Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Carl
Ferdinand Dräxler-Manfred
(1806-1879)
Die reine Liebe
Der reinen Liebe ist das ganze Leben
Rings aufgethan gleich einem offnen Buche,
Sie weiß mit ihrem frommen Zauberspruche
Sich über Welt und Zeit hinwegzuheben.
Sie schmückt die Kinder, die ihr sind gegeben,
Die Wünsche, mit der Hoffnung grünem Tuche,
Und späht, als ob sie ew'gen Frühling suche,
In der Natur geheimnißvolles Weben.
Sie sucht die Seele, die mit ihr sich gatte,
Und prüft sie mit den Strahlen ihres Blickes;
Sie wandelt, ohne daß sie je ermatte,
Ein Pilger nach dem Orient des Glückes;
Sie schwimmt auf einem blanken Lilienblatte
Rein durch das Meer des irdischen Geschickes.
Aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 172)
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Wehmuth
Ich küßte dich in sel'gen Augenblicken,
Da faßte Wehmuth mich und stilles Weinen,
Daß diese Lippen ewig nicht die meinen,
Wehmuth, die durch kein Gleichniß auszudrücken.
Denn wenn der Goldschmid sich von seinen Stücken
Verkaufend trennt, von seinen Edelsteinen,
Mag er sie immer nennen noch die seinen,
Weil er zu formen sie gewußt, zu schmücken.
Mich aber drückt, wenn ich mich von dir trenne,
Ein ewiges Entbehren und ein Darben;
Und nicht einmal ein Zeichen deinem Munde
Vermag ich aufzudrücken, daß man kenne,
Was meine Lippen einst von dir erwarben,
Und wie dein Herz mit meinem war im Bunde.
Aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 194-195)
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Verbot
Du hast verboten mir, von deinen Küssen
Etwas der Welt im Liede mehr zu sagen,
Du hast mir als Geheimniß aufgetragen
Die Liebeslust, von der wir beide wissen.
Und Alles, Alles, was mit deinen süßen,
Geliebten Lippen du in schönen Tagen
Mir in das Herz als Segen eingetragen,
Tief in der Seele soll es bleiben müssen.
Doch wie, wenn nun der Lenz bescheint die Hügel,
Ein Körnlein, das ich still in's Erdreich senke,
Bald aufgesprossen ist zur vollen Blume:
So löset, Liebste, wenn ich dein gedenke,
Mein Glücksgeheimniß seine schönen Flügel,
Und wird ein lautes Lied zu deinem Ruhme.
Aus: Gedichte von C. Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer (S. 195-196)
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Nachklang
Wenn an der Erde Lenz vorüberschreitet,
Ihr Leid mit seinen Freuden wegzuscherzen,
Da tauchen allenthalben Blumenkerzen
Empor, als Feierglanz ihm zubereitet.
Und wenn dein Bild an mir vorübergleitet,
Und deine Augen, heilend alle Schmerzen,
Da wuchern Lieder auf in meinem Herzen,
Als Kranz um deinen Schönheitglanz verbreitet.
Die Blumen, die im Lenz herangeschossen,
Sie sind ein Segen seiner milden Sonne,
Und neigen dankbar zu ihr alle Triebe;
Die Lieder, die aus meiner Brust gesprossen,
Ein reiches Denkmal sind sie stiller Wonne,
Ein lauter Jubel einer sel'gen Liebe.
(S. 202-203)
Aus: Gedichte von C.
Dräxler-Manfred
Frankfurt am Main 1838
Druck und Verlag von Johann David Sauerländer
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Vereinigt
Vereinigt - schönes Wort! - in Eins verbunden,
Daß eng verschlungen Leben hängt an Leben,
Daß Geist und Leib mitsammen sich verweben
Und nirgend doch die Fessel wird empfunden.
O Seligkeit in ungezählten Stunden,
Wo alle Fasern fest zusammenstreben,
Nicht ahnend wie sie innig sich ergeben,
Bis sie ereilt sind von der Trennung Wunden.
Das war ein schöner Baum, im reichen Segen
Von Zweig und Blatt dem Himmel zugewendet,
An innrer Kraft gar vielen überlegen;
Da kommt ein Blitz aus Wolken hergesendet
Und liefert an die Beile ihn und Sägen,
Daß der zerspaltne Riese kläglich endet.
Aus: Freud' und Leid
Lieder und Bilder von C. Dräxler-Manfred
Hannover Carl Rümpler 1858 (S. 49)
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