Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Alexander Puschkin
(1799-1837)
(In der Übersetzung
von Friedrich Fiedler)
Die Madonna
Mit einer Galerie von Meisterwerken nicht
Der alten Malerkunst drängt's mich, mein Heim zu schmücken,
Daß abergläubisch schwelgt der Gast im Hochentzücken,
Nachbetend, was der Mund der stolzen Kenner spricht.
Ein Bild im schlichten Eck nur könnte das Gesicht,
Die Seele und den Geist mir ewiglich beglücken:
Wenn von der Leinewand, gleichwie aus Wolkenschicht,
Die heilige Jungfrau würd und Christus niederblicken -
Sie – hoheitsvoll und mild, er – sinnend, unschuldrein,
Von Himmelsglanz umstrahlt und hehrem Glorienschein,
Von Engeln nicht umschwebt, in Zions Palmenhorte …
Nun hat den heißen Wunsch der Schöpfer mir erfüllt:
Genaht, Madonna, bist du meinem Andachtsorte,
Vollkommner Schönheit du vollkommnes Ebenbild!
(S. 102)
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Nein, nicht verlangt mich mehr nach stürmischen Genüssen
Voll taumelnder Begier und lustentflammten Küssen,
Wenn in den Armen mir das üppige Götterweib
Mit irrem Aufschrei regt den glatten Schlangenleib
Und an die Brust mich preßt mit fieberheißen Händen,
Um schneller meine Brunst im letzten Krampf zu enden …
Doch du, mein Engelsbild mit sanftem Kindesblick,
O, wie erfüllst du mich mit qualensüßem Glück,
Wenn endlich du Gehör schenkst meinem heißen Flehen,
Wenn ich vor mir dich seh verschämt und zitternd stehen,
Wenn du dich mir ergiebst, doch meine Liebesglut
Erwiderst regungslos mit trägem, kaltem Blut,
Doch endlich allgemach erglühst in meinen Flammen -
Und über uns ein Meer von Wonne schlägt zusammen! …
(S. 113)
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Aus: Gedichte von
Alexander Puschkin
Im Versmaß der Urschrift von Friedrich Fiedler [1859-1917]
Philipp Reclam jun. Verlag Leipzig 1907
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