Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Christoph Gottehr Burghart
(1682-1745)



Als sie von der thüre weglieff /
da sie ihn kommen sahe

Wie? flieht mein engel denn vor ihrem Saladin?
Und will fort keinen gruß aus seinem munde hören?
Noch seine demuth mehr durch einen blick verehren /
Was muß die uhrsach seyn? war ich vielleicht zu kühn /

Als sich mein auge ließ zu deinen sternen ziehn?
Wie / oder will dich sonst ein falscher wahn bethören /
Und etwas wiedriges von deinem knechte lehren?
Doch nein / ich irre sehr: ich weiß ja was ich bin /

Ein Mensch voll sünden wust / voll ungeheurer Mängel
Du aber heist und bist ein unbefleckter engel /
Nun kan ein engel ja bey keinem sünder stehn /

Denn von den lastern wird der reine geist vertrieben
Was wunder! daß du nicht bist an der thüre blieben /
Als ich nechst hin zu dir / O engel / wolte gehn.
(Theil 4 S. 81)
_______



Die schöne Comödiantin

Was rühmt sich Spanien mit seiner Calderone /
In deren liebes-Garn ein grosser Philipp fällt?
Hier ist Angelica so ihr die wage hält /
Ein ungemeines bild / das eher einer crone

Als jene würdig ist / ja auff dem liebes-throne
Wird sie der Venus schon als Göttin zugesellt /
Den Fürsten lieben sie die götter unsrer welt;
Was will Angelica denn mehr zu ihrem lohne?

Ha! werthes vaterland dein ruhm muß ewig stehn /
Dann / wenn von uns sie wird in frembde länder gehn /
So werden diese gar / doch aber falsch gedencken

Daß sie Elysien der schönheit sonn' entwandt /
Nein! es ist ein Comet / den wir euch zugesandt /
Die sonnen pflegen wir nicht leichtlich wegzuschencken.
(Theil 4 S. 77)
_______



Auff die Dorilis

Dein nahme ist mir zwar / du aber nicht bekandt /
In dem dich Dälamon mir niemals zeigen wolte /
Weil eyfersucht bey ihm mehr als die freundschafft golte
Itzt strafft der himmel ihn durch ein entferntes land /

Wird deine gegenwart ihm' unverhofft entwand.
Ich weiß es / daß ein bach aus seinen augen rollte /
Wie er den abschieds-kuß von dir empfangen solte;
Ich weiß es / daß auch dir der schmerz die geister band;

Allein der himmel läst sich dieses nicht erweichen /
Es ist sein fester schluß: er will euch wermuth reichen /
Nachdem ihr lange zeit den zucker habt geschmeckt;

Ja Dälamon soll dich nicht eher wieder küssen /
Biß daß er Saladin läst deine schönheit grüssen /
Und biß kein eyfer mehr in seinem herzen steckt.
(Theil 4 S. 78)
_______



An eine Nonne

Darff sich was weltliches in deine zelle wagen?
Darff wohl / O heilige / bey dir ein sünder stehn?
Du pflegest sonsten zwar mit engeln umzugehn;
Jedoch GOtt selber will sein hauß uns nicht versagen /

Wann wir nur an die brust mit leyd und reue schlagen:
Mich drückt der sünden-last; du wirst dein lob erhöhn /
Woferne du mich läst bey dir zur beichte gehn;
So laß dich doch um rath vor mein gewissen fragen /

Du bist die Priesterin; dein leib ist mein Altar /
Die beyden lichter drauff sind deiner augen paar;
Der tempel aber selbst ist deine dunckle zelle /

Ach sprich mich / heilige / von meinen sünden loß /
Die straffe leg' ich dir ganz willig in die Schooß /
Wo nicht / so bringet mich die schuld noch in die hölle.
(Theil 4 S. 78-79)
_______



Auff ihren mund

Gar recht! du bleibest doch ein unvergleichlich kind;
Ich habe dich niemals ohn' uhrsach so genennet:
Wer dich gesehen hat / und deinen nahmen kennet /
Der findet meinen schluß mehr als zu wohl gegründet.

Ich rühme nicht den geist / der tausend herzen bindt /
Nicht wangen / nicht den halß / nicht wie dein auge brennet /
Nicht dein schwarzbraunes haar / und was mir kaum vergönnet /
Die alabaster brust / die nichts ihr gleiche findt /

Nur der vollkomne mund soll hier alleine zeigen:
Kan seine nettigkeit noch etwas grösser seyn?
Vor seinem purpur muß sich aller purpur neigen /

Sein angenehmer thon versüst die schwerste pein.
Kurz: seine schönheit ist der rechte liebes-zunder /
Und du Lisette wirst durch ihn zu einem wunder.
(Theil 4 S. 79)
_______



Als er des morgens von ihr Abschied nahm

Bricht mir denn meine nacht mit hellem morgen an?
Geht mir die sonne denn mit ihrem auffgang nieder?
So ists: der harte schluß setzt meine freuden-lieder /
In einen trauer-thon; ich bin schon auff der bahn /

Die meinen matten fuß zum grabe führen kan /
Ich traure nicht um mich noch meine freund und brüder;
Nur dieses daß ich bald die schönheit deiner glieder
Nicht weiter schauen soll / steckt meinen kummer an.

O ungereimtes wort! daß ich zum himmel schickte /
Als mir der feinde macht die hoffnung fast erstickte:
Ich wünschte nur von dir Lisett' entfernt zu seyn.

Itzt will sein harter schluß den wunsch erfüllet wissen /
Ich soll die ungedult durch meinen abschied büssen /
Ach träff auch nur mein wuntsch im wiedersehen ein!
(Theil 4 S. 79-80)
_______



Als sie ihr im winter einen
sommer-rock mit blumen nehte

Ich glaube deine hand kan wunder-wercke machen;
Die angenehme zeit hat sich schon längst versteckt /
Die blumen-felder sind mit schnee und eyß bedeckt /
Doch soll der frühling itzt auff deinem rocke lachen;

Ich seh die blumen blühn / ich finde tausend sachen /
Die uns vor diesem nur der sommer ausgeheckt /
Durch deine wunder-kunst im winter aufferweckt;
Wie? kan es möglich seyn / daß solches menschen machen?

Gewiß ein ander muß sich hier zu schwach gestehn;
Lisetten aber wird es stets nach willen gehn /
Weil noch der frühling wird an ihrem leibe blühen /

Die rosen / welche sie in ihren rock versetzt /
Und diese lilien / die man vor wahre schätzt /
Sind ihr von wange / halß / von brust und schoß geliehen.
(Theil 4 S. 80)
_______



Als er ihr eine gewisse Arie überschickte

Hier hastu schönstes kind das nechstbegehrte lied /
Du sprichst: es habe dir recht ungemein gefallen /
Weil es von thränen sagt / von Quahl / und Wassergallen /
Und weil die traurigkeit aus allen sylben sieht;

Ach schmerz! so liebstu das / was mir die ruh entzieht /
So hörestu mit lust mein ungelück' erschallen /
Denn alles geht auff mich; ich bin es unter allen /
Vor dem Lisette mehr als basilisken flieht /

Und über dessen haubt viel ungewitter steigen;
Es kan dir iedes wort / als wie ein spiegel zeigen /
Wie mein verlangen sey mit tausend angst vermählt;

Wilstu die grausamkeit nun noch was höher bringen /
So wird dir zwar mein wuntsch durch meinen tod gelingen /
Doch auch ein stachel seyn / der dein gewissen quählt.
(Theil 4 S. 83)
_____


Aus: Benjamin Neukirchs Anthologie
Herrn von Hoffmannswaldau und andrer
Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte Theile 1-7
Tübingen Niemeyer 1961-1991
(Neudrucke deutscher Literaturwerke)




 

 

zurück zum Liebessonette-Verzeichnis

zurück zur Startseite