Liebessonette deutscher Dichter und Dichterinnen

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Elisabeth Grube geb. Diez
(1803-1871)



Die Liebe

Ach widerlich und eckel war das Leben -
Im Herzen heißer Wünsche grimme Pein
Saß ich gedankenvoll auf hartem Stein;
Dem bitt'ren Unmuth ganz dahingegeben. -

Da fühlt' ich eines Engels lindes Weben -
Mit einem Lächeln, mild wie Sonnenschein,
Kam still die Liebste, Trösterin zu sein
Vor ihrem Hauch die Furien entschweben.

Sie kniete nieder - weich schien mir die Erde,
Sie sprach zu mir - leicht schien mir die Beschwerde;
Sie küßte mich - wie selig konnt' ich sein!

Wo wär' ein Stein, den Liebe nicht erweichte?
Ein hohes Ziel, das Liebe nicht erreichte? -
Wär' in der Wüste Liebe wohl allein? -

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 189-190)
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Liebestrost

Komm her, mein Kind! dir hab' ich Nichts zu geben,
Verlassen bin ich, arm und tiefbetrübt.
Und Schmerzen biet' ich der, die treu mich liebt -
Komm, willst du mein sein, in so schwerem Leben?

So fragt' ich Sie, die mir das Herz gegeben,
Die allerschönste Treu' an mir geübt;
Die mich unsäglich liebevoll geliebt -
Und diesem Liebreiz wollt' ich widerstreben! -

Sie sagte nichts - ein heller Himmelsfunken
Traf mich ihr Blick und selig wonnetrunken
Ruht' ich an ihrer Brust, in ihrem Arm. -
Was red' ich denn, von all' den Lebensschmerzen?
Es liegt in zärtlichen, in treuen Herzen
Ein Schatz, der überwieget jeden Harm!

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 191)
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Das Weihwasser

Am Kirchenthore stand ich mit der Meinen -
Sie neigte still das Haupt dem Benedeiten,
Um mit dem hellen Wasser, dem geweihten,
Im Kreuzeszeichen sich die Brust zu reinen.

Wohl mocht ich ihr ein sünd'ger Ketzer scheinen -
Doch Lieb' ist fromm und klug zu allen Zeiten -
Sie sprengte huldvoll im Vorüberschreiten
Auf meinen Mund der heil'gen Tropfen einen.

Und als wir nun auf dunkler Straße standen,
Um meinen Hals sich ihre Arme wanden -
Da küßte von der Lippe sie den Segen.

O! sel'ge Weihnacht! Lieb' ist neu erstanden,
Heil uns, daß wir den Stern der Liebe fanden!
Wir sind geweiht; sein Licht glänzt unsern Wegen!

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 192)
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Meine Liebe

Als Kind schon hob sich mir in stillem Neide
Die junge Brust beim Ruhm von Männerthaten;
Doch fühlt' ich mich beglückt wenn Frauen nahten,
Im holden Liebreiz, in der Anmuth Kleide.

Sie waren Herzenslust mir, Augenweide!
Ich folgte liebend ihren sanften Pfaden,
Um ihres Liebelächelns Huld und Gnaden
Dient' ich in Demuth, oft in bitt'rem Leide.

Und von der Mutter heil'gem Angesichte
Bis zu der Schwestern lieblicher Geberde,
Schien Alles himmlisch mir an edlen Frauen;

Auf Rosenlippen setzt ich mein Vertrauen,
Der Schönheit glaubt' ich und im Glück verklärte
Sich mir das ernste Leben zum Gedichte.

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 193)
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An Eugenie

Ein Lied an dich hast du mir aufgetragen
Und ich erschrecke ob den süßen Pflichten,
Du glaubst, um Liebeslieder schön zu dichten
Bedürft' es nur die Saiten anzuschlagen!

Vertraulich laß dir ein Geheimniß sagen,
Ein Zauberwort, wonach sich Dichter richten,
Den Inhalt aller lieblichen Geschichten;
Ach! eine Welt voll Jubel und voll Klagen!

Die Liebe nur lehrt schöne Liebeslieder.
Und neigst du dich in Liebe zu mir nieder:
So tönt mein Herz, gleich Frühlings Nachtigallen.

Du siehst, die Bitte schon kann mich beglücken,
Die Hoffnung ist poetisches Entzücken -
O, mögte dir das erste Lied gefallen! -

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 194)
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Die Sternschnuppe

Ich kam von dir im hellen Mondenlichte,
Kalt weht der Wind, doch meine Wange glühte,
Schnee deckt die Flur, doch meine Seele blühte
Und üppig sproßten mailiche Gedichte.

Da fiel's herab vor meinem Angesichte
Vom Himmelszelt, wie eine Sternenblüthe
Und schnell erwacht' im gläubigen Gemüthe
Der heiße Wunsch, den ich dir treu berichte.

Du Liebesstern gib mir Eugeniens Liebe!
So fleht' ich fromm mit liebesel'gem Herzen
Und nun vertrau' ich still den mächt'gen Sternen;

Wenn auch versagt dein süßer Kuß mir bliebe,
Du trägst fortan all' meine Liebesschmerzen,
Du kannst dein Herz von meinem nicht entfernen.

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 195)
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Des Zaubers Lösung

Im Liebeswahnsinn hab' ich kühn beschworen
Die Sternengeister, die die Welt regieren,
Entgegen mir die Liebliche zu führen,
Die sich mein Herz in weher Lust erkoren.

Ach, meine junge Liebe, kaum geboren,
Sie sollte dich mit reichen Blüthen zieren,
Da schlug die Flamme schon durch alle Thüren -
Sie hatte schnell das holde Maaß verloren.

Doch nun, ein flehend' Kind, so nah' ich wieder:
Ihr Sterne, nehmt den Zauberschein zurücke!
Allein und hülflos sink' ich dir zu Füßen:

Dein Wille nur kann meinen Schmerz versüßen,
Dein Wille nur sei meine Liebesbrücke;
Fürbitter seien einzig meine Lieder.

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 196)
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Der Maiabend

Wir saßen wie die Kinder still im Grünen,
Entzücken klopfte in den treuen Herzen,
Der bitt'ren Trennung wehevolle Schmerzen
Versanken in des Augenblickes Sühnen.

Ha, säßen wir auf einem Grab der Hünen
Und hielten Wache bei den Leichenkerzen,
Ergingen uns im wilden Sturm des Märzen
Auf ödem Felsenstrand; in sand'gen Dünen.

Wir würden selig Aug' in Auge senken
Und nur der Nähe Himmelsglück bedenken;
Wir fühlten nichts von allen Lebensnöthen!

Wie dreimal selig nun der Herzen Freuen
Wo Maienlüfte Blüthenflocken streuen
Und gold'ne Abendwölkchen sanft sich röthen! -

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 207)
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In der Ferne

Entfernt von dir, mein Herz, mein süßes Leben,
Eilt mein Gedenken fessellos zurücke
Und Phantasie trägt mich auf gold'ner Brücke
Zum Eiland hin, von stiller Fluth umgeben.

O, könnt' ich dort aus schwankem Kahn dich heben
Und jubelnd an das volle Herz dich drücken!
Wie würde dann im seligen Beglücken
Der Maientag im "Rosenthal" entschweben!

Ach Gott! wie himmlisch ist der Liebsten Nähe!
Und ob der Blick in einen Abgrund sähe
So schaurig bange ist der Trennung Schmerz!
O, könnten wir der Kleider enge Falten,
Die schweren Körper, die die Seelen halten,
Hinwerfend, flieh'n an Gottes Vaterherz!

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 208)
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Unterwegs

Wohlauf! wohlauf! die Anker sind gelichtet
Und heimwärts zeigt des flücht'gen Schiffes Kiel!
O, du mein liebes, freudenvolles Ziel,
Nach dem des Herzens Sehnen all' gerichtet!

Und wenn nun wirklich, was der Wunsch gedichtet -
Wenn in dem sich'ren Port der Anker fiel -
Wenn um der Liebe glückliches Asyl
Die Gartenmauer wohlbekannt sich schichtet -

Dann aus der Hütte tritt gleich einem Sterne,
Das holde Weib, dem ich aus weiter Ferne
Der Sehnsucht Grüße tausendfach gesandt! -

O, seid gewogen mir, ihr mächt'gen Winde!
Beflügle dich mein Kiel, daß pfeilgeschwinde
Mein Schiffchen eilt - Gott dank! dort seh ich Land! -

aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 209)
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Der Liebe Opferdienst

Ein wundersames Räthsel ist die Liebe,
Sie thaut hernieder wie ein Maienregen
Und ihrem stillen mütterlichen Segen
Entkeimen hold die zarten Frühlingstriebe,

Auf daß mein Herz ein jugendfrisches bliebe
Strahlt mir dein Blick jungfräulich mild entgegen,
Vor deinem Gruße klopft's mit heißen Schlägen
Und schnell erwacht die Schlummernde, die Liebe.

O, zweifle nicht, siehst du den Schein erblassen -
Und ist es schwer das Ideal erreichen -
Wir zünden des Altares Flamm' auf's Neue;

Zum Opferdienst laß mich die Hände fassen,
Die anmuthvoll sich mir entgegen reichen,
Ich liebe dich, - ich glaub' an deine Treue.

Aus: Gedichte von Katharina Diez
und Elisabeth Grube, geb. Diez
Stuttgart 1857 (S. 216)
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In der Nacht

Geh' hin mein Lied mit leichten Wolkenfüßen,
In stiller Nacht wird Niemand dir verwehren
In Ihrem Zimmer leise einzukehren -
Geh' - trag mein volles Herz zu meiner Süßen.

Hier muß ich einsam kühne Hoffnung büßen -
Doch soll mein Lied nicht Ihre Ruhe stören,
Im Traume nur soll Sie die Stimme hören -
Und lächelnd wird empfinden Sie mein Grüßen.

Wenn dann der Tag in Licht und Glanz gekleidet,
Zu Ihrem Lager freundlich weckend schreitet
Und Ihr zu Füßen seinen Teppich breitet: -

Dann darfst du linde streicheln ihre Wangen,
Dann wird Sie hold den stillen Gast empfangen
Und lieblich trösten zärtliches Verlangen.

Aus: Wiesenblumen von der Sieg
und Feldblumen vom Rheine
Von Kath[arina] Diez und Elis[abeth] Grube geb. Diez
1. und 2. Theil Düsseldorf 1847 (S. 124)
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Auf dem Heimweg

Die Fackel glüht! - getrost du kühner Schwimmer!
Wohl hat der Lebensstrom gewalt'ge Fluthen,
Doch deines Muthes, deines Herzens Gluthen
Erstarken in des Lichtes Schimmer.

Die Liebe wacht! - ihr Stern verlöschet nimmer,
Und die an ihrem großen Herzen ruhten
Sind fromm gefeit zum Schönen und zum Guten,
Sie trügt kein Schein; sie stört kein falscher Flimmer.

Wie auch des Lebens wilde Wogen branden,
Ob auch die rauhen Ströme grausig toben,
Selbst wenn der Leitstern in der Nacht verschwunden

Wer einmal jenes ew'ge Licht gefunden,
Den trägt die sturmempörte See nach oben;
Der wird im Arm der Liebe selig landen. -

Aus: Wiesenblumen von der Sieg
und Feldblumen vom Rheine
Von Kath[arina] Diez und Elis[abeth] Grube geb. Diez
1. und 2. Theil Düsseldorf 1847 (S. 126)
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Mit einem Kranze "Jelängerjelieber"

I.
Die Lehre von der Flüchtigkeit des Lebens
Begann wohl mit dem ersten Liebeskuß,
Es stirbt der Augenblick in dem Genuß;
Das Glück zu fesseln trachtest du vergebens.

Wohl war dies' Thema Gegenstand des Strebens
Der alten Weisen, wie es zum Verdruß
Der jüngsten Gegenwart gereichen muß,
Und alle Menschenkinder - sie erleben's.

Ein Häuflein giebt's nur, das sich muthig wehret
Und mit Erfolg die Flüchtigkeit der Dinge
Kühn überwindet, im - Begeisterung-Fieber! -

Das sind die Dichter, gänzlich unversehret
Bleibt ihnen süßer Lieb' und Hoffnung Schwinge;
Sie sind berauscht, je länger, um so lieber!


II.
Je länger ach! je lieber wollt ich sagen,
Dir einen Kranz von diesen Blüthen reichen
Mit des Sonettes klingend holden Zeichen -
Nun hat mich Gründlichkeit zu weit getragen.

Die Uranfänglichkeit mußt' ich erst wagen
Mit Sonst und Jetzt und Immer zu vergleichen:
So mußte mir das Blumenbild entweichen,
Und vierzehn Zeilen hab' ich zu beklagen.

Nun aber will ich mich in Kürze fassen,
Will alles Flüchtige und Nicht'ge lassen,
Bin ich doch dein, je länger um so lieber!

Es möge mir dein Blick, dein Lächeln geben
Im Wechsel Dauer, im Vergehen Leben; -
O, bleibe mein, je länger ach! je lieber!

Aus: Wiesenblumen von der Sieg
und Feldblumen vom Rheine
Von Kath[arina] Diez und Elis[abeth] Grube geb. Diez
1. und 2. Theil Düsseldorf 1847 (S. 127-128)
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