hat erfahren Unseeligstes gemusst,
Wer nicht liebt, doch vergessen, dass er geliebt, nicht kann.

Sieht Augen er und Stirnen, wovon die Schaam entrann,
Vergiftet ihm Erinn'rung die seiner harr'nde Lust;
Und haben Reiz und Tugend zu rühren ihn gewusst,
Nicht wagt er, welken Herzens, sich auf des Engels Bahn.

Verachten muss er, oder er schilt sich um Verrath:
Scheu meidet er die Hirtin, weicht von der Göttin Pfad:
Schaut beide nur, der Hoffnung auf ewig zu entsagen.

Sein Herz gleicht einem Tempel, dem der Verfall genaht,
Den Stürm' und Zeit zu Trümmern im Wechsellauf zerschlagen:
Kein Gott will in ihm wohnen, und Menschen es nicht wagen.
(S. 270)
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XII.
Erinnerung

O Laura, jene Jahre, wo uns das Glück verbunden,
Bewahrt noch dein Gedächtniss das Bild der schönen Zeiten?
Wo, nur mit uns beschäftigt in stillen Einsamkeiten,
Der Rest der Welt, der fremden, weit unserm Blick entschwunden.

Der Laubgang, von Jasminen, von grünenden, gewunden,
Des Murmelbaches Wellen, die durch die Wiese gleiten,
Dort, wo wir gegenseitig uns heisse Wünsche weihten,
Umhüllten mit dem Schleier uns oft die nächt'gen Stunden.

Und Mondes Lichtblick, lieblich aus blassem Wölkchen schauend,
War auf den schnee'gen Busen, auf's Goldhaar ausgegossen,
Des Himmels Schönheit nieder auf deine Reize thauend.

Dann lagen voll Entzücken wir, Herz an Herz geschlossen:
Und, Lippe dicht an Lippe, und Aug' in Auge schauend,
War Thrän' in Thrän' und Seufzer in Seufzer hingeflossen.
(S. 271-272)
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XIII.
An ***

Du blickst in's Aug' mir, seufzest: der Untergang harrt dein!
Der Otter Auge, fürcht' es, von Gift ist's unterflossen;
Entfleuch, bevor den Pesthauch sie auf dich abgeschossen,
Willst du den Rest des Lebens nicht der Verwünschung weihn.

Wahrheit, sie noch die einz'ge der Tugenden blieb mein;
Wiss', dass unwürd'ge Flammen du in mein Herz gegossen:
Doch ich kann einsam leben, weshalb auch zum Genossen
In meinen Untergang dich, Schuldlose, ziehn hinein?

Ich lieb' die Wollust; aber mein Stolz Verführung scheut.
Du bist ein Kind, mich brannten der Liebe Schmerzen heiss;
Du Glückliche, dein Platz ist noch in der Frohen Kreis:

Der meine, wo in Särgen ruht die Vergangenheit.
Die grünen Pappeln kränze, du junges Epheureis:
Dem Dornbusch überlass' es, dass er dem Grab sich weiht.
(S. 272-273)
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XIV.
Das erste mal bin Sklav' ich, froh meiner Sklaverei:
Ich blick' auf dich, der Frohsinn weicht von der Stirne nicht:
Ich denk' an dich, die Freiheit dem Denken nicht gebricht:
Ich liebe dich, und dennoch - mein Herz bleibt schmerzenfrei.

Oft schätzte für ein Glück ich ein Weilchen Tändelei,
Oft trübte Phantasie mir des Geistes klares Licht,
Selbst ein verräthrisch Wörtchen, ein schönes Angesicht:
Doch damals ging die Lust selbst nicht unverwünscht vorbei.

Ja, selber sie, als sie ich, die Himmlische, geliebt,
Wie viele Thränen damals, welch' Flammen, welches Beben,
Schon ihres Namens Nennung macht jetzt mich noch betrübt.

Mit dir nur ward, o Theure, mir wahres Glück gegeben.
Sei Gott gedankt, dass er mir solch' süsses Liebchen giebt;
Und meinem Liebchen, dass es mich lehret, Gott erheben.
(S. 273-274)
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XV.
Mein Lieb, ich seufz': Erinn'rung an jene Himmelswonnen
Wird mir zu Geist, so oft mir die inn're Stimm erwacht.
Ach, wenn dein Herz, auf das ich so vieles Leid gebracht,
Wenn es, ich mag's nicht denken! der Gram jetzt hält umsponnen.

Mein Lieb, bist du denn schuldig, dass deiner Augen Sonnen
So brennen, deine Lippe so voller Anmuth lacht;
Zu viel vertrautest mir du, zu viel dir unbedacht,
Und von zu vielem Feuer ward unser Geist durchronnen.

Viel Tag' und viele Wochen hat unser Kampf gewährt,
Jung, stets überlassen, stets mit uns selbst allein,
Und lange Zeit durch blieben wir beide unser werth.

Jetzt ach! will meine Thrän' ich auf den Altären weihn:
Nicht, dass der eig'nen Sünde Vergebung sie begehrt:
Nur, dass mich Gott nicht strafe, mein Lieb, mit deiner Pein.
(S. 275)
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XVI.
Guten Morgen

Guten Morgen! - nein, nicht weck' ich: des Anblicks, o des süssen!
Ihr Geist entfloh zur Hälfte in Paradieses Auen;
Zur Hälfte blieb er, Leben auf ihre Wang' zu thauen,
Wie Sonn', die halb am Himmel, die Wolken halb umschliessen.

Guten Morgen! schon erseufzt sie, durch's Auge Strahlen schiessen:
Guten Morgen! schon verletzet die Helle ihre Brauen:
An ihren Mund die Fliegen, die läst'gen, sich getrauen:
Guten Morgen! Sonn' am Fenster, und ich zu deinen Füssen.

Wohl süssern guten Morgen nähm' ich; doch Kühnheit schwand
Vor deines Schlummers Reizen. Lass mich zuvor erfragen,
Stehst auf du gnäd'gen Herzens? mit frischer Kraft Behagen?

Guten Morgen! du erlaubst nicht zu küssen deine Hand?
Du heiss't mich gehn? Ich gehe: Hier hast du dein Gewand,
Kleid' an dich und komm' schleunig - will dir guten Morgen sagen.
(S. 276-277)
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XVII.
Gute Nacht

Gut' Nacht! Schon werden länger wir heut uns nicht erfreu'n.
Mag dich mit dunkelm Fittig des Schlafes Engel hüllen:
Gut' Nacht! mag ruh'n dein Auge, das Thränen nicht mehr füllen:
Gut' Nacht! mag deinem Herzen die Ruhe Kraft verleih'n.

Gut' Nacht! von jedem Weilchen, das wir durchkos't allein,
Magst einen Ton bewahren du, einen heil'gen, stillen,
Mag er im Ohr dir spielen, und schwand dem Geist der Willen,
Dann schmeichl' im Traum mein Bildniss sich deinen Augen ein.

Gut' Nacht! noch einmal wende zu mir der Augen Pracht:
Reich' mir die Wang' - gut' Nacht denn! - den Mädchen klatschest du?
Lass deine Brust mich küssen - sie ist verhüllt . . . gut' Nacht!

- Gut' Nacht! schon bist entfloh'n du, wirfst zu die Thür' im Nu.
Gut' Nacht denn durch das Schloss dir . . . ach! es ist zugemacht.
Wünsch' länger gute Nacht ich, thust du kein Auge zu.
(S. 277-278)
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XVIII.
Guten Abend

Guten Abend! er vor allen den Wünschen ist mir theuer:
Niemals, ob vor der Nacht nun der Riegel fällt, uns trennend,
Ob mich die Frühe rufet, dich mir auf's neue gönnend,
Ich scheide nicht, noch grüss' ich dich mit demselben Feuer,

Als zu der Zeit, wenn kühner mich macht des Abends Schleier.
Du selber, gerne schweigend und leicht in Gluth entbrennend,
Hörst guten Abend Wunsch du, des Freundes Stimm' erkennend,
Sprichst mit lebend'germ Auge, mit Seufzern, lauter, freier. -

Mag sich auf schon Vereinte der gute Morgen senken,
Hell leuchtend ihrer Hände gemeinschaftlichem Streben;
Mag gute Nacht die glücklich sich Liebenden umgeben,

Wenn in der Wonne Becher die Sorgen sie ertränken.
Doch solchen, die im Stillen nur noch sich Liebe schenken,
Mag guter Abend dunkelnd das rege Aug' umschweben.
(S. 279-280)
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XIX.
An D. D.
Die Visite

Kaum komm' ich, wenig Worte sprech' ich mit ihr allein,
Schon schelt's; es stürzt ein Diener herein in vollem Lauf,
Drauf die Visite, mit ihr der Knix' und Worte Hauf:
Kaum ist hinaus die eine, die and're will hinein.

Könnt' ich, Wolfsgruben grüb' ich rings um die Schwelle dein:
Fuchsfallen, Mardereisen, beim Himmel! stellt' ich auf:
Und wenn auch die nicht schirmten, so nähm' ich meinen Lauf
Nach jener Welt, gesichert dort durch den Styx zu sein.

Lagweil'ger, sei verwünschet! ich zähle die Sekunden,
Gleich dem Verbrecher, welcher den letzten Gang schon thut:
Du plauderst, wie du gestern den Maskenball gefunden.

Schon greifst du nach den Handschuhn, schon suchst du nach dem Hut:
Jetzt athm' ich auf ein wenig, und fasse neuen Muth.
O Gott! er setzt sich wieder, er sitzt wie angebunden!
(S. 280-281)
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XXI.
Abschied
An D. D.

Du stösst mich von dir? - Hätte dein Herz mich schon vergessen?
Doch ich besass es niemals. - Lässt Tugend es nicht zu?
Doch mit dem Andern kos'st du. - Verlangst nach Golde du?
Doch sonst auch gab ich keines, und habe dich besessen.

Und nicht umsonst; wohl konnt' ich nicht Schätze zu dir messen,
Doch jede Liebeswonne wog theurer mir sich zu
Auf meines Herzens Wage: um meines Lebens Ruh;
Weshalb stösst du mich von dir? Nicht kann ich es ermessen.

Welch einer neuen Habsucht seh' ich dich heute fröhnen:
Du wolltest Lobgedichte, o eitlen Lobes Dunst!
Um sie wagst Glück und Ruhe der Nächsten du zu höhnen?

Nicht käuflich sind die Musen! Nicht zeigten sie mir Gunst,
Als mit Parnasses Lorbeer dein Haupt ich wollte krönen:
Dies Lied auch, weil's dich nannte, blieb hart trotz aller Kunst.
(S. 283-284)
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XXII.
Die Danaiden

O schön Geschlecht, wo sind die gold'nen Zeiten hin,
Als mit des Feldes Blumen, von einer Aehr' umschlungen,
Die Herzen und die Reize der Jungfrau'n man errungen;
Die Taube zur Geliebten gesandt als Werberin?

Heut sind die Zeiten wohlfeil, doch theuer Lieb'sgewinn:
Die, der mein Gold ich gebe, will von mir sein besungen,
Die, der mein Herz ich gebe, vom Eheband umschlungen,
Die, der mein Lied ich weihe, fragt, ob auch reich ich bin.

Ich warf, o Danaiden, in eurer Wünsche Schlund
Gold, Lieder und die Seele in Thränenfluth vergangen:
Heut, Geizhals statt Verschwender, ist Liebe mir ein Scherz.

Und lockt mich gleich noch immer der schönen Wangen Rund,
Könnt ihr auch Gold und Lieder noch stets von mir erlangen:
Doch einst war Alles euer - heut Alles - bis aufs Herz.
(S. 285-286)
_____



XXIII.
Entschuldigung

Ich sang von Liebeshändeln, von Jünglingen umringt:
Es priesen mich die Einen, die Andern schalten mich: -
Nur sich liebt dieser Sänger, er klagt allein um sich,
Fühlt nichts für alles And're, dem nie sein Lied erklingt.

In reifre Jahre tritt er, Kraft sein Verstand erringt:
Warum verzehrt sein Herz noch an kind'schen Flammen sich?
Nicht deshalb gab ein Gott ihm die Stimme sicherlich,
Dass er von sich nur einzig in jedem Liede singt. -

Ermahnung tiefen Sinnes! - alsbald Alcäus Laute
Ergreif' ich hochbegeistert; doch als Ursinens Sänge
Nur kaum von ihr ertönten, zerstiebte schon die Menge,

Nicht mehr das Ohr mir leihend, das wenig drob erbaute.
Entsaitet in die Lethe werf' ich die stumme Laute.
Der Sänger gleicht dem Hörer! -
(S. 286-287)

Ursinens Sänge: Julian Ursin Niemcewicz

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übersetzt von Carl von Blankensee (1836)

Aus: Adam Mickiewicz sämmtliche Werke
Erster Theil Gedichte
Aus dem Polnischen von Carl von Blankensee
Berlin 1836 In der Nauckschen Buchhandlung



 

 

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