Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Edmund
Dorer
(1831-1890)
Der Sieg der Liebe
Mit Waffe nicht, die an die Waffe klingt,
Will Liebe je, um was sie kämpft, entscheiden;
Sie wird sich nicht in nied're Täuschung kleiden,
Mit dem die Schwachheit mit der Stärke ringt.
Weil aber Kampf erst wahren Frieden bringt,
Kann sie zwar nicht der Trennung Streit vermeiden;
Doch will sie siegen nur durch eig'ne Leiden,
Da sie allein ihr eigner Wille zwingt.
Die Liebe nimmt vom Haupt die Sternenkrone,
Weil Mitleid steht an ihrem ew'gen Throne,
Und nahet menschlich sich dem Erdensohne.
Doch dieser, von der Eigensucht verwöhnt,
Hat stets mit frechem Witze sie verhöhnt,
Mit Dornenkränzen spottend sie gekrönt.
(S. 5)
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Wahres Eigen
Die Liebe deucht uns arm nach äußerm Schein,
Doch liegt in ihr des Reichthums Schatz verborgen;
So taucht aus bleicher Luft der gold'ne Morgen
So ruht in dürft'gem Grund der Edelstein.
Nur, was du liebest, nennst mit Recht du dein;
Was Denken dir errang, was dir in Sorgen
Der Arm erschafft, hat dir Natur geborgen,
Das wird Besitz, nicht Eigenthum dir sein.
Was du gedacht, das magst du schätzbar finden;
Was du erwarbst, das magst du froh empfinden,
Doch was du liebst, das kannst du überwinden.
Und was du liebst, muß ganz sich dir ergeben;
Es waltet fort und fort in deinem Leben,
Wie Sonnengluth im Feuersaft der Reben.
(S. 6)
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Offenes Geheimniß
Das Herz ist stumm dem spähenden Gehöre,
Noch zweifelnd, ob es jemals kann genesen;
Doch schweigend offenbart es mehr sein Wesen,
Als wenn es Redekunst zum Hort erköre.
Daß nicht ein Laut des Schatzes Hebung störe,
Sucht Liebe stets in Blick und Ton zu lesen;
Sie sehnt sich nicht nach Redeantithesen,
Weil sonst an Kraft des Schweigens Kunst verlöre.
Wie könnte auch des Rhetors schwache Kunst,
Im Redeprisma jene Strahlen sammeln,
Die in der Brust der Liebenden sich brechen!
Drum ringe schweigend um der Liebe Gunst,
Dann deucht die Sprache nur ein eitles Stammeln,
Wenn Blick und Auge dir zum Herzen sprechen.
(S. 8)
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Nähe und Ferne
Vergleiche ich, was ich von dir gedichtet,
Mit deiner Anmuth, deiner holden Nähe,
Scheint's mir, als ob ein leichter Hauch verwehe
Des Liedes Leben, das von dir berichtet.
Von deiner Schönheit wird mein Lied gerichtet,
Und keine Kunst verhindert, wie ich sehe,
Daß ihm es besser, als dem Monde gehe,
Den stets der Sonne nahender Strahl vernichtet.
Doch wie der Mond, dem ich das Lied verglich,
In Klarheit leuchtet, wenn in Westens Dunkeln
Die Tageskönigin in Schlummer ruht,
So scheint's mir, hält die finst're Ferne mich
Von dir getrennt, das blasse Lied zu funkeln,
Es glänzt in ihm ein Strahl von deiner Gluth.
(S. 9)
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Die Sprache des Schweigens
So süß, wie oft aus dicht verschlung'nen Zweigen
Der Sterne Huld die gold'nen Strahlen streute,
Und irrem Wandrer Heil und Tröstung beute,
Erschienst du mir, des Glückes Pfad zu zeigen.
Ich mußte freudig deinem Glanz mich neigen,
Weil sich mein Blick in deinem Licht erneute;
Doch schwieg der Mund, wie sehr das Herz sich freute;
Verwundert sah ich dich und mußte schweigen.
Und wenn ich jetzt, begeistert von der Minne,
Auf Bild und Worte dich zu schildern sinne,
Daß mein Gedanke neu dich stets gewinne,
Kann jede Silbe nur, warum ich schwieg, beweisen,
Wie könnten Worte, Bild und Liederweisen
Dich inniger, als jenes Schweigen preisen?
(S. 10)
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Dezember
Es herrscht Dezember wolkenfeucht und rauh;
In Nebelschleiern, die sich rings ergossen,
Liegt jetzt der Schöpfung bunter Schein verschlossen;
Das Auge kränkelt in dem Nebelgrau.
Entbehrt der Blick des Himmels süßes Blau,
Verlangt er nach den glühenden Geschossen
Des Frühlings, ihren blühenden Genossen,
Und was sie beide stärkt, dem Morgenthau.
Doch wenn mein Blick in deinem ruhen könnte,
Indem er lebt, wie in der Lüfte Fächeln
Die Brust, er würde nicht in Sehnsucht glühen.
Wenn solches ihm die Huld des Schicksals gönnte,
Vermißte willig er der Sonne Lächeln
Und was ihm Antwort giebt, der Erde Blühen.
(S. 12)
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Pilgerfahrt
Was kann die Erde mir noch weiter geben,
Seit in der Liebe sich mein Geist gefunden?
Ich fand sie nicht allein, denn fest verbunden
Sind Liebe, Schönheit, Poesie und Leben.
Seit diesen Mächten huldiget mein Streben,
Hab' ich des Daseins tiefen Sinn empfunden,
Ich schaue wie im Traum vergang'ne Stunden,
Und Schmerz und Irrthum muß sich mir ergeben.
Gleich einer Pilgerreise voll Beschwerde
Erscheint das Leben mir; um sie zu finden,
Betrat mein Geist den Boden dieser Erde.
Jetzt darf ich froh der Wallfahrt Ziel empfinden,
Und ob ich bald zu nicht'ger Asche werde,
Wird mir kein Tod das stolze Glück entwinden.
(S. 13)
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Metamorphose
Der Sterne Reich, die irdischen Gefilde
Beherrschte einst der Märchengeist; als Blüthe,
Als Stern verschied das Herz, das schmerzlich glühte,
Zum Menschen ward der Rose Duftgebilde.
Des Märchenschicksals launigbunte Milde
Hegt noch Natur im innersten Gemüthe,
Die Wunder einer längstverklung'nen Mythe
Erblickt die Gegenwart in klarem Bilde.
Der Sehnsucht Macht entfesselt von den Schranken;
Des Staubs Genosse wird vom Staub sich trennen,
Bald ruht der Schmetterling im Duft der Rosen.
Zum Liede werden liebende Gedanken,
Das Lied verstummt im Kuß, daß wir erkennen
Der Liebe liebliche Metamorphosen.
(S. 14)
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Der Frühling
Der Götterknabe naht auf blühenden Schwingen;
In seinen Anblick ist die Welt versunken;
Aus Aetherblau, aus Blumen und aus Funken
Der neuen Sonne webt er Zauberschlingen.
Bald wird sein Zauber jedes Herz durchdringen,
Bald feiert ihn die Erde wonnetrunken;
Doch mag er auch mit tausend Siegen prunken,
Der Liebe Kunst kann seinen Stolz bezwingen.
Die Liebe kann mit stärkerm Zauber binden;
Aus sanften Blicken, sehnendem Verlangen,
Weiß sie das allerstärkste Band zu winden.
Sie hält dich fest und fester; es verschwinden
Dem Aug' der Sonne und der Blumen Prangen;
Ein schön'rer Frühling hält dein Herz umfangen.
(S. 15)
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Der Liebe Ruhm
Die Liebe ist's, die hier zum Streite ruft;
Der Held gehorcht, er will im Kampf gesunden,
Ihr Lächeln ist der Balsam seiner Wunden,
Und mit dem Lorbeer schmückt sie seine Gruft.
Dort küßt sie in der Rosen üpp'gem Duft
Des Sängers Mund; er hat den Gott empfunden;
Des Schweigens ist die Lippe jetzt entbunden
Und von Gesängen tönt die Frühlingsluft.
Kein Spott kann ihrer Hoheit Ruhm erniedern;
Ihr Athem nährt der Lieder gold'ne Saaten,
Der Held muß handelnd ihre Gunst erwiedern.
Drum kann der Liebe nie die Welt entrathen;
Im Buch des Lebens glänzt in leichten Liedern
Ihr Ruhm, und spiegelt sich in schweren Thaten.
(S. 16)
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Aus: Sonette von
Edmund Dorer
Dresden 1858 Druck von B. G. Teubner
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