Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)
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Felix
Grafe
(1888-1942)
Nun, Herz, sei stark, und lern vorübergehn -
es ist dir nicht bestimmt, in diesem Kreise
einst auszuruhn - es treibt dich auf die Reise -
und Perugina wird am Tore stehn.
Der Wind bewegt die holden Locken leise,
ihr süßes Antlitz läßt die Nacht nicht sehn -
und du wirst ihr (sei stark) den Rücken drehn,
die nachts dir folgt nach fremder Bettler Weise.
Doch wirst du manchesmal die blonden Haare
(so grausam ist der Gott) im Traume sehn,
als wär's ein reiner Engel der Sistina -
dann darfst du schlafen - vierzehnhundert Jahre
einst kommst du wieder heim - doch Perugina,
ja, Perugina wird am Tore stehn.
(S. 108)
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Im roten Abend ging mein später Schritt,
von ferne kreischten noch die Gassenhauer
zu meinem Ohr - erst an der weißen Mauer
des Parkes blieb ich stehn - und langsam glitt
mein Blick in dieses Abends süße Trauer,
verwundert, daß mein totes Herz es litt,
noch einmal aus verloschner Schönheit Schauer
dies auferstehn zu sehn - was ich erstritt
in schweren Nächten und dann doch verlor -
da schlug es zehn - der Wächter kam und rief -
ich lachte leis - war diese Nacht so tief,
daß ich mit leichtem Herzen durch das Tor
heimschreiten durfte, gleich als ob ich schlief?
und hell - und froh - und kindisch wie zuvor?
(S. 109)
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So kam es, sieh: daß sich kein Weg mehr weist,
daß ich nun um verlorne Gärten klage -
o du: wie um des Herbstes bunte Tage
das Lächeln einer neuen Sehnsucht kreist -
In alten Worten schmied' ich neues Wissen
und deine Hände sind mein Paradies -
war dies der Sinn: was ich am Wege ließ,
zeigt nun den Weg aus alten Finsternissen.
In deinen Händen liegt das Leid gebunden,
an deinem Mund beschlossen schläft die Lust,
ein Neues aber schläft in deinem Schoß
Daß du verstummt die Hände falten mußt -
auf tausend Wegen und aus tausend Wunden
mit gläubiger Seele sprichst. Gott, Du bist groß -
(S. 136)
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Menuett
Wer fühlt die Zeit mit holden Händen rühren
an seiner Seele bunten Herbst? Tritt vor,
zärtliche Anmut! In den seligen Chor
zierlichster Freude will ich dich entführen.
Getreten kaum durch die erhellten Türen,
fühlst du, was einst dein Kinderherz verlor.
Reizender Wechsel zwingt dich stark empor
zu jenem Geist, den nur Beglückte spüren.
O Herz! O Tage, rätselhaft und reich!
Wie dämpft sich klingend, was zwiespältig brannte,
zu einem Lied, im tiefsten Wesen gleich.
Und Lust, die nie dein Herz sein eigen nannte,
wird kindlich zögernd wach und atmet weich
dahingeschmiegt ins zärtliche Andante.
(S. 138)
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Am Morgen der Liebe
Ein Taubenpaar entschwirrt der goldnen Frühe,
Es lockt ins Licht ihr liebestrunkner Flug.
Verschlafne Mägde schöpfen schon den Krug
Und stampfend stehn im Staub die braunen Kühe.
Da heb' auch ich mein Herz aus Qual und Mühe
Hinauf zu dir - ich litt des Leids genug -
Von allen heißen Wünschen, die ich trug,
Blieb einer nur, von dem ich atmend glühe.
Ich wünschte, daß aus Herzens holder Tiefe
Geheimnisvoll dein Mund mir küssend riefe,
Mich wie ein schlummernd Kindlein festzusaugen
Am Brunnen deiner Lippen und zu trinken
Den ewigen Kuß des Leids - und zu versinken
Tief in der Himmelsbläue deiner Augen.
(S. 191)
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Aus: Felix Grafe
Dichtungen
Herausgegeben und eingeleitet von Joseph Strelka
Bergland Verlag Wien 1961
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