Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Pauline
von Brochowska
(1795-1853)
Ich denke Dein!
Nachruf an Emilie
H. zum vierten December
Ich denke Dein, senkt sich auf ros'gen Schwingen
Der junge Lenz zur schlummernden Natur,
Mit Blüthen schmückend Berg und Hain und Flur;
Ein Dankesopfer ew'ger Huld zu bringen.
Ich denke Dein, wenn Nachtigallen singen,
Im Flötenton sich künden Liebesschwur,
Wenn überall sich zeigt des Frühlings Spur
Und Schneesblüthen aus dem Schleedorn dringen.
Ich denke Dein, wenn golden Phöbus strahlet
Am Ulmenteich des Eises Rinde bricht,
Sein hehres Bild in blauer Fluth sich malet
Und Leben strömet aus des Lebens Licht.
In Rosenschimmer sich die Wolken tauchen
Und Erstlings-Veilchen Balsamdüfte hauchen.
*
Ich denke Dein, wenn Sommerlüfte wehen,
Aus grünen Saaten sich die Lerche schwingt,
Im Glührothschein ihr frohes Liedchen singt,
Und Thauestropfen auf den Halmen stehen.
Selbst wenn zum Erntefest die Schnitter gehen,
Zu muntern Tänzen sich die Jugend schlingt,
Ein reicher Segen Landmann's Mühe winkt,
Hörst Du um Trost in Trennungsnacht mich flehen.
Ich denke Dein, wenn Myrth' und Lilie blühen,
Der Schmetterling sich sonnt auf Wiesenpracht,
Von Blumentriften heim die Heerden ziehen,
Der Liebe Stern erglänzt in stiller Nacht.
Bei fort und fort sich wechselnden Gestalten
Wird stets im Herzen die Erinn'rung walten.
*
Ich denke Dein, wenn hin das Blumenleben -
Im Garten einsam nur die Aster blüht,
Durch's Stoppelfeld der kalte Herbstwind zieht,
Die Schwalben fort zu wärmern Zonen schweben.
Wenn fahle Blätter Wald und Flur umgeben,
Im Bachus-Laub die goldne Traube glüht,
Gedenk' ich Dein mit sehnendem Gemüth
Möcht' Kunde Dir von meiner Liebe geben.
Und wenn im Thal die Abendglocken hallen,
Das müde Herz sich sehnt nach süßem Traum,
Gleich Opferdüften fromme Hymnen wallen,
Zu düstern Himmels sternbesä'tem Raum,
Dann gläubig ich das Herz zum Vater lenke,
Du bist es, deren betend ich gedenke.
*
Ich denke Dein, wenn Silberflocken fallen,
Und eisig um mich weht die Winterluft,
Wenn längst erstorben süßer Blumenduft,
Nicht Lieder mehr am Berge wiederhallen;
Wenn weiße Schleier die Natur umwallen,
Die ganze Gegend eine öde Gruft,
Bis Frühlingshauch die Blüthen wieder ruft,
Zum Maifest ziert der Erde Segens-Hallen.
So werd' ich immer, immer Dein gedenken;
Bei Lenzeskuß, bei Wintersturmes Wuth,
Bis sie auch mich in's kühle Grab versenken,
An Mutterbrust des Lebens Hülle ruht;
Dann wirst Du lächelnd mir entgegenschweben,
Mir Engels Kuß für treue Freundschaft geben.
Aus: St.
Petersburgische Zeitschrift
Herausgegeben von August Oldekop
Zweiter Band St. Petersburg 1822 (S. 99-101)
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