Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Albert Verwey (1865-1937)
(In der Übersetzung von Stefan George)
Sonette: Von der Liebe
die Freundschaft heisst
I.
Licht meiner seele! ich sah dich stets von fern
Und wusste dass du endlich kämest· laute
Die ich vorher noch keinem anvertraute
Gehn aus wie bleiche flammen - einen stern
Im blau doch einen hellern lieblichern
Seh ich in locken ruhen dein gesicht.
Geheimnis vielen leids· doch hassens nicht
Träumt dir im blick· ich sah es stets von fern.
Ich will dich sehn mein licht· so sieh du mich:
In einem hauch von glut wodurch jed wort
Flammt von den lippen und zusammengleitet
Mit anderen in lichter einigkeit -
Und jeder träumt in einer glorie fort
Und andre glorie geht uns still vorbei.
(S. 73)
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VII.
Mein gott ist beides: glut und dunkelheit·
Schön anzusehen ein wunder zu verstehen·
Wie ER ist keiner - doch wenn ich dich sehe
Wähn ich dass du ER selbst auf erden seist.
So hab ich meine seele dir geweiht
Auf dass in deinen gluten sie vergehe·
Sich sanft verzehre ohne lautes wehe·
Froh solcher liebe und solcher einigkeit·
Wie wenn zwei flammen spielen in der nacht
Eine die andre suchend bleicher glühe
Und schneller zittre in der anderen glanz·
Bis beide in der luft aufflammend ganz
Vereinigt beben - dann bis in die frühe
Brennt eine grosse flamme in stiller pracht.
(S. 74)
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übersetzt von
Stefan George (1868-1933)
Aus: Zeitgenoessische Dichter
Übertragen von Stefan George
Erster Band: Rossetti / Swinburne / Dowson / Jacobsen /
Kloos / Verwey / Verhaern
Georg Bondi Berlin 1905
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