Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Kazimiera Zawistowska (1870-1902)

(In der Übersetzung von Lorenz Scherlag)



Gib deine Träume mir . . .

Gib deine Träume mir, die für mich glühten -
Daß ich erblick in ihrem Spiegelbilde
Die eigne Seele mein, so still und milde,
Gleichwie des Silberreifes zarte Blüten.

Führ wieder mich in die kristallnen Weiten,
Daß dort, erweckt von deinen lieben Händen,
Sich all die zarten Töne wieder fänden
Zu jenem Liede, das uns starb vor Zeiten . . .

Du wirst dann wieder mich wie einstens sehen:
Und meiner Seele rote Perlen leben
Dann auf und werden leuchtend neu erstehen.

Die schönste Weihe will ich deinem Leben
Dann geben - um ins Dunkel fort zu gehen,
Daß wir uns niemals . . . niemals wieder sehen.
(S. 265)
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Ich liebe dich

Ich liebe dich, weil du mir wiedergibst die schönen,
Von meines Lebens Lenz umblühten goldnen Stunden.
Dein Schatten folgt mir immerfort, mir treu verbunden,
Und meine Seele ruft nach ihm mit bangem Sehnen.

Daß deine Arme liebevoll mich eng umschließen - -
Verhüll die Augen mir. Will nicht die Zukunft sehen,
Vergessen will ich alles, was mir je geschehen -
Und selig liebe Zärtlichkeiten nur genießen.

Es ist heut kalt und dunkel . . . Gib mir deine Augen!
Sie sollen meiner Träume Gärten mir erhellen,
Drin süße Klänge sind und Gold und Purpurwellen

Und - farbenreich umstrahlt - ein froher Hochzeitreigen.
Es ist heut kalt und dunkel . . . Über mir entsteigen
Der bösen Ahnung Träume . . . Gib mir deine Augen! . . .
(S. 266)
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Roter Mohn

O, roten Mohnes purpurreiche Blütenpracht!
Dein Mund, dein teurer Mund, geküßt voll Seligkeit!
Des Lebens goldnes Tor, vor mir geöffnet weit!
O Sonne! Sonne, die den Sommer glühend macht!

O Sonne! Sonne! Und des Mohnes Purpurpracht!
Der Weizenfelder Rauschen, das Summen weit und breit!
Dein Mund, dein teurer Mund, geküßt voll Seligkeit!
Und süßer Lindenduft, von Sommerglut umfacht.

O Harfe der Erinnerung! Von Rost zernagt
Sind deine Saiten. Ich harfe drin mit müdem Blick.
Doch nimmer kehrt die alte Melodie zurück.

Der Grundklang meiner Sehnsucht nur erwacht und klagt . . .
Und schweigend, ohne Leben, wie beschwert von Leid,
Verwelkt der stolze Mohn in seinem Purpurkleid.
(S. 267)
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übersetzt von Lorenz Scherlag (1881-1941)

Aus: Moderne polnische Lyrik
Eine Anthologie deutscher Übertragungen
Herausgegeben von Lorenz Scherlag
Amalthea Verlag Zürich Leipzig Wien 1923


 

 

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